Freitag, 5. Juli 2019

Züchtigungsverbot in Frankreich: Rechte Politiker sind für Körperstrafen gegen Kinder


Der französische Senat stimmte jetzt nach der Nationalversammlung einem entsprechenden Gesetz zu, dass jegliche Körperstrafen gegen Kinder in der Familie untersagt. Ich hatte bereits Ende 2018 in dem Beitrag Wie peinlich! Frankreich verbietet elterliche Gewalt gegen Kinder! über diese Entwicklung berichtet.

"Zuletzt hatten nur noch die Abgeordneten um Marine Le Pen das Recht der Eltern verteidigt, ihre Kinder mit einem Klaps auf den Po („la fessée“) oder einer Ohrfeige zu maßregeln. Die Abgeordnete Emmanuelle Ménard von Le Pens Partei RN beschwerte sich, der Staat mische sich in familiäre Angelegenheiten ein." (FAZ, 04.07.2019, "Frankreich schafft Züchtigungsrecht von Eltern ab")

Es ist sicher kein Zufall, dass rechte Politiker auffällig häufig für das Schlagen von Kindern sind (siehe dazu auch Rechte Politiker, rechte Wähler und Kindheit). Rechtsextreme Einstellungen, wie auch rechtsextreme Gewalttaten stehen nachweisbar in einem starken Zusammenhang zu eigens erlittener Gewalt und/oder autoritären Erziehungsmaßnahmen, sowie fehlender elterlicher Zuwendung. Dass sich diese Erkenntnisse wohl auch auf rechte Politiker übertragen lassen, zeigen die o.g. Entwicklungen.
Wer sich als Erwachsener nicht von diesem elterlichen "Gewaltsystem" innerlich und emotional befreien konnte und mit dem Aggressor identifiziert bleibt, ist mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit auch für das Schlagen von Kindern. Mich wundert es entsprechend überhaupt nicht, dass die RN-Abgeordneten so agierten wie gezeigt.


In Deutschland wurden im Jahr 2000 durch das Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung jegliche Körperstrafen gegen Kinder in der Familie verboten. Damals gegen den Willen von CDU/CSU! Dass die Konservativen dagegen stimmten, ist sicher auch kein Zufall.

Wäre es nach den GRÜNEN gegangen, wäre jegliche körperliche Gewalt gegen Kinder schon Anfang der 1990er Jahre verboten worden. Siehe dazu: Gesetzentwurf der Abgeordneten Frau Schoppe und der Fraktion DIE GRÜNEN: Entwurf eines Gesetzes zur Prävention von Gewalt gegen Kinder (Drucksache 11/7135, 15.05.1990)

und

Gesetzentwurf des Abgeordneten Konrad Weiß (Berlin) und der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Entwurf eines Gesetzes zur gewaltfreien Erziehung von Kindern (Züchtigungsverbotsgesetz) (Drucksache 12/5359, 30. 06. 1993)


Manche Gegenargumente von CDU/CSU sind auch heute noch erschreckend aufschlussreich. Zwei Beispiele:

Gesetz zur Änderung des § 1631 BGB (Mißhandlungsverbotsgesetz) (G-SIG: 12020619, Bundesratsitzung 15.10.1993.
Bayerischer Staatssekretär Johann Böhm (CSU): Bilden wir Beispiele! Soll es wirklich kriminelles Unrecht sein, wenn eine Mutter ihrem Kind in einer zugespitzten Konfliktsituation eine Ohrfeige gibt? Wie ist es mit dem vielzitierten Klaps, der schon wehtut? Darf der Staat solche Maßnahmen wirklich als Missbrauch des Erziehungsrechtes definieren und – mehr noch – mit dem Verdikt der Strafbarkeit versehen? Ich meine entschieden: nein! Der Entwurf überschreitet hier die Grenze des Vertretbaren.“ (Seite 455)

oder

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 1631 BGB (Mißhandlungsverbotsgesetz) Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 219. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. April 1994

Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU):
„Aber, wir dürfen dabei auch nicht über das Ziel hinausschießen. Sicherlich geht es nicht in allen Familien vorbildlich und gesittet zu. Andererseits ist auch nicht jede Familie oder die Familie schlechthin eine gewalttätige Institution, aus der man das Kind befreien muß. Ja, wenn Sie die einschlägige Literatur aus einschlägigen Kreisen über den Gewaltbegriff und über die strukturelle Gewalt, die ja schon in den 70er Jahren angesprochen worden ist und an die ich mich noch sehr gut erinnern kann, studieren, dann stellen Sie selbstverständlich fest, daß da die Familie als verlängertes Herrschaftsinstrument eines repressiven Staates etc. und als ähnlicher Quatsch bezeichnet worden ist. Deshalb lehnen wir ganz klar Forderungen nach einem Verbot jeglicher Strafen ab. (…) Wir sind dagegen, jegliche Strafe zu verbieten. Dann wäre ja auch das Fernsehverbot beispielsweise eine Strafe, die verboten werden müßte. Meine Damen und Herren, auch ich bin Vater von zwei Kindern. Deswegen weiß ich, daß man mit Lob, mit Vorbild besser erzieht als mit Bestrafung. Aber aus meiner Erfahrung weiß ich auch, daß man bei einer Erziehung nicht ohne jegliche Sanktionen auskommen kann, wenn man seinen Erziehungsauftrag ernst nimmt. Den SPD-Entwurf, der ein völliges Verbot von Gewalt als Erziehungsmittel vorsieht — die anderen Entwürfe stehen ihm da nicht nach —, lehnen wir aus dem Grund ab, den ich schon vorher erwähnt habe: weil wir zum einen die Ausuferung des Gewaltbegriffes in den 70er Jahren erlebt haben und mittlerweile auch in der Rechtsprechung einen sehr weit gefaßten Gewaltbegriff vorfinden. (…) Bislang war die körperliche Mißhandlung im familiären Bereich durch das in der Rechtsprechung weitgehend anerkannte elterliche Züchtigungsrecht ausnahmsweise gerechtfertigt. Dieser Rechtfertigungsgrund soll nun abgeschafft werden. Meine Damen und Herren, damit ist aber jede körperliche Einwirkung, die von § 223 StGB erfaßt wird, rechtswidrig, also in letzter Konsequenz auch die leichte Ohrfeige oder der so oft zitierte Klaps. Ich habe meine Zweifel, ob ein solches Verhalten in jedem Falle einen Mißbrauch des elterlichen Erziehungsrechts darstellt, der ein generelles Verbot rechtfertigen würde. Außerdem fehlt wohl bei der großen Mehrheit der Bevölkerung jedes Verständnis dafür. Wir schaffen damit eine Kriminalisierung elterlichen Erziehungsverhaltens.“ (Position: 19025 + 19026)




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