Dienstag, 1. November 2011

Gewalt gegen Kinder in Afrika


Anmerkung: Dieser Beitrag ist leicht veraltet. In einem anderen Beitrag habe ich aktuellere Zahlen aus einer großen UNICEF-Studie besprochen, die zeigte, dass Afrika zusammen mit dem Nahen Osten  zu den gewaltvollsten Regionen auf der Welt für Kinder gehört.



In der Vergangenheit habe ich in Bezug auf Afrika oft von einer „black box“ was die Kindererziehungspraxis betrifft gesprochen. Mehr Licht ins Dunkle bringt der aktuelle UNICEF Report 2011 „Kinder vor Gewalt schützen“ (erschienen im Fischer Taschenbuch Verlag; siehe auch einige Datengrundlagen 2 Jahre vorher online "Progress for Children. A Report Card on Child Protection") bzgl. der Verbreitung von Gewalt und der Akzeptanz von häuslicher Gewalt (Nachtrag: Mittlerweile habe ich weitere wichtige Studien besprochen, die ich im Textverlauf unten extra verlinkt habe!).

Gewalt gegen Kinder in Prozent wurde wie folgt definiert. „Kinder (2-14. J.), die 2005-2008 psychisch oder physisch bestraft wurden“ (Auf Grund des o.g. Links zu den UNICEF Grundlagendaten 2009 kann ich noch ergänzen, dass die nachfolgenden Zahlen mehrheitlich angeben, dass die Kinder beides erleben, körperliche und psychische Gewalt)

Akzeptanz von häuslicher Gewalt 2002-2009 in % wurde wie folgt definiert: Anteil der Mädchen und Frauen (15-49 Jahre), die die Anwendung von Gewalt durch ihren Ehemann für gerechtfertigt ansehen. Als Gründe, die Gewalt rechtfertigen, wurden genannt: das anbrennen von Essen, Streit mit dem Partner, Verlassen des Hauses ohne sein Wissen, Vernachlässigung der Kinder oder Verweigerung von Sexualverkehr.

Hier die Ergebnisse bzgl. einiger afrikanischer Länder:

Ägypten: Gewalt gegen Kinder = 92 % / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 39 %

Äthiopien: Gewalt gegen Kinder = keine Angaben / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 81 %
(siehe unbedingt Extraseite (unabhängig vom o.g. UNICEF Report): "Gewalt gegen Kinder in Kenia, Uganda und Äthiopien")

Burkina Faso: Gewalt gegen Kinder = 83 % / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 71 %
 (siehe unbedingt Extraseite (unabhängig vom o.g. UNICEF Report): Gewalt gegen Kinder in Burkina Faso, Nigeria, Kamerun, Kongo und Senegal)

Elfenbeinküste: Gewalt gegen Kinder = 91 % / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 65 %

Gambia: Gewalt gegen Kinder = 87 % / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 74 %

Guinea-Bissau: Gewalt gegen Kinder = 82 % / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 52 %

Kamerun: Gewalt gegen Kinder = 93 % / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 56 %
(siehe unbedingt Extraseite (unabhängig vom o.g. UNICEF Report): Gewalt gegen Kinder in Burkina Faso, Nigeria, Kamerun, Kongo und Senegal)

Kenia: Extraseiten (unabhängig vom o.g. UNICEF Report) "Gewalt gegen Kinder in Kenia" und unbedingt wichtig:
"Gewalt gegen Kinder in Kenia, Uganda und Äthiopien")

Kongo, Dem. Rep.: Gewalt gegen Kinder = keine Angaben / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 76 %
(siehe unbedingt Extraseite (unabhängig vom o.g. UNICEF Report): Gewalt gegen Kinder in Burkina Faso, Nigeria, Kamerun, Kongo und Senegal)

Kongo, Dem. Volksrep.: Gewalt gegen Kinder = keine Angaben / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 76 %

Liberia: Gewalt gegen Kinder = keine Angaben / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 59 %

Mosambik: Gewalt gegen Kinder = keine Angaben / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 36 %

Namibia: Gewalt gegen Kinder = keine Angaben / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 35 %
(ergänzend: Kindererziehung in Namibia - Ein Erfahrungsbericht)

