Dienstag, 18. Februar 2020

NS-Täter. Die Kindheit von Odilo Globocnik


Ich habe mich mit der Kindheit des NS-Täters Odilo Globocnik befasst. Meine Quelle dafür ist:
Sachslehner, J. (2014): Zwei Millionen ham'ma erledigt: Odilo Globocnik - Hitlers Manager des Todes. Styria, Wien – Graz – Klagenfurt. 

Odilo Globocnik wird als der ´“blutigste Einpeitscher von Judenvernichtung und Germanisierung“ im polnischen Generalgouvernement benannt (S. 11). Er gilt als einer der Haupttäter des Holocaust. In der Inhaltsbeschreibung heißt es: „SS-Brigadeführer Odilo Globocnik ist ­Manager: Manager des Todes. Seine Geschäfte sind der millionenfache Massenmord und der Raub jüdischen Eigentums. (…) Sein monströser Vorschlag zur physischen Vernichtung der polnischen Juden durch Giftgas findet im Herbst 1941 rasch die Zustimmung Berlins, ab dem März 1942 rollen die Todeszüge in die neu errichteten Vernichtungslager Belzec, Sobibór und Treblinka.“

Der Vater von Odilo war ursprünglich beim Militär im Rang eines Oberleutnants. Als er heiraten wollte, wurde er in den Stand der Reserve zurückversetzt und war von nun an Postbeamter. Sein Sohn Odilo Globocnik wurde 21.04.1904 in Triest geboren. Im Ersten Weltkrieg wurde der Vater einberufen und schaffte es in den Rang eines Rittmeisters. Wegen eines Magenleidens scheint ihm der Einsatz an der Front allerdings erspart geblieben zu sein.
Eine Offizierskarriere in der Armee des Kaisers sah der Vater offenbar auch für seinen Sohn als erstrebenswert an, „so wird der elfjährige Odilo nach St. Pölten geschickt, wo dieser am 13. Dezember 1915 nach bestandener Aufnahmeprüfung in die Militär-Unterrealschule eintritt“ (S. 22).

Der Biograf Johannes Sachslehner beschreibt einen Bericht eines früheren Zöglings dieses Militärinternats, die „Vergewaltigung seiner Kindheit“ und den körperlichen und geistigen Missbrauch während dieser Zeit (S. 23). Wie Odilo seinen Aufenthalt dort erlebte, wird nicht beschrieben. Der Biograf meint, dass Odilo mit den „Herausforderungen der Militärerziehung besser zurechtgekommen zu sein“ scheint (S. 23); Grundlage für diese Einschätzung sind offenbar sehr gute Zeugnisse des Schülers, keine Aussagen von Odilo.

Nach Ende des Krieges kehrte der nun mehr 14-Jährige zurück zu seinen Eltern, die ihm ein neues Berufsziel auferlegten: Techniker. Am 01.12.1919 starb sein Vater im Alter von 49 Jahren, wohl an einer Krankheit, die er sich im Krieg zugezogen hat. Für Odilos Mutter, „die nun mit drei unversorgten Kindern allein dasteht, beginnt ein verzweifelter Kampf ums Überleben“ (S. 27). In einem Unterstützungsersuch an die Postdirektion schrieb sie, dass sie und ihre Kinder dem Hungertod anheimfallen werden. „Odilo, der diesen Überlebenskampf hautnah miterlebt, fühlt sich von nun an als einziger `Mann` in der Familie für seine Mutter und für seine jüngere Schwester Erika verantwortlich“ (S. 27). Er verdiente sich als Kofferträger etwas dazu. Allerdings betätigte der Jugendliche sich nebenbei auch politisch, die Parolen der extrem Rechten machte er sich schnell zu eigen. In seinem Heimatort scheint es eine sehr aktive politische Szene gegeben zu haben.

Schilderungen über die Familienatmosphäre oder den Umgang der Eltern mit den Kindern findet man im Grunde fast gar nicht in der verwendeten Quelle. Ebenfalls finden sich wie geschildert keine Details über den ca. dreijährigen Aufenthalt im Militärinternat. Ich muss also etwas spekulieren:
Seine Mutter war die Tochter eines Beamten. Sein Vater war sowohl Beamter als auch beim Militär. Die Eltern regelten den Lebensweg ihres Sohnes, erst sollte er Offizier werden, dann Techniker. Einen Elfjährigen – zudem in Kriegszeiten - in ein Militärinternat zu schicken, mag man damals für eine gute Idee gehalten haben; ein Kind bleibt aber ein Kind. Für einen Elfjährigen bedeutet es einen tiefen Einschnitt von der Familie getrennt und den Vorgesetzten im Internat ausgeliefert zu sein. Was sich dort alles abspielte, lässt sich nur erahnen. Ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass das Kind in den Jahren dort keine Verletzungen und Indoktrinationen erlebt hat.

