Samstag, 14. Februar 2009

Antisemitismus steigt, die tieferen Ursachen werden nicht gesehen

Im Deutschland Radio wurde heute Morgen berichtet, dass sich in Großbritannien seit dem Gaza Krieg die Zahl antisemitischer Übergriffe im Vergleich zum Vorjahr verzehnfacht habe. Ein jüdischer Brite schilderte im Interview einen Übergriff, bei dem er durch zwei Männer ohne Vorwarnung verprügelt und getreten wurde. Begleitet wurden die Schläge durch den Kommentar: „Das ist dafür, was Ihr mit den Palästinensern gemacht habt!“

Das Thema Gaza-Krieg lässt mich noch nicht los, so scheint es. An Hand dieses o.g. Beispiels wird noch mal einiges deutlich, was mir durch den Kopf geht.
Es liegt zunächst ganz oberflächlich betrachtet auf der Hand, dass der Gaza-Krieg in einem Zusammenhang mit dem gestiegenen offenen Antisemitismus in Britannien steht. Ohne diesen Krieg wäre die Zahl der Übergriffe sehr wahrscheinlich nicht derart angestiegen. Das ist das eine.

Trotzdem hat beides in der Tiefe nicht wirklich etwas mit einander zu tun! Wie kommen Menschen (in diesem Fall wohl auch mehrheitlich Männer) dazu, ihre Nachbarn für etwas zu misshandeln, was sich tausend Meilen von ihnen weg zugetragen und direkt mit ihnen gar nichts zu tun hat? Die Antwort: Solche Menschen suchen nach einem Zündfunken (welchen auch immer), den sie für sich nutzen können, um einen Hass auf Andere auszuschütten, der aus ihrem eigenen, tiefsten Inneren (eigenem Selbsthass) kommt und im Grunde nichts mit der äußeren Situation zu tun hat. Kindheitserfahrungen spielen hier eine entscheidende Rolle. Gaza-Krieg hin oder her, die selben Akteure hätte früher oder später ein anderes Opfer aus einem anderen Grund gefunden. Wer einmal den Weg eingeschlagen hat, innere Konflikte an anderen abzulassen, der findet immer einen Grund.

Im Deutschland Radio wurde erwähnt, dass man mehr Aufklärungsarbeit leisten müsse, um solche Übergriffe zu verhindern. Ein Ansatz der nur auf der Oberfläche verharrt. Solange sich die Welt da draußen mehrheitlich nur mit Zündfunken beschäftigt und den Blick nicht auf das Dynamit richtet, solange sind solche Blogs wie dieser hier notwendig. Und vielleicht werde ich es noch erleben, dass in einer Radiosendung bzgl. solcher Übergriffe irgendwann ganz selbstverständlich auf psychohistorische Thesen und notwenige(n) Kinderschutz/-fürsorge hingewiesen wird.

Sonntag, 8. Februar 2009

Knessetwahl in Israel als Kriegsgrund? Wohl kaum

Als „rationaler“ Grund für den israelischen Angriff auf Gaza wird u.a. die am 10. Februar 2009 anstehende Knessetwahl in Israel genannt. Mein erster Gedanke dazu ist: Selbst wenn dies ein wichtiger Hintergrund des Angriffes wäre und sich die Regierungsparteien dadurch einen höhern Wahlerfolg ausgerechnet hätte, wäre dieser Entscheidungsprozess ein kranker und nicht einer von psychisch gesunden Menschen. Denn dies würde bedeuten, dass das israelische Volk das Töten von ca. 1.400 Palästinensern mit ihrem Urnengang belohnen würde. Wenn dem dann am 10.02. so sein sollte, würden hier im israelischen Volk starke Bedürfnisse nach einer kollektiven Bestrafung ihres Nachbarn zu Tage treten (ein Zeichen für tiefere emotionale Gründe). Die Regierung wäre dann nur der ausführende Part dieser Bedürfnisse und würde dem Willen des Volkes entsprechen.

Dazu kommt: Unter dem Eindruck eines Krieges wählen die Menschen erfahrungsgemäß meist rechts (was sicherlich auch den PolitikerInnen bekannt sein dürfte). So wird derzeit auch in Israel ein Rechtsruck erwartet. Verlierer könnten hier entsprechend die Regierungsparteien sein. Insbesondere die Hardliner Benjamin Netanjahu (Likud Partei) und vielmehr noch Avigdor Lieberman (Partei Yisrael Beiteinu) könnten Stimmen dazu gewinnen. Wo ist hier also der rationale Grund für den Gaza-Krieg, wenn doch sogar ein Regierungsverlust zu erwarten war und ist?