Niger: Gewalt gegen Kinder = keine Angaben / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 70 %

Nigeria: Gewalt gegen Kinder = keine Angaben / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 43 %
(siehe unbedingt Extraseite (unabhängig vom o.g. UNICEF Report): Gewalt gegen Kinder in Burkina Faso, Nigeria, Kamerun, Kongo und Senegal)

Ruanda: Gewalt gegen Kinder = keine Angaben / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 48 %
siehe ergänzend Extraseiten (unabhängig vom o.g. UNICEF Report): "Kindheit und Terror in Ruanda"

Sambia: Gewalt gegen Kinder = keine Angaben / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 62 %

Senegal: Keine UNICEF Angaben.
(siehe unbedingt Extraseite (unabhängig vom o.g. UNICEF Report): Gewalt gegen Kinder in Burkina Faso, Nigeria, Kamerun, Kongo und Senegal)

Sierra Leone: Gewalt gegen Kinder = 92 % / Akzeptanz von häuslicher Gewalt: 65 %

Simbabwe: Gewalt gegen Kinder = keine Angaben / Akzeptanz von häuslicher Gewalt 48 %

Somalia: Gewalt gegen Kinder = keine Angaben / Akzeptanz von häuslicher Gewalt 76 %

Tansania: Extraseite (unabhängig vom o.g. UNICEF Report) "Gewalt gegen Kinder in Tansania"

Togo: Gewalt gegen Kinder = 91 % / Akzeptanz von häuslicher Gewalt 53 %

Uganda: (siehe unbedingt Extraseite (unabhängig vom o.g. UNICEF Report): "Gewalt gegen Kinder in Kenia, Uganda und Äthiopien")

Zentralafrikanische Republik: Gewalt gegen Kinder = 89 % / Akzeptanz von häuslicher Gewalt keine Angaben (siehe auch "Ursachen der Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik und wie man daran vorbeisehen kann")

Besprechung der Zahlen:

Leider ist die Definition von der Gewalt gegen Kinder auf Grund der Metaebene der Studie etwas schwammig. Trotzdem geben die Zahlen ein Bild über das sehr hohe Ausmaß der Gewalt, nicht jedoch über die Häufigkeit und Intensität. Wenn man einzelne schockierende Berichte aus dieser Region in der Tagespresse verfolgt und sich zusätzlich z.B. Studien wie nachfolgende anschaut, die mehr in die Tiefe gehen, dann gehe ich sehr stark davon aus, dass Gewalt gegen Kinder in dieser Region nicht nur in Form von seltenen Züchtigungen und gelegentlichen verbalen Demütigungen vorkommt, sondern Gewalt weit aus häufiger und intensiver ausgeübt wird:
In Ägypten sagten beispielsweise bei einer Umfrage 37 % der Kinder, dass sie von ihren Eltern geschlagen oder gefesselt würden. 26 % berichteten über Knochenbrüche, Bewusstlosigkeit oder eine bleibende Behinderung aufgrund der Misshandlungen. (vgl. Youssef, Attia & Kamel, 1998 zit. nach WHO, 2002, S. 62) In Äthiopien berichteten 21 % der befragten städtischen Schüler und 64 % der ländlichen Schüler von Blutergüsse oder Prellungen auf Grund körperlicher Bestrafungen durch ihre Eltern. (vgl. Ketsela & Kedebe, 1997 zit. nach WHO, 2002, S. 62); siehe ergänzend auch unbedingt "Gewalt gegen Kinder in Tansania", "Gewalt gegen Kinder in Kenia, Uganda und Äthiopien"und "Gewalt gegen Kinder in Burkina Faso, Nigeria, Kamerun, Kongo und Senegal".