Die Frage bleibt ergänzend, wie die Eltern Zuhause mit den Kindern umgingen?  Eine vom Militär und vom Beamtentum geprägte Familie des Kaiserreichs steht für mich nicht gerade für eine liberale Erziehung, letztere war damals eh selten zu finden. Ich vermute deutliche Belastungen und Gehorsamsforderungen in der Familie.

Bei aller Spekulation bleiben aber auch die deutlichen Fakten, die eine sehr belastete Kindheit aufzeigen: Trennung von der Familie und Zeit im Militärinternat zwischen dem 11. und 14. Lebensjahr, Tod des Vaters als Odilo 15 Jahre alt war und anschließend verzweifelte Situation der Familie.

4 Kommentare:

  1. Wieder einmal ein spekulativer Beitrag, der nicht erklärt, wie sich ein Mensch zum Monster entwickeln kann. Außer der Hungersnot die O. G angeblich während seiner Kindheit erlebte ist nichts weiter auffälliges darin zu finden. Ob er Opfer von Gewalt wurde kann nur gemutmaßt werden.

    Meines Erachtens reichen die Indizien jedenfalls nicht aus um zum Schluss zu kommen, dass diese Person aufgrund ihrer Kindheit zum Massenmörder wurde Es wäre ähnlich absurd anzunehmen, dass eine strengere Erziehung verhindert hätte, dass O.G zum Massenmörder wurde.

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  2. Na lieber "Anonym",

    da scheinst Du Dich ja erneut etwas auf meine "Spekulationen" festzubeißen.

    Ich muss Dich nicht überzeugen.

    Wer meinen Blog und meine sonstigen Arbeiten kennt, der weiß, dass ich i.d.R. sehr handfeste Daten und Informationen bespreche, die sehr gut erklären, warum ein Mensch "zum Monster" werden kann. Ich werde einzelne NS-Täter, nur weil ich keine eindeutigen Belege für Gewalterfahrungen in deren Kindheit fand (UND keine Belege für ein gewaltfreies Aufwachsen), nicht in der Besprechung ausklammern.

    Und ich muss ergänzend: Wer eine dreijährige Aufenthaltszeit eines Kindes in einem strengen Militärinternat während des Krieges in der Kaiserzeit als "nicht weiter auffällig" bezeichnet, der stellt sich blind.

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  3. Herr Fuchs,

    müssen wir nicht in Anbetracht der Taten von O.G urteilen eine noch strengere Erziehung hätte auch keinen größeren Schaden angerichtet ?

    Niemals kann eine belastende Kindheit rechtfertigen Millionen Menschen umzubringen. Wer dies behauptet relativiert die Schuld der Täter.

    Sicherlich hatten die Täter keine rosige Kindheit. Aber solange diese nicht wie z.B bei Hilter nach Biographenangaben regelmäßig Prügel bekamen, ist es ein sinnlosesn Unterfangen diese auf die Freudsche Bank zu setzen und aus Schicksalschlägen die ein größerer Teil der Bevölkerung in bestimmten Epochen erlebt hat, deren Werdegang zu rekonstruieren.

    Man spruckt sogar den Eltern und Erziehern der NS Täter ins Gesicht, wenn man sagt deren autoritärer Erziehungsstil sei für die Taten ihrer Kinder mitverantwortlich ohne zu wissen, was autoritär in jedem Einzelfall bedeutete.

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  4. Ja, diese Sorge ist absolut berechtigt! Und glauben Sie mir, ich fühle mich auch nicht immer gut dabei, wenn ich solcher Art von Täter analysiere und auf ihre Kindheit schaue.

    Ich habe Ihre Empörung da auch schon etwas rausgelesen und die ist auch in Ordnung. Ich bin trotz allem für keine Denkverbote. Im Kern geht es darum, herauszufinden, wie so etwas wie die NS-Zeit möglich war. Viele Faktoren müssen in die Analyse einbezogen werden. Destruktive Kindheitserfahrungen werden dabei routinemäßig ausgeblendet. Das halte ich für einen fahrlässigen Mangel! Fahrlässig deshalb, weil es darum geht, ähnliche Entwicklungen zukünftig zu verhindern.

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