Dienstag, 24. Mai 2011

Sexualtäter, mangelnde Empathie, innere Ohnmacht und große politische Macht

Alice Schwarzer hat aktuell in ihrem Blog etwas zum Fall Dominique Strauss-Kahn geschrieben. Am Ende ihres Beitrages stellt sie die Fragen:
Was bedeutet das eigentlich für uns, wenn Männer mit einem solchen Frauen- bzw. Menschenbild unsere Welt regieren? Was bedeutet es für ihre Motive, ihre Politik, ihre Entscheidungen? Und was heißt das, wenn Parteien und Medien das Sagen haben, die solche Männer an die Spitze hieven – und ihre ganze Energie damit verbringen, wegzusehen, zu leugnen, zu ignorieren?

Mit diesen Fragen berührt sie einen Punkt, der mich auch umtreibt. Sollten sich die Vorwürfe (orale und anale Vergewaltigung einer jungen Frau, Versuch einer vaginal Vergewaltigung und Freiheitsberaubung) gegen Strauss-Kahn im Verlauf des Gerichtsprozesses als wahr erweisen – wofür es laut Medienberichten bereits einige sehr ernste Hinweise gibt –, dann sagt diese Tat sehr viel über seinen Grundcharakter aus. Als Chef des Internationalen Währungsfonds, aber auch in seiner vorherigen Laufbahn verfügte Strauss-Kahn über erhebliche Macht und konnte maßgeblich internationale politische und ökomische Entscheidungen mit tragen und ins Rollen bringen. Ich selbst kannte den Namen Strauss-Kahn vor den aktuellen Ereignissen nicht und habe seinen politischen Weg nicht verfolgt. Falls Strauss-Kahn ein Vergewaltiger ist, dann muss allerdings auch sein politisches Handeln destruktive Züge getragen haben. Jemand, der eine solche charakterliche Grundstruktur aufweist, wird politisch kein Friedensbringer sein können oder ökonomische Entscheidungen auch emotional bzw. emphatisch ausloten. Jemand, der vergewaltigt, kann auch mitleidlos Entscheidungen treffen, die für ärmere und schwache Regionen ggf. fatale Folgen haben, ohne sich dabei schlecht zu fühlen. Vielleicht fühlt sich so jemand sogar besonders „glücklich“, „lustvoll berührt“,„stark“ und „übermächtig“, wenn er andere Menschen durch seine Entscheidungen ökonomisch „opfern“ kann.

Der Tätertherapeut Gail Ryan hat geschrieben: „Viele Sexualtäter sind als Kinder selbst (physisch, sexuell und/oder emotional) misshandelt worden. Soweit sie Opfer sexueller Übergriffe waren, muten ihre Delikte gelegentlich wie Neuauflagen der eigenen frühen Viktimisierung an." (Ryan, G. 2002: Der Sexualtäter. In: Helfer, M. E. / Kempe, R. S. / Krugman, R. D. (Hrsg,): Das misshandelte Kind. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., S. 491) und weiter:
Im Laufe der Zeit ist deutlich geworden, dass Sexualtäter in allererster Linie „Miss-Braucher“ sind und dass ihr miss-brauchendes und ausnutzendes Verhalten für sie die „Lösung“ eines ihr Leben beherrschenden persönliches Dilemmas darstellt. Dieses Dilemma ist durch ein Gefühl der Hilflosigkeit gekennzeichnet, durch die Unfähigkeit, mit den Dingen zurechtzukommen, ihr Leben selbst zu steuern und sich entsprechend kompetent und sicher zu fühlen. In der Literatur werden Sexualdelikte eher mit dem Konzept der „Macht“ in Verbindung gebracht als mit der Sexualität. Dabei müssen wir uns allerdings darüber im Klaren sein, dass es nicht etwa Machtmenschen sind, die solche Handlungen begehen. Der Missbraucher ist seinerseits ein Produkt der Verletzlichkeit, genauer gesagt, ein Produkt der Machtlosigkeit.
Menschen mögen noch so mächtige Positionen inne haben, trotzdem können sie sich dabei innerlich ganz klein, ohnmächtig und hilflos fühlen. Ich würde sogar behaupten, dass vermehrt gerade Menschen, die als Kind erhebliche Gewalt-/Ohnmachtserfahrungen gemacht haben, in Politik und Wirtschaft an die Macht drängen, um ihren inneren Konflikt zu „lösen“, sich „sicher“ zu fühlen und ihrerseits Macht zu missbrauchen.
Mangelnde Empathie und Verantwortungsbereitschaft sind laut Ryan typisch für Sexualstraftäter (so ist es weiter in seinem Text zu lesen). Große politische Macht und „mangelnde Empathie und Verantwortungsbereitschaft“…diese Kombination kann fatale Folgen haben, nicht nur für das einzelne Vergewaltigungsopfer, sondern für ganze Gruppen oder Gesellschaften, auf die das politische Verhalten des Akteurs einwirkt.

Auch Israels ehemaliger Staatspräsident Mosche Katzav war ca. 7 Jahre lang der mächtigste Mann in seinem Land. Katzav war Ende Dezember 2010 der Vergewaltigung einer Mitarbeiterin in zwei Fällen, der sexuellen Belästigung in weiteren Fällen sowie der Behinderung der Justiz für schuldig befunden worden und wurde am 22. März 2011 zu sieben Jahre Haft sowie zwei Jahre Bewährungsstrafe verurteilt. Auch dieser „Machtmann“ brauchte ganz offensichtlich Opfer, um sich „gut“ zu fühlen. Was das für seine politischen Entscheidungen bedeutete, wie viele Menschen er dadurch evtl. opferte, müsste im Rückblick genauer analysiert werden.

Abschließend bleibt mir noch anzumerken, dass es auch heute etliche westliche, demokratische Entscheidungsträger gibt, die ohne einen Hauch von Mitgefühl Entscheidungen treffen, die etlichen Menschen das Leben kosten (siehe derzeit z.B. den westlichen Einsatz in Libyen) oder die auch anderweitig fatale Folgen für das Leben von vielen Menschen haben. Diese Entscheidungsträger werden allerdings i.d.R. niemals auf einer Anklagebank landen, da ihre Handlungen als „zweckrationale Sachentscheidungen“ gewertet werden, wenn auch vielleicht mit „Irrtümern“ behaftet. Erst wenn diese Menschen direkt gegenüber Einzelpersonen handgreiflich werden und Menschen treffen, die unserer Rechtssprechung unterliegen, werden sie manchmal, oder besser gesagt ganz selten abgestraft. Als Kriegsherren können sie dagegen bedenkenlos Mord und auch Vergewaltigungen in Auftrag geben, dafür gibt es dann kein Gefängnis, sondern oftmals sogar noch Anerkennung.

3 Kommentare:

  1. Der Herr DSK hatte als IWF-Chef ja die Macht ganze Länder zu knechten und die Menschen dort in Not und Elend zu treiben.

    Natürlich alles nur zu ihrem Besten...

    Einen besseren Job um möglichst vielen Menschen möglichst viel Leid zuzufügen gibt es in dieser Welt kaum noch.

    Allenfalls noch als Präsident von USA oder Russland oder chinesischer KP-Vorsitzender.

    DSK als einer der (ex) führenden Chef-Teufel in diesem kapitalistischen System sollte man schon kennen, sonst übersieht man eine riesige Quelle an Leid in dieser Welt.

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  2. "Sollten sich die Vorwürfe (orale und anale Vergewaltigung einer jungen Frau, Versuch einer vaginal Vergewaltigung und Freiheitsberaubung) gegen Strauss-Kahn im Verlauf des Gerichtsprozesses als wahr erweisen – wofür es laut Medienberichten bereits einige sehr ernste Hinweise gibt –"
    Nach allemwas man heute weiss, doch eine ziemlich krasse Vorverurteilung, sowohl von Ihrer wie auch der Schwarzer Seite.
    ??Orale Vergewaltigung, ziemlich abwegig: Beissgefahr! Für manche ist anscheinend keine Polemik zuviel!!

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  3. Alice Schwarzer hat dazu noch mal Stellung genommen und ich kann ihre Ausführungen nur unterschreiben:
    http://www.aliceschwarzer.de/publikationen/blog/?tx_t3blog_pi1[blogList][showUid]=75&tx_t3blog_pi1[blogList][year]=2011&tx_t3blog_pi1[blogList][month]=07&tx_t3blog_pi1[blogList][day]=07&cHash=1d2d10c063

    Dass eine Frau wegen "Beissgefahr" nicht oral vergewaltigt werden könnte, ist wohl eines der dümmsten Männergerüchte und - fanatsien die es gibt... Vergewaltigung bedeutet, dass das Opfer sich in Todesgefahr fühlt und sieht. So wird es erlebt. Manche verfallen dabei auch in eine Art Schockstarre. Vieles ist da möglich. Aber um das zu sehen, müsste MANN auch bereit sein, sich mal von der Opferseite aus mit dem Thema zu befassen.

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