Nachdem ich mich in der Vergangenheit hier viel mit den (schrecklichen) Kindheiten von Diktatoren beschäftig habe, war es mir wirklich eine Freude, mich nun mit der Kindheit von Alice Schwarzer zu befassen. Ich habe schon vor geraumer Zeit darüber nachgedacht, dass man eigentlich das Thema Ursachen von Gewalt/Destruktivität zusätzlich von einer ganz anderen Seite angehen müsste. Die TäterInnen bekommen stets viel Aufmerksamkeit und werden erforscht, was auch gut ist. Als „Vergleichsgruppe“ müsste man aber eigentlich auch die biographischen Hintergründe von Menschen analysieren, die eben nicht destruktiv handeln, sondern die sich vielmehr authentisch fürs Gemeinwohl einsetzen und durch ihr echtes Mitgefühl auffallen. Wenn ich die Zeit hätte, ich würde mir die Biographien von so einigen interessanten Menschen schnappen und diese durcharbeiten. Die erste Grundannahme wäre dabei für mich, dass solche Menschen sehr wahrscheinlich mindestens einen liebevollen und fürsorglichen Elternteil oder eine Elternfigur in ihrem Leben hatten, der/die Vorbildfunktionen übernahm und die Empathiefähigkeit des Kindes förderte. Die zweite Grundannahme wäre, dass solche Menschen sehr wahrscheinlich kaum oder keine Gewalt durch Elternteile oder Elternfiguren erlebt haben.
Zur Sache: Alice Schwarzer wuchs – unehelich geboren – bei „einem sehr fürsorglichen Großvater und einer sehr politischen Großmutter" (http://www.aliceschwarzer.de/144.html) wie eine Tochter auf und wurde von deren Erfahrungen geprägt. Ihre Mutter war für sie eher wie eine ältere Schwester, während dem Großvater die Mutterrolle zukam.
Über Alice Schwarzers biologischen Vater erfährt man nicht viel. Er war ein Freund ihrer Mutter und erfuhr nichts von der Schwangerschaft. Alice Schwarzer hat nach eigenen Angaben ihren Vater nie kennengelernt. (vgl. Mika, 1998, S. 28+52)
Ihr Großvater wird von Dünnebier & v. Paczensky (1998) als sensibler, weicher und zärtlicher Mensch beschrieben, der für das Kind die Breie kochte, Kuchen backte und am Abend Gute-Nacht-Geschichten vorlas. Die Großmutter interessierte sich seit die kleine Alice reden konnte sehr für sie, nahm sie ernst und beriet sich auch mit ihr. Zu den Großeltern sagte Alice Mama und Papa und zu ihrer Mutter Mutti. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Großeltern einen antiautoritären Erziehungsstil gegenüber Alice anwandten. Alice hatte als Kind sehr viele Freiheiten und durfte i.d.R. machen, was sie wollte. Alice musste sich an keine vorgeschriebenen Rollen anpassen, sie durfte als Mädchen wild spielen, Baumhäuser bauen, über spiegelglatte Straßen mit dem Schlitten rasen, stark sein usw. Zwangsläufig übernahm sie dadurch auch früh Verantwortung für ihr Leben. Insbesondere wurde sie als Person schon als Kind ernst genommen. Gewalt und Patriarchentum gab es in der Familie Schwarzer nicht. Bis heute haben sich ihr die beiden einzigen Male tief eingegraben, wo sie vom Großvater eine Ohrfeige bekommen hat, weil das so ganz außerhalb der Regeln war. Auch gab es in der Familie Schwarzer Vorbilder für Zivilcourage. „Ich hatte das Glück, in einer Familie aufgewachsen zu sein, die die Nazis gehasst hatte und weiterhin politisch wach blieb.“ (Dünnebier & v. Paczensky, 1998, S. 23)
Als schmerzvolle frühe Erfahrungen können wohl die Verwirrungen der Kriegsjahre und der damit zusammenhängende kurze Aufenthalt in einem Kinderheim angesehen werden. Später werden auch die Erfahrungen von heftigen Streitereien zwischen ihren Großeltern nicht spurlos an Alice vorübergegangen sein. Die Großmutter wird als ambivalenter Charakter beschrieben, mit Eigenschaften wie großem Gerechtigkeitssinn, Charakterstärke, Intelligenz, hohem politischen Bewusstsein usw., aber sie wird auch mit Worten wie tyrannisch und boshaft (gegenüber dem Großvater, nicht gegenüber Alice) und vom Leben enttäuscht dargestellt, was es Alice – die natürlich auf der Seite des geliebten Großvaters stand – sicherlich nicht gerade leicht machte.
Alles in allem hatte es Alice Schwarzer als Kind wohl auch in Teilen schwer. Die Autorin Bascha Mika versucht in ihrer „kritischen Biographie“ insbesondere die spezielle Familienkonstellation, die Familienstreitereien und die Rolle eines unehelich geborenen Kindes im Nachkriegsdeutschland herauszustellen. Bei Dünnebier & Paczensky werden diese Probleme erwähnt, aber nicht zum zentralen Problem, da Alice als Kind ihre Familiensituation selbst nicht im Wesentlichen als problematisch erlebte, hatte sie doch „Vater“ und „Mutter“, eine „Mutti“ und viele Freiheiten. Eher noch wird diese spezielle Situation zum Antriebspunkt, Dinge und gesellschaftliche Normen anders zu betrachten.
Auch die kritische Bascha Mika beschreibt allerdings den fürsorglichen, liebevollen Großvater, der gegen den Zeitgeist sehr mütterlich war. (vgl. Mika, 1998, S. 37ff) Alice Schwarzer erlebte Geborgenheit und Liebe und – für damalige Verhältnisse recht ungewöhnlich – keine traumatische Gewalt in der Familie. Schaut man sich das Leben und die Arbeit von Alice Schwarzer an, dann finden sich viele Verbindungslinien zu ihren Kindheitserfahrungen und ihrer (ungewöhnlichen) Sozialisation. Ihr authentischer und starker Einsatz gegen eine Spaltung von Menschen in Männer und Frauen, für mehr Emanzipation und Gerechtigkeit, gegen Krieg, gegen Kindesmissbrauch, gegen Extremismus usw., ihre humorvolle, lebensfrohe Art, ihre häufige Betonung, dass ihr Handeln sehr von Mitgefühl geleitet würde, die journalistische Arbeit für die Darstellung positiver Identifikationsfiguren bzw. Vorbilder, das Ernstnehmen ihrer LeserInnen und nicht zuletzt ihre Fähigkeit, keine Feindbilder für die Aufrechterhaltung ihres Selbstwertes zu brauchen (diesen Punkt mag der ein oder andere kritisch sehen, wenn man aber genau hinschaut, will Frau Schwarzer die Emanzipation im Grunde mit den Männern zusammen und auch für diese gestalten, nicht gegen sie.) all das bringt mich zu der Frage, ob Alice Schwarzers Weg der selbe gewesen wäre, hätte sie als Kind Gewalt durch ihre Elternfiguren erlebt. Alice Schwarzer sagte mit Bezug zur Wirkung der erlebten gewaltfreien Erziehung über sich selbst: „Und da ich zwar Schmerz, aber keine Erniedrigung und Gewalt innerhalb meiner Familie erlitten hatte, war ich, glaube ich, eine recht stolze, unerschrockene Person.“ (Dünnebier & v. Paczensky, 1998, S. 26f) Eine Aussage, die für sich spricht.
Literatur:
Dünnebier, A. & v. Paczensky, G. 1998: Das bewegte Leben der Alice Schwarzer. Die Biographie. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln.
Mika, B. 1998: Alice Schwarzer. Eine kritische Biographie. Rowohlt Verlag Reinbek.
Nun, ich weiss nichtgenau wer Sie sind. Viele Artikel in diesem Blog find ich interessant und zutreffend.
AntwortenLöschenDie Glorifizierung von Alice Schwarzer jedoch erstaunt. Anscheinend haben Sie bei diesem Artikel durch eine rosarote Brille geschaut. Alice als psychisch gesund hinzustellen, ist nun mal bei dem krankhaften gebaren dieser Frau, mehr als absurd.
"Ihr authentischer und starker Einsatz gegen eine Spaltung von Menschen in Männer und Frauen" das ist wohl ein Witz, oder? Schwarzer, die sagt alle Männer sind potenzielle Vergewaltiger, Familiäre Gewalt ginge immer von Männern aus - entgegen ihrer eigenen Erfahrung, in der die Großmutter die Tyrannin war, als eine Frau zu bechreiben, welche sich gegen die Spaltung von Männern und Frauen einsetzt, ist dann wohl mehr als zynisch. Diese Hommage an Alice Schwarzer hat nichts mit der Realität gemein.
