Freitag, 25. Februar 2011

Kurze Anmerkung zu Verteidigungsminister Guttenberg

Wer einmal bei Googel Bilder „guttenberg“ + „afghanistan“ eingibt, wird auf etliche Bilder stoßen, die den Verteidigungsminister zusammen mit Soldaten und/oder im Einsatzgebiet der Bundeswehr in Afghanistan zeigen. Guttenberg ist da mal mit Kampfhelm und Sonnenbrille, mal mit Bundewehrshirt und schusssicherer Weste, mal im Kampfhubschrauber hinter einem Soldaten am Bordmaschinengewehrs usw. zu sehen. Bilder sprechen manchmal eine deutlichere Sprache, als das, was gesagt wird. Guttenberg scheint der Job als Befehlshaber einer sich im Krieg befindenden Bundeswehr zu gefallen, das sagen die Bilder. Guttenberg war schon als junger Mann bei der Bundeswehr und absolvierte einen Unteroffizierslehrgang. Die Bundeswehr liegt ihm also.

Der aktuelle Skandal um seine Doktorarbeit ist ein Thema für sich. Für mich noch erschreckender ist, dass ein deutscher Verteidigungsminister Guttenberg, der sich mit seiner ihm unterstellten Armee in einem Krieg befindet und diesen auch richtig findet, lange Zeit beliebtester Politiker in Deutschland war, laut manchen Medienberichten sogar auch jetzt noch ist.

Mittwoch, 23. Februar 2011

"Bruder Gaddafi" und seine "Familie"

"Gaddafi schreit sein Volk nieder", schreibt der SPIEGEL über die aktuelle Fernsehrede des Diktators. "Während das Land im Chaos versinkt, die Luftwaffe auf Demonstranten schießt und mehrere Städte des Landes schon in den Händen der Opposition sein sollen, gerierte sich Gaddafi wie eine Mischung aus realitätsfernem Exzentriker und wutentbranntem Vater, dem die Kinder davonrennen. Emotionale, endlose und stellenweise wirre Reden sind die Libyer von ihrem Diktator gewohnt - aber dieser Auftritt war zu diesem Zeitpunkt eine Kampfansage an das eigene Volk.“

Mir fällt immer wieder auf, dass Führer autoritärer Staaten oder Diktatoren - aber auch andere politische Führer - eine Familienrolle einnehmen; meist die des Vaters, der über sein Volk wacht, alles weiß, allmächtig ist und ggf. Strafen verhängt, wenn es Fehlverhalten in seinem Hause gibt. Ebenfalls gibt es Beispiele dafür, wie Saaten nach Familienrollen aufgeteilt waren (z.B. der „große Bruder Russland“ und die angehängten Länder der UDSSR oder das ehemalige Jugoslawien, in dem sich laut Alenka Puhar das „Familien-Zadruga-System“ der Region in der dortigen Staatenaufteilung und in den entsprechenden Verhaltensweisen widerfand.) Gaddafis aktuelle Rede im Staatsfernsehen kam auch mir wie die eines wutentbranntem, autoritären Vaters vor, dem die Kontrolle über die Kinder verloren zu gehen droht. Gaddafi selbst ließ sich in der Vergangenheit gerne als „Bruder Gaddafi“, „Bruder Führer“, „Bruder Oberst“ oder „Bruder Revolutionsführer“ ansprechen. Auch hier findet sich wieder die Verbindung zur Familie in Sprache und Geste. Ein Anführer des „Clan der Warfala“ (mit rund einer Million Angehörigen) hat jetzt gesagt, Gaddafi sei kein Bruder mehr. Die „Familienbande“ wurde aufgelöst, so scheint es. Gaddafi wird nicht länger als oberstes „Familienoberhaupt“ akzeptiert, sondern bekämpft.

Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass ein offensichtlich Wahnsinniger 40 Jahre lang ein Volk regieren und unterdrücken konnte? Ich bin der festen Überzeugung, dass „Familienmitglieder“, die in der Kindheit Respekt, Geborgenheit und Liebe erfahren durften, nicht plötzlich einen „neuen Vater“ oder „Bruder“ akzeptieren würden, der brutal und autoritär vorgeht. Eben, weil sie es anderes kannten, weil ihr ganzes Denken und Fühlen von Freiheit, Vertrauen, Respekt und innerer Sicherheit geprägt wurde. Wenn dann einer wie Gaddafi käme und die Macht übernehmen möchte, würden sie ihn relativ schnell aus ihrer „Familie“ schmeißen. Wenn aber die Kindheit schon von Anfang an von Gewalt und Demütigungen geprägt war, dann ist auch ein „Vater“ oder „Bruder“ Gaddafi eben etwas, was man gewohnt ist, was man nicht hinterfragt, dem man sich beugt, dessen Anweisungen befolgt werden usw.

