Mittwoch, 20. Mai 2020

Steht der Glaube an Verschwörungstheorien in einem Zusammenhang zu (destruktiven) Kindheitserfahrungen?


Durch die Ereignisse rund um die Corona-Pandemie ist aktuell das Thema „Verschwörungstheorien“ medial breit auf den Tisch. Ich selbst habe zu diesem Thema eine ganz eigene „Theorie“.

Erinnern wir uns an dieser Stelle an die psychoanalytischen Arbeiten von Arno Gruen und dabei vor allem an sein Buch „Der Fremde in uns“. Kaum jemand hat die Verneblung der eigenen Wahrnehmung auf Grund erlittener Destruktivität in der Kindheit derart deutlich auf den Punkt gebracht wie Gruen.  Ich habe Gruens Analyse in meinem Buch auf Seite 320 wie folgt zusammengefasst:
„Kein Kind kann in dem Bewusstsein existieren, dass die Menschen, auf die es physisch und psychisch existentiell angewiesen ist (die Eltern), seinen Bedürfnissen kalt und gleichgültig oder gar grausam und unterdrückend gegenüberstehen. Diese Angst wäre, so Gruen, unerträglich, ja sogar tödlich. Ein Kind, das von seinen Eltern angegriffen wird und dessen Bedürfnisse frustriert werden, muss sich, um zu überleben, mit den Eltern arrangieren. Dazu wird das Eigene (vor allem eigene Empfindungen, Sicht und Empathie) als etwas Fremdes abgespalten, denn das Kind kann die Eltern nur unter der Voraussetzung als liebevoll erleben, wenn es ihre Grausamkeit als Reaktion auf sein eigenes Wesen interpretiert – die Eltern sind grundsätzlich gut; wenn sie einmal schlecht sind, dann ist dies die eigene Schuld des Kindes und der Angriff geschieht zu dessen Wohle. Alles, was dem Kind eigen ist, wird somit abgelehnt und entwickelt sich zur potentiellen Quelle eines inneren Terrors (das Eigene wird gehasst). Die eigenen Gefühle, Bedürfnisse und die eigene Wahrnehmung werden zu einer existentiellen Bedrohung, weil sie die Eltern veranlassen könnten, dem Kind die lebensnotwendige Fürsorge zu entziehen. Die Folge ist die Identifikation mit den Eltern (bzw. den Aggressoren), das Übernehmen deren Werte, die Unterwerfung unter deren Erwartungen und eine schwammige, ungefestigte und unsichere Identität, die durch das Fremde, nicht das Eigene bestimmt ist.“

Was bringt uns Gruens Analyse nun bezogen auf das Thema „Verschwörungstheorien“? Das Grundthema, das Menschen, die in ihrer Kindheit (vor allem durch Elternteile) viel Destruktivität erlitten haben oder auch traumatische Erfahrungen gemacht haben, ist das Thema Wahrnehmung. Oder besser gesagt: Verschwommene Wahrnehmung, Wahrnehmungsstörungen oder auch fehlendes Vertrauen in die eigene Wahrnehmung. Das Ausblenden von Realitäten war einst ein Überlebensmechanismus in der Kindheit. Bei massiven Verletzungen werden diese traumatischen Erlebnisse und vor allem die entsprechenden Gefühle häufig sogar gänzlich vom Bewusstsein abgespalten. Wenn diese Kindheitserfahrungen später nicht psychotherapeutisch aufgearbeitet werden, besteht die Gefahr, dass die Selbst- und Fremdwahrnehmung und das Erfassen der Realität um einen herum weiterhin vernebelt bleibt.
   Das sind Erkenntnisse, die nicht nur Arno Gruen gemacht hat, sondern diese Erkenntnisse gehören i.d.R. um Standardwissen von Psychotherapeuten, Traumaexperten oder von sonstigen Fachleuten, die mit traumatisierten Menschen arbeiten. Das Grundthema von derart belasteten Kindern bleibt auch im Erwachsenenalter häufig die Frage nach Realitäten: War meine Kindheit schön oder schlecht? Stimmen meine Erinnerungen? Waren meine Eltern wirklich so böse? Was darf ich fühlen? Was fühlte ich als Kind? Was fühle ich überhaupt? Wer meint es gut mit mir und wer nicht? Vor wem muss ich Angst haben? Wer bin ich eigentlich? Was war heute, was ist jetzt und was war gestern? 