Interessant finde ich an dieser Stelle eine gemeinsame israelisch-palästinensische Umfrage (durchgeführt vom 27. Mai bis zum 7. Juni 2008), veröffentlich von der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. am 12. Juni 2008.

U.a. wird als Ergebnis genannt:
50 % der Israelis lehnen einen Waffenstillstand mit der Hamas ab, welcher die Einstellung von gewalttätigen Aktivitäten und Kassam-Angriffen auf Israel durch die Hamas sowie militärische Operationen der Israelis im Gazastreifen und die Aufhebung. der Blockademaßnahmen beinhalten würde. 47 % befürworten solch eine Vereinbarung. Die Ablehnung steigt auf 68 %, sollte eine Vereinbarung mit der Hamas nicht die Freilassung von Gilad Svhalit (Anmerkung: vor zweieinhalb Jahren entführten israelischer Soldat) beinhalten.

Auf palästinensischer Seite sprechen sich 78 % für einen Waffenstillstand mit Israel aus. Diese Unterstützung fällt jedoch rapide ab auf 23 %, sollte ein Waffenstillstandsabkommen lediglich auf den Gazastreifen begrenzt bleiben und nicht die Westbank mit einbeziehen. Darüber hinaus fällt die Unterstützung weiter auf 20 % für den Fall, dass eine Vereinbarung nicht die unmittelbare Öffnung der Grenzen, insbesondere des Ra-fah-Grenzüberganges zwischen Gazastreifen und Ägypten, zur Folge haben sollte.

Wenn man es mal von der positiven Seite betrachtet, waren also grundsätzlich fast die Hälfte der Israelis bereit, einen Waffenstillstand mit der Hamas zu vereinbaren. Rein rational betrachtet ist dies ein ganz erheblicher Teil der Wählerschaft. Israel hätte also auch aus einem inneren Interesse heraus den ab dem 19.Juni verhandelten Stopp des Raketenbeschusses weiter ausdehnen und festigen können. Gleichzeitig zeigt sich an Hand der Umfrage, dass 78 % der Palästinenser unter o.g. Bedingungen für einen Waffenstillstand waren. Diese Mehrheit hätte man entsprechend ansprechen können, durch politische Entscheidungen, nicht durch militärische.

Ein politischer Weg, der Frieden schafft, ist nicht nur ein menschlicher, sondern immer auch ein rationaler Weg. Also Leute: Kommt mit nicht mit rationalen Gründen für einen Krieg!

Dieser Beitrag ergänzt folgende Beiträge zum Thema:

- Ergänzung des Beitrags "Nahostkonflik"
- Nahostkonflikt: Krieg in Gaza - eine Ursachensuche

Donnerstag, 5. Februar 2009

Ergänzung des Beitrags "Nahostkonflikt"

Auf der Homepage der AG Friedensforschung, Uni Kassel fand ich einen interessanten Text, auf den ich hier hinweisen möchte: Kollektive Bestrafung. Israels Verbrechen an der Zivilbevölkerung in Gaza (Von Rolf Verleger, u.a. Direktoriumsmitglied im Zentralrat der Juden und ehemaliger Vorsitzender der Jüdischen Gemeinschaft Schlewig-Holstein)
Dieser ergänzt meine Gedanken zum Nahostkonflikt sehr gut, wie ich finde.

"Premierminister Olmert, Armeeminister Barak und Außenministerin Livni behaupteten, daß der Raketenbeschuss israelischer Städte aus dem Gazastreifen unerträglich geworden und nicht anders zu stoppen sei als mit massivem israelischen Eingreifen. Die Unwahrheit dieser Behauptungen war ebenso offensichtlich wie bei den Lügen des George W. Bush. Wieder gibt es genügend Politiker und Journalisten, diesmal gerade und besonders in Deutschland, die diese Märchen gerne nachplappern.", schreibt Verleger. Der Autor führt seine Gedanken im Text dazu weiter aus. Auf eine Stelle möchte ich hier besonders hinweisen:

Die Zahl der Raketeneinschläge auf israelischem Boden war vom 19. Juni bis 31. Oktober 2008 auf fast null zurückgegangen! (ausführliche Statistik der Raketenangriffe hier) Rolf Verleger fragt: „Wenn es eine nicht-kriegerische Methode gab, diesen Raketenbeschuss für mehr als vier Monate zum Verschwinden zu bringen, warum ging dann diese Methode nicht mehr ab November?“ Der Autor verweist als Antwort auf diese Frage auf den Artikel „An Unnecessary War“ (Washington Post vom 08.01.2009) des ehemaligen US-Präsident Jimmy Carter. Dort erfährt man, dass es Verhandlungen zwischen Israel - über den Vermittler Ägypten - und der Hamas gab. Alle Raketenabschüsse der Hamas sollten am 19.Juni für einen Zeitraum von sechs Monaten aufhören, wenn humanitäre Lieferungen auf das normale Niveau gebracht würden, das vor Israels Rückzug 2005 bestand (etwa 700 Lastwagen pro Tag). Der folgende Zuwachs an Lieferungen von Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und Treibstoff erfolgte im Durchschnitt nur in 20 Prozent des normalen Niveaus. Diese fragile Waffenruhe wurde zu einem Teil am 4. November gebrochen, als Israel einen Angriff nach Gaza startete, um einen Verteidigungstunnel zu zerstören. Weitere Konflikte und Unstimmigkeiten um die unzureichenden Warenlieferungen blieben ungelöst und die Feindseeligkeiten brachen erneut aus. „Kann man dies eine »einseitige Aufkündigung des Waffenstillstands durch die Hamas« nennen?“ fragt Verleger.
Allen Interessierten empfehle ich das Lesen des o.g. Textes. Für mich wird hier erneut klar, dass an einem wirklichen Frieden kein Interesse besteht, obwohl es ganz offensichtlich auch Mittel und Wege gab und gibt, die Gewalt auf ein Minimum zu reduzieren.

Allem Anschein nach bereitete die israelische Führung den Gaza-Krieg auch lange Zeit (wohl auch noch vor dem verhandelten Waffenstillstand) systematisch vor. Man wollte nicht die gleichen Fehler wie im Libanon-Krieg machen, in dem zu kurzfristig geplant und agiert worden war. Und man wollte diesen Krieg in Gaza um jeden Preis.

Wohin mit all dem Schmerz und dem Hass, wenn kein Feind mehr da ist, um diesen als "Giftcontainer" zu nutzen? (diese Frage gilt beiden Seiten, Isarael und der Hamas)

Sonntag, 1. Februar 2009

Ergänzung "Grundsätzliche Hinweise"

Ich habe die "Grundsätzlichen Hinweise" um nachfolgenden Text ergänzt. Gerade zu Beginn des Jahres war es mir auch mal wichtig, meine grundlegend optimistische Sicht auf die gesellschaftlichen Entwicklungen kurz aufzuschreiben. Dies kommt leider oft zu kurz, wenn man sich mit dem Thema Krieg auseinandersetzt.

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Mir wurde schon einmal vorgeworfen, dass aus meinem Grundlagentext nur ein Entweder/Oder, ein hier „die guten nicht-misshandelten“ und dort die „bösen misshandelten Menschen“ hervorgehen würde. Ich sehe die Gefahr, dass eine solch schwarz-weiße Deutung je nach dem, wie der Text individuell verstanden und empfunden wird möglich ist. Allerdings möchte ich auch auf die „Grautöne“ im Text verweisen: Stichworte z.B. „Helfender Zeuge“, unterschiedliche Formen und Auswirkungen der Gewalterfahrungen, Einfluss gesellschaftlicher Prozesse wie sie z.B. der „Hamburger Ansatz“ beschreibt.
Wichtig ist mir hier zu sagen, dass meinem Empfinden nach unsere Welt auch kompliziert, ungerecht, herausfordernd und manches mal auch unglücklich machend bleiben würde, wenn die meisten Menschen als Kind Liebe und Achtung erfahren hätten. Ich behaupte nicht, dass das Leben einfach ist (was es ja auch so spannend macht :-) ) Außerdem sind wir nun mal Menschen, wir machen Fehler. Ich glaube aber in der Tat, dass so etwas enorm destruktives wie Krieg nicht mehr entstehen würde, wenn ein bedeutender Teil der Menschheit liebevoll und ohne Gewalt heranwachsen dürfte. Ich bin dabei im Grunde auch Optimist. Es wird noch so einige Generationen dauern, aber es zeichnet sich im historischen Rückblick ab, dass sich die Kindererziehung von Generation zu Generation verbessert und die Menschen dadurch immer emphatischer werden. Nie zuvor in der Geschichte wurden Kinder zu gut behandelt, hatten Kinder so viele Rechte und wurde Kindern und ihrer Entwicklung so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie heute (trotz aller immer noch erschreckender Zahlen, die vorliegen). Es ist somit nur eine Frage von Zeit. Haltet mich für verrückt: Ich bin mir sicher, dass spätere Generationen mit dem gleichen Erschrecken und Unverständnis in die Geschichte auf Kriege blicken werden, wie wir dies heute in Europa tun, wenn wir uns z.B. mit der mittelalterlichen Hexenverbrennung oder der mittelalterlichen Medizin beschäftigen. Kriege werden für spätere Generationen nicht mal mehr theoretisch vorstellbar sein.