In der islamischen Welt ist Gewalt in vielfältiger Form gegen Kinder sehr weit verbreitet. Diese familiäre Gewalt bildet das Fundament für Unrechtsstaaten und destruktive Führer. Würde das Volk zu einem großen Teil aus geliebten Kindern bestehen, hätten Diktatoren keine Chance.

Interessant wäre es allerdings zu untersuchen, in wie weit sich in den letzten drei Jahrzenten die Kindererziehungspraxis in dieser Region ggf. weiterentwickelt und verbessert hat. Wenn sich da eine kontinuierliche Verbesserung feststellen ließe, wäre dies vielleicht eine mögliche Erklärung für den jetzigen Aufruhr. Wie sich Slowenien - das sich bzgl. der Kindererziehungspraxis wesentlich besser entwickelt hatte, als die anderen Balkanstaaten - Anfang der 80er Jahre immer mehr wie eine „befreite Adoleszente“ (siehe Alenka Puhar) zu verhalten begann und gegen den autoritären "Bruder Serbien" aufbegehrte, könnte auch in der islamischen Welt ein ähnlicher Prozess in Gang sein. Allerdings nicht zwischen Staaten, sondern innerhalb der Nationen. Ob die dortigen Staaten sich weiter zu einer „erwachsenen“ Demokratie entwickeln, bleibt abzuwarten. Ähnliche kriegerische Konflikte wie im ehemaligen Jugoslawien bleiben uns hoffentlich erspart.

Montag, 21. Februar 2011

Wikipedia Analyse über die Darstellungen der Kindheiten von Diktatoren und destruktiven Politikern

Derzeit befasse ich mich - wie im vorherigen Beitrag erwähnt - damit, wie weit psychohistorische Thesen online verbreitet sind. Dazu gehört für mich auch die Sicht auf die jeweilige Kindheitsanalyse von Diktatoren und destruktive Politiker. Wer einen Namen wie „Adolf Hitler“ oder „Stalin“ bei Googel eingibt, erhält als erste Treffer meist die Darstellung der Person bei Wikipedia. Jeder, der sich für diese Person interessiert, erhält erste Informationen also über dieses Webportal. Zudem sind die Texte Gemeinschaftsprojekte und geben somit ein Bild davon ab, wie weit bestimmte Dinge allgemein bekannt sind oder sich auf den Wiki-Seiten überhaupt durchsetzen lassen oder ggf. auf Widerstand stoßen und wieder gelöscht werden. Für mich macht es also Sinn, mal nachzuschauen, wie viel dort über die Kindheit und die entsprechenden Gewalterfahrungen inkl. möglicher Folgen über die Personen berichtet wird, die ich hier in meinem Blog bereits analysiert habe (siehe Grundlagentext und extra Bill Clinton und Tony Blair). Denn nur, wenn die gewaltvollen Kindheiten dieser Personen überhaupt bekannt sind, werden auch psychohistorische Thesen mehr von Interesse.

Von 17 Diktatoren/politischen Führern, bei denen ich erhebliche Gewaltverhältnisse/Vernachlässigung in der Kindheit nachgewiesen habe, wird bei Wikipedia nur bei 6 von ihnen auf die destruktive Kindheit hingewiesen oder diese angedeutet. Von diesen 6 beinhaltet wiederum nur die Wiki-Darstellung von Adolf Hitler auch eine direkte Verknüpfung zu den psychischen Folgeschäden seiner Kindheit und somit auch zu seinem späteren politischen Handeln. Bei den anderen 5 wurden Gewalterfahrungen nur kurz mit einem Satz oder einzelnen Wörtern erwähnt, ohne auf mögliche Auswirkungen einzugehen.


Personen, bei denen Gewalterfahrungen/destruktive Kindheitserfahrungen erwähnt wurden:

Adolf Hitler:
Relativ viel über Herkunft und Familie. Erwähnung der Gewalt durch den Vater: „In Mein Kampf schildert Hitler den Vater als streng, autoritär, mitunter auch jähzornig und gewalttätig.“ Besonders auffällig ist ein relativ langer Absatz über Arno Gruens Analyse der destruktiven Eltern-Kind-Beziehung Hitlers und Thesen über die psychischen Folgeschäden. Diese Darstellungen sind meiner Erinnerung nach relativ neu, auf Wikipedia, noch vor über einem Jahr fand ich dort keine Erwähnung von Gruens Thesen. Diese Wikipedia Darstellung eines Diktators/politischen Führers ist somit die einzige, bezogen auf die hier analysierten Personen, in der direkt auf die Folgen der erlebten Gewalt hingewiesen wird und somit auch ein direkter Bezug zum späteren politischen Handeln hergestellt wird.

Stalin:
Kurzer Bericht über gewalttätigen Vater und dessen Alkoholismus. Kein Bericht über Gewalt durch die Mutter.

Wilhelm II.:
Andeutungen, dass seine Mutter ihn nicht akzeptierte; erwähnt werden kurz und beispielhaft die Maßnahmen, zur Behandlung seines Armes; Erwähnung, dass er seine Kindheit als „unglücklich“ empfand.

Ludwig XIII.:
Einziges Wiki-Zitat: „Das empfindsame Kind litt unter der strengen, durch Schläge geprägten Erziehung und der Trennung vom vergötterten Vater.“

Friedrich II. (Preußen):
Bericht über „strenge, autoritär und religiös geprägte Erziehung“ und über „Brutale körperliche und seelische Züchtigungen“, außerdem extra Kapitel über Konflikte mit dem Vater. Insofern ist diese Darstellung im Vergleich zu den anderen schon etwas herausragend.

Bill Clinton:
Einziges Wiki-Zitat: „Mit 14 Jahren nahm Clinton den Namen seines Stiefvaters an, den er selbst als Spieler und Alkoholiker bezeichnete und dem er überdies unterstellte, regelmäßig seine Mutter und gelegentlich auch seinen Bruder misshandelt zu haben“, kein Hinweis darauf, dass auch Clinton Opfer dieser Gewalt wurde.


Kein Bericht über Gewalterfahrungen und nichts oder fast nichts über Kindheit fand ich bei folgenden Personen:

Benito Mussolini

Francisco Franco

Nicolae Ceaușescu

Napoleon Bonaparte

Mao Zedong

Slobodan Milošević (außer vom Selbstmord des Vaters und Mutter erfährt man nichts über die Kindheit und Gewalt.)

Saddam Hussein (Erwähnung der versuchten Abtreibung durch seine Mutter, ansonsten kein Bericht über Gewalt und fast nichts über Kindheit.)

George W. Bush

George H. W. Bush

Ronald Reagan

Tony Blair

Freitag, 18. Februar 2011

Die Kindheits-Ursprünge des Krieges in Jugoslawien werden nicht gesehen

Aktuell treibt mich intensiv die Frage um, warum Thesen, wie sie in diesem Blog vertreten werden (und wie sie durch BestsellerautorInnnen wie Gruen, Miller und deMause in etlichen Büchern nachvollziehbar ausgearbeitet worden sind), im Allgemeinen und in Fachkreisen und Medien im Besonderen i.d.R. gemieden werden wie die Pest. Genauer, eigentlich treibt mich mehr die Frage um, wie man diese Thesen weiter in die Öffentlichkeit bekommt.
Ein Beispiel: Die Slowenin Alenka Puhar hat zwei erschütternde aber sehr klare Beiträge veröffentlicht, die eindrucksvoll und gründlich die „Die Kindheits-Ursprünge des Krieges in Jugoslawien“ und die „Kindheitsalpträume und Rachephantasien“ auf dem Balkan analysieren. Bei aller Gründlichkeit und Nachvollziehbarkeit dieser Beiträge sollte man doch meinen, dass zumindest hier und da diese Texte zitiert oder besprochen wurden (gerade auch, weil die Texte zudem schon seit ein paar Jahren online für alle Interessierten kostenlos zu lesen sind). Vielleicht sogar ein Interview in einer Zeitung mit Puhar zu diesem Thema zu finden ist.

