Ich habe die Schilderungen im Grundlagentext um die traumatische Kindheit von Francisco Franco ergänzt:
Die Kindheit von Spaniens Diktator Francisco Franco ist ebenfalls ein Lehrstück dafür, wie missachtete Kinder sich später an der Gesellschaft rächen können. Francisco Franco entstammte einer Familie mit langer militärischer Tradition, schon der Großvater war ein hochrangiger Militär. Sein Vater - Nicolás Franco – war ein Marineoffizier, der sich auch zu Hause wie „ein General aufführte“, autoritär und tyrannisch war. (vgl. Preston, 1995, S. 3ff) Seine Kinder und auch seine Frau wurden oft Opfer seiner Wutausbrüche. Seine Tochter berichtete später, dass er seine Söhne schlug, hielt sich aber über das Ausmass der Gewalt bedeckt. Zu Hause war der Vater oft abwesend, traf sich außerhalb zum Kartenspielen, für Trinkgelage und mit anderen Frauen. Besonders sein zweitgeborener Sohn Francisco war Ziel seiner Ablehnung. Der dünne, schweigsame Junge enttäuschte seit frühester Kindheit die Vorstellungen des Vaters. Auf ihn angesprochen sprach er zuerst von seinem Sohn Nicolas, manchmal auch von Ramon, Francisco war nur „mein anderer Sohn“. (ebd.)
Don Nicolas verachtete seinen zweiten Sohn auch noch, als der den Bürgerkrieg gewonnen hatte: "Paquito als Staatschef! Paquito als Caudillo! Dass ich nicht lache!" (DER SPIEGEL, 14.12.1992)
Francos Mutter war vor allem bemüht, die religiös-bürgerliche Fassade nach Außen aufrecht zu erhalten und ihr Unglück zu verdecken. Nach dem krankheitsbedingten Tod ihrer kleinen Tochter Paz im Jahr 1903 war sie zudem am Boden zerstört. (Über die Auswirkungen dieser Tragödie auf die anderen Familienmitglieder wird in den Quellen nichts beschrieben) Alle Schilderungen von dem Biografen Paul Preston und auch vom SPIEGEL deuten darauf hin, dass der kleine Francisco seine Mutter trösten und stützen musste. Er begleitete seine Mutter Pilar täglich zur Kirche, wo sie Trost im Gebet suchte. Als ihr Ehemann die Familie im Jahr 1907 – da war Francisco 14 Jahre alt – endgültig verließ, trug sie ab sofort nur noch schwarze Kleider. Es scheint so, schreibt Preston, dass dieser Aufbau eines Schutzschildes vor dem Unglück seiner Mutter auf Kosten der emotionalen Entwicklung von Francisco ging und er eine kalte, innere Leere ausbildete. (vgl. Preston, 1995, S. 4) Francisco war ein einsames, unglückliches und in sich gekehrtes Kind, das zudem älter schien, als es eigentlich war. Er war brav und folgsam.
Die Schilderungen über seine Mutterbeziehung lassen letztlich den Schluss zu, dass er emotional von dieser missbraucht und als Trostpflaster gebraucht wurde. Als Person mit eigenen Bedürfnissen scheint er nicht gesehen worden zu sein.
Die Mutter hatte ihren Kindern außerdem – trotz oder gerade wegen dieser Verhältnisse - den eisernen Willen eingepflanzt "aufzusteigen, Ruhm zu erlangen, und sei es unter höchsten Opfern und Anstrengungen", schreibt DER SPIEGEL.
Die Anerkennung seines Vaters konnte Francisco nie erreichen. Gleichzeitig idealisierte er diesen, kreierte das Bild eines Helden, bestritt später, dass es Probleme zwischen seinem Vater und seiner Mutter und auch den Kindern gegeben hatte und ließ seinen Vater nach dessen Tod prachtvoll beerdigen. (vgl. Preston, 1995, S. 5)
Vaterersatz und Selbstbestätigung suchte Francisco beim Militär, wo er mit vollem Einsatz in jungen Jahren begann. Auch hier erlebte er allerdings zunächst Demütigungen auf Grund seiner kleinen Größe und wurde auch das Ziel von grausamen Initiationsritualen durch seine Kameraden, auf die er mit Gewalt reagierte. (vgl. Preston, 1995, S. 9ff) Spott hatte er auch schon als Kind von Spielkameraden und seinen Geschwistern erfahren, die den schmächtigen, kränkelnden Jungen "cerillita" (Zündhölzchen) nannten.
Aus diesem Jungen wurde später der große General und Diktator Spaniens (El Caudillo - der „Anführer“). Im Militär hatte er sich schnell nach oben gearbeitet und nach dem Bürgerkrieg die Macht übernommen. Im Bürgerkrieg - an dem Franco maßgeblich beteiligt war - kamen von 1936 bis 1939 auf beiden Seiten mehr als 600.000 Menschen ums Leben. (vgl. SPIEGEL-Online, 01.09.2003)
Mindestens 30.000 politische Gefangene wurden unter Francos Regime zwischen 1939 und 1945 hingerichtet, schreibt DER SPIEGEL. Über eine Viertelmillion Republikaner wurde eingekerkert und gefoltert, eine halbe Million musste ins Exil fliehen. Noch 1946 befand Franco: "Es gibt keine Erlösung ohne Blut." Todesurteile unterzeichnete er, "ohne dass mir die Hand zitterte". (vgl. DER SPIEGEL, 14.12.1992)
Quellen:
DER SPIEGEL, 14.12.1992: „Spanien. Brutale Lächerlichkeit“ (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13682558.html)
SPIEGEL-Online, 01.09.2003: "Wo Franco 5000 Opfer verscharren ließ" (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,263915,00.html)
Preston, P. 1995: Franco. A Biography. Fontana Press, London.
Das weltweite, enorme Ausmaß vielfältiger Gewalt gegen Kinder und die An- oder auch Abwesenheit von Mitgefühl sind für mich zentrale Aspekte der Kriegsursachen-/Extremismusforschung, denen ich hier nachgehen möchte. Meine Grundfrage lautet: Wie politisch war und ist Kindheit?
Donnerstag, 25. Februar 2010
Freitag, 19. Februar 2010
Amoklauf in Ludwigshafen. Motiv: Elternhass!
„Bewaffnet mit einer Schreckschusspistole und einem Kampfmesser stürmte Florian K. in seine frühere Berufsschule, tötete einen Lehrer. Sein Motiv: Wut über schlechte Noten.“, so der SPIEGEL.
Viele andere Medien schreiben ähnliches. Überall steht das Motiv „unangemessen schlechte Noten“. Dazu bleiben den JournalistInnen Fragezeichen, die sie dann ausformulieren. „Was tun? Hätte man die Tat vorhersehen können?“
Warum steht über den Artikeln eigentlich nicht „Motiv Elternhass“?
Ohne Elternhass – Eltern ließen einst ihren Hass an ihren Kindern aus, die Kinder aber durften das an Ihnen verübte Verbrechen nicht fühlen und führen ihren Hass wiederum auf der gesellschaftlichen Bühne auf, in dem sie sich an Sündenböcken rächen – gibt es keinen Amoklauf. Geliebte Kinder laufen nicht amok. Geliebte Kinder wollen auch nicht sterben, im Gegensatz zu den Amokläufern, die ihren eigenen Tod herbeisehnen. Und da so viele Kinder "Elternhass" erleben, ist Sicherheit eine Illusion, wird es auch zukünftig Amokläufe geben. Die nachhaltigste Prävention ist somit Kinderschutz und Kinderfürsorge.
Die Parallelen zum Blick auf die Ursachen von Krieg sind offensichtlich. Hier schreiben die ForscherInnen „Motiv Wirtschaftsnot“, „Motiv Ressourcenknappheit“, „Motiv Waffenlobby“ usw. usf. Die tieferen Ursachen wollen auch hier nicht gesehen werden. Geliebte Kinder produzieren keine Waffen und sie führen auch keine Kriege.
Zusätzlich möchte ich auf den Text "Gedanken zum Amoklauf" auf der Homepage von Alice Miller hinweisen. Ich habe lange keine Schilderungen über erfahrenes Kindheitsleid gelesen, die mich so erschüttert haben. JournalistInnen sollten solche Dinge lesen, bevor sie über Ursachen von Amokläufen schreiben. Sie könnten einiges lernen.
Wenn man mit Betroffenen von schweren Kindheitstraumatisierungen spricht, erfährt man oft von "früheren Gedanken, mal jemanden umzubringen". Ich selbst habe in der Vergangenheit immer wieder davon gehört und auch gelesen. Die meisten setzen dies nicht in die Tat um, sondern richten die Gewalt gegen sich selbst. In Kriegszeiten sieht das dann allerdings anders aus und der Hass darf legitim außen ausgelebt werden.
Viele andere Medien schreiben ähnliches. Überall steht das Motiv „unangemessen schlechte Noten“. Dazu bleiben den JournalistInnen Fragezeichen, die sie dann ausformulieren. „Was tun? Hätte man die Tat vorhersehen können?“
Warum steht über den Artikeln eigentlich nicht „Motiv Elternhass“?
Ohne Elternhass – Eltern ließen einst ihren Hass an ihren Kindern aus, die Kinder aber durften das an Ihnen verübte Verbrechen nicht fühlen und führen ihren Hass wiederum auf der gesellschaftlichen Bühne auf, in dem sie sich an Sündenböcken rächen – gibt es keinen Amoklauf. Geliebte Kinder laufen nicht amok. Geliebte Kinder wollen auch nicht sterben, im Gegensatz zu den Amokläufern, die ihren eigenen Tod herbeisehnen. Und da so viele Kinder "Elternhass" erleben, ist Sicherheit eine Illusion, wird es auch zukünftig Amokläufe geben. Die nachhaltigste Prävention ist somit Kinderschutz und Kinderfürsorge.
Die Parallelen zum Blick auf die Ursachen von Krieg sind offensichtlich. Hier schreiben die ForscherInnen „Motiv Wirtschaftsnot“, „Motiv Ressourcenknappheit“, „Motiv Waffenlobby“ usw. usf. Die tieferen Ursachen wollen auch hier nicht gesehen werden. Geliebte Kinder produzieren keine Waffen und sie führen auch keine Kriege.
Zusätzlich möchte ich auf den Text "Gedanken zum Amoklauf" auf der Homepage von Alice Miller hinweisen. Ich habe lange keine Schilderungen über erfahrenes Kindheitsleid gelesen, die mich so erschüttert haben. JournalistInnen sollten solche Dinge lesen, bevor sie über Ursachen von Amokläufen schreiben. Sie könnten einiges lernen.
Wenn man mit Betroffenen von schweren Kindheitstraumatisierungen spricht, erfährt man oft von "früheren Gedanken, mal jemanden umzubringen". Ich selbst habe in der Vergangenheit immer wieder davon gehört und auch gelesen. Die meisten setzen dies nicht in die Tat um, sondern richten die Gewalt gegen sich selbst. In Kriegszeiten sieht das dann allerdings anders aus und der Hass darf legitim außen ausgelebt werden.
Samstag, 13. Februar 2010
Zum Tod von Prof. Dr. med. Peter Riedesser
Per Zufall habe ich gerade erfahren, dass Herr Prof. Dr. med. Peter Riedesser im September 2008 im Alter von 63 Jahren verstorben ist. Ich hatte das Vergnügen, als Student einige Vorlesungen von ihm in Hamburg zu hören, was mir viele Erkenntnisse gebracht hat. Herr Riedesser war speziell, im guten Sinne, sowohl als Mensch als auch auf Grund seines Engagements. Er hatte insbesondere Leidenschaft, Spaß an seiner Arbeit und war sehr kreativ, was seine Vorlesungen anging. Für uns Studierende war ein solcher Dozent ein Glücksfall.
Das Abendblatt schrieb über ihn:
"Peter Riedesser war ein Anstifter. Leidenschaftlich stritt der Mediziner für die Kinder, die durch Kriege, Unfälle, Katastrophen oder Gewalterfahrungen seelisch verletzt worden waren. Er besaß die Gabe, Menschen mit seiner Begeisterung anzustecken."
Ich habe mir erlaubt eine längere Passage aus seiner Rede "Welche Kinder will das Land? Thesen zu Kindheit, Beziehungskultur und Demokratie" (Vortrag Hanse-Merkur, 09.10.2000) hier zu kopieren. Eindrucksvoll und mit klaren Worten benennt er die Dinge, um die es mir in diesem Blog geht:
"Was Eltern intuitiv schon immer wussten, ist heute auch durch die tägliche klinische Erfahrung und wissenschaftliche Studien bewiesen: Kinder brauchen von der Säuglingszeit an ein Nest von konstanten Bezugspersonen, die kontinuierlich und verlässlich eine ganze Kindheit lang zur Verfügung stehen und das Fundament und die Struktur für eine stabile Entwicklung bilden. Auf diesem Urvertrauen aufbauend, entwickeln sich Beziehungsfähigkeit und Beziehungsfreude zu anderen Menschen, die Fähigkeit zur Einfühlung und eine stabile Überzeugung vom Wert der eigenen Persönlichkeit. Kinder hingegen, die durch Vernachlässigung, traumatisierende Trennungen, Misshandlung und dauernde kritische Herabsetzung in Familie und Schule in zentralen Entwicklungslinien beschädigt worden sind, geraten in Gefahr, langfristige Folgeschäden zu entwickeln: Diese können psychische Erkrankungen sein bis hin zu Dorgenmissbrauch und Suizidalität. Es kann aber auch geschehen, dass Kinder, die sich eine Kindheit lang als Opfer von offener und subtiler Gewalt fühlen, eines Tages aus unbewussten oder bewussten Gefühlen der Rache der "Gesellschaft" das zurückgeben, was ihnen an frühen Verletzungen angetan worden ist. Oft geschieht dies ohne Gefühle der Schuld, da die Rache ja "berechtigt" ist. Dies kann zu den üblichen kriminellen Karrieren führen, aber auch zu politischem Terrorismus und Vandalismus. Die rechtsradikalen "Glatzen" sind mit ihren destruk-tiven Aktivitäten gegen ausländische und jüdische Mitbürger nicht vom Himmel gefallen, sondern es sind die psychisch verletzten, vernachlässigten, in den Hass abgeglittenen Kinder von gestern. Die vielen Hunderttausend beschädigten, vernachlässigten Kinder von heute sind in Gefahr, die rechtsradikalen "Glatzen", Drogenabhängigen und Delinquenten von morgen zu werden und die erlittenen Traumatisierungen eines Tages an die nächste Generation, nämlich ihre eigenen Kinder, weiterzugeben. Die misshandelnden Eltern von heute sind die misshandelten Kinder von gestern, die traumatisierten Kinder von heute sind die potentiellen Täter von morgen.
Wenn dies so ist, hat es gewaltige Konsequenzen für unser präventives Denken und Handeln; denn jetzt ist es nicht nur ein Gebot der Humanität, dass Kinder gut behandelt werden und nicht geschla-gen, in ihrem Selbstvertrauen nicht beschädigt, in ihrem Bedürfnis nach Verlässlichkeit und Kontinuität nicht enttäuscht, nicht vernachlässigt und nicht Opfer seelischer oder körperlicher Gewalt. Vielmehr ist es auch eine politische und ökonomische Notwendigkeit, das destruktive Potential in unserer Gesellschaft konsequent zu senken. Wenn dies nicht geschieht, bedeutet dies nicht nur eine Zunahme psychischer Erkrankungen und Gewalt in Schulen und Freizeitbereich, sondern auch eine Zunahme von rechtsradikalem Terrorismus, Vandalismus und emotionaler Verführbarkeit zum Militarismus."
Das Abendblatt schrieb über ihn:
"Peter Riedesser war ein Anstifter. Leidenschaftlich stritt der Mediziner für die Kinder, die durch Kriege, Unfälle, Katastrophen oder Gewalterfahrungen seelisch verletzt worden waren. Er besaß die Gabe, Menschen mit seiner Begeisterung anzustecken."
Ich habe mir erlaubt eine längere Passage aus seiner Rede "Welche Kinder will das Land? Thesen zu Kindheit, Beziehungskultur und Demokratie" (Vortrag Hanse-Merkur, 09.10.2000) hier zu kopieren. Eindrucksvoll und mit klaren Worten benennt er die Dinge, um die es mir in diesem Blog geht:
"Was Eltern intuitiv schon immer wussten, ist heute auch durch die tägliche klinische Erfahrung und wissenschaftliche Studien bewiesen: Kinder brauchen von der Säuglingszeit an ein Nest von konstanten Bezugspersonen, die kontinuierlich und verlässlich eine ganze Kindheit lang zur Verfügung stehen und das Fundament und die Struktur für eine stabile Entwicklung bilden. Auf diesem Urvertrauen aufbauend, entwickeln sich Beziehungsfähigkeit und Beziehungsfreude zu anderen Menschen, die Fähigkeit zur Einfühlung und eine stabile Überzeugung vom Wert der eigenen Persönlichkeit. Kinder hingegen, die durch Vernachlässigung, traumatisierende Trennungen, Misshandlung und dauernde kritische Herabsetzung in Familie und Schule in zentralen Entwicklungslinien beschädigt worden sind, geraten in Gefahr, langfristige Folgeschäden zu entwickeln: Diese können psychische Erkrankungen sein bis hin zu Dorgenmissbrauch und Suizidalität. Es kann aber auch geschehen, dass Kinder, die sich eine Kindheit lang als Opfer von offener und subtiler Gewalt fühlen, eines Tages aus unbewussten oder bewussten Gefühlen der Rache der "Gesellschaft" das zurückgeben, was ihnen an frühen Verletzungen angetan worden ist. Oft geschieht dies ohne Gefühle der Schuld, da die Rache ja "berechtigt" ist. Dies kann zu den üblichen kriminellen Karrieren führen, aber auch zu politischem Terrorismus und Vandalismus. Die rechtsradikalen "Glatzen" sind mit ihren destruk-tiven Aktivitäten gegen ausländische und jüdische Mitbürger nicht vom Himmel gefallen, sondern es sind die psychisch verletzten, vernachlässigten, in den Hass abgeglittenen Kinder von gestern. Die vielen Hunderttausend beschädigten, vernachlässigten Kinder von heute sind in Gefahr, die rechtsradikalen "Glatzen", Drogenabhängigen und Delinquenten von morgen zu werden und die erlittenen Traumatisierungen eines Tages an die nächste Generation, nämlich ihre eigenen Kinder, weiterzugeben. Die misshandelnden Eltern von heute sind die misshandelten Kinder von gestern, die traumatisierten Kinder von heute sind die potentiellen Täter von morgen.
Wenn dies so ist, hat es gewaltige Konsequenzen für unser präventives Denken und Handeln; denn jetzt ist es nicht nur ein Gebot der Humanität, dass Kinder gut behandelt werden und nicht geschla-gen, in ihrem Selbstvertrauen nicht beschädigt, in ihrem Bedürfnis nach Verlässlichkeit und Kontinuität nicht enttäuscht, nicht vernachlässigt und nicht Opfer seelischer oder körperlicher Gewalt. Vielmehr ist es auch eine politische und ökonomische Notwendigkeit, das destruktive Potential in unserer Gesellschaft konsequent zu senken. Wenn dies nicht geschieht, bedeutet dies nicht nur eine Zunahme psychischer Erkrankungen und Gewalt in Schulen und Freizeitbereich, sondern auch eine Zunahme von rechtsradikalem Terrorismus, Vandalismus und emotionaler Verführbarkeit zum Militarismus."
Donnerstag, 11. Februar 2010
"Persönlichkeit und Politik" & blinde Flecken
Kürzlich habe ich den Bericht über die Kindheit von Ronald Reagan erweitert. Bei meinen Recherchen fiel mir eine Textstelle in dem Buch „Persönlichkeit und Politik“ von dem Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Hartmann (lehrt derzeit an der UNI der Bundeswehr in Hamburg) auf.
„Der Vater war ehrgeizig und zog mit der Familie um, wenn er eine besser bezahlte Arbeit gefunden hatte. Reagans Kindheit spielte sich in der Stadt Dixon im ländlichen Illinois ab. Auch dort wechselte die Familie häufig den Wohnsitz, um die Miete nach den mageren Einkünften zu strecken . Reagans Vater hatte ein Alkoholproblem, das die Mutter vor den beiden Söhnen lange verbergen konnte. (…) Die beiden Kinder wurden liebevoll erzogen. Dieser Hintergrund tat auch beim späteren Politiker noch seine Wirkung. (…)“ (Hartmann, 2007, S. 203)
„Die Politik hat eine Blindstelle. Sie klammert die Persönlichkeit aus.“, so fängt Hartmann die Einleitung seines Buches an. Diese „Blindstelle“ versucht der Autor zu füllen, in dem er die Biografien verschiedener PolitikerInnen in Zusammenhang mit deren politischer Laufbahn bringt.
Am Beispiel von Ronald Reagan fällt auf, dass der Autor hier selbst blind gegenüber der destruktiven Kindheit zu sein scheint und somit seinem erklärten Ziel nicht gerecht wird. Die häufigen Umzüge werden dem Ehrgeiz des Vaters und Mietkosten zugeschrieben (die Umzüge wären dann ja weitergedacht nur zum „Wohle der Familie“), die Mutter hätte den Alkoholismus verbergen können und die Kinder seien liebevoll erzogen worden. Diese Liebe und eigene Erfahrungen von Armut hätten dann auch das spätere politische Leben Reagans geprägt. Wenn er später als Gouverneur oder Präsident von Menschen in Not erfuhr, dann half er ihnen, so Hartmann. Aus den eigenen Erfahrungen heraus, in denen Hilfsbedürftigen auch ohne Staat Hilfe zu Teil wurde, sei die Auffassung des späteren Reagan zu verstehen, es bedürfe keines sozialpolitisch aktiven Staates. (vgl., ebd.)
Meine Ausführungen über Reagans Kindheit zeigen ein ganz anderes Bild. Ebenso denke ich, dass Reagans „Kein Staat Politik“ gerade auf Kosten der Schwachen ging und (unbewusst gezielt) Wachstum reduzierte, das aber nur nebenbei.
Mir ist dieses „es geschah zum Wohle der Kinder“ und „es waren liebevolle Eltern“ immer wieder bei Recherchen zu destruktiven, politischen Persönlichkeiten und Diktatoren aufgefallen. Man kann wirklich sagen, dass die meisten Biografen, Historiker und Sozialwissenschaftler blind gegenüber dem Leid sind, das die untersuchten Personen in ihrer Kindheit erfuhren. Das Beispiel von Hartmann ist eines von vielen. Es ragt dabei etwas heraus, weil der Autor ja gerade in seinem Buch gezielt eine Brücke von der Psychologie/Biografieforschung zur Politik schlagen wollte. Um so erstaunlicher ist es, dass hier bei dem Blick auf Reagan derartig viele blinde Flecken und Umdeutungen zu finden sind.
Hartmann, J. 2007: Persönlichkeit und Politik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.
„Der Vater war ehrgeizig und zog mit der Familie um, wenn er eine besser bezahlte Arbeit gefunden hatte. Reagans Kindheit spielte sich in der Stadt Dixon im ländlichen Illinois ab. Auch dort wechselte die Familie häufig den Wohnsitz, um die Miete nach den mageren Einkünften zu strecken . Reagans Vater hatte ein Alkoholproblem, das die Mutter vor den beiden Söhnen lange verbergen konnte. (…) Die beiden Kinder wurden liebevoll erzogen. Dieser Hintergrund tat auch beim späteren Politiker noch seine Wirkung. (…)“ (Hartmann, 2007, S. 203)
„Die Politik hat eine Blindstelle. Sie klammert die Persönlichkeit aus.“, so fängt Hartmann die Einleitung seines Buches an. Diese „Blindstelle“ versucht der Autor zu füllen, in dem er die Biografien verschiedener PolitikerInnen in Zusammenhang mit deren politischer Laufbahn bringt.
Am Beispiel von Ronald Reagan fällt auf, dass der Autor hier selbst blind gegenüber der destruktiven Kindheit zu sein scheint und somit seinem erklärten Ziel nicht gerecht wird. Die häufigen Umzüge werden dem Ehrgeiz des Vaters und Mietkosten zugeschrieben (die Umzüge wären dann ja weitergedacht nur zum „Wohle der Familie“), die Mutter hätte den Alkoholismus verbergen können und die Kinder seien liebevoll erzogen worden. Diese Liebe und eigene Erfahrungen von Armut hätten dann auch das spätere politische Leben Reagans geprägt. Wenn er später als Gouverneur oder Präsident von Menschen in Not erfuhr, dann half er ihnen, so Hartmann. Aus den eigenen Erfahrungen heraus, in denen Hilfsbedürftigen auch ohne Staat Hilfe zu Teil wurde, sei die Auffassung des späteren Reagan zu verstehen, es bedürfe keines sozialpolitisch aktiven Staates. (vgl., ebd.)
Meine Ausführungen über Reagans Kindheit zeigen ein ganz anderes Bild. Ebenso denke ich, dass Reagans „Kein Staat Politik“ gerade auf Kosten der Schwachen ging und (unbewusst gezielt) Wachstum reduzierte, das aber nur nebenbei.
Mir ist dieses „es geschah zum Wohle der Kinder“ und „es waren liebevolle Eltern“ immer wieder bei Recherchen zu destruktiven, politischen Persönlichkeiten und Diktatoren aufgefallen. Man kann wirklich sagen, dass die meisten Biografen, Historiker und Sozialwissenschaftler blind gegenüber dem Leid sind, das die untersuchten Personen in ihrer Kindheit erfuhren. Das Beispiel von Hartmann ist eines von vielen. Es ragt dabei etwas heraus, weil der Autor ja gerade in seinem Buch gezielt eine Brücke von der Psychologie/Biografieforschung zur Politik schlagen wollte. Um so erstaunlicher ist es, dass hier bei dem Blick auf Reagan derartig viele blinde Flecken und Umdeutungen zu finden sind.
Hartmann, J. 2007: Persönlichkeit und Politik. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.
Mittwoch, 3. Februar 2010
Kindheit von Kaiser Wilhelm II.
