Montag, 27. Oktober 2008

3. Kindheitserfahrungen und Psychopathologie der Machthaber als Wurzel kriegerischer Politik

Kindheitserfahrungen in der Familie werden von verschiedenen AutorInnen als wichtige Grundlage für gesellschaftliches und politisches Leben und Wirken angeführt (vgl. Mantell, 1978; Miller 1983; Bassyouni, 1990; Christel / Hopf, 1997; Gruen, 2002a, deMause, 2005) bzw. es wird die Bedeutung der Psychologie und Psychopathologie für die Politik hervorgehoben. (vgl. Richter, 1996; Frank, 2004; Wirth, 2006; Kornbichler, 2007) DeMause (2005) hat eindrücklich formuliert: „Jede Kindererziehungspraxis in der Geschichte wird im erwachsenen politischen Verhalten wiederaufgeführt.“ (deMause, 2005, S.119) und „Politische Parteien unterscheiden sich eher nach Psychoklassen (Erwachsene mit ähnlichen Kindererziehungsmodi) als nach ökonomischen Klassen.“ (ebd., S. 188)
Regierungen bestehen letztlich aus ehemaligen Kindern, die groß geworden sind. Regierungsmitglieder und Beamte bringen die Werte, Einstellungen und Neigungen, die sie als Kinder lernten, mit in ihr Amt. Richter (1996) fragt danach, warum Menschen sich davor scheuen, Politik zu psychologisieren bzw. geradezu davor gewarnt wird, in der Politik nach psychischen Einflussfaktoren zu suchen und das, obwohl seit Freud der Einfluss unbewusster Motive eigentlich klar sein sollte. Richter sieht vor allem die Interessen der Machteliten (selbst), die ihre emotionalen Motive verleugnen und das eigene Tun als nüchterne Regelung von Sachfragen beschreiben, als Hindernis entsprechender Psychologisierungen. Mit dem Verweis der Psychologie auf den Privatbereich der Individuen und deren Familien sieht er einen wesentlichen Aspekt ausgeblendet, dessen Klärung zur Heilung der „psychischen Krankheit Friedlosigkeit“ seiner Ansicht nach von zentraler Bedeutung wäre. (vgl. Richter, 1996, S. 27ff)
Aber auch das Volk entemotionalisiert und entpsychologisiert laut Richter die Politik und das obwohl im Volk selbst u.a. sozialpsychologische Dynamiken wirken, z.B. bei Wahlen. (Ein relativ aktuelles Beispiel dafür ist das erstaunliche Wahlergebnis der „Schill-Partei“, die nach ihrem Gründer Ronald Schill – im Volksmund „Richter Gnadenlos“ – benannt wurde. Die Schill-Partei erzielte nur ein Jahr (!) nach Parteigründung bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg 2001 durch ihren rechts-populistischen Wahlkampf und durch die „Ein-Mann-Show“ ihres Gründers 19,4 % der Stimmen. Dieser plötzliche Wahlerfolg ist, so meine ich, nicht nur einfach auf Protestwähler zurückzuführen, sondern hat in der Tiefe etwas mit der „Identifikation mit dem Aggressor“ zu tun und dem Wunsch nach „einer starken Hand“ in der Politik, was ich weiter unten deutlich ausführen werde. Ein weiteres - für mich noch erstaunlicheres - Beispiel ist die Wiederwahl des (nach meinem Empfinden sehr destruktiven) amerikanischen Präsidenten George W. Bush im Jahr 2004. Diese Beispiele zeigen, wie aktuell die in dieser Arbeit benannten Prozesse weiterhin sind.)
Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Tief sitzt der Wunsch, dass dort, wo Vernunft und „das Gute“ geschehen solle und wo die Machtmittel liegen, ggf. über Krieg und Frieden zu entscheiden, die innere Welt und Emotionen keinen Einfluss haben. Insgeheim wissen wir, dass diese Annahme, dieser Wunsch nicht zu halten ist, so Richter weiter. Könnte überhaupt eine menschliche Politik herauskommen, wenn sie von Leuten gemacht würde, die in ihr nicht als vollständige Menschen mit Empfindungen und Gefühlen handeln? Eine interessante Frage, wie ich finde, denn oftmals entschieden in der Geschichte gerade Menschen mit einem gestörten Zugang zu ihren Gefühlen und unbewussten destruktiven Motiven bzw. mit einer pathologischen Persönlichkeitsstruktur u.a. über Krieg und Frieden [1], was ich nachfolgend etwas ausführlicher behandeln werde.



[1] siehe auch ausführlich Kornbichler (2007) und Wirth (2006)



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2 Kommentare:

  1. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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  2. Hallo "Anonym", Deinen Kommentar habe ich entfernt, weil der Link nichts mit dem hier behandelten Thema oder dem Beitrag zu tun hat.

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