Mittwoch, 26. März 2014

Zwischengedanken über die Auswirkungen von Traumatisierungen im Kindesalter

Auf den Seiten des Projektes "DISSOZIATION UND TRAUMA" wurden diverse Folgen von Traumatisierungen in Kindheit und Jugend zusammengefasst. Besonders interessant fand ich, wie folgendes beschrieben wurde:
"Narzißtische Störungen entstehen, wenn Überlebende von schlimmen Lebensbedingungen in der Kindheit gelernt haben, alle seelischen Kräfte in den Aufbau einer „Schutzmauer“ zu investieren, die fast um jeden Preis aufrecht erhalten wird. Dabei können verschiedenste Mechanismen Schutzfunktion bekommen, z.B. perfektionistisches Funktionieren im Arbeitsleben bzw. im Haushalt - oder Verbalattacken und Wutausbrüche oder eine besonders stilisierte Selbstdarstellung (Kleidung, Makeup, Sprache) oder soziale Grenzüberschreitungen und unsoziales/egoistisches Verhalten oder intellektuelle Besserwisserei oder besonders unterdrückerische Formen des sogenannten „Helfer Syndroms“ (auch elterliche Überbehütung) oder körperliche Gewalt oder eine herausragende öffentliche Funktion
."

Diese Art der Definition von Narzißtischer Störung ist schon etwas ungewöhnlich. Sie trifft aber exakt meine Wahrnehmung. Ich persönlich verzweifle manches Mal im Umgang mit schwierigen Menschen (obwohl ich ja im Grunde um die Ursachen weiß). Diese "Schutzmauern" bedingen vor allem auch Unechtheit und damit komme ich persönlich nur schwer klar und werde auch dadurch verunsichert. Um so mehr freue ich mich immer, wenn Gespräche mit Menschen einfach so fließen, weil das Gegenüber echt ist. Naja, dies mal als persönlicher Gedankengang.

Ich gebe zu, dass ich ein etwas unordentlicher Mensch bin. Ordnung hat daher für mich - wohl auf Grund dieser Charaktereigenschaft - immer etwas leicht Abschreckendes :-). "Perfektionistisches Funktionieren im Arbeitsleben bzw. im Haushalt" als Folge von Traumatisierungen zu begreifen, finde ich treffend. Ich werde nie vergessen, wie ich als damaliger Student der (etwas chaotisch strukturierten) Hamburger UNI einmal die Bibliothek der Hamburger Bundeswehr UNI aufsuchen musste. Die Ordnung aller Räume war ein krasser Gegensatz und selbst auf den Toiletten war alles akkurat und es gab nicht eine einzige Schmiererei an den Wänden (Man besuche dagegen mal die Toiletten der Hamburger UNI). Es ist, denke ich, kein Zufall, dass bei der Bundeswehr (wie in allen Armeen) besonderer Wert auf perfektionistische Ordnung gelegt wird. Wie hier im Blog beschrieben gibt es kleinere Studien und Gedanken, die nahelegen, dass vor allem als Kind verletzte Menschen Soldaten werden. (Gerade heute fand ich wieder einen Medienbeitrag über einen Ex-Elitesoldaten, der als Kind in einem Heim aufwuchs, was im Artikel nebenbei erwähnt wurde) Mich persönlich machen vor allem auch perfekte Gärten und Haushalte misstrauisch, wo alles seinen Platz hat und nichts „Unstrukturiertes“ zu finden ist. Um nicht falsch verstanden zu werden: ich finde Ordnung grundsätzlich gut und nützlich (und bemühe mich täglich darum). Es geht aber um diese übertriebene Ordnung, um diese Konzentration auf die schöne Fassade. Meine Lebenserfahrung mit Menschen bestätigt mir leider oft, dass hinter den schönsten Fassaden große Abgründe lauern. Entsprechende Menschen können meist nicht locker sein, verfügen über keinen spontanen Humor, können sich nicht über Glückserfahrungen Anderer freuen, geben nichts von sich preis und zeigen vor allem keine menschlichen Schwächen und Gefühle. Da dies derart verbreitete ist, fühle ich mich manchmal als der „Merkwürdige“. Der o.g. Textauszug tat mir heute einfach mal gut. Man weiß auch nicht ob man lachen oder weinen soll, wenn unter der Traumafolge „Narzißtische Störung“ steht „eine herausragende öffentliche Funktion“.

Montag, 24. März 2014

Kindheit von Wladimir Wladimirowitsch Putin

Der Politologe Dmitri Oreschkin  sagte für eine ARD Dokumentation vom 13.03.2014 mit dem Titel „Psychogramm Putin“ (Autor Udo Lielischkies):
 „Das Phänomen Putin liegt darin, dass seine Minderwertigkeits-Probleme gut zu denen seiner Bevölkerung passen. Auch die leidet noch unter dem Zusammenbruch der Sowjetunion.“
Es macht auf Grund dieses Satzes Sinn, die Kindheit von Putin und auch Kindheit in Russland allgemein (was ich noch gesondert darstellen werde) zusammen zu betrachten, denn Minderwertigkeitsgefühle entstehen vor allem durch destruktive Kindheitserfahrungen.

Über Putins Kindheit ist wenig bekannt. Es gibt Berichte, er sei gar nicht von seiner offiziell benannten Mutter geboren worden, die aktuell vor allem von dem Autor Stanislaw Belkowski (Buch „Wladimir - Die ganze Wahrheit über Putin“, Ende 2013 erschienen) aufgefrischt wurden.  „Schon die offizielle Version, dass Putin am 7. Oktober 1952 im heutigen Sankt Petersburg in die Familie eines Arbeiters geboren wurde, bezweifelt Belkowski. Putin sei vielmehr zwei Jahre früher in der Gegend von Perm auf die Welt gekommen, Vater Säufer und Mutter lieblos. Weil der neue Mann von Mutter Putin das Kind nicht gemocht habe, sei dieses schließlich bei einem Verwandten der Mutter im fernen Leningrad aufgewachsen.“ (Wiener Zeitung, 20.01.2014,  „Der ungeschminkte Putin“ ) Das Hamburger Abendblatt schrieb bereits am 17.08.2008 (unter dem Titel „Nazisymbole und Gerüchte um Putins Kindheitstrauma“) davon, dass sich eine Frau namens Vera Putina (über die sogar ein Wikipedia Artikel besteht) ) als Putins leibliche Mutter ausgibt. Der Stiefvater hätte Putin nicht anerkannt und viel geschlagen, weswegen sie ihn zu Verwandten gab.
Diese Version von Putins Kindheit scheint allerdings nicht eindeutig beweisbar zu sein. Allerdings zeigen auch die nachgewiesenen Details deutlich auf, dass Putin eine traurige Kindheit hatte. Seine offiziellen Leningrader Eltern waren psychisch schwer belastet. „Beide hatten die deutsche Belagerung Leningrads traumatisiert überlebt." (3Sat, 27.02.2012 „Putin ganz nah“)  Sein Vater hatte gegen die Deutschen gekämpft und  war Kriegsinvalide.
Putins Bruder überlebte die Leningrader Hungersnot nicht. (ZEIT-Online, 20.03.2014, „“Der Partisan“ (von Adam Soboczynski) ) Über seine Kindheit und Eltern sagte Putin wörtlich in der Doku „Ich, Putin“ von Hubert Seipel: „Ich kann nicht behaupten dass wir eine sehr emotionale Familie waren. Dass wir uns alle gegenseitig irgendetwas erzählten, uns austauschten. Nein. Jeder lebte irgendwie in sich selbst.“ (zitiert nach " 3Sