Montag, 27. Oktober 2008

3.1. Die Kindheit von Diktatoren und destruktiven Politikern

3.1. Die Kindheit von Diktatoren und destruktiven Politikern: Wilhelm II, Ludwig XIII., Friedrich II., Napoleon Bonaparte, Benito Mussolini, Francisco Franco, Nicolae Ceauşescu, Mao Zedong, Nero, Slobodan Milosevic, Saddam Hussein, Ronald Reagan, George H. W. Bush und George W. Bush.
 
Die Kinderbuchautorin Astrid Lindgren sagte in ihrer Rede „Niemals Gewalt“ im Jahr 1978 bei der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels: „(...) In keinem neugeborenen Kind schlummert ein Samenkorn, aus dem zwangsläufig Gutes oder Böses sprießt. Ob ein Kind zu einem warmherzigen, offenen und vertrauensvollen Menschen mit Sinn für das Gemeinwohl heranwächst oder aber zu einem gefühlskalten, destruktiven, egoistischen Menschen, das entscheiden die, denen das Kind in dieser Welt anvertraut ist, je nachdem, ob sie ihm zeigen, was Liebe ist, oder aber dies nicht tun. (...) Wie aber war denn nun die Kindheit aller dieser wirklich "verdorbenen Knaben", von denen es zurzeit so viele auf der Welt gibt, dieser Diktatoren, Tyrannen und Unterdrücker, dieser Menschenschinder? Dem sollte man einmal nachgehen. Ich bin überzeugt davon, dass wir bei den meisten von ihnen auf einen tyrannischen Erzieher stoßen würden, der mit einer Rute hinter ihnen stand, ob sie nun aus Holz war oder im Demütigen, Kränken, Bloßstellen, Angstmachen bestand. (...)“ (DIE ZEIT, 13.11.2007)

Wilhelm II – der letzte deutsche Kaiser – vertraute dem Fürsten Eulenburg einst folgendes an: „Der Kaiser erinnert sich mit Bitterkeit an die bei ihm angewandten Erziehungsmethoden, vor allem an die mangelnde Liebe der Mutter und die verfehlten Experimente seines Erziehers. »Er wollte aus mir sein Ideal eines Fürsten machen (...) So kommt es, dass ich absolut nichts empfinde, wo andere leiden (...) Es fehlt mir etwas, das andere haben. Alle Lyrik in mir ist tot.«“ (Gruen, 2002a, S. 44) Auch viele damalige Beobachter – darunter auch die eigene Mutter, Schwester und der Vater – nannten als hervorstechendes Merkmal von Wilhelms Charakter seine „eisige Herzenskälte“ und „Gefühllosigkeit“. (vgl. Röhl, 2001, S. 400) Kornbichler (2007) bezeichnet Wilhelm II als seelisch schwer gestörten Menschen, der zudem an einem starken Minderwertigkeitskomplex litt. „Beim Prinzen Wilhelm fand das statt, was die Psychoanalytiker als Identifikation mit dem Aggressor bezeichnen. Zunächst Opfer der zwangsmoralischen Disziplinierung und soldatischen Indoktrinierung seitens seiner Erzieher, identifizierte er sich nach und nach mit dieser aggressiven Lebensform; so wurde aus dem Opfer im Laufe der Jahre ein Täter.“ (Kornbichler, 2007, S. 165) Kornbichler zitiert einen Bericht, der einen Einblick in die Art der Erziehung bei Hofe gibt. Der Prinzenerzieher Hinzpeter trat im Herbst 1866 seinen Posten an, „und für den kleinen Prinzen begann jetzt – zusätzlich zu den täglichen Elektrisierungen, den gymnastischen Übungen mit der Armstreckmaschine, dem regelmäßigen Anschnallen eines aufgeschlitzten frisch geschlachteten Tieres – die denkbar härteste Erziehung durch einen Hauslehrer, der von vornherein auf die uneingeschränkte Gewalt über die Seele seines Zöglings bestanden hatte. Mit siebeneinhalb Jahren wurde Prinz Wilhelm in die erbarmungslosen Hände eines schrulligen, "spartanischen Idealisten" ohne Gemüt übergeben.“ (ebd., S.161) "Freudlos wie das Wesen dieses pedantischen und herben Mannes", erinnert sich später der Kaiser, so "freudlos die Jugendzeit". (GEOEPOCHE, 2003/04) Bei seiner Geburt war Wilhelm scheintot und hatte zudem schwere Probleme mit dem linken Arm, der kürzer war, als der rechte und lahm war. Den "unbrauchbaren Arm" hat seine Mutter ihm zeitlebens übel genommen und dem Sohn ihre Liebe entzogen. Auch der Vater, Kronprinz Friedrich, hat seine Unzufriedenheit am Sohn ausgelassen, hat ihn missachtet, ihn vor Zeugen "unreif" geschimpft und "urteilslos". (vgl. ebd.) Sein Arm war auch der "Grund" für bereits oben angedeutete Quälerein. GEOEPOCHE beschreibt weitere Details: Operationen, "Fixierungs-Gestelle", Fesselung des rechten Arms, um den linken zur Aktivität zu ermuntern und "animalische Bäder" der lahmen Extremität im Blut frisch geschlachteter Hasen. Diese Zeit - die "medizinische Behandlung" ging über 12 Jahre lang - muss für den kleinen Wilhelm der reine Horror gewesen sein. (siehe dazu auch Röhl, 2001, S. 63ff)
Wilhelms Mutter hatte – folgt man den Ausführungen von Röhl - zudem etwas überfürsorgliches und aufdringliches, forderte stets Liebe von Ihrem Sohn und deutete schon früh viele seiner Reaktionen und Verhaltensweisen als Ablehnung ihr gegenüber. Röhl schreibt an einer Stelle aufschlussreich: „Was die Kronprinzessin nicht erkennen konnte, war, dass (…) sie selbst das eigentliche Problem im psychischen Leben Wilhelms darstellte. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte ihn, so wie er war, nicht akzeptieren. (…) Gerade weil sie so viel von ihm erwartete, hielt sie mit ihrer Kritik nicht zurück. Wilhelm aber, der diese Kritik als Ablehnung auffassen musste, stand vor der Wahl, sich selbst aufzugeben oder sich von der Mutter abzuwenden.“ (Röhl, 2001, S. 401) Wilhelm brach dann schließlich ab dem jugendlichen Alter zusehends den Kontakt zu seinen Eltern ab.
Den reinen Horror brachte Wilhelm II. seinerseits später über Europa, als er den ersten Weltkrieg entflammte. Schon früh hatte er im Militär etwas gesucht, was er als Kind nicht finden konnte: Beim 1. Garderegiment in Potsdam fand der Prinz jene "Familie", die "ich bis dahin hatte entbehren müssen". (vgl. GEOEPOCHE, 2003/04)
Nachdem Millionen Menschen getötet waren und der deutsche Kaiser im holländischen Exil machtlos seinen Lebensabend verbringen musste, kämpfte er rastlos weiter gegen alles Lebendige. "Wie besessen fällt er die Bäume im Park und sägt sie in Stücke; am 12. November 1919 erlegt er den zwölftausendsten Stamm." (ebd.)

Dass es den königlichen Kinder Europas in der Vergangenheit nicht anders erging, als den Kindern im Volk, zeigt auch das Beispiel von Ludwig XIII. (König von Frankreich), über den – nach Zenz (1981) - berichtet wird, dass er bereits im Alter von zwei Jahren regelmäßig jeden Morgen gepeitscht wurde und unter entsprechenden Folgen wie z.B. Alpträumen litt. Am Tage seiner Krönung, da war er noch ein Kind, soll er gesagt haben: „Ich würde auf so viel Huldigung und Ehre gern verzichten, wenn man mich statt dessen weniger peitschen würde.“ (Zenz, 1981, S. 37) Zudem war der kleine Ludwig – obwohl über ein Dutzend Kindermädchen und Pflegepersonal mit seiner Obsorge beauftragt gewesen waren – regelmäßig unterernährt, manchmal sogar dem Tode nahe. (vgl. deMause, 2005, S. 231) Den für die Pflege Zuständigen fehlte offensichtlich das Einfühlungsvermögen, um das Kind ausreichend zu ernähren.
Die ersten Lebensjahre von Ludwig XIII. waren zusätzlich von einer Fülle sexueller Übergriffe und Grenzüberschreitungen begleitet. Er ist noch kein Jahr alt, dokumentiert Philippe Aries, als seine Kinderfrau ihn masturbiert. (vgl. Aries, 1981, S.175) Als er ein Jahr alt ist, wird sein Penis von allen möglichen Leuten „geküsst“. „Während der ersten drei Jahre seine Lebens findet niemand etwas dabei, zum Scherz das Geschlechtsteil dieses Kindes zu berühren.“ (ebd., S. 176) Seine Amme fasst ihn – so Aries - ebenso an, wie die Dienerschaft, „einfältige Jugendliche“, „leichtlebige Frauen“, die eigene Mutter und auch der Vater. Dazu kommen perverse Drohungen (zum „Scherz“). „Seine Amme hatte ihm eingeschärft: Monsieur, lassen Sie nur niemanden Ihre Hoden anrühren, auch ihren Piephahn nicht, sonst wird er Ihnen abgeschnitten.“ (ebd.) Der kleine Ludwig wurde auch zusammen mit seiner Schwester nackt zum König – seinem Vater – ins Bett gelegt, „wo sie sich küssen, miteinander flüstern und dem König großes Vergnügen bereiten.“ Als er vier Jahre alt ist, ist – in Worten von Aries - „seine sexuelle Aufklärung so gut wie abgeschlossen.“ Ab dem Alter von fünf oder sechs Jahren nahmen diese Übergriffe dann ab. Seine eigentliche Erziehung begann kaum vor dem siebten Lebensjahr. Davor – so scheint es – war er freigegeben für alle erdenklichen „sexuellen Scherze“ und Übergriffe, jeder konnte mit ihm tun, was er oder sie wollte. Ab dem Alter von sieben Jahren galt er als kleiner Mann und man ließ von ihm ab. Ludwig selbst entwickelte in dieser Zeit bereits sadistische Züge. So z.B. bzgl. dem Umgang mit seiner Amme. „Er treibt seine Späße mit ihr, lässt sie die Zehen bewegen, die Beine hochheben, sagt seiner Amme, sie solle Ruten holen, um sie durchzuhauen, lässt diesen Auftrag ausführen (…)“ (ebd., S. 177) Ludwig ist etwas über vierzehn Jahre alt, da drängte man ihn nahezu gewaltsam ins Bett seiner ihm versprochenen Frau. Nach der Trauungzeremonie musste er in Gegenwart der eigenen Mutter mit seiner Frau schlafen. Ludwig XIII. wurde als Kind ganz eindeutig schwer sexuell missbraucht und traumatisiert.
Die spätere Regierung Ludwigs XIII. war ein repressives und blutiges Regime. Er kannte keine Zweifel oder Skrupel bei der Durchsetzung seiner Ziele. Jeder Widerstand, egal welcher Art, wurde brutal niedergeschlagen. (vgl. Cremer , 2006, S. 177ff) Diese harte Politik traf auch engste Berater und die eigene Mutter, die er – nachdem sie sich gegen ihn gerichtet hatte - in die Verbannung schickte. Ludwig XIII. war auch in verschiedene kriegerische Handlungen und eine Reihe von Feldzüge verwickelt. Teils ging er dabei besonders grausam vor. So z.B. Im Jahr 1629, als er nach der Kapitulation der Stadt Privas diese plündern und brandschatzen ließ; die Bevölkerung wurde teils niedergemetzelt, teils vertrieben. (vgl. ebd., S. 181)

Der Kronprinz Friedrich II. (der Große und König von Preußen, 1712 - 1786) verbrachte seine ersten vier Lebensjahre unter der Fürsorge einer Untergouvernante, über deren Erziehungsstil man nichts erfährt. Wie in damaligen hochadligen Familien üblich, überließen die leiblichen Eltern die Erziehung komplett Anderen, was im Grunde systematisch den ersten schweren Bruch mit dem Kind bedeutet. Friedrichs Mutter – Königin Sophie Dorothea – scheint kaum eine Rolle im Leben des Kronprinzen gespielt zu haben. Der Biograf Johannes Kunisch beschreibt im Grunde überhaupt keine Beziehung oder Begegnungen mit ihrem Sohn. Alles, was man dazu erfährt ist folgendes: „Ob dem Heranwachsenden in seiner Kindheit jemals mütterliche Zuwendung und Wärme zuteil geworden ist, mag (…) zweifelhaft erscheinen. Spätestens seit die dynastischen Ambitionen der Königin in Bezug auf ihre Kinder abgewiesen und enttäuscht worden waren, trat zutage, dass besonders der Kronprinz und seine Schwester Wilhelmine lediglich Werkzeuge eines machtpolitischen Kalküls waren, das ständig häusliche Konflikte und gelegentlich heftige Auseinandersetzungen heraufbeschwor (…).“ (Kunisch, 2009, S. 12)
Genauer beschrieben ist die Beziehung zum Vater – König Friedrich Wilhelm I. Dieser wird als jähzorniger, unberechenbarer, tyrannischer und aufs Militärische fixierter Vater beschrieben. Die Kindheit und Jugend Friedrichs war auf Anweisung und unter Beteiligung des Vaters von einer militärischen Erziehung mit Drill, körperlichen Züchtigungen und seelischen Verletzungen geprägt. (vgl. WDR, Planet Wissen, 01.06.2009 und Kunisch, 2009) Der junge Friedrich interessierte sich mehr für Musik, Literatur und Sprachen als für das Soldatentum, was dem Willen seines Vaters komplett entgegenlief. Heimlich spielte er Flöte, las französische Romane und lernte Latein. Wenn der Vater davon Wind bekam, setzte es Prügel, auch vor den Augen von Offizieren und Dienstboten. Einem Lehrer, der mit dem Sohn Latein übte, verabreichte der König höchst persönlich Prügel, wie Friedrich II. später selbst berichtete. Danach war der Sohn dran, der sich erschreckt durch den Wutausbruch des Vaters unter einem Tisch verkrochen hatte. Friedrich II. dazu: „Ich zitterte noch mehr; er packte mich an den Haaren, zieht mich unter dem Tisch hervor, schleppt mich so bis in die Mitte des Zimmers und versetzt mir endlich einige Ohrfeigen: "Komm mir wieder mit deiner mensa, und du wirst sehen, wie ich dir den Kopf zurechtsetze" “ (Kunisch, 2009, S. 20) Je älter der Kronprinz wurde, desto strenger und reglementierter wurde die durch den Vater angewiesene Erziehung. Aus der Jugendzeit des Kronprinzen ist eine Konfliktsituation überliefert, in der er vom Vater zunächst vor der versammelten Dienerschaft misshandelt wurde. „Dabei schrie er ihn an und gab ihm in provozierender Verächtlichkeit zu verstehen, dass er sich totgeschossen hätte, wenn er von seinem Vater so behandelt worden wäre; doch er, Friedrich, lasse sich ja alles gefallen.“ (ebd. S. 24) Hier wird der blanke Hass des Vaters deutlich, der sich wünscht, dass sein Sohn sich umbringt. Friedrich II. schrieb im Alter von Sechzehn Jahren noch einmal einen verzweifelten Brief an den Vater, in dem er den „grausamen Hass, den ich aus allem seinen (Anmerkung: des Königs) Tun genug habe wahrnehmen können“, von sich fernzuhalten hoffte. Die schriftliche Antwort des Königs beschreibt zusammenfassend die Haltung des Vaters: „Sein eigensinniger böser Kopf, der nicht seinen Vater liebet, denn wenn man nun Alles thut, absonderlich seinen Vater liebet, so thut man, was er haben will, nicht wenn er dabei steht, sondern wenn er nicht Alles sieht. (…)“ (ebd. S. 24f) Der Vater wollte eine Marionette, jeder Eigensinn sollte dem Sohn ausgetrieben werden. Friedrich versuchte sich immer mehr der Kontrolle des Vaters zu entziehen und wurde auch ein Meister darin, sich zu verstellen. Um dem jähzornigen Vater zu entkommen, beschloss der Thronfolger schließlich 1730 die Flucht. Doch die Pläne flogen auf, Friedrich wurde als Deserteur verhaftet und in Festungshaft genommen. Sein Vater verhängte die Todesstrafe über Friedrichs besten Freund, Hans Hermann von Katte, der in die Fluchtpläne eingeweiht war. Bei der Hinrichtung musste der Kronprinz zusehen. (vgl. ZDF, 11.11.2008) In der Folge beugte sich Friedrich II. nun dem Befehl seines Vaters und heiratete auf dessen Wunsch Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern, an der Friedrich keinerlei Interesse hatte. Als späterer König führte Friedrich II. häufig, ja fast ununterbrochen Krieg. Es scheint so, dass er letztendlich den Willen des Vaters komplett entsprochen wenn nicht gar noch übertroffen hat. Friedrich II. hat sich absolut mit dem Aggressor identifiziert und ist selbst zu einem unerbittlichen Aggressor und Kriegsherren geworden.
Die Geschichte von Friedrich II. hat insofern ein ganz besondere Tragik, wenn man sich die Entwicklungen vor Augen hält, die er selbst in dem Gedicht „An Jordan“ vom 10. Juni 1742 beschrieb:
"Als ich geboren ward, ward ich der Kunst geboren, (…)
Und für des Herrschers Hochmut schien dies Herz verloren,
Das voller Mitleid war und kindlich unbewußt.
Die ganze Welt war mir ein Garten duft'ger Blumen, (…)
Da riß das Schicksal mich aufs große Welttheater,
In der Tragödie »Krieg« ward mir der Heldenpart"


Die Kindheit des französischen Kaisers und Kriegsherrn Napoleon Bonaparte ist ein weiteres Lehrstück für die destruktiven Folgen erlittener Gewalt. Seine Erziehung war (traditionell auf Korsika) rein Sache der Mutter, sein Vater stand weitgehend außen vor und war eh oftmals abwesend. Napoleons Mutter strafte ihren Sohn regelmäßig mit körperlicher Gewalt. Mit welcher Willkür und Kaltherzigkeit sie ihr Kind strafte, zeigt sich deutlich an folgendem Beispiel: „Eines Abends geht sie mit einer Freundin spazieren, als sie bemerkt, dass Napoleone hinter ihnen hergeht. Erbost darüber, weil er ihnen ohne Erlaubnis nachgegangen ist, versetzt sie ihm eine so kräftige Ohrfeige, dass das Kind umfällt. Es weint und reibt sich die Augen. Sie aber kümmert sich nicht darum und setzt mit ihrer Freundin den Weg fort.“(Widl, 1992, S. 30) Widl (1992) berichtet auch kurz von psychischer Gewalt; die Mutter ignorierte ihren Sohn z.B. einmal einen ganzen Tag lang zur Strafe und warf ihm böse Blicke zu (abends wurde er dann wieder verprügelt), ein anderes mal - da war er fünf Jahre alt - gab ihn die Mutter, „um seinen wilden Sinn zu zähmen“, kurze Zeit in eine Mädchenschule, eine erneute Demütigung. Napoleon hat zeit seines Lebens seine (destruktive) Mutter stark idealisiert („Ihre Liebe zu mir ist erhaben.“), was vor dem o.g. Hintergrund für eine starke Identifikation mit dem Aggressor spricht.
Auch Johannes Willms bestätigt die körperliche Gewalt der Mutter. Er schreibt, dass entscheidend für Napoleons frühe Erziehung „das strenge Regiment der Mutter, die den früh ausgeprägten eigenen Willen ihres Zweitgeborenen durch häufige Züchtigungen zu brechen suchte“ war. (Willms, 2009, S. 13) Willms schreibt, dass die Ehe beider Eltern nicht von Liebe geprägt, sondern eine Vernuftsehe war. Letizia Ramolino – Napoleons Mutter -, gebar insgesamt dreizehn Kinder, wovon allerdings nur acht überlebten. (vgl. ebd.) Alleine dieser Tod von fünf Kindern muss einen langen Schatten auf die Familie geworfen haben. In Anbetracht des destruktiven Charakters dieser Mutter mag man an dieser Stelle spekulieren, ob der Tod einiger der Kinder vielleicht mit ihrem Verhalten in Zusammenhang stand. Der eigentlich erstgeborene Sohn starb 1765 im Jahr seiner Geburt und war auch schon auf den Namen Napoleon getauft. Das zweite Kind, ein Mädchen, starb ebenfalls im Säuglingsalter. Erst das dritte Kind, Joseph, überlebte. Der dann Zweitgeborene erhielt erneut den Namen des verstobenen ersten Kindes: Napoleon.
Im Alter von neun Jahren (!) verlässt Napoleon dann auf Wunsch der Eltern das Heim, um zur Erziehung nach Frankreich zu gehen. Im Alter von elf Jahren wurde er auf eine französische Kadettenschule geschickt. Auf Grund seiner geringen Größe und seiner korsischen Abstammung wurde er dort derart stark diskriminiert und gedemütigt, dass er eines Tages verheißungsvoll sagte: „Wartet nur, wenn ich groß bin! Alles Böse will ich dann euch Franzosen antun.“(Widl, 1992, S. 36) Auch Willms schreibt, dass für den neunjähren Napoleon nach Antritt seiner (militärischen) Schulbildung fern ab der Heimat „ein Leidensweg begann, dessen Härte er noch in der Verbannung auf Sankt Helena lebhaft beschwor.“ (Willms, 2009, S. 14)
Im Alter von vierzehn Jahren schreibt Napoleon einen verzweifelten, wohl auch die Eltern anklagenden Brief (dessen Inhalt aus der verwendeten Quelle nicht hervorgeht) aus der Militärschule. Seine Mutter antwortet ihm am 02.06.1784: (…) wenn ich jemals noch einen ähnlichen Brief von Dir erhalten sollte, werde ich mich nicht mehr mit Napoleon abgeben. Wann hast Du, junger Mensch, je gehört, dass ein Sohn, in welcher Lage er sich auch befinden möge, so an seinen Vater schreibt, wie Du es getan hast? Du kannst dem Himmel danken, dass der Vater nicht zu Hause gewesen ist. Wenn er Deinen Brief gelesen hätte, dann wäre er, nach einer solchen Beleidigung, augenblicklich nach Brienne gereist, um den frechen und strafbaren Sohn zu züchtigen. (…)“ (Pilgrim, 1990, S. 79f) Trotz der „ungehörigen Bemerkungen“ und „ausgestoßenen Drohungen“ überweist die Mutter dem Sohn Geld, der sich wohl in finanzieller, wie auch emotionaler Not befindet (wir erinnern uns, Napoleon wurde in der Militärschule schwer gedemütigt). Ihr Brief zeigt zwei Dinge. Erstens, wie schnell sie jederzeit bereit ist, ihren Sohn zu verstoßen, sobald er gegen ihren Willen agiert. Zweitens, auch der Vater, über den man sonst kaum etwas erfährt und der stets abwesend ist, scheint seine Kinder geschlagen zu haben bzw. jederzeit dazu bereit gewesen zu sein, so es denn Anlass dazu gab. Napoleon war gerade einmal 15 Jahre alt, da traf ihn der nächste Schicksalsschlag, sein Vater starb an Magenkrebs.
Schon als Kind fiel Napoleon nach Neumayr (1995) durch seine aufbrausende Art, seinen Jähzorn, seine Grobheit und bisweilen auch durch Brutalität auf. Ein ehemaliger Mitschüler Napoleons berichtet über ihn: „Immer lag etwas Bitteres in seinen Worten, sein Wesen hatte nichts Liebevolles (...).“ (Neumayr, 1995, S. 17) Schon seine Jugendjahre waren zudem geprägt von Lebensmüdigkeit und depressiven Verstimmungen „Was soll ich in der Welt? Da ich doch einmal sterben muss, könnte ich mich dann nicht jetzt schon umbringen?“ und „Das Leben ist mir zur Last, ich habe keinen Genuss, alles wird Schmerz.“ (ebd., S. 18+19) An dieser Stelle wird deutlich, wie viel Wahrheit in dem Satz „Glückliche Menschen fangen keine Kriege an.“ (deMause, 2005, S. 109) steckt, diesen Satz habe ich über dem Inhaltsverzeichnis dem Gesamttext einleitend vorangestellt.
Als Erwachsener prägte Napoleon schließlich entscheidend die Entwicklungen in Europa und ging vor allem auf Grund seiner Feldzüge und Kriege in die Geschichte ein. Mit dem Namen Napoleon verbindet man auch einen ausgeprägten Größenwahn, Narzissmus und Minderwertigkeitskomplex.

Der faschistische Diktator Italiens, Benito Mussolini, hatte - wie so viele andere Diktatoren auch – ebenfalls eine traurige Kindheit. Zu Hause musste er unter strenger väterlicher Aufsicht in der Schmiede arbeiten und erhielt Schläge, sobald er unachtsam schien oder sich ablenken ließ. Der Vater erzog ihn kompromisslos und „lehrte ihn auch den Hass gegen Monarchie, Kirche und Gesellschaft“ (Kirkpatrick, 1965, S. 17) Benos (2011, S. 95) schreibt: "Der Vater hielt Prügel für das beste Erziehungsmittel und hatte seinen Sohn mit dem Gurt häufig grün und blau geschlagen." Mussolinis Mutter hegte ihrerseits ehrgeizige Pläne für ihre Kinder, die sie unbedingt in höhere Gesellschaftsschichten aufsteigen sehen wollte. Mussolini idealisierte seine Mutter stark, sagte aber auch im gleichen Atemzug: „(...) Ich kannte nur eine Angst: Irgend etwas zu tun, was ihr missfallen könnte.“ (Kirkpatrick, 1965, S. 17) Im Alter von neun Jahren wurde Benito von seinen Eltern schließlich gegen seinen Willen auf ein kirchliches Internat geschickt (vor allem dem egoistischen Willen der Mutter nach), in dem er ein Außenseiter war, regelmäßig unter Arrest stand und Prügel durch die Lehrer bezog. Er selbst empfand das Internat als eine Strafe. Mussolini fiel seinerseits schon als Junge durch Jähzorn, Zynismus und häufige, schwere Prügeleien mit Mitschülern auf. Bei einer Auseinandersetzung stach er sogar mit einem Messer einen Mitschüler nieder. Mit achtzehn Jahren ging er letztlich von einer anderen Schule ab und Kirkpatrick schreibt verhängnisvoll, verheißungsvoll: „Mit dem Diplom in der Hand, warf er aufatmend die Fesseln seiner Kindheit ab und rüstete sich, der Welt die Stirn zu bieten.“ (ebd., S. 23)

Die Kindheit von Spaniens Diktator Francisco Franco ist ebenfalls ein Lehrstück dafür, wie missachtete Kinder sich später an der Gesellschaft rächen können. Francisco Franco entstammte einer Familie mit langer militärischer Tradition, schon der Großvater war ein hochrangiger Militär. Sein Vater - Nicolás Franco – war ein Marineoffizier, der sich auch zu Hause wie „ein General aufführte“, autoritär und tyrannisch war. (vgl. Preston, 1995, S. 3ff) Seine Kinder und auch seine Frau wurden oft Opfer seiner Wutausbrüche. Seine Tochter berichtete später, dass er seine Söhne schlug, hielt sich aber über das Ausmass der Gewalt bedeckt. Zu Hause war der Vater oft abwesend, traf sich außerhalb zum Kartenspielen, für Trinkgelage und mit anderen Frauen. Besonders sein zweitgeborener Sohn Francisco war Ziel seiner Ablehnung. Der dünne, schweigsame Junge enttäuschte seit frühester Kindheit die Vorstellungen des Vaters. Auf ihn angesprochen sprach er zuerst von seinem Sohn Nicolas, manchmal auch von Ramon, Francisco war nur „mein anderer Sohn“. (ebd.)
Don Nicolas verachtete seinen zweiten Sohn auch noch, als der den Bürgerkrieg gewonnen hatte: "Paquito als Staatschef! Paquito als Caudillo! Dass ich nicht lache!" (DER SPIEGEL, 14.12.1992)
Francos Mutter war vor allem bemüht, die religiös-bürgerliche Fassade nach Außen aufrecht zu erhalten und ihr Unglück zu verdecken. Nach dem krankheitsbedingten Tod ihrer kleinen Tochter Paz im Jahr 1903 war sie zudem am Boden zerstört. (Über die Auswirkungen dieser Tragödie auf die anderen Familienmitglieder wird in den Quellen nichts beschrieben) Alle Schilderungen von dem Biografen Paul Preston und auch vom SPIEGEL deuten darauf hin, dass der kleine Francisco seine Mutter trösten und stützen musste. Er begleitete seine Mutter Pilar täglich zur Kirche, wo sie Trost im Gebet suchte. Als ihr Ehemann die Familie im Jahr 1907 – da war Francisco 14 Jahre alt – endgültig verließ, trug sie ab sofort nur noch schwarze Kleider. Es scheint so, schreibt Preston, dass dieser Aufbau eines Schutzschildes vor dem Unglück seiner Mutter auf Kosten der emotionalen Entwicklung von Francisco ging und er eine kalte, innere Leere ausbildete. (vgl. Preston, 1995, S. 4) Francisco war ein einsames, unglückliches und in sich gekehrtes Kind, das zudem älter schien, als es eigentlich war. Er war brav und folgsam.
Die Schilderungen über seine Mutterbeziehung lassen letztlich den Schluss zu, dass er emotional von dieser missbraucht und als Trostpflaster gebraucht wurde. Als Person mit eigenen Bedürfnissen scheint er nicht gesehen worden zu sein. Die Mutter hatte ihren Kindern außerdem – trotz oder gerade wegen dieser Verhältnisse - den eisernen Willen eingepflanzt "aufzusteigen, Ruhm zu erlangen, und sei es unter höchsten Opfern und Anstrengungen", schreibt DER SPIEGEL.
Die Anerkennung seines Vaters konnte Francisco nie erreichen. Gleichzeitig idealisierte er diesen, kreierte das Bild eines Helden, bestritt später, dass es Probleme zwischen seinem Vater und seiner Mutter und auch den Kindern gegeben hatte und ließ seinen Vater nach dessen Tod prachtvoll beerdigen. (vgl. Preston, 1995, S. 5)
Vaterersatz und Selbstbestätigung suchte Francisco beim Militär, wo er mit vollem Einsatz in jungen Jahren begann. Auch hier erlebte er allerdings zunächst Demütigungen auf Grund seiner kleinen Größe und wurde auch das Ziel von grausamen Initiationsritualen durch seine Kameraden, auf die er mit Gewalt reagierte. (vgl. Preston, 1995, S. 9ff) Spott hatte er auch schon als Kind von Spielkameraden und seinen Geschwistern erfahren, die den schmächtigen, kränkelnden Jungen "cerillita" (Zündhölzchen) nannten.
Aus diesem Jungen wurde später der große General und Diktator Spaniens (El Caudillo - der „Anführer“). Im Militär hatte er sich schnell nach oben gearbeitet und nach dem Bürgerkrieg die Macht übernommen. Mindestens 30.000 politische Gefangene wurden unter Francos Regime zwischen 1939 und 1945 hingerichtet, schreibt DER SPIEGEL. Über eine Viertelmillion Republikaner wurde eingekerkert und gefoltert, eine halbe Million musste ins Exil fliehen. Noch 1946 befand Franco: "Es gibt keine Erlösung ohne Blut." Todesurteile unterzeichnete er, "ohne dass mir die Hand zitterte". (vgl. DER SPIEGEL, 14.12.1992)


Über den Vater des rumänischen Diktators Nicolae Ceauşescu wird berichtet, dass er sein weniges Geld im Wirtshaus vertrank, statt seine Kinder zu ernähren (insgesamt hatte er 10 Kinder, wovon eines früh starb) und dass er seine Kinder täglich „zu ihrem Besten“ schlug. Die Mutter achtete streng auf die schulischen Leistungen der Kinder, die sie ebenfalls ausgiebig prügelte. (vgl. Miller, 1990, S. 115) Alice Miller analysiert in ihrem Beitrag u.a. den Wahn des Diktators Ceauşescu, der sein Volk zu einem Überfluss an Kindern zwang, die nicht ernährt und gewärmt werden konnten. „Der Tyrann hat sich für sein persönliches Schicksal stellvertretend an Tausenden Müttern, Vätern und Geschwistern gerächt. Indem er sich weigerte, sich mit seinem Schicksal zu konfrontieren, seine Geschichte und seine Gefühle von damals total verdrängt hielt, brachte er ein ganzes Volk an den Rand des Untergangs. Ceauşescu hat nicht nur die rumänischen Kinder in die gleiche Not getrieben, die einst die seine war: Lieblosigkeit, Hunger, Kälte, ständige Kontrolle und die allgegenwärtige Heuchelei. (...) Er wollte Millionen Frauen dazu zwingen, Mütter zu werden, um ja niemals fühlen zu müssen, was er als Kind verdrängte: dass er seiner Mutter nur eine Last war und dass seine Existenz nachweisbar von ihr vergessen wurde.“ (ebd., S. 120)
Ceauşescu ging während seiner Amtszeit insbesondere mit Hilfe seiner Geheimpolizei Securitate grausam und brutal gegen das eigene Volk und politische Gegner vor. Schätzungsweise 10.000 Menschen hat die Securitate während dieser Zeit ohne Prozess hingerichtet und anschließend anonym verscharrt. (vgl. SPIEGEL-Online, 13.10.2009)

Auch auf der anderen Seite der Welt finden sich solche Zusammenhänge. Über den chinesischen Diktator Mao Zedong - chin. = Mao Tse-tung - (der für 70 Millionen Tote in Friedenszeiten verantwortlich war) wird berichtet, dass sein Vater ihn schlug und ihn „faul und nutzlos“ nannte. (vgl. Chang / Halliday, 2005) Der enorme Hass, den Mao als Folge dieser erlittenen Gewalt für seinen Vater empfand, wird durch folgendes Zitat deutlich: „Als er 1968 Rache an seinen politischen Widersachern nahm, sagte er den Kommandanten der Roten Garden, er hätte es gerne gesehen, wenn auch sein Vater so brutal misshandelt worden wäre: «Mein Vater war schlecht. Wenn er noch am Leben wäre, sollte man mit ihm "das Flugzeug" machen» - eine qualvolle Haltung, bei der die Arme des Opfers hinter seinem Rücken verrenkt wurden und der Kopf nach unten gedrückt wurde.“ (ebd., S. 21) An Hand dieses Zitates wird – wie ich finde - erschreckend „lehrbuchartig“ deutlich, wie Mao sein Volk stellvertretend für seinen Vater tyrannisierte.
Maos Vater verlangte offensichtlich – das wird an einer von Mao berichteten Szene deutlich - oftmals als Zeichen der Unterwerfung den Koutou, bei der es heißt, auf beide Knie zu sinken und den Kopf auf die Erde zu schlagen. Mao schildert später eine Szene, wo er vor den Beleidigungen seines Vaters vor Gästen des Hauses wütend nach draußen lief. Der Vater verfolgte ihn. Mao drohte ihm, in einen Teich zu springen, falls er näher kommen würde (also wohl mit Selbstmord). Der Vater verlangte den Koutou. Er, Mao hatte sich dann bereit erklärt, den Koutou nur auf einem Knie zu vollziehen, wenn im Gegenzug der Vater ihn nicht schlage. Wie Mao stolz berichtete, endete somit der Krieg zwischen ihm und seinem Vater durch diese offene Rebellion. Mao selbst sagte im gleichen Atemzug, dass er vorher um so mehr geschlagen wurde, wenn er sich bescheiden und unterwürfig gezeigt hatte. (vgl. Adolphi, 2009, S. 23ff) Hier wird das ganze Ausmaß der väterlichen Gewalt deutlich. Je hilfloser sich Mao zeigte, desto mehr wurde er geschlagen. Dies zeigt, meine ich, deutlich den Sadismus von Maos Vater. Adolphi schreibt auch, dass Mao häufig Prügel bezog und seinen Vater sehr abweisend und feindselig beschrieb. (ebd., S. 26)
Auch zwischen Maos Eltern wird es oftmals erhebliche Konflikte gegeben haben. Seine Mutter war streng gläubige Buddhistin, während sein Vater sich zu den Skeptikern zählte. Mao stand zwischen den beiden, sympathisierte allerdings mehr mit den Ansichten seiner Mutter, die er sehr verehrte und nur positiv von ihr berichtete. (vgl. Spence, 2003, S. 20ff, auch Adolphi, 2009, S. 24ff ) In den verwendeten Quellen finden sich allerdings keinerlei Hinweise darauf, dass seine Mutter ihm in irgendeiner Weise helfend und schützend gegen den gewalttätigen Vater zur Seite stand. In der damaligen chinesischen Kultur war die bedingungslose Unterordnung unter den Vater auch etwas, was allgemein akzeptiert wurde, sicherlich auch von Maos Mutter. Was fühlt ein Kind gegenüber der Mutter, wenn es vor ihren Augen und mit ihrem Wissen vom Vater ständig schwer verprügelt wird, ohne dass eingegriffen wird? Vielleicht Verrat, Hass, Wut, Ohnmacht? Wie passt dies mit Maos späterer Verehrung seiner Mutter zusammen? Mao fand in seiner Mutter ganz offensichtlich keinen helfenden Zeugen, das kann hier festgehalten werden.

