Freitag, 12. April 2024

Mehr Gewaltdelikte in Deutschland: Wann endlich reden wir in diesem Kontext deutlich über Gewalt gegen Kinder mit Migrationshintergrund?

Die Kinder- und Jugendkriminalität und Gewalt an sich steigt in Deutschland laut aktueller Kriminalstatistik. Ein überdurchschnittlicher Anstieg von Delikten zeigt sich darüber hinaus bei den Nicht-Deutschen. In den Medien werden diese Sachverhalte derzeit breit und groß diskutiert. 

Was selten in den Medienberichten kommt: Die Unterschiede beim Gewalterleben in der Kindheit; ein ganz wesentlicher Risikofaktor für eigenes Gewaltverhalten!

Dabei ist es ist schon lange bekannt und es mag vielleicht schon deswegen abgedroschen, „langweilig“ oder nicht erwähnenswert sein. Vielleicht ist es aber auch so, dass das Thema einfach gesellschaftlich immer noch abgewehrt wird, weil so viele selbst betroffen sind. 

Das KFN hat schon 1999 in dem Bericht Pfeiffer et al. „Innerfamiliäre Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und ihre Auswirkungen“ im Grunde alles Wesentliche dazu gesagt und aufgezeigt. 

Zum einen zeigt der Bericht den klassischen kriminologischen Befund, dass die Raten aktiver jugendlicher Gewalttäter mit wachsender Häufigkeit und Intensität innerfamiliärer Gewalterfahrungen im Kindesalter systematisch ansteigen. Zusätzlich gilt dieser Effekt auch bzgl. der Beobachtung elterlicher Partnergewalt. 

Jugendliche mit Migrationshintergrund berichten häufiger von erlittener Gewalt im Elternhaus und auch dem Beobachten von Häuslicher Gewalt (Pfeiffer et al. 1999):

(Grafiken anklicken, dann wird es deutlicher!)





Ein deutlich aktuellerer KFN Bericht aus dem Jahr 2023 (Dreißigacker et al.: Jugendliche in Niedersachsen. Ergebnisse des Niedersachsensurveys 2022) zeigt weiterhin große Unterschiede im Gewalterleben in der Kindheit von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund auf. 8.539 Schüler und Schülerinnen wurden in Niedersachsen befragt. 

So haben schwere körperliche Gewalt in der Kindheit (im Elternhaus) 8,7% der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund erlitten. Jugendliche mit Migrationshintergrund der ersten Generation dagegen zu 26,7% und Jugendliche mit Migrationshintergrund der zweiten Generation zu 22,8%. Häufig psychische Gewalt haben 33,4% der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund erlitten. Jugendliche mit Migrationshintergrund der ersten Generation dagegen zu 42,3% und Jugendliche mit Migrationshintergrund der zweiten Generation zu 47,9% (Dreißigacker et al. 2023, S. 120). 

Die weitere Datenauswertung in dem Bericht zeigt wiederum, dass Jugendliche, die Gewalt in der Kindheit erlitten haben, auch deutlich häufiger angeben, Gewalt- und Eigentumsdelikte begangen zu haben.

Bzgl. dem konkreten Vergleich von Gewaltdelikten zeigen sich entsprechend auch Unterschiede zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund:
Es haben signifikant weniger einheimische Jugendliche (14.0 %) angegeben, im Verlauf ihres Lebens schon mindestens ein Gewaltdelikt begangen zu haben, als es Jugendliche mit einem Migrationshinterhrund der ersten (18.7 %) und zweiten Generation (21.1 %) getan haben. Auch bei allen einzelnen Delikten weisen einheimische Jugendliche die geringste Lebenszeitprävalenz auf, wobei sie sich beim Raub nicht von Jugendlichen mit einem MH der ersten Generation unterscheiden.“ (Dreißigacker et al. 2023, S. S. 78). 

International gibt es mittlerweile sehr viele Daten zum Ausmaß der Gewalt gegen Kinder (siehe z.B. hier). Gesamtafrika und der Mittlere Osten (plus Länder wie Afghanistan) sind dabei weltweit „führend“, wenn es um Gewalt gegen Kinder geht. Aus diesen Regionen kamen und kommen sehr viele geflüchtete Menschen zu uns. Sie bringen dabei sowohl ihre eigenen Kindheitserfahrungen als auch eingeimpfte Erziehungsnormen mit. Mit dieser Tatsache muss sich die deutsche Gesellschaft endlich systematisch und nachhaltig befassen. Denn die Menschen sind ja nun mal hier und oftmals auch die Kinder der neu Angekommenen. Wir brauchen viel mehr Aufklärung über gewaltfreie Erziehung, mehr Familienhelfer und natürlich eine traumainformierte Schule und Kita (inkl. dem Wissen, dass Kinder mit Migrationshintergrund häufiger von Gewalt betroffen sind). 

Wer Gewaltkriminalität verhindern will, muss bei den Kindern anfangen. 

Außerdem sollte endlich in Medienberichten, die die Frage stellen, warum durch Nicht-Deutsche mehr Gewaltdelikte begangen werden, routinemäßig auf die Zusammenhänge in Richtung gewaltvoller Kindheitserfahrungen hingewiesen werden. Es ist absolut unterkomplex und nicht erkenntnisbringend, wenn dieser Bereich immer und immer wieder "vergessen" wird. 

Was mich außerdem ärgert: Die deutsche Gesellschaft blickt vor allem ängstlich und total selbstbezogen auf die Gewalt durch Nicht-Deutsche oder Menschen mit Migrationshintergrund. 
Erstens ist und bleibt Deutschland eines der sichersten und friedlichsten Länder der Welt. "Früher" war vieles schlechter!
Zweitens: Die Gruppe, die am meisten Angst vor der Gewalt durch Menschen mit Migrationshintergrund haben muss, sind nicht die deutschen Durchschnittsbürger, sondern es sind vor allem die Kinder aus den Migrantenfamilien. Und auch hier gilt natürlich, dass ein großer Teil dieser Kinder liebevoll und gewaltfrei aufwächst (bitte keine Pauschalurteile). Aber die Daten zeigen nun mal auch deutlich, dass diese Gruppe von Kindern deutlich gefährdeter ist, elterliche Gewalt zu erleben und/oder mitzuerleben. Darum muss sich die deutsche Gesellschaft gezielt kümmern.