Ich würde dem noch anschließen, dass im tiefen Bewusstsein von Menschen, die als Kind vor allem durch die eigenen Eltern massiv verletzt wurden, die eigentlichen realen Erlebnisse gespeichert sind. Der Zugang dazu ist allerdings oft versperrt oder vernebelt. Nicht selten pflegen von ihren Eltern misshandelte Menschen als Erwachsene sogar ein nach außen hin scheinbar gutes Verhältnis zu den Eltern. Aber irgendetwas stimmt doch nicht: Irgendetwas ist doch da, was mich manipuliert, mich zersetzt, mich unterdrückt, mir etwas vorspielt, mich von meinem eigentlichen Sein abhält
   Arno Gruen nannte dies: „Der Fremde in uns“. Traumaexperten sprechen eher von Täterintrojekten.

Das Problem ist (das war Gruens Antrieb, darüber zu schreiben), dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass der Blick auf Andere (ab)gelenkt wird. Hass und Schuldvorwürfe treffen dann nicht auf die eigentlichen Verfolger aus der Kindheit (meist destruktive Eltern), sondern auf Fremde, Ausländer, Juden, Homosexuelle, Minderheiten usw. Dies ist bzgl. Rechtsextremisten sehr gut empirisch belegt (siehe diverse Studien zum Thema Kindheit von Rechtsextremisten im Inhaltsverzeichnis oder zusammengefasst auch hier am Ende des entsprechenden Beitrags). Was bisher nach meinem Kenntnisstand wenig erforscht ist, ist die Frage, ob Kindheitshintergründe und entsprechende Gefühle und auch Wahrnehmungsverzerrungen bei den Anhängern von Verschwörungstheorien eine Rolle spielen. Dabei ist dieser Gedanke doch naheliegend!

Wer sich innerlich manipuliert, unfrei und zerrissen fühlt, wer eine vernebelte Wahrnehmung hat, der könnte doch u.U. einen anderen Weg einschlagen, als dies Rechtsextremisten tun. Schuld an der eigenen Misere ist dann „Mutti“ Merkel, die wiederum die Marionette von Bill Gates sein soll. Schuld sind dann irgendwelche Geheimbünde, Schattenbanken, fremde Mächte, Strahlen und was weiß ich nicht alles. Wobei auch nicht vergessen werden darf, dass die Sicht von Extremisten oft auch diese Verschwörungs-Weltbilder beinhaltet (klassisch mit Blick auf die angeblich jüdische Weltverschwörung, aber ergänzend auch mit abstrusen Weltbildern extremistischer Einzeltäter a la Anders Breivik & Co.) Dass man als "Verschwörungstheoretiker" in der Folge ein Gefühl von Macht und Kontrolle bekommt (da ja nur er/sie weiß, wie die Welt wirklich tickt!!), könnte man auch als Abwehrkampf gegen die alte Ohnmacht und den Kontrollverlust aus der Kindheit deuten. Wie auch immer, es ist jedenfalls offensichtlich, dass irrationale Motive bei den Verschwörungstheorien eine gewichtige Rolle spielen. 

Die naheliegende und hoch spannende Frage lautet also: Haben destruktive Kindheitserfahrungen etwas mit dem Glauben an Verschwörungstheorien zu tun? Aus der Forschung kommen da zwei Studien, die diese Frage ein Stück weit beantworten:
  • Eine Studie (zwei Befragungen mit 246 und 230 Teilnehmern) zeigte, dass negative Kindheitserfahrungen bzw. ein erlebter ängstlicher Bindungsstil (gemäß der Bindungstheorie) in einem Zusammenhang zum Glauben an Verschwörungstheorien stehen: Green, R. & Douglas, K. M. (2018): Anxious attachment and belief in conspiracy theories. In: Personality and Individual Differences. Volume 125, S. 30-37.
  • Eine andere Studie (5.645 Befragte von denen 1.618 an Verschwörungen glauben) fand ebenfalls Kindheitseinflüsse bezogen auf den Glauben an Verschwörungen. Die Forschenden schreiben:„Those individuals who endorsed the conspiracy belief item were more likely to have had potentially disruptive parental experiences during childhood such as not living with both biological parents, living away from home for an extended time, and often experiencing violence“ (Freeman, D., & Bentall, R. P. (2017): The concomitants of conspiracy concerns. In: Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, 52(5), S. 595-604.).