Bereits mit sechs Jahren musste Mao auf dem elterlichen Hof mitarbeiten, besuchte aber auch eine Schule, in der „auch der Lehrer reichlich Prügel austeilt“. (Adolphi, 2009, S. 27) Im Alter von dreizehn Jahren verließ Mao - wie die meisten Jungen in China – die Schule und musste fortan die volle Arbeit eines Erwachsenen am Hof seines Vaters tun. Mit vierzehn wurde er zwangsverheiratet, seine Braut war achtzehn. (vgl. Spence, 2003, S. 22) Seine Ehefrau starb allerdings nach ca. zwei oder drei Jahren des Zusammenlebens. Im Alter von ca. siebzehn Jahren besuchte Mao dann wieder eine neue Schule in Xiangxiang. Mao wurde dort allerdings wegen seiner ländlichen Kleidung und seiner ärmlichen Herkunft verachtet und als Außenseiter behandelt. (vgl. ebd., S. 26)
Als junger Mann entwickelte Mao „eine Bewunderung für starke Männer wie Napoleon oder auch den Legalisten Shan Yang, der strenge Gesetze und drakonische Strafen als Form der Regierung befürwortete.“ (vgl. Wemheuer, 2010, S. 23)

Dergleichen Biographien findet man natürlich auch, wenn man noch weiter in die Vergangenheit zurück schaut, am Beispiel vom römischen Kaiser Nero. Dieser wuchs in einer Atmosphäre auf, in der zwischen den Erwachsenen seines Umfeldes Hass, Intrigen, Verrat, Machthunger, (Geschwister-)Inzest und Mord herrschte. (vgl. Waldherr, 2005)
Um Neros Vater ranken sich etliche Geschichten, die ihn als aufbrausend, anmaßend und durchgehend schlechten Menschen erscheinen lassen. So soll er z.B. einen Freigelassen umbringen haben lassen, nachdem dieser sich weigerte, bei einem Trinkgelage so viel zu trinken, wie befohlen. Bei anderer Gelegenheit überfuhr er angeblich absichtlich ein Kind mit seinem Gespann usw. Später wurde er wegen Majestätenverbrechen, mehrfachen Ehebruchs und einer angeblichen inzestuösen Beziehung mit seiner Schwester angeklagt und entkam nur knapp der Verurteilung. (ebd., S. 15)
Neros Mutter, Agrippina, wird als kalt, berechnend und skrupellos beschrieben. (vgl. Herrmann, 2005, S. 21) In ihrer eigenen Biographie sind schwere Schicksalsschläge zu finden. Ihre Mutter hungerte sich zu Tode, nachdem sie vom Kaiser verbannt worden war, da war Agrippina gerade mal vierzehn Jahre alt. Zwei Brüder starben eines unnatürlichen Todes, der dritte stellte ihr nach. (vgl. ebd., S. 22) Und Walherr schreibt dazu: „Man muss kein Psychologe sein, um sich vorstellen zu können, welche Folgen dies für die charakterliche Ausbildung der Heranwachsenden haben musste. Rücksichtslosigkeit, Verschlagenheit und brutaler Einsatz aller Mittel waren ihr im politischen Überlebenskampf vorgeführt worden.“ (Waldherr, 2005, S. 20)
Über körperliche und sexuelle Misshandlungen gegen das Kind Nero findet sich nichts bei den verwendeten Quellen, ich meine aber, dass die Profile der Eltern, das damalige Umfeld und die üblichen antiken „Erziehungspraktiken“ hier einiges erahnen lassen. Allerdings wird berichtet, dass Nero als Säugling in feste Tücher gewickelt wurde, „um damit einen späteren ebenmäßigen Wuchs zu gewährleisten und einer möglichen Verkrümmung der Gliedmaßen vorzubeugen.“ (Waldherr, 2005, S. 23) Das feste Wickeln und Binden von Säuglingen ist vor allem von Lloyd deMause (1992, 2005) in seinen Arbeiten immer wieder als eine Quelle inneren Terrors beschrieben worden. Diese schmerzvolle und einengende Prozedur ist auch noch heute in vielen Teilen der Welt zu finden.
Wie in den damaligen aristokratischen Familien üblich, wurde Nero sehr wahrscheinlich auch von einer Amme gestillt und aufgezogen, dadurch war die (so wichtige) Bindung zwischen Mutter und Kind nicht besonders eng. (vgl. Waldherr, 2005, S. 39) Als Kleinkind musste Nero dann auch die räumliche Trennung von seiner Mutter erleben, als diese in Ungnade fiel und einige Zeit in die Verbannung geschickt wurde. Im Alter von drei Jahren erlebte er dann den Tod des Vaters und kam schließlich zur Pflege für mehrere Monate zu einer Tante. Diese verband mit Neros Mutter eine tiefe Feindschaft und beide buhlten darum, bei dem kleinen Nero den Vorrang zu haben. Die Beziehung zur Tante wird wohl eher schlecht gewesen sein, denn Nero billigte Jahre später ihre - durch seine Mutter angezettelte - Verurteilung zum Tode und sagte sogar als Zeuge gegen sie aus. (ebd., S. 39ff) Über Neros Mutter wird weiter berichtet, dass sie stets großes mit ihm vorhatte und ihn zum Kaiser machen wollte. Die Berichte enthüllen eine rein zweckmäßige Bindung an ihren Sohn, von Gefühlen ist keine Rede. Wie blindwütig und tief ihr Wunsch nach dieser Machtposition für ihren Sohn war, zeigt eine Reaktion von ihr auf die Prophezeiung eines Astrologen, dass das Kind später herrschen, aber sie töten würde: „Soll er mich töten, wenn er nur herrscht.“ (ebd, S. 24) Und so kam es dann auch, Nero wurde Kaiser und ließ später seine Mutter umbringen. Das wenige, was wir über Neros Kindheit wissen, reicht - denke ich - aus, um von einer sehr traumatischen Kindheit sprechen zu können. Nero blieb in der Geschichtsschreibung besonders durch seinen manischen Charakter (viele Autoren der Nachwelt stellten ihn auch als größenwahnsinnigen Tyrannen dar), seine Familienmorde, die grausamen Hinrichtungswellen - insbesondere nach dem großen Brand in Rom - gegen die Christen und durch seine verträumte Liebe zu Kunst und Theater in Erinnerung (er selbst trat als Schauspieler und Sänger auf).
  