Dazu kommt routinemäßige, institutionelle Gewalt an Schulen. 1998 wurde z.B. Gewalt an Schulen in Kamerun verboten. Doch zwei Jahre später zeigte eine Studie durch EMDIA, dass die Lehrkräfte weiterhin SchülerInnen körperlich bestraften. 97 % der befragten SchülerInnen berichteten, dass sie körperliche Gewalt durch Lehrkräfte erfahren hatten. (vgl. World Report on Violence against Children, 2006, S. 117)
Studien aus dem Jahr 2005 in Ägypten zeigten, dass 80 % der Schüler und 67 % der Schülerinnen Körperstrafen durch Lehrkräfte erlitten haben. (ebd., S. 118) Ähnliches zeigte eine große Studie in Südafrika. 12.793 SchülerInnen wurden befragt. 70,1 % der GrundschülerInnen und 47,5 % der SchülerInnen von weiterführenden Schulen wurden von Lehrkräfte geschlagen, obwohl dies gesetzlich verboten ist. Die Studie zeigte zudem, dass 47.3 % der befragten GrundschülerInnen und 20 % der SchülerInnen aus weiterführenden Schulen von ihren Eltern geschlagen werden, wenn sie etwas falsch gemacht haben. (vgl. Burton, P., 2008: Merchants, Skollies and Stones: Experiences of School Violence in South Africa, Cape Town: Centre for Justice and Crime Prevention) Auch in Kenia gibt es erschütternde Berichte über besonders schwere Gewalt gegen SchülerInnen - siehe hier.
Ich möchte an dieser Stelle auch hervorheben, dass die UNICEF-Zahlen sehr aktuelle Zahlen sind und die hier im Absatz genannten ebenfalls relativ aktuelle. Was die ältere Erwachsenengeneration alles an Gewalt und Gewaltintensität erfahren hat, wird erfahrungsgemäß noch schlimmer sein, als das, was wir heute sehen.

Auch in (West-)Europa finden wir eine hohe Gewaltbetroffenheit der Kinder von bis zu 2/3 könnte man jetzt kritisch in Anbetracht der UNICEF Zahlen sagen. Dabei überwiegen allerdings leichte körperliche, nicht häufige Züchtigungen. Ich denke, das macht u.a. den Unterschied. Eine aktuelle KFN Studie aus dem Jahr 2009 zeigte, dass 42,1 % der befragten Jugendlichen über keinerlei gewalttätige, körperliche Übergriffe seitens der Eltern berichteten. 42,7 % erlebten leichte körperliche Gewalt (eine runtergehauen, hart angepackt oder gestoßen und/oder mit einem Gegenstand geworfen). Insgesamt 15,3 % der Befragten geben an, vor ihrem zwölften Lebensjahr schwerer Gewalt (mit einem Gegenstand geschlagen, mit der Faust geschlagen/ getreten und/oder geprügelt, zusammengeschlagen) durch Elternteile ausgesetzt gewesen zu sein; von diesen können – laut Definition der Studie - 9 % als Opfer elterlicher Misshandlung in der Kindheit bezeichnet werden. Insgesamt sind also 57,9 % der Jugendlichen in Deutschland von körperlicher Gewalt durch Eltern betroffen, allerdings sind die schweren Formen von Gewalt erheblich niedriger. Je häufiger und je schwerer die Formen der Gewalt, desto schlimmer sind die Folgen für die Kinder und auch die später Erwachsenen. Bzgl. Afrika nehme ich wie gesagt an, dass schwerer Formen der Gewalt weitaus häufiger vorkommen als z.B. in Deutschland. Dazu kommen Bedrohungen durch Angstmachen vor Geistern, Hexen und Dämonen, wie oft bzgl. Afrika berichtet wird. (In dem genannten UNICEF Report wird z.B. auf Seite 111 berichtet, dass sich in der Stadt Mkaiki in der Zentralafrikanischen Republik zehn von zwölf Prozessen um Hexerei drehen. Die täglichen Anhörungen sind ein öffentliches Spektakel. Die Beschuldigungen sind haarsträuben – Menschen sollen sich in Tiere verwandelt haben, Stürme oder gestohlene Seelen. Der Bericht zeigt auf, dass auch Kinder willkürlich der Zauberei verdächtigt wurden und daraufhin körperliche Misshandlungen erfuhren. Ich finde zudem alleine das Aufwachsen unter solchen mystischen Angstszenarien bereits psychisch gewaltvoll und sehr belastend.) Systematisch traumatisch sind auch Initiationsrituale, sowohl für Jungen als auch für Mädchen. Das alles ist noch mal ein Thema für sich. Wir werden letztlich in vielen afrikanischen Regionen entsprechend dem stärkeren Gewaltverhalten gegen Kinder eine komplett andere Psychoklassen-Verteilung vorfinden, als im heutigen Europa. Der Kulturschock, der uns dort begegnet, ist eigentlich mehr ein "Psychoklassenschock".