Wenn ich bei Googel "Die Kindheits-Ursprünge des Krieges in Jugoslawien" eingebe, erhalte ich heute ganze 39 Treffer. Für die Suchbegriffe "Alenka Puhar" + Krieg + Jugoslawien erscheinen 89 Treffer. Gibt man "Alenka Puhar" +Kindheit + Jugoslawien ein, erhält man ganze 30 Treffer. Die einzigen paar brauchbaren Treffer, die wirklich in Teilen auf die Texte und Thesen von Puhar eingehen, sind wiederum psychohistorische Texte, vor allem von Winfried Kurt. Natürlich erscheint auch mein Blog in der Trefferliste. Ansonsten erhält man weitegehend Treffer der Personensuchmaschine „yasni“ und ähnliche Registerseiten oder zwei, drei Links auf die Texte. Das war es! Keine einzige deutsche Zeitung scheint – zumindest laut Onlineabfrage – auf diese tieferen Ursachen des Krieges aufmerksam geworden zu sein. Der einzige – außerpsychohistorische – wissenschaftliche Beitrag, der sich kurz und eher in einem Nebensatz auf Puhar bezieht, ist der von Mišković unter dem Titel „Rezension zu Holm Sundhaussen: Geschichte Serbiens. 19.-20. Jahrhundert“.

Gebe ich dagegen als Suchworte „Ursachen + Krieg + Jugoslawien“ ein, dann erhalte ich enorme 297.000 Googel-Treffer. Die Ursachen des Krieges im ehemaligen Jugoslawien waren und sind also von Interesse. Dass die psychohistorische Analyse im Grunde gar keine Aufmerksamkeit bekommt, ist niederschmetternd, leider aber nun mal Realität. Insofern hoffe ich, dass ich durch meinen Blog zukünftig etwas mehr Menschen dazu anrege, sich mit den Texten von Alenka Puhar zu befassen.

Samstag, 5. Februar 2011

Nicht vergessen: Deutschland ist im Krieg!

Fünf deutsche Soldaten berichten, wie sie in Afghanistan verletzt wurden, wie Kameraden starben und wie „Taliban“ getötet wurden: „Die Narben des Krieges

Dienstag, 1. Februar 2011

Kindheit und Volksaufstand in Ägypten

Erst ein Volksaufstand in Tunesien jetzt auch in Ägypten. Es ist einiges los in Nordafrika, einer Region, die mir nicht wirklich bekannt ist und über die ich politisch wenig beitragen kann. Wir werden sehen, wie sich diese Länder weiter entwickeln.

Mir fällt aktuell allerdings eine Studie ein. In Ägypten sagten bei einer Umfrage 37 % der Kinder, dass sie von ihren Eltern misshandelt oder gefesselt würden. 26 % berichteten über Knochenbrüche, Bewusstlosigkeit oder eine bleibende Behinderung aufgrund der Misshandlungen. (vgl. WHO, 2002, S. 62) Diese Zahlen sind heftig und erschreckend, vor allem auch bzgl. der schwerwiegenden Folgen der Gewalt, die hier berichtet wurden. Die Original Studie heißt: Youssef RM, Attia MS, Kamel MI. 1998: Children experiencing violence: parental use of corporal punishment. Child Abuse & Neglect , 22:959–973. Sie ist also aus dem Jahr 1998. Über 13 Jahre sind seitdem vergangen und diejenigen, die damals Kind waren, sind heute junge Männer und Frauen und viele von ihnen werden heute auf den Straßen sein, ob nun als Demonstrant, Polizist oder Militär. Die ältere Generation, die zukünftig Machtpositionen einnehmen wird, wird vermutlich sogar noch mehr und noch härter von elterlicher Gewalt betroffen sein.

Vor diesem Hintergrund wird es vermutlich ein schwerer Weg für eine echte Demokratiebewegung werden. Heute haben die Ägypter ein gemeinsames Ziel und einen realen Feind: Das autoritäre Regime Mubarak. Doch was kommt danach? Kann eine Nation, die zu über einem Drittel als Kind schwer misshandelt wurde, eine friedliche Revolution schaffen und eine echte Demokratie aufbauen? Grundsätzlich will ich hier nicht Nein sagen. Alles ist möglich. Die dortigen Entwicklungen bleiben spannend und schon jetzt wird deutlich, dass der Sturz autoritärer Regime in islamischen Ländern auch von den Menschen selbst geschafft werden kann. Man braucht dazu keine US-Invasion…