Aus der jüngeren Geschichte gibt es ebenfalls anschauliche Beispiele, so z.B. aus dem ehemaligen Jugoslawien: Der politische Serbenführer Slobodan Milosevic war offenbar laut Wirth (2006) ein seelisch schwer traumatisierter Mensch. Seine Lebensgeschichte ist durch einschneidende Verlusterlebnisse und ein hohes Maß an Destruktivität gekennzeichnet. Milosevic wuchs - mit Wirths Worten .- in einer funktionsgestörten und psychopathologischen Familie auf. Sein Vater verließ früh die Familie; er erschoss sich 1962 und blieb ein „Schwarzes Loch in Milosevics Biographie“. Milosevics Mutter war hart, despotisch, unduldsam, Besitz ergreifend und psychisch überlastet. Milosevic scheint frühzeitig Erwachsenenfunktionen übernommen zu haben und wurde von der Mutter zum „Retter der Familie“ verklärt bzw. von dieser als Pseudo-Erwachsener seelisch gebraucht und ausgenutzt. Der Lieblingsonkel hatte sich bereits Jahre vor dem eigenen Vater - da war Milosevic sieben Jahre alt - erschossen. Als Slobodan 31 Jahre alt war, folgte der nächste Schicksalsschlag, seine Mutter erhängte sich an der Schlafzimmerlampe. (vgl. Wirth, 2006, S. 284ff) “Slobodan Milosevic ist sein ganzes Leben lang nie aus dem Schatten seiner destruktiven Elternfiguren herausgetreten.” (ebd., S. 286) Wirth bezeichnet Milosevic in seiner Analyse als narzisstisch gestörte Persönlichkeit und vermutet genau genommen auch eine Borderline-Störung. (vgl. zu dieser Störung Dulz / Scheider, 2001). Slobodan Milosevic wurde in Den Haag auf Grund verschiedener Kriegsverbrechen und wegen Völkermord angeklagt, verstarb allerdings bevor der Prozess zu Ende ging.

Auch der irakische Diktator Saddam Hussein hatte laut deMause (2005) „eine unglaublich traumatische Kindheit“. „Seine Mutter versuchte ihn abzutreiben, indem sie mit den Fäusten gegen ihren Unterleib schlug, sich mit einem Küchenmesser schnitt und dabei schrie: „In meinem Bauch trage ich einen Satan!“ „ (deMause, 2005, S. 29) Saddam verlor früh den Vater, wobei die Umstände dessen Verschwindens im Dunkeln bleiben. Zur Vaterfigur wurde ein Onkel mütterlicherseits – Khairallah Tulfah -, bei dem Saddam unterkam und den er bewunderte. Dieser Onkel wird von Coughlin (2002) als „streitsüchtiger und launischer Mensch“ und als „unbelehrbarer Bewunderer Adolf Hitlers und des Nationalsozialismus“ beschrieben. (vgl. Coughlin, 2002, S. 46) DeMause schreibt, dass Saddam regelmäßig von diesem Onkel geschlagen wurde, dieser ihn den „Sohn eines Köters“ nannte und er Saddam beibrachte, wie man eine Waffe gebraucht. (vgl. deMause, 2005, S. 29) Khairallah kam schließlich für seine Naziverehrung ins Gefängnis und der junge Saddam musste wieder bei seiner Mutter leben, die mittlerweile einen neuen Mann gefunden hatte. Willkommen geheißen wurde er nicht und er scheint in seinem zu Hause „sträflich vernachlässigt worden zu sein“. Der neue Stiefvater war zudem brutal. Er „(...) verpasste dem kleinen Jungen gern eine Tracht Prügel mit einem mit Asphalt überzogenen Stock.“ (Coughlin, 2002, S. 48) Saddam Hussein vertraute dem offiziellen Biographen Iskander an, dass er niemals jung und unbeschwert war, sondern stets ein eher trauriges Kind, das sich von den anderen fern hielt. Coughlin spekuliert auch über einen möglichen sexuellen Missbrauch Saddams durch den Stiefvater. (vgl. ebd.) Da Saddam vaterlos und ein Außenseiter war, wurde er zusätzlich gnadenlos von den anderen Kindern des Dorfes gehänselt und oft auch verprügelt. „Er wurde so schlimm drangsaliert, dass er sich angewöhnte, zur Verteidigung einen Eisenstab mitzunehmen, wenn er sich aus dem Haus wagte.“ (ebd., S. 49)
Saddam Hussein vergötterte seine Mutter (die nebenbei bemerkt auf keinem erhaltenden Foto lächelte, sondern eher finster dreinblickte) bis zu ihrem Tode, worüber sich der Biograph Coughlin „angesichts der Erniedrigungen“ sehr wundert. (Anmerkung: Wenn man sich die Fakten anschaut, erscheint Saddams Bezeichnung für den ersten Golfkrieg als "Mutter aller Schlachten" in einem ganz anderen Licht...) Ebenso verehrte er seinen (gewalttätigen) Onkel, den er später zum Bürgermeister von Bagdad machte. Hier findet sich erneut eine starke Identifikation mit den Aggressoren.
Saddam Hussein verübte nach deMause seinen ersten Mord im Alter von 11 Jahren... (vgl. deMause, 2005, S. 29)

Solche Beispiele finden sich natürlich auch in westlichen Demokratien. DeMause schreibt, dass die Kindheit vom amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan „ein Alptraum von Vernachlässigung und Missbrauch“ war. (deMause, 2005, S. 19)
Ronald Reagans Vater war ein gewalttätiger Mann und Alkoholiker. Er trat den jungen Ronald mit seinem Stiefel und pflegte ihn und seinen Bruder des Öfteren zu "verkloppen". Der Vater wurde später von seinem Sohn beschrieben als jemand, der „ein Leben in fast andauernder Wut und Frustration“ geführt habe. Selbst aus den wenigen Erinnerungen in den verstreuten Äußerungen über seinen Vater wird deutlich, dass Ronalds Verhältnis zu ihm angefüllt war von Augenblicken des Terrors und gleichzeitig einem Verlangen nach Nähe. (vgl. deMause, 1984, S. 59)
Der Alkoholismus seines Vaters war auch der Hauptgrund für häufige Orts- und Stellungswechsel, die Familie zieht ständig um, mitunter schlafen sie alle im Auto. Wochenlang geht Ronalds Vater auf Zechtour, der Junge erinnert sich an seine Ängste während der Abwesenheit des Vaters und die dann folgenden "lauten Stimmen in der Nacht". Als Elfjähriger kommt er einmal nach Hause und findet seinen Vater "sinnlos betrunken auf dem Rücken liegend auf der Veranda". Er muss diesen großen, schnarchenden Koloss ins Bett verfrachten. Im Rückblick bezeichnet Reagan seine Kindheit als "eine jener seltenen Huckleberry-Finn-Tom-Sawyer-Idyllen“. Die Schattenseiten schien er vollkommen verdrängt zu haben. (vgl. DER SPIEGEL, 26.10.1981) Seine Autobiographie nannte Reagan übrigens „Wo ist der Rest von mir?“ (Where's the Rest of Me?), um, wie er in der Einleitung sagte, anzuzeigen, dass er den größten Teil seines Lebens mit dem Gefühl verbracht hatte, es fehle ihm etwas, ein Teil von ihm. (vgl. deMause, 1984, S. 55) Diese Zerrissenheit, inneres Fremdsein und das Gefühl „nicht ganz zu sein“ ist typisch für traumatisierte Kinder. (Im weiteren Textverlauf wird Arno Gruen dazu noch zu Wort kommen)
Das Resultat war laut deMause eine Kindheit der Phobien und Ängste bis zum Grad der Hysterie und verschüttete Gefühle der Wut. „Als Erwachsener fand Ronald Reagan Gefallen daran, eine geladene Pistole zu tragen, er zog auch Selbstmord in Erwägung, wurde davon nur durch das defensive Manöver abgehalten, in die Politik zu gehen und ein Anti-Kommunisten-Krieger (pers. Anmerk.: Die Sowjetunion war für Reagan das "Reich des Bösen") zu werden, gegen imaginäre „Feinde“ ins Feld zu ziehen, die er für die Gefühle, welche er in sich selbst verleugnete, verfolgte.“ (deMause, 2005, S. 19)
Volker Elis Pilgrim hat Reagans destruktive Politik und Einstellung deutlich zusammengefasst: „Sein Blut- und Bombentemperament kam immer wieder zum Ausdruck: Raketenstationierung in Europa, Einmarsch in Grenada, Infiltration in Nicaragua, Unterstützung aller reaktionären Staatsmänner der Welt, Bombardierung Tripolis, Vorbereitung zum Krieg der Sterne. Reagan war vom gewinnbaren Atomkrieg überzeugt. Die USA müssten nur den „Erstschlag“ unternehmen. (…) Berühmt wurden seine Sätze vor einer Rundfunkansprache 1984, die nur für das Team gedacht waren und zufällig festgehalten wurden: „Amerikanische Mitbürger! Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass ich heute ein Gesetz zur endgültigen Auslöschung Russlands unterzeichnet habe. Das Bombardement beginnt in fünf Minuten.“ " (Pilgrim, 1990, S. 289)