Die Akzeptanz von häuslicher Gewalt ist im UNICEF Bericht schon genauer definiert und erschreckend hoch in den genannten Ländern. Die Akzeptanz ist mit 35 % am niedrigsten in Namibia und mit 81 % am höchsten in Äthiopien, die anderen Länder liegen dazwischen. Bei den Ländern, wo zugleich auch Zahlen bzgl. der Gewalt gegen Kinder vorliegen, zeigt sich durchgängig, dass die Gewaltraten im Vergleich zu den Raten bzgl. der Gewaltakzeptanz deutlich höher liegen. Insofern gehe ich davon aus, dass wir bei den Ländern, wo keine Zahlen zur Gewalt gegen Kinder aber Gewaltakzeptanzzahlen vorliegen, durch letztere Zahl auch Rückschlüsse zu ersterer ziehen können. Beispielsweise wird für Ruanda eine Akzeptanzrate bzgl. häuslicher Gewalt von 48 % berichtet, entsprechend würde ich schätzen, dass die Gewaltrate gegen Kinder dort zwischen 70 und 90 % liegen könnte.
Dieser Part des Berichtes ist zudem ganz besonders aufschlussreich, weil er letztlich etwas über das Phänomen „Identifikation mit dem Aggressor“ aussagt und sich auf Mädchen und Frauen bezieht, denjenigen also, die hauptsächlich für die Kindererziehung zuständig sind. Letztlich sagen die Prozentzahlen, dass ein Großteil der Mädchen/Frauen erlebte Gewalt für legitim halten. Gleichzeitig wird der Täter entlastet, da seine Tat ja durch das „unkorrekte“ Verhalten der Frauen ausgelöst wurde. Die Schuld für die Gewalt trägt demnach also die Frau selbst. Es ist nur logisch, dass eine solche Identifikation mit dem Täter bzw. eine Akzeptanz von Gewalt auch viel darüber aussagt, wie diese Frauen mit ihren eigenen Kindern umgehen, wenn diese sich einmal „unkorrekt“ verhalten. Frauen sind, was den Umgang mit Kindern angeht, alles andere als das friedlichere Geschlecht, was vielen Menschen gar nicht bewusst ist. Studien in westlichen Ländern zeigen, dass Frauen mindestens zur Hälfte an der Misshandlung von Kindern beteiligt sind. Sehr viel anders dürfte es auch nicht in Afrika aussehen. (das belegen übrigens auch die oben im Text extra verlinkten Studien)

Afrika ist der Kontinent, der einfach nicht zu Ruhe kommt, in dem Gewalt, Terror, Krieg und Elend oftmals Alltag ist. Die meisten Forschenden und Berichterstatter übersehen routinemäßig die sehr hohe Gewaltbetroffenheit von afrikanischen Kindern. Wenn auf die Gewaltbetroffenheit der Kinder (bezogen auf den sozialen Nahbereich) eingegangen wird, dann meist isoliert oder sie wird als Folge von Armut, Kriegen und Kolonialismus gedeutet. Dass eine gesellschaftlich gewaltvolle Gesamtlage und eine destruktive Struktur in der Tiefe durch die weit verbreitete Gewalt gegen Kinder entstehen kann (und die Gewalt gegen Kinder an sich wiederum aus eigenen Gewalterfahrungen heraus entsteht), wird selten gesehen oder besprochen.
Eine nachhaltige Entwicklungshilfe muss immer auch das vordergründige Ziel haben, Kinder vor (vor allem elterlicher) Gewalt zu schützen. Wer dies übersieht, wird langfristig kaum Erfolge vor Ort erzielen. Zudem sollten zukünftig die möglichen Unterschiede in der Kindererziehungspraxis von Land zu Land herausgearbeitet werden. Insofern ließen sich vielleicht auch einige Unterschiede in den Konfliktsituationen besser erklären. So weit ich weiß, ist die Republik Botsuana das einzige afrikanische Land, das seit 1945 keinen Krieg oder einen bewaffneten Konflikt erlebt hat. Insofern wäre es interessant, hier ggf. Unterschiede bzgl. des Umgangs mit Kindern herauszuarbeiten. Umgekehrt könnte man schauen, ob in den Ländern, die ganz besonders blutige Kriege erlebten - wie z.B. Ruanda, Kongo oder Sudan – ggf. eine weit verbreitete besondere Brutalität gegen Kinder nachweisbar ist.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für diesen Artikel!