Ich habe die Schilderungen im Grundlagentext über die traumatische Kindheit von Wilhelm II. ergänzt (siehe kursive Schrift):
Wilhelm II – der letzte deutsche Kaiser – vertraute dem Fürsten Eulenburg einst folgendes an: „Der Kaiser erinnert sich mit Bitterkeit an die bei ihm angewandten Erziehungsmethoden, vor allem an die mangelnde Liebe der Mutter und die verfehlten Experimente seines Erziehers. »Er wollte aus mir sein Ideal eines Fürsten machen (...) So kommt es, dass ich absolut nichts empfinde, wo andere leiden (...) Es fehlt mir etwas, das andere haben. Alle Lyrik in mir ist tot.«“ (Gruen, 2002a, S. 44) Auch viele damalige Beobachter – darunter auch die eigene Mutter, Schwester und der Vater – nannten als hervorstechendes Merkmal von Wilhelms Charakter seine „eisige Herzenskälte“ und „Gefühllosigkeit“. (vgl. Röhl, 2001, S. 400) Kornbichler (2007) bezeichnet Wilhelm II als seelisch schwer gestörten Menschen, der zudem an einem starken Minderwertigkeitskomplex litt. „Beim Prinzen Wilhelm fand das statt, was die Psychoanalytiker als Identifikation mit dem Aggressor bezeichnen. Zunächst Opfer der zwangsmoralischen Disziplinierung und soldatischen Indoktrinierung seitens seiner Erzieher, identifizierte er sich nach und nach mit dieser aggressiven Lebensform; so wurde aus dem Opfer im Laufe der Jahre ein Täter.“ (Kornbichler, 2007, S. 165) Kornbichler zitiert einen Bericht, der einen Einblick in die Art der Erziehung bei Hofe gibt. Der Prinzenerzieher Hinzpeter trat im Herbst 1866 seinen Posten an, „und für den kleinen Prinzen begann jetzt – zusätzlich zu den täglichen Elektrisierungen, den gymnastischen Übungen mit der Armstreckmaschine, dem regelmäßigen Anschnallen eines aufgeschlitzten frisch geschlachteten Tieres – die denkbar härteste Erziehung durch einen Hauslehrer, der von vornherein auf die uneingeschränkte Gewalt über die Seele seines Zöglings bestanden hatte. Mit siebeneinhalb Jahren wurde Prinz Wilhelm in die erbarmungslosen Hände eines schrulligen, "spartanischen Idealisten" ohne Gemüt übergeben.“ (ebd., S.161) "Freudlos wie das Wesen dieses pedantischen und herben Mannes", erinnert sich später der Kaiser, so "freudlos die Jugendzeit". (GEOEPOCHE, 2003/04) Bei seiner Geburt war Wilhelm scheintot und hatte zudem schwere Probleme mit dem linken Arm, der kürzer war, als der rechte und lahm war. Den "unbrauchbaren Arm" hat seine Mutter ihm zeitlebens übel genommen und dem Sohn ihre Liebe entzogen. Auch der Vater, Kronprinz Friedrich, hat seine Unzufriedenheit am Sohn ausgelassen, hat ihn missachtet, ihn vor Zeugen "unreif" geschimpft und "urteilslos". (vgl. ebd.) Sein Arm war auch der "Grund" für bereits oben angedeutete Quälerein. GEOEPOCHE beschreibt weitere Details: Operationen, "Fixierungs-Gestelle", Fesselung des rechten Arms, um den linken zur Aktivität zu ermuntern und "animalische Bäder" der lahmen Extremität im Blut frisch geschlachteter Hasen. Diese Zeit - die "medizinische Behandlung" ging über 12 Jahre lang - muss für den kleinen Wilhelm der reine Horror gewesen sein. (siehe dazu auch Röhl, 2001, S. 63ff)
Wilhelms Mutter hatte – folgt man den Ausführungen von Röhl - zudem etwas überfürsorgliches und aufdringliches, forderte stets Liebe von Ihrem Sohn und deutete schon früh viele seiner Reaktionen und Verhaltensweisen als Ablehnung ihr gegenüber. Röhl schreibt an einer Stelle aufschlussreich: „Was die Kronprinzessin nicht erkennen konnte, war, dass (…) sie selbst das eigentliche Problem im psychischen Leben Wilhelms darstellte. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte ihn, so wie er war, nicht akzeptieren. (…) Gerade weil sie so viel von ihm erwartete, hielt sie mit ihrer Kritik nicht zurück. Wilhelm aber, der diese Kritik als Ablehnung auffassen musste, stand vor der Wahl, sich selbst aufzugeben oder sich von der Mutter abzuwenden.“ (Röhl, 2001, S. 401) Wilhelm brach dann schließlich ab dem jugendlichen Alter zusehends den Kontakt zu seinen Eltern ab.