AntwortenLöschenHallo Max,
AntwortenLöschen1. zeigt Dein Blog - dessen Grundthema an sich ich wichtig finde - auf Grund der verlinkten Seiten, dass Du der Maskulistenszene nahe stehst
2. Muss mann Schwarzer schon erst einmal genau lesen, ohne ideologische Scheuklappe. Wer schreibt, dass sie alle Männer als potenzielle Vergewaltiger ansieht, disqualifiziert sich bereits selbst.
Ehlich gesagt wundert es mich, dass hier bisher nicht mehr dergleichen Kommentare eingetrudelt sind. Das Schwarzer als Hass- und Projektionsobjekt herhalten muss, ist ja seit Jahrzehnten bekannt, daran hat sie slbst sich wohl schon dran gewöhnen müssen.....
Hallo Sven
AntwortenLöschenehrlich gesagt hab ich nie so recht an die glüclliche kindheit von alice schwarzer glauben können.
es kommt mir jetzt nach der schwarzgeldaffaire so vor als hätte sie vieles in ihrer biografie beschönigt dargestellt (eben die sehr tyrannische grossmutter und das imstichgelassen sein von der mutter)
um ihre anliegen besser durchsetzen zu können und weniger angriffsfläche zu bieten,
ein wenig wie bei alice miller die auch einen glorienschein bewahren wollte und ihre arressivität vor der öffentlichkeit geschickt versteckte.
alice schwarzer ist nicht das selbe destruktive kaliber aber steuerhinterziehung ist kriminelle energie.(schliesslich geht es da um bereicherung und nicht um existentielle not)
wir sollten niemanden schützen wenn es um aufklärung geht
herzlich gemeinte grüße
tonie
Hallo Tonie,
AntwortenLöschendie aktuelle debatte um Szteuerhinterziehung und die Gleichsetzung von Schwarzer mit anderen Steuerhinterziehern übersieht - meienr meinung nach - zwei wesentliche Punkte:
1. das Schweizer Konto wurde von ihr in eienr persönlichen Notlage eröffnet, da sie fürchtete, ins Ausland fliehen zu müssen. Etwas, was nur zu verständlich ist, wenn man sich mit der Stimung gegen schwarzer in den 80er Jahren befasst.
2. Sie hat das Geld bis vor Kurzem nicht angerührt, auch die Zinsen nicht! Wenn man dazu nimmt, dass sie jetzt für 1 Mio eine Stiftung gegründet hat (vermutlich aus dem Geld vom Schweizer Konto) und einen legalen Weg der Steuernachzahlung wählte, sehe ich keine "niederen" Beweggründe, um sich persönlich zu bereichern. Ich sehe vielmehr den für mich nachvollziehbaren weg, der zu dem Konto führte.
Für mich hat sie nicht an Glaubwürdigkeit verloren. Aber das ist eben auch meine persönliche Sicht als Jemand, der sie und ihre Schreiben7Denken schon seit 15 Jahren verfolgt.
ich finde das unmögich dass Frau Schwarzer sich jetzt als Ofer stilisiert
AntwortenLöschenAuch ich verfolge ihr tun und ihre schriften und da war ich nicht immer angetan besodners wenn es um Kinderschutz ging.
Sie war immer ein der jenigen die die Mütter von Schuld feisprechen wollte und den Töchtern nahelegte die Mütter zu verstehen und sich zu versöhnen.
In letzter zeit erst hat sie diese
verschleiernde Sicht erst modifiziert.
Auch bin ich Frau Schwarzer schon persönlich begegnet und da fand ich sie ganz schön übergriffig
Meine Meinung
Sorry wenn das unbequem ist
Beste Grüße
Tonie
Ich versteh das du dich nicht anlegen magst mit A.Sch.du schreibst ja selbst viel im Forum der Emma um die Kinderrechtssache unterzubringen.
das ist heikel
Hallo Tonie,
AntwortenLöschenich glaube, das ich der Letzte bin, der Schwarzer von Fehlern freisprechen würde. (Übrigens habe ich auch mal kurz Kontakt zu ihr gehabt und fand sie recht nett) Fehler, Widersprüche, auch Launen und blinde Flecken, das gehört zu uns Menschen.