Anonym hat gesagt…

zu Ihrer Aussage "Eine nachhaltige Entwicklungshilfe muss immer auch das vordergründige Ziel haben, Kinder vor (vor allem elterlicher) Gewalt zu schützen. Wer dies übersieht, wird langfristig kaum Erfolge vor Ort erzielen."
verweise ich Sie auf eine Kampagne (www.patenmaedchen.de), die auf eben dieser Erkenntnis beruht und aufdeckt, wie aufgrund der Duldung schwerster Gewalt (Genitalverstümmelung an Mädchen) an hunderttausenden Patenmädchen die Organisationen Plan International, World Vision, Kindernothilfe und ChildFund Millionen an Spendengeldern verschwenden und die Spender systematisch betrügen

Dominik hat gesagt…

Liebe(r) Anonym,

vielen Dank für den Link zu der Kampagne gegen die Tolerierung der Genitalverstümmelung bei Patenmädchen. Ich habe zigfach die Werbung dieser Organisationen ins Haus bekommen (meist mit "persönlichem" Anschreiben von Ex-Nachrichtensprecher UIrich Wickert), und habe sie nie einfach sofort weggeworfen, wie andere Zeitungsbeilagen, weil es einfach nach einer verdammt guten, unterstützenswerten Sache klingt. Irgendwann habe ich mir dann mal die Mühe gemacht, ein bisschen im Internet dazu zu recherchieren, und ich war schockiert. Zunächst mal findet man heraus, dass sie nicht direkt die Mädchen unterstützen, sondern die ganzen Dorfgemeinschaften, in denen die Mädchen leben, und die sind mehr oder weniger ein niedliches Werbegesicht für die Sache. Es fließt ziemlich Geld in das Schreiben der Briefe der Mädchen an die Unterstützer, und das Aufrechterhalten dieser Illusion, das anders besser verwendet werden könnte. Schön und gut, aber es bleibt trotzdem noch eine gute Sache.
Und dann findet man heraus... dass ein Grundgedanke dieser Organisation ist, den Dorfgemeinschaften zu helfen, ohne Ihnen unsere westlichen Werte aufzwingen zu wollen. Schön und gut, im Prinzip absolut edel, lobenswert und in Ordnung. Aber das bedeutet eben auch, wenn eben diese Dorfgemeinschaften ihre kleinen Mädchen an ihren Genitalien verstümmeln wollen, so dürfen sie das auch. Der hilfsbereite, aufgeklärte West-Mensch macht seine Hilfe nicht davon abhängig, dass der Afrikaner seine fragwürdigen westlichen Werte übernimmt und dies unterlässt... geht's noch?!
Es gab auch Zahlen dazu, wo in Afrika das wie häufig passiert, aber selbst wenn nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der von diesen Organisationen unterstützten Mädchen davon betroffen ist... sie tolerieren es! Sie werben damit, speziell explizit diesen Mädchen zu helfen, und tolerieren aus political correctness, dass diesen eine dermaßen barbarische Gewalt angetan wird. Das ist für mich die Definition von übelstem Zynismus, schlimmer geht's nimmer.

Ich habe dies hier vor einigen Monaten gesehen, und jetzt endlich mir ein Herz gefasst, und Briefe an alle vier da verlinkten Organisationen abgeschickt, mit persönlichem Kommentar. Wenn es immer so leicht wäre, zumindest ein bisschen etwas zu tun, um die Welt vielleicht etwas besser zu machen...