Den reinen Horror brachte Wilhelm II. seinerseits später über Europa, als er den ersten Weltkrieg entflammte. Schon früh hatte er im Militär etwas gesucht, was er als Kind nicht finden konnte: Beim 1. Garderegiment in Potsdam fand der Prinz jene "Familie", die "ich bis dahin hatte entbehren müssen". (vgl. GEOEPOCHE, 2003/04)
Wilhelm II – der letzte deutsche Kaiser – vertraute dem Fürsten Eulenburg einst folgendes an: „Der Kaiser erinnert sich mit Bitterkeit an die bei ihm angewandten Erziehungsmethoden, vor allem an die mangelnde Liebe der Mutter und die verfehlten Experimente seines Erziehers. »Er wollte aus mir sein Ideal eines Fürsten machen (...) So kommt es, dass ich absolut nichts empfinde, wo andere leiden (...) Es fehlt mir etwas, das andere haben. Alle Lyrik in mir ist tot.«“ (Gruen, 2002a, S. 44) Auch viele damalige Beobachter – darunter auch die eigene Mutter, Schwester und der Vater – nannten als hervorstechendes Merkmal von Wilhelms Charakter seine „eisige Herzenskälte“ und „Gefühllosigkeit“. (vgl. Röhl, 2001, S. 400) Kornbichler (2007) bezeichnet Wilhelm II als seelisch schwer gestörten Menschen, der zudem an einem starken Minderwertigkeitskomplex litt. „Beim Prinzen Wilhelm fand das statt, was die Psychoanalytiker als Identifikation mit dem Aggressor bezeichnen. Zunächst Opfer der zwangsmoralischen Disziplinierung und soldatischen Indoktrinierung seitens seiner Erzieher, identifizierte er sich nach und nach mit dieser aggressiven Lebensform; so wurde aus dem Opfer im Laufe der Jahre ein Täter.“ (Kornbichler, 2007, S. 165) Kornbichler zitiert einen Bericht, der einen Einblick in die Art der Erziehung bei Hofe gibt. Der Prinzenerzieher Hinzpeter trat im Herbst 1866 seinen Posten an, „und für den kleinen Prinzen begann jetzt – zusätzlich zu den täglichen Elektrisierungen, den gymnastischen Übungen mit der Armstreckmaschine, dem regelmäßigen Anschnallen eines aufgeschlitzten frisch geschlachteten Tieres – die denkbar härteste Erziehung durch einen Hauslehrer, der von vornherein auf die uneingeschränkte Gewalt über die Seele seines Zöglings bestanden hatte. Mit siebeneinhalb Jahren wurde Prinz Wilhelm in die erbarmungslosen Hände eines schrulligen, "spartanischen Idealisten" ohne Gemüt übergeben.“ (ebd., S.161) "Freudlos wie das Wesen dieses pedantischen und herben Mannes", erinnert sich später der Kaiser, so "freudlos die Jugendzeit". (GEOEPOCHE, 2003/04) Bei seiner Geburt war Wilhelm scheintot und hatte zudem schwere Probleme mit dem linken Arm, der kürzer war, als der rechte und lahm war. Den "unbrauchbaren Arm" hat seine Mutter ihm zeitlebens übel genommen und dem Sohn ihre Liebe entzogen. Auch der Vater, Kronprinz Friedrich, hat seine Unzufriedenheit am Sohn ausgelassen, hat ihn missachtet, ihn vor Zeugen "unreif" geschimpft und "urteilslos". (vgl. ebd.) Sein Arm war auch der "Grund" für bereits oben angedeutete Quälerein. GEOEPOCHE beschreibt weitere Details: Operationen, "Fixierungs-Gestelle", Fesselung des rechten Arms, um den linken zur Aktivität zu ermuntern und "animalische Bäder" der lahmen Extremität im Blut frisch geschlachteter Hasen. Diese Zeit - die "medizinische Behandlung" ging über 12 Jahre lang - muss für den kleinen Wilhelm der reine Horror gewesen sein. (siehe dazu auch Röhl, 2001, S. 63ff)
Wilhelms Mutter hatte – folgt man den Ausführungen von Röhl - zudem etwas überfürsorgliches und aufdringliches, forderte stets Liebe von Ihrem Sohn und deutete schon früh viele seiner Reaktionen und Verhaltensweisen als Ablehnung ihr gegenüber. Röhl schreibt an einer Stelle aufschlussreich: „Was die Kronprinzessin nicht erkennen konnte, war, dass (…) sie selbst das eigentliche Problem im psychischen Leben Wilhelms darstellte. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte ihn, so wie er war, nicht akzeptieren. (…) Gerade weil sie so viel von ihm erwartete, hielt sie mit ihrer Kritik nicht zurück. Wilhelm aber, der diese Kritik als Ablehnung auffassen musste, stand vor der Wahl, sich selbst aufzugeben oder sich von der Mutter abzuwenden.“ (Röhl, 2001, S. 401) Wilhelm brach dann schließlich ab dem jugendlichen Alter zusehends den Kontakt zu seinen Eltern ab.
Den reinen Horror brachte Wilhelm II. seinerseits später über Europa, als er den ersten Weltkrieg entflammte. Schon früh hatte er im Militär etwas gesucht, was er als Kind nicht finden konnte: Beim 1. Garderegiment in Potsdam fand der Prinz jene "Familie", die "ich bis dahin hatte entbehren müssen". (vgl. GEOEPOCHE, 2003/04)
Kindheit von Ronald Reagan
Ich habe die Schilderungen im Grundlagentext über die traumatische Kindheit von Ronald Reagan ergänzt (siehe kursive Schrift):
DeMause schreibt, dass die Kindheit vom amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan „ein Alptraum von Vernachlässigung und Missbrauch“ war. (deMause, 2005, S. 19)
Ronald Reagans Vater war ein gewalttätiger Mann und Alkoholiker. Er trat den jungen Ronald mit seinem Stiefel und pflegte ihn und seinen Bruder des Öfteren zu "verkloppen". Der Vater wurde später von seinem Sohn beschrieben als jemand, der „ein Leben in fast andauernder Wut und Frustration“ geführt habe. Selbst aus den wenigen Erinnerungen in den verstreuten Äußerungen über seinen Vater wird deutlich, dass Ronalds Verhältnis zu ihm erfüllt war von Augenblicken des Terrors und gleichzeitig einem Verlangen nach Nähe. (vgl. deMause, 1984, S. 59)
Der Alkoholismus seines Vaters war auch der Hauptgrund für häufige Orts- und Stellungswechsel, die Familie zog ständig um, mitunter schliefen sie alle im Auto. Wochenlang ging Ronalds Vater auf Zechtour, der Junge erinnert sich an seine Ängste während der Abwesenheit des Vaters und die dann folgenden "lauten Stimmen in der Nacht". Als Elfjähriger kam er einmal nach Hause und fand seinen Vater "sinnlos betrunken auf dem Rücken liegend auf der Veranda". Er musste diesen großen, schnarchenden Koloss ins Bett verfrachten. Im Rückblick bezeichnete Reagan seine Kindheit als "eine jener seltenen Huckleberry-Finn-Tom-Sawyer-Idyllen“. Die Schattenseiten schien er vollkommen verdrängt zu haben. (vgl. DER SPIEGEL, 26.10.1981) Seine Autobiographie nannte Reagan übrigens „Wo ist der Rest von mir?“ (Where's the Rest of Me?), um, wie er in der Einleitung sagte, anzuzeigen, dass er den größten Teil seines Lebens mit dem Gefühl verbracht hatte, es fehle ihm etwas, ein Teil von ihm. (vgl. deMause, 1984, S. 55) Diese Zerrissenheit, inneres Fremdsein und das Gefühl „nicht ganz zu sein“ ist typisch für als Kind traumatisierte Menschen. (Im weiteren Textverlauf wird Arno Gruen dazu noch zu Wort kommen)
Das Resultat war laut deMause eine Kindheit der Phobien und Ängste bis zum Grad der Hysterie und verschüttete Gefühle der Wut. „Als Erwachsener fand Ronald Reagan Gefallen daran, eine geladene Pistole zu tragen, er zog auch Selbstmord in Erwägung, wurde davon nur durch das defensive Manöver abgehalten, in die Politik zu gehen und ein Anti-Kommunisten-Krieger (pers. Anmerk.: Die Sowjetunion war für Reagan das "Reich des Bösen") zu werden, gegen imaginäre „Feinde“ ins Feld zu ziehen, die er für die Gefühle, welche er in sich selbst verleugnete, verfolgte.“ (deMause, 2005, S. 19)
DeMause schreibt, dass die Kindheit vom amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan „ein Alptraum von Vernachlässigung und Missbrauch“ war. (deMause, 2005, S. 19)
Ronald Reagans Vater war ein gewalttätiger Mann und Alkoholiker. Er trat den jungen Ronald mit seinem Stiefel und pflegte ihn und seinen Bruder des Öfteren zu "verkloppen". Der Vater wurde später von seinem Sohn beschrieben als jemand, der „ein Leben in fast andauernder Wut und Frustration“ geführt habe. Selbst aus den wenigen Erinnerungen in den verstreuten Äußerungen über seinen Vater wird deutlich, dass Ronalds Verhältnis zu ihm erfüllt war von Augenblicken des Terrors und gleichzeitig einem Verlangen nach Nähe. (vgl. deMause, 1984, S. 59)
Der Alkoholismus seines Vaters war auch der Hauptgrund für häufige Orts- und Stellungswechsel, die Familie zog ständig um, mitunter schliefen sie alle im Auto. Wochenlang ging Ronalds Vater auf Zechtour, der Junge erinnert sich an seine Ängste während der Abwesenheit des Vaters und die dann folgenden "lauten Stimmen in der Nacht". Als Elfjähriger kam er einmal nach Hause und fand seinen Vater "sinnlos betrunken auf dem Rücken liegend auf der Veranda". Er musste diesen großen, schnarchenden Koloss ins Bett verfrachten. Im Rückblick bezeichnete Reagan seine Kindheit als "eine jener seltenen Huckleberry-Finn-Tom-Sawyer-Idyllen“. Die Schattenseiten schien er vollkommen verdrängt zu haben. (vgl. DER SPIEGEL, 26.10.1981) Seine Autobiographie nannte Reagan übrigens „Wo ist der Rest von mir?“ (Where's the Rest of Me?), um, wie er in der Einleitung sagte, anzuzeigen, dass er den größten Teil seines Lebens mit dem Gefühl verbracht hatte, es fehle ihm etwas, ein Teil von ihm. (vgl. deMause, 1984, S. 55) Diese Zerrissenheit, inneres Fremdsein und das Gefühl „nicht ganz zu sein“ ist typisch für als Kind traumatisierte Menschen. (Im weiteren Textverlauf wird Arno Gruen dazu noch zu Wort kommen)
Das Resultat war laut deMause eine Kindheit der Phobien und Ängste bis zum Grad der Hysterie und verschüttete Gefühle der Wut. „Als Erwachsener fand Ronald Reagan Gefallen daran, eine geladene Pistole zu tragen, er zog auch Selbstmord in Erwägung, wurde davon nur durch das defensive Manöver abgehalten, in die Politik zu gehen und ein Anti-Kommunisten-Krieger (pers. Anmerk.: Die Sowjetunion war für Reagan das "Reich des Bösen") zu werden, gegen imaginäre „Feinde“ ins Feld zu ziehen, die er für die Gefühle, welche er in sich selbst verleugnete, verfolgte.“ (deMause, 2005, S. 19)