Ich betrachte das Gesamtpaket und das, was in der EMMA geschrieben wird. Es gibt kein vergleichbares Blatt, dass derart deutlich gegen Täterstrukturen kämpft und diese benennt, Humor hat, Lebenslust und Vielfalt ausstrahlt, Kontakt zu den Lesenden sucht und Opfern zur seite steht, wie dieses.
Übrigens hat A.S. kürzlich geschrieben: „Man muss auch hassen können!“ Manchmal sogar die eigene Mutter.", also so ganz mit dem "Töchter müssen sich versöhnen" stimmt das ja nicht.
Allerdings fehlt mir in der Tat bei der EMMA das Ursachenverständnis für die Tätergenese von Männern. Oder anders gesagt: Ich glaube, das sie darum wissen, aber dies eher nicht unterbringen, weil die Leserschaft darauf unkalkulierbar reagieren könnte. Aber deswegen kommentiere ich ja hin und wieder dort, um da für das Verstehen zu werben .-)
Hallo Sven
AntwortenLöschenich war ja auch sehr positiv überrascht als ich dich bei der Emma entdeckt habe.
Frischer Wind ,manchen zu frisch..klar.
Alice Schwarzer ist für mich keine Heldin in Sachen Schwarzgeld.Das kratzt einfach am Lack und noch tiefer sind die Kratzer durch ihre heuchlerische (in meinen Augen)Reaktion darauf.
Ich will mir auch nicht schönreden das sie mit Bild so gut auskommt.
In der 3 Sat Sendung Sternstunden der Philosophie finde ich ihr verhalten gegenüber der jungen Moderatorin fast Chauvihaft.
Ich denke sie hat einfach viel Leid verleugnen müssen als sie ein kleines Kind war.
Herzlichen Gruss
Tonie
Die Sendung „Sternstunde der Philosophie“ habe ich online nachgeschaut. Die Sendung war echt keine Sternstunde für die Moderatorin. Sie hat in der Tat etwas vermissen lassen: Einfühlungsvermögen. (was Schwarzer ja auch einige male indirekt ansprach).
AntwortenLöschenSorry, Tonie, wenn Du das Verhalten von Schwarzer in der Sendung als chauvihaft empfindest, bin ich nicht wirklich bei Dir.
Der Moderatorin muss doch zudem auch vorher klar gewesen sein, wen sie da einlädt. Sie versuchte doch wirklich die Freiwilligkeit von Prostitution „rational“ zu diskutieren und kam mit „empirischen Belegen“. Schwarzer spricht aber – u.a. deswegen ist sie so beliebt – immer auch aus einem Gefühl heraus. Prostitution geht gar nicht, für diese Feststellung reicht Einfühlungsvermögen, was Schwarzer ja auch direkt sagte.
Ich fand die Sendung dennoch super, weil Schwarzer wunderbar ihre Position klar machen und ausführen konnte und ganz klar wurde, dass es keine Argumente für Prostitution geben kann.
Tonie, nur weil jemand die BILD als Plattform nutzte, unempathische Moderatorinnen etwas vorführt usw. und ja, auch Steuern hinterzog (die Million aber auch in eine Stiftung steckte) muss man ihr keine Destruktivität auf Grund ihrer Kindheit konstruieren. Auch empathische Menschen dürfen mal unhöflich sein, ihre Interessen vertreten, Fehler machen und Verlockungen erliegen.
Zum Thema Alice Schwarzer: Mein Eindruck ist, momentan ist sie hinsichtlich der Geschichte um Köln eine der wenigen Feministinnen in Deutschland, die Prinzipientreue, Anstand und Mut besitzt. Bei vielen Anderen habe Ich das Gefühl, die verteidigen die Täter sogar. Nicht so Alice Schwarzer.
AntwortenLöschenDeshalb habe Ich momentan wirklich echte Hochachtung für Alice Schwarzer entwickelt.
(Ich muss dazu aber sagen, ich hab es nie verstanden, warum Feministinnen vor dem Islam gekuscht haben, um ja nicht mit der "Nazikeule" bedacht zu werden, und hab es Alice Schwarzer immer hoch angerechnet, dass sie bei dieser Kultur keine Ausnahme von ihren Prinzipien gemacht hat. (Muss zugeben, ich hab sowieso extreme Hochachtung vor prinzipientreuen Menschen. Leider sind sehr viele deutsche Intellektuelle alles Andere als Prinzipientreu.))