Wie schon oben erwähnt, würde ich ergänzend diverse Befragungen von Extremisten über deren Kindheitserfahrungen anführen, da Extremisten nach meinem Eindruck zu Verschwörungstheorien neigen. Diese Studien bestärken die Vermutung, dass Kindheitserfahrungen und Verschwörungstheorien in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Ich habe ergänzend etwas über die Kindheit von einigen bekannten "Verschwörungstheoretikern" (die teils auch aktuell in den Medien Thema sind) recherchiert. Und ich wurde auch fündig (wer mag, muss nur einige Namen und Suchbegriffe wie Kindheit, Biografie, Trauma etc. eingeben und lese dann selbst. Teils wurden von den Akteuren furchtbare Kindheitserfahrungen öffentlich gemacht). Ich bin normalerweise ja sehr offen mit meinen Biografieforschungen. Bei diesem Thema zensiere ich mich allerdings selbst und nenne keine Namen. Ich befürchte durch diesen Beitrag eh schon eine gewisse Gegenreaktion und böse Briefe. Ich möchte diese meine Gedanken zur Diskussion stellen und nicht von "Fangemeinden" und Followern mit Hass und Hetze überschüttet werden, für solchen Kram habe ich einfach keine Zeit.

15 Kommentare:

Michael Thomas Kumpmann hat gesagt…

Erstmal vorweg. Verschwörungstheorien sind in meinen Augen kein spezifisch rechtes Phänomen. Und ganz ehrlich. Viele Aspekte typisch linker Diskurse, wie z.B. manche Patriarchatstheorien haben definitiv auch unausgesprochen Tendenzen zur Verschwörungstheorie. (Die halbe Gender Studies kann man wahrscheinlich mit "Die Idee, dass es Männer und Frauen gibt, ist nur ein Komplott böser heterosexueller weißer Männer mit bösen Privilegien" zusammenfassen. Und zu sagen "Dass es Mann und Frau gibt ist nur ein böses Komplott um Leute zu manipulieren" ist auch nicht so anders zu "Dass die Erde eine Kugel und keine Scheibe ist, ist ein böses Komplott um die Leute zu manipulieren".)

Ein anderes Beispiel sind Diskussionen wie "Du kritisierst die Grünen, den Atomausstieg oder Fridays For Future? Dies bedeutet, Du wirst bestimmt von der bösen Atom-/Öl- oder Sontwas Lobby bezahlt.". Dieses Argument kommt gerade auf linker Seite ständig, aber die Aussage, Leute mit anderer Meinung seien in Wahrheit bezahlte Agenten von finsteren Mächten, ist de Facto auch ne Form von Verschwörungstheorie.

Das Gelaber von den russischen Bots ist auch nur ne Verschwörungstheorie. Aber da dies dem Mainstream in den Kram passt, kritisiert man so nen Scheiss nicht, sondern fördert dies noch.

Irgendwie hat jede politische Ideologie immer ein Feindbild und deshalb neigt absolut jede politische Ideologie zur Verschwörungstheorie.

Zum Antisemitismusvorwurf. Dies ist mit Verlaub ein dämlicher Strohmann. Nur weil ein paar Personen, die man für mächtig und gemeingefährlich hält, zufällig Juden sind, hat man nicht automatisch etwas gegen alle Juden. Du hälst Donald Trump auch für mächtig und gemeingefährlich. Bedeutet dies, dass Du alle Amerikaner hasst?

Natürlich gibt es leider einige Idioten, die manchmal mit antisemitischen Klischees kokettieren. (z.B. hat Oliver Janich mal den Spruch gebracht "warum haben eigentlich böse mächtige Leute meistens einen Nachnamen, der auf "Stein" endet.Denkt mal drüber nach." Das war mehr als Unglücklich.)

Natürlich ist das mit der Rothschild Familie auch ein abgedroschenes Klischee. (Ähnlich wie Rosswell, Schwarze Helikopter, das Kennedy Attentat etc.) Man muss aber auch sagen, die Rothschilds waren keine "Unschuldslämmer", denen "böse Antisemiten" ans Leder wollten. Die sind durchaus Kritikwürdig. Und wenn man Zeitzeugenberichte von Leuten liest, die mit denen zu tun hatten, wie Josephin Peladan z.B. , dann muss man zumindest sagen, dass diese Familid leider zumindest Leute waren, denen man besser aus dem Weg ging. Natürlich mögen die Verschwörungstheorien übertreiben, aber man sollte auch nicht jede Kritik an Leuten vornherein als Verschwörungstheorie ab tun.

Ein anderes Beispiel ist George Soros. Natürlich gehen die Verschwörungstheorien wahrscheinlich zu weit. Fakt ist aber auch, der Kerl betreibt massiven Lobbyismus und versucht massiven EInfluss auf die Politik zu nehmen. Wenn man die Aktivitäten von Pharmalobby, Medienindustrie (Artikel 13) und Vereinen wie "Verein neue soziale Marktwirtschaft" zu Recht kritisiert, muss man den lieben Herrn Soros definitiv auch kritisch sehen. (Und einer von Soros größten Kritikern ist übrigens der Ministerpräsident Israels. )

Und Bill Gates, na ja. Der hat eine beherrschende Stellung auf dem Computermarkt gewonnen, weil er Gesetze sehr zu seinen Gunsten auslegte, heimlich Kartelle bildete und Knebelverträge nutzte.

Natürlich ist es Kontraproduktiv, wenn Leute wie Ken Jebsen Fakten falsch oder unvollständig zitieren (wie z.B. diese Impfungen der Bill Gates Foundation in Indien. Da erzählen die vollkommenen Schwachsinn), aber dieser Reflex von vielen Leuten, dann stattdessen mit "Das totale Unschuldslamm wird von den bösen Verschwörungstheoretikern verunglimpft" kommen, ist auch Schwachsinn.

Michael Thomas Kumpmann hat gesagt…

Was ich auch Problematisch finde ist, dass der Mainstream Leute, die mit "bösen Verschwörungstheoretikern" zusammenarbeiten, zur Persona Non Grata erklärt. Beispielsweise eine der Sängerinnen der Band Pussy Cat Dolls. Als das mit dem Weinstein Skandal auf kam, war die eine der Ersten, die öffentlich erzählte, dass sie Opfer von mehreren Plattenbossen war. Aber weil die nicht zuerst zu den Linken ging, sondern stattdessen bei Alex Jones auspackte, war sie sofort Perrsona Non Grata und wurde totgeschwiegen.

Genau deshalb fand ich diese MeToo Bewegung auch so dermaßen Scheinheilig. Das lief so nach dem Prinzip ab "Wir sagen, wir wollen Vergewaltigungen stoppen. Du bist aber mit deiner Leidengeschichte zu unserem politischen Gegner gerannt. Also zählt deine Vergewaltigung leider jetzt nicht mehr."

Das war scheinheilig hoch 10 und offenbarte, dass diesen ach so tollen Feministinnen ihr politisches Lagerdenken wichtiger als das Wohl von Frauen war.

(Genau so auch die Tatsache, dass Harvey Weinstein mit der halben Parteispitze der Demokraten befreundet war. Keine dieser ach so tollen Feministinnen hat da mal verlangt, dass die sich vom Herrn Weinstein distanzieren müssen. Wieso auch? Das hätte dem eigenen politischen Lager ja geschadet.)

Michael Thomas Kumpmann hat gesagt…

Zur Beobachtung von wegen Kindheitserlebnisse und Verschwörungstheorien. Ich muss persönlich gestehen, ich hab, als ich mal in einem Artikel über Satanismus gesprochen hatte, besonders auf Anton LaVeys Aussage "Dein Leben ist das allerwichtigste und Du musst alles tun und alles opfern, um dein Leben zu retten, egal wie dein Leben danach aussieht" rumgeritten und die als den Gipfel der Bösartigkeit dargestellt.

Der Grund dafür war, dass fast die selbe AUssage früher ständig von meiner Mutter gebracht wurde, und ich diesen Spruch so dermaßen gehasst habe.

Bei der Corona Krise war ich in den ersten 2 Wochen stark bei den Verschwörungstheoretikern dabei. Das lag daran, ich fühlte mich durch den Scheiss Lockdown richtig hilflos. Ich hatte ne Scheiss Angst um meine Zukunft (auch beruflich). Ebenfalls hatte ich Angst, dass Ich durch den Lockdown Kontakt zu einer bestimmten Frau verliere. (Den Rest kann man sich da denken.) Ich hatte seit Jahren nur 2 ständige Sozialkontakte. Dank dem Social Distancing Bullshit wurden die auf Null reduziert. Ich hatte jede Nacht Alpträume. Teilweise richtig eklige.

Und Ich war genervt, dass mir ständig Leute erzählten, dass ich mich darüber freuen sollte und dass das alles doch gut für mich sei. Ich hab sowieso das Gefühl, dass Ich ständig mit Zwang konfrontiert war, von Leuten, die immer meinten, besser über mein Leben entscheiden zu könnten, als ich. Und das mein Wille vollkommen egal sei.

Ich hatte zwar relativ harmlose DInge gemacht (wie z.B. zu verbreiten, dass in Resident Evil 6, einem Spiel von 2012 oder 13 vor kommt, dass ein Logennetzwerk die Welt mit HIlfe eines sogenannten C Virus erobern will, den die in China frei gelassen hatten. Und andere solche seltsamen Zufälle. ) , aber ich hatte das Gefühl, "ich kann nichts tun. Die können mein Leben zerstören und ich bin den Arschgeigen ausgeliefert. Aber die wollen ja nicht, dass Zweifel an deren Narrativ aufkommen. Somit kann ich denen zumindest etwas in die Suppe spucken."

Erst als Oliver Janich und Co ankamen, und absolut jede anti Corona Maßnahme zu verteufeln (egal ob Maskenpflicht oder Contact Tracing) , da hab ich mich wieder von denen distanziert. Ich wollte ja hauptsächlich, dass die mit ihrem beschissenen Lockdown aufhören und so ein Contact Tracing wie in Südkorea machen. Dass man gar nichts tun sollte, hab ich ja nie geglaubt. Ich fand nur, dass die mit den Corona Maßnahmen viel zu weit gingen. Nur ein Extrem in eine RIchtung dadurch bekämpfen zu wollen, dass man ins extreme Gegenteil abdriftet, ist kindischer Trotz und hat mit Vernunft nichts mehr zu tun.

Sven Fuchs hat gesagt…

Hallo Michael,

ich will dem nur anmerken, dass der Hang zu Verschwörungstheorien etwas mit einem Denken "in Extremen" zu tun hat. Und dieses Denken in Extremen findet sich, da gebe ich Dir Recht, sicherlich auch in anderen Kontexten. Auch da wäre dann wieder die Frage, in wie weit Kindheit da einen Einfluss hat.

Viele Grüße

Anonym hat gesagt…

Die Frage ist doch, wer bestimmt, was eine VT ist? Es gibt in dieser Corona-Hysterie z.B. auch sehr viele Ärzte, die ganz und gar nicht einverstanden sind mit den Massnahmen der Regierung und alles für total übertrieben halten. Ist denn jeder, der eine andere Ansicht hat, gleich ein Anhänger von VT? Darf man denn gar nichts mehr kritisieren, was sog. Experten sagen?
Louis Pasteur und Robert Koch, wohl die ersten Verfechter der sog. Erregertheorie, heute Infektionstheorie genannt, hatten schon zu ihren Lebzeiten Gegner (z.B. Bechamp, Bernard, Pettenkofer), die in der Mikrobe keinesfalls die Ursache für körperliche Symptome sahen, was bis heute von vielen Ärzten ebenfalls so gesehen wird. Alles nur VT? Fakt ist, mit der Infektionstheorie hat sich vor allem für die Pharmabranche eine scheinbar nie versiegende Geldquelle aufgetan mit Medikamenten zur Bekämpfung von Symptomen.
Also es stellt sich mir immer wieder die Frage, was ist eine VT und wer bestimmt, dass es eine ist? Wem nützt es etwas, wenn eine gewisse Ansicht zur VT erklärt wird? Sicher gibt es ganz sonderbare und völlig abstruse Ansichten, aber eben auch sehr wohlüberlegte, logisch gut nachvollziehbare Gedanken, die aber offenbar gewissen Leuten einfach nicht passen und zur VT erklärt werden. Abgesehen davon, abstruse Ansichten machen im Kontext der Lebensgeschichte der Verfasser solcher Ansichten durchaus Sinn und erklären bzw. verraten in verschlüsselter Form sehr vieles.
Gruss
Mario

Michael Thomas Kumpmann hat gesagt…

Das stimmt.

Dieses Extremdenken hat auch was Kindisches. Siehe die Umweltdebatte, wo die AFD ja rum schrie "Die Grünen sind Hysterisch, weil die meinen, wir werden alle sterben. Stattdessen können wir fröhlich nach dem Prinzip "Nach uns die Sintflut" leben."

Irgendwie hört man sowieso bei politischen Themen ständig Leute, die auf "X ist mega gefährlich" nicht mit "ja. man muss vorsichtig sein. Man darf aber reale Gefahren auch nicht übertreiben" kommen, sondern stattdessen mit "das ist vollkommen ungefährlich" antanzen.

Das ist kindischer Trotz und gegen jede Vernunft. Und genau die Leute kommen auch immer damit an, zu sagen, dass das ein "Finsterer Plan" von "denen da oben" sei.

Charles Krüger hat dazu einen sehr, sehr guten Kommentar abgegeben: https://www.youtube.com/watch?v=Jg_vAs4T_84

Sven Fuchs hat gesagt…

Hallo Mario,

Kritik gegen die Corona-Maßnahmen ist keine Verschwörungstheorie, sondern gehört zum Diskurs.

In allen großen Medien tauchten immer wieder auch kritische Stimmen auf, insofern leben wir auch nicht in einer "Meinungscoronadiktatur". Überhaupt ist das ein wichtiger Punkt: Die Sprache und die Art und Weise der Kritik!

Man erkennt doch daran sehr schnell, wer antidemokratisch und auch extremistisch denkt. Übergänge zu VT können da fließend sein. Wobei Antidemokraten und Verschwörungstheoretiker ja ihr Hang zur Verdrehung von Realitäten eint und auch ihr Herauspicken von einzelnen Sachverhalten und einem drum herum Aufblasen von Scheinwahrheiten. Letztlich machen die VTs ja genau das, was Sie ihren Scheingegner vorwerfen: Sie manipulieren, verdrehen die Wahrheiten und die reale Situation. Teils kommen dann eben doch politische Ziele im Hintergrund hinzu: So hat z.B. der Mitgründer von "Widerstand2020" Ralf Ludwig geschrieben, dass er das Parlament auflösen und durch "mündige Bürger" (die ein "Notstandparlament" stellen) ersetzen möchte: https://widerstand2020.de/blog/die-idee-notstandsparlament.html
Das nenne ich einen gefährlichen Weg!

Viele Grüße

Sven

Michael Thomas Kumpmann hat gesagt…

Dieses Notstandsparlament macht irgendwie von Vorne bis Hinten keinen Sinn. Ich sehe das nicht als Undemkratisch an, sondern als totalen Schwachsinn. Es macht keinen Sinn, weil das Parlament so schlecht ist, das Temporär im Notstand aufzulösen und durch ein temporäres neues Parlament zu ersetzen, was gewählt wird.

Das Läuft logisch auf "Das Volk hat die falschen Politiker gewählt. Also setzen wir diese ab und lassen das selbe Volk temporär noch mal neue Politiker wählen."

Frag mich, was soll sich da groß ändern?

Wenn es direkte Demokratie wäre, wäre es logischer. Wenn es temporär ne Diktatur wäre, auch. Aber so ist das doch vollkommener Unsinn.

Außerdem verstehen die Leute, die das verfasst haben, irgendwie das Thema Ausnahmezustand gar nicht.

Sven Fuchs hat gesagt…

"totaler Schwachsinn" ist der richtige Kommentar :-)

Michael Thomas Kumpmann hat gesagt…

Das definitiv.

Ein Ausnahmezustand dient ja dazu, um in Krisen schnell genug handeln zu können. Wenn man nach dem Plan von dieser Website gehen würde, würde man mindestens 2 Monate vorbereitung und einen Monat nachbereitung brauchen.

Das ist also komplett Lächerlich.

Und da der Typ scheinbar Parteien loswerden will, und das Mandat an Individuen geben will, würden an Koalitionsverhandlungen nicht 10 - 20 sondern ca. 400 Leute beteiligt sein. Das würde in vollkommener Handlungsunfähigkeit des Parlaments resultieren.

Ganz ehrlich. Das ist so typisch Deutsch. Viele Deutschen haben eine etwas "Geisteskranke" Liebe zur Demokratie, weil sie die bestehende Regierung hassen, und mehr Demokratie fordern, aber dabei meistens Pläne entwickeln, die absolut Null Sinn ergeben.

Anonym hat gesagt…

Verschwörungsglaube hat aber sicher auch mit Mobbingerfahrung zu tun, oder? Zudem gibt es auch echte Verschwörungen und Lobbyismus. Aktuell verbreiten die Medien selber Verschwörungstheorien von "White Supremacy" in den USA, wonach die Weissen sich zu rassistischen Netzwerken gegen die schwarze Bevölkerung verschworen haben. Generell sind die Afroamerikaner eine Fundgrube für solche Dinge, ich empfehle Ihnnen mal den Twitter Account von "Tariq Nasheed", der immerhin über 200'000 Follower hat. Spannend ist dort auch der Zusammenhang mit der Vaterlosigkeit und Prügelererziehung der Schwarzen, beides ist weit verbreitet und es scheint sehr offensichtlich zu sein, dass in einem Akt von Katharsis diese Sachen auf die "Weissen" projiziert werden, wie eben damals auf die Juden.

Zuletzt noch eine Frage, wie gut ist ihr Englisch? Haben Sie Gabor Mate - When the body says no gelesen? Es ist sehr spannend und ich musste dabei oft an ihr Buch denken.

Sven Fuchs hat gesagt…

Mit "Verschwörungstheorien" meine ich eindeutig irrationale (nicht reale) Gedankenkonstrukte, die teils (aber nicht unbedingt) mit wahren Einzelteilen verbunden werden (was ihre Gesamtsicht nicht wahrer macht). Lobbyismus, politische Einflussnahmen, Machtanhäufung und Machtmissbrauch durch Einzelpersonen oder Unternehmen, Ideologie, kriminelle Vereinigungen, reale verdeckte Bedrohungen in echten Diktaturen, natürlich auch extremistische Gruppen usw. sind damit natürlich nicht gemeint.

Das Buch kenne ich nicht, aber es scheint nach meiner kurzen Übersicht das zu bestätigen, was auch die ACE-Studien herausgefunden haben: Belastende Kindheitserfahrungen können diverse Krankheitsbilder sowie auch einen früheren Tod wahrscheinlicher machen.

Michael Thomas Kumpmann hat gesagt…

Ja. Das hatte ich auch in meinen Kommentaren indirekt angedeutet. Einige Elemente von Postmodernen feministischen Theorien und der davon abgeleiteten Identitätspolitik hat definitiv Züge einer Verschwörungstheorie. Insbesondere weil viele Aktivisten das zu "Böse heterosexuelle weiße cis Männer haben sich verschworen um sich Privilegien gegenüber allen Anderen zu sichern."

Das läuft auch auf Sprüche hinaus wie "Weil Du Priviligiert bist, hast Du verdient, bestohlen, verprügelt, gemobbt etc. zu werden." Oder im Sinne von "Dein Leid ist egal, weil Du an anderen Stellen priviligiert bist."

Und gleichzeitig erzeugen diese Ideologie ein komisches Kastensystem, wo es nicht mehr aufs Individuum ankommt, sondern wo Soziologinnen bestimmen "Diese Minderheit wird durch X diskriminiert und hat deshalb Problem Y und braucht deshalb Lösung Z." Die wahren Probleme des Individuums zählen nicht. Es zählt nur, in welche Schublade man im Namen der Antidiskriminerung gesteckt wird.

Identitätspolitik ist wirklich eigentlich nur Rassismus anders rum, und damit ne Form von Rachephantasie, die man den Benachteiligten verkauft. Dieser ganze "Check your Priviledge" Mist, der an US Unis Erfunden wurde, läuft nur auf "Dir soll es genau so übel oder schlimmer als Mir gehen" hinaus.

Das ist halt aber das Problem. Jede Politische Gruppe hat Feinde und wenn es Feinde gibt, entstehen auch Leicht Verschwörungstheorien.

Aber natürlich. Nur weil was ins irrationale Extrem gesteigert wird, heißt das nicht, dass es nicht wirklich reale Probleme gibt. Schwarze werden in vielen Gelegenheiten in den USA wirklich leider immer noch schlecht behandelt. Das ist nicht zu leugnen. Und Polizeigewalt ist ein riesen Problem.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums: Bill Gates hat wirklich ziemlich fiese Geschäftspraktiken. Die Rothschilds waren menschlich gesehen besonders in vielen Jahrhunderten tatsächlich ziemliche Arschlöcher. Muss man leider hart sagen. Und viele der Corona Maßnahmen waren massiv übertrieben. Etc.

Verschwörungstheorien haben sehr oft reale Probleme als Hintergrund.

Michael Thomas Kumpmann hat gesagt…

Wobei man beim Thema Identitätspolitik auch sagen muss, dass die Konservativen Kritiker davon sich auch einen gequirlten Mist zusammen fantasieren und eine nicht existente Kulturmarxistische Verschwörung herbei fantasieren. (Bestes Beispiel ist deren Behauptung, dass diese verstärkte Behandlung des Homosexualitäts Themas eine Sovietische Verschwörung sei, extremer Humbug. Die Soviets hielten Homosexualität für ein Zeichen von bürgerlicher Dekadenz.

Auch sehr "unlogisch": Laut denen dient das dem bösen Kulturmarxismus, aber gerade die großen Kapitalisten wie Disney vermarkten das massiv. Wieso sollen Großkapitalisten bitte an einer marxistischen Verschwörung beteiligt sein? Das macht von Vorne bis Hinten keinen Sinn.)

Dann setzen die sich widersprechende Ideen wie Frankfurter Schule, Existenzialismus, Postmodernismus, Identitätspolitik gleich und sagen, das sei alles ein und dieselbe Verschwörung. (Identitätspolitik ist aber de Facto das Gegenteil von Postmodernismus. Im Postmodernismus wäre das Ziel, die Unterscheidung "Schwarz oder Weiß" abzuschaffen. Man würde sich dann jemanden suchen, sagen wir Beispielsweise MIchael Jackson, und sagen, weil man sagen kann, dass er sowohl als Schwarzer als auch als Weißer bezeichnet werden kann, sind die Kategorien Schwarz/Weiß nicht eindeutig trennbar und deshalb unzureichend für die Beschreibung der Welt.

Identitätspolitik will die Kategorisierung Schwarz/Weiß aber gerade NIcht abschaffen. Die ersetzen das White Surpremacy Denken nur durch das "Die Schwarzen sind die armen Opfer und die Weißen sind die bösen Täter die Büßen müssen".)

Und der Gipfel des Blödsinns ist dann, wenn diese Konservativen dann behaupten, um den bösen Kulturmarxismus zu stoppen, müsste man zu den ach so tollen Werten der Aufklärung zurück. Diese Hornochsen bemerken aber nicht, dass die von ihnen so verachteten femistinnen eigentlich nur immanuel kant anwenden.

Sven Fuchs hat gesagt…

"Verschwörungstheorien haben sehr oft reale Probleme als Hintergrund."

Das sehe ich nicht so. Ich würde eher schreiben, dass gewissen Anteile stimmen können (z.B. Bill Gates Macht, seine Einflussmöglichkeiten, seine Spenden an die WHO, sein Engagement in Entwicklungsländern usw.). Daraus wird aber eine "Verschwörungstheorie" gebastelt, die mit der Realität nichts zu tun hat (wollen wir jetzt hier nicht aufzählen, was Gates alles unterstellt wurde)

"Und viele der Corona Maßnahmen waren massiv übertrieben"

Das zu hinterfragen oder zu kritisieren gehört zum demokratischen Diskurs und fand so auch statt. Das hat wieder nicht mit dem Glauben an eine Verschwörung zu tun ("Merkel will eine Corona-Diktatur aufbauen", "den Virus gibt es gar nicht" usw.)

Mir geht es um die irrationalen Schreiberlinge; um leicht aufzuklärende Falschbehauptungen, die zu einer "Gesamtheorie" aufgebaut werden oder zum eigenen demokratiefeindlichen Denken hinzukommen und vor sich hergetragen werden nach dem Motto: "Ich habe es ja schon immer gesagt"