Montag, 3. Juni 2024

Die Kindheit von Walter Ulbricht. Wenige, aber tendenziöse Infos

Die Walter Ulbricht Biografie von Ilko-Sascha Kowalczuk zeigte wenig für mich Bedeutsames bzgl. der Kindheitserfahrungen des Diktators.
Der Biograf schreibt zunächst, dass es nur wenig Selbstzeugnisse von Ulbricht geben würde (was vielleicht auch das wenige Material über Inneneinsichten aus seiner Kindheit erklärt). Aber in einer Rede anlässlich des internationalen Frauentages im Jahr 1967 wurde Ulbricht dann doch etwas persönlicher und sagte:
Die Eltern haben dafür gesorgt, dass wir richtig lernten, auch wenn wir mal keine Lust hatten, was vorkommen soll. (…) Da gab es nichts, da durfte nicht hinausgegangen werden, bevor die Schularbeiten fertig waren. Da herrschte Ordnung, absolute Ordnung. Nachdem man sich das ein paar Jahre lang angewöhnt hatte, ging das normal weiter. (…) Es ist doch immer ein gewisser … [Kampf beim Kinde] zwischen dem Lernen und dem Fußballspiel. Das Lernen ging immer vor, mit Liebe und manchmal auch mit Zwang, aber es ging gut“ (Kowalczuk 2023, S. 45).´

Der Biograf kommentiert dazu: „Interessant, wie wichtig Ulbricht der Zusammenhang zwischen Zwang und Einsicht war“ (ebd.)

Ulbricht wurde im Jahr 1893 geboren. Dieses Datum und die (autoritären) Erziehungsnormen der damaligen Zeit sollten wir uns bei der Interpretation der oben zitierten Zeilen vor Augen führen!
Er spricht nicht nur von „Ordnung“, sondern von „absoluter“ Ordnung, die die Eltern forderten. Das Ganze hatte er sich "ein paar Jahre" angewöhnen müssen. Und er gebraucht das Wort „Zwang“, dazu noch im selben Atemzug mit dem Wort „Liebe“. Dies alles sind klassische Schlüsselbegriffe, die Menschen dieser Zeit mit Rückblick auf ihre Kindheit auffällig häufig benutzten. 

Meine Eltern straften mich, meine Eltern forderten Gehorsam, (oft auch:) meine Eltern schlugen mich, aber sie liebten mich, wie oft habe ich diese Verbindung schon gesehen, die klassisch für die Identifikation mit strengen Eltern steht?

Vielleicht finde ich irgendwann doch noch etwa mehr Details über die Kindheit von Walter Ulbricht. Für mich ergibt sich aus den zitierten Zeilen über die Erziehung in seiner Kindheit bereits eine Tendenz, die durchaus zu seinem späteren autoritären Führungsstil passen würde. 


Quelle:

Kowalczuk, I.-S. (2023). Ulbricht: Der deutsche Kommunist. C. H. Beck, München. 



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