Lieber Sven, vielen Dank für Deinen wunderbaren Blog. Ich bin über emma.de auf Dich aufmerksam geworden. Ich bin ein 33-jähriger Mann, und irgendwie kam ich vor 1/2 bis 3/4 Jahr mal auf die Emma-Seite, und lese sie seitdem regelmäßig. Ja, ich fühle mich manchmal ungerecht behandelt von den Feministinnen, und bin bei Leibe nicht mit allem was Alice Schwarzer publiziert einverstanden, bei manchen Sachen, die ich da lese, stehen mir die Haare zu Berge. Ja, ich finde Du unterstützt sie teilweise zu unreflektiert. Aber vieles dort ist auch viel differenzierter betrachtet, als ich erwartet hätte, vieles hat mir die Augen für Dinge geöffnet, die ich so noch nicht gesehen hatte, und es besteht für mich kein Zweifel, dass ihre Arbeit im Prinzip auch heute noch nach wie vor wichtig ist, und es ist schade, dass sie selbst für die meisten (jungen) Frauen heute eher so was wie eine Lachnummer oder ein Feindbild ist, ohne dass sie sich wirklich mit ihr auseinander gesetzt haben.

Und die Themen, die Du in Deinem Blog behandelst sind zweifelsohne hochinteressant und wichtig. Und Astrid Lindgren, die Du an prominenter Stelle zitierst, verehre ich sowieso schon seit langem...

Sven Fuchs hat gesagt…

Hallo Dominik,

danke für deine Anmerkungen und die positive Kritik!

Ja schön, dass meine Kommentare bei Emma auch mal Leute hier her ziehen.

Wenn man beides zusammenfügt, Thesen über männliche Sozialisation/Männerdominanz UND kindliche Gewalterfahrungen, dann kommt man ziemlich nah an die Ursachen von - in diesem fall männlicher - Gewalt heran. Da Frauen auch ohne Männerdominanzkultur und entsprechende Sozialisation zu allen erdenklichen Formen von gewalt fähig sind (vor allem gegen Kinder) spricht vieles dafür, dass die kindlichen Gewalterfahrungen sehr viel mehr Gewicht haben, was die Ursachen angeht.

Viele Grüße

Anonym hat gesagt…

Wie erklärt sich Ihres Erachtens die unten verlinke repräsentative Studie , dass in Afrika die glücklichsten Menschen leben, obwohl dort gleichzeitig die Rate von Kindesmisshandlung sehr hoch ist und als weiterer Belastungsfaktor Armut hinzukommt. Gehört zu Glück evtl. doch mehr als Erziehung etc. oder wie ist die Studie zu verstehen, da sie psychologischen Erkenntnissen widerspricht ?

https://www.gallup.at/de/unternehmen/studien/2020/glueck-und-zuversicht-im-weltweiten-laendervergleich/

Sven Fuchs hat gesagt…

Sie können so stark unterschiedliche Kulturen nicht derart direkt vergleichen.
Das hohe Ausmaß von Gewalt gegen Kinder in Afrika und im Nahen Osten müsste z.B. zu extrem hohen Suizidraten führen. Religion und Kultur "deckeln" aber diesen Effekt, der sich in westlichen Kulturen sehr deutlich nachweisen lässt. Real sind die Suizidraten in Afrika und Nah Ost relativ niedrig.

Schauen Sie sich auch mal diesen Erfahrungsbericht an:

https://kriegsursachen.blogspot.com/2012/02/kindererziehung-in-namibia-ein.html

Negative Gefühlsäußerungen werden in dem afrikanischen Ort nicht geduldet und Kindern frühzeitig ausgetrieben.

Anonym hat gesagt…

Dennoch erscheint mir merkwürdig, dass die Differenzen so signifikant sind, da auch in unserem Kulturkreis viele misshandelte Menschen negative Emotionen nicht äußern durften. Andernfalls wäre keiner Umfrage zu trauen, da dutzende psychologische Effekte die Ergebnisse verzehren könnten, was teils auch zu beobachten ist. Eine Studie sagt 10 %, wo eine andere 1 % sagt, obwohl die Fragestellungen fast das gleiche ausdrücken.