Auch der Präsidentschaftsstil von George H. W. Bush (Vater von Präsident George W. Bush und ehemals Vizepräsident unter Ronald Reagan) war stark von seiner Kindheit bestimmt, die voller Angst und körperlichen Bestrafungen war. (vgl. deMause, 2005, S. 20ff) Georges Bruder, Prescott Jr., sagte über den gemeinsamen Vater: "Er legte uns übers Knie und prügelte uns mit seinem Gürtel durch. (...) Er hatte einen starken Arm, und Junge, haben wir das gespürt. (...) Wir hatten alle Angst vor ihm. Als wir jung waren, hatten wir alle Todesängste vor Dad.“ (zit. nach ebd., S. 20) George selbst gestand einmal: "Dad war richtig unheimlich." (ebd.) George H. W. Bush befahl während seiner Amtszeit den Krieg gegen den mittelamerikanischen Staat Panama und gegen den Irak.

George H. W. Bush Senior gab seinerseits an seinen Sohn George W. Bush weiter, was er selbst erlebt hatte, indem er körperliche Gewalt anwandte. (vgl. Gruen, 2004) Er galt außerdem als distanzierter und chronisch abwesender Vater. (vgl. Frank, 2004, S. 23 + 36ff) Zudem wird berichtete, dass Bush Junior die Rolle des „dienenden Retters“ seiner depressiven Mutter zugeschrieben bekam. (vgl. Gruen, 2004) Frank (2004) beschreibt die Mutter, Barbara Bush, als kalte Erzieherin, die in der Familie für Zucht und Ordnung sorgte und von ihren Kindern „die Vollstreckerin“ genannt wurde. Auch sie übte körperliche Gewalt gegen die Kinder aus, so wie sie es selbst einst als Kind in ihrer Herkunftsfamilie erlebt hatte. Bei Barbara Bush stellt Frank auch eine gespaltene Weltanschauung in „Gut“ und „Böse“ fest, die ganz offenkundig auch bei ihrem Sohn zu finden ist.
Im Alter von sechs Jahren erlebte George W. ein weiteres Trauma, nämlich Krankheit und Tod seiner kleinen Schwester Robin. Im Jahr 1953 wurde Leukämie bei Robin festgestellt. Barbara Bush blieb daraufhin monatelang in New York, um Robin bei ihrer Krebstherapie zu unterstützen. George und das Baby Jeb wurden zunächst bei Nachbarn untergebracht, später wurde dann eine Haushälterin eingestellt und die Kinder kehrten zumindest ins vertraute eigene Haus zurück. (vgl. Auchter, 2007, S. 8ff) George musste sich verlassen gefühlt haben (Wir erinnern uns, der Vater war eh stets abwesend). Er wurde außerdem nicht über die Krankheit seiner Schwester aufgeklärt. Als die Schwester schließlich starb, fuhren die Eltern einen Tag später zu Babara Bushs Vater und spielten Golf. (ebd.) Eine Trauerfeier für Robin fand nicht statt.
Diese Tragödie wurde in der Familie Bush - schreibt Frank, 2004, S. 21-37 -, in der eh der Ausdruck gerade von schmerzlichen Gefühlen unerwünscht war, nicht offen betrauert und besprochen und letztlich nie wirklich verarbeitet.
Welch eine Ironie, schreibt Frank, „(...) dass dieses Kind als Erwachsener ausgerechnet zu dem Zeitpunkt Präsident ist, als seine Nation den Moment ihrer größten Trauer erlebt – die Zeit der tiefen Erschütterung nach dem 11. September 2001.“ (Frank, 2004, S. 35ff) So wich George W. Bush - nach Frank - der Trauer aus, schien unfähig, öffentlich Trauer zu zeigen und lief geradewegs zur Wut und zur Rache über...
Arno Gruen schreibt über diese Eltern-Kind-Beziehung in der Familie Bush. „Genau so sieht eine Beziehung aus, die Kinder früh zu Marionetten macht, sie ihrer eigenen Selbstberechtigung beraubt, sie mit Verachtung für sich und ihre Welt zurechthämmert. Hier liegt die Quelle für das Verhalten solcher Menschen, die uns dann alle durch ihr Spiel mit dem Leben ins Verderben treiben.“ (Gruen, 2004)
George W. Bush sagte übrigens einmal: "Wenn wir eine Diktatur hätten, wäre alles weiß Gott viel einfacher, solange ich der Diktator bin.“ (Auchter, 2007, S. 12)

Nachfolgend werde ich die beiden Paradebeispiele Adolf Hitler und Stalin bzgl. o.g. Zusammenhänge ausführlich darstellen und weiter kommentieren.
Vorher allerdings noch ein Zwischengedanke: Was wir oben über die Kindheit der benannten Personen erfahren haben ist erschreckend. Es ist dabei eigentlich erstaunlich, dass die Gewalt gegen die Kinder überhaupt dokumentiert werden konnte. War und ist doch i.d.R. die Gewalt innerhalb von der Familie ein Tabu und wird von Stillschweigen umhüllt. Ich nehme somit an, dass die geschilderten Details nur ein Auszug dessen sind, was die genannten Personen alles erfahren haben. Meine Erfahrungen mit dem Thema sind, dass die Dinge, die Kindern angetan werden, oft über die Vorstellungskraft eines normalen Menschen hinaus gehen. Es liegt darüber hinaus in der Natur der Sache, dass man über die Ereignisse in den entscheidenden ersten drei Lebensjahren oder speziell in der Säuglingszeit meist nichts erfährt. Es ist kaum vorstellbar, dass misshandelnde Eltern z.B. im ersten Lebensjahr liebevoll zu ihrem Säugling waren und ihn dann erst später schlecht behandelten. Vielmehr können wir annehmen, dass die o.g. Personen auch schon als Säugling Entbehrungen und ggf. die ein oder andere Form von Gewalt erlebt haben. Solch frühe Erfahrungen graben sich tief ein in die Psyche eines Menschen. Wir müssen uns klar machen, dass das Jahr 365 Tage hat. Jährlich waren diese Kinder 365 Tage ihren destruktiven Eltern ausgesetzt! Ich möchte diesen Teil wiederum mit einem Auszug aus der Rede von Astrid Lindgren schließen: „Auch künftige Staatsmänner und Politiker werden zu Charakteren geformt, noch bevor sie das fünfte Lebensjahr erreicht haben - das ist erschreckend, aber es ist wahr.“(DIE ZEIT, 13.11.2007)





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