Dienstag, 21. Februar 2012

Kindererziehung in Namibia - Ein Erfahrungsbericht

Ich möchte auf einen sehr interessanten Erfahrungsbericht der Familie Spühler hinweisen.: „Kindererziehung auf afrikanisch“. Die Familie war zwischen 2007 und 2009 in Namibia und hat ihre persönlichen Beobachtungen bzgl. der dortigen Kindererziehungspraxis aufgeschrieben (insofern ist der Bericht natürlich subjektiv, aber trozdem sehr aufschlussreich, wie ich finde). Dass die Kindheiten in vielen Teilen Afrikas sehr gewaltvoll sind, habe ich bereits hier nachweisen können (das selbe bestätigen auch die Spühlers: "Das traurigste Thema ist die Gewalt, die die meisten Kinder hier tagtäglich erleben, ob zuhause oder in der Schule."). Solche Erfahrungsberichte machen zusätzlich deutlich, dass auch der allgemeine Umgang mit Kindern vor Ort vom Grundsatz her von Vernachlässigung geprägt sein kann. Die Spühlers berichten über den Satz einer Nachbarin: "Kinder soll man sehen, aber nicht hören." Und tatsächlich hörten Sie in ihrer Gegend fast nie Kinderlärm.
Aber auch ("negative") Gefühlsausdrücke von Kindern sind nicht erwünscht:
"Kinder – sobald sie den Windeln entwachsen sind - sollen z.B. nicht weinen. Auch in der Kindergruppe wird verlegen weggeschaut, wenn ein Kind weint und das betreffende Kind tut auch alles, um seine Tränen zu verbergen. Negative Gefühle sollen nicht gezeigt werden. So sah ich einmal ein wohl ca. 10-jähriges Mädchen eine halbe Stunde lang in einer Gartenecke gegenüber sitzen, völlig zusammengekauert und offensichtlich total betrübt. Verwandte und Freunde waren im selben Garten, aber niemand ging zu ihr hin. Bis sie sich aufraffte und – mit möglichst „normalem“ Gesicht wieder zurück zur Familie ging." Dies gilt vor allem für Kinder ab 1,5 Jahren. Aber auch Babys sollen ruhig sein und werden - wenn sie zu viel schreien - in einen Raum gebracht, wo sie alleine sind. "So lernen die Kinder schnell, dass es sich nicht lohnt, geräuschmässig aufzufallen." (eine Praxis, die auch hier in Europa lange üblich war.) "Sich mit Kindern aktiv beschäftigen oder sich gar mit ihnen unterhalten, das ist unbekannt."
Besonders erhellend und auch erschreckend fand ich den Hinweis, dass eine Bekannte keine Antwort auf die Frage wusste, was man denn auf afrikaans sagt, wenn man ein Kind loben möchte. Sie antwortete u.a.: "geh und spiel weiter" und "weine nicht, Mami hat dich doch nicht geschlagen."

Leider gibt es nur wenig Informationen über den Alltag von Kindern in Afrika und die Sicht auf Kindheit (zumindest habe ich dazu bisher wenig gefunden). Wer zusätzlich Infos hat, möge im Kommentarbereich gerne darauf verweisen.

5 Kommentare:

  1. Den Bericht habe ich jetzt gelesen. Sehr interessant. Ich hatte bisher gedacht, dass viele Afrikaner so fröhlich wirken, weil sie ein anderes Gemüt haben oder eben liebevolle Familien.
    Das jetzt erklärt einiges.

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  2. Man muss letztlich dazu erwähnen, dass die Kindererziehungspraxis in Europa historisch nicht viel anders aussah. Die Entwicklung von Kindheit verlief und verläuft weltweit ungleichzeitig. Insofern ist der Blick nach Afrika auch ein Blick in unsere eigene Geschichte.

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  3. Sie wissen genau was sie tun...
    ...Resozialisation nicht erwünscht...

    http://www.nzz.ch/magazin/campus/weltweit/auspeitschen_und_laufen_lassen_1.14888790.html

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  4. Ich denke, was ich als Unterschied sehe, ist, dass meines Erachtens (sieht man auch gut im "Das weiße Band") in unserer Gesellschaft damals generell Gefühle nicht gezeigt werden sollten, weder positive noch negative. In dem Bericht über Namibia wurde ja gesagt, dass positive Gefühle gern gesehen werden.

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  5. Ein guter Artikel, der zum nachdenken anregen sollte. Viele Grüße, Werner

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