Erst jetzt habe ich die Studie Habetha, S., Bleich, S., Sievers, C. Marschall, U., Weidenhammer, J., Fegert, J. M. (2012). Deutsche Traumafolgekostenstudie. Kein Kind mehr – kein(e) Trauma(kosten) mehr? Kiel: Schmidt & Klaunig. entdeckt.
Die Studie fragt vereinfacht gesagt: Was für Kosten entstehen durch Traumatisierungen in Kindheit und Jugend in Deutschland?
So weit ich gesehen habe wurden folgende Kosten aufgenommen.
Gesundheitsleistungen (Logopädie, ambulante psychotherapeutische Behandlung), sozialen Dienstleistungen (Erziehungsberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe, Soziales Training, Kontinuierliche spielpädagogische Einzelförderung), Bildungsleistungen (Berufsvorbereitung, Ausbildungsförderung) und Produktivitätsverlusten (geringe berufliche Qualifikation, Arbeitslosigkeit).
Ausgehend von den in der Literatur verfügbaren Anhaltspunkten (bzw. vor allem unter Bezug auf eine Studie, die ich hier besprochen habe.) wird von 7,8 Millionen in Deutschland von Kindesmisshandlung/-missbrauch bzw. Vernachlässigung in der Ausprägung „schwer/extrem“ Betroffenen ausgegangen. Nur ein Anteil von 21% wurde – aus in der Studie erläuterten Gründen - für die Herleitung der Kosten mit einbezogen. Das sind dann ca. 1,6 Millionen Menschen, welche die Traumafolgekosten für Gesamtdeutschland ausmachen. Dies ist eine sehr vorsichtige und sehr konservativ angesetzte Zahl, was die AutorInnen auch betonen. Es ergibt sich entsprechend jedes Jahr ein Betrag von 11,0 Mrd. Euro, der durch die Folgen von (schwerer) Kindesmisshandlung/-missbrauch und Vernachlässigung für die deutsche Gesellschaft anfällt!
Diese Zahl muss Mensch erst einmal sacken lassen. Vor allem auch, wenn Mensch von dieser Summe ausgehend weiterrechnet. Denn jeder, der sich mit der Thematik befasst, weiß, dass diese 1,6 Mio schwer misshandelte Menschen eine absolute Untergrenze darstellen, da auch viele mittelschwere Fälle durchaus mit Traumafolgen zu kämpfen haben und die herausgerechneten 6,2 Mio schwer Misshandelten natürlich an anderer Stelle auch Kosten produzieren werden, die hier nicht erfasst wurden. Zudem wird sich jeder mit der Thematik befasster Mensch klar sein, dass die oben aufgeführten Kosten nur ein Teilpaket des Ganzen sind. Sofern z.B. nur rein an Kriminalität (als Folge von Misshandlungserfahrungen) gedacht wird, werden ganz andere Kostendimensionen aufgeschlagen. Kindesmisshandlung kommt der Gesellschaft teuer zu stehen. Es ist ein menschliches Gebot, aber auch ein ökonomisches und erst recht ein politisches, Kinder vor Gewalt zu schützen. Die oben besprochene Studie wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Auftrag gegeben. Insofern ist – hoffentlich – zu erwarten, dass sich die Politik ihrer Aufgabe bewusst wird und dass das mit den „hohen Kosten für Kinderschutz“ gleich wieder vergessen werden kann. Denn Kinderschutz lohnt sich, auch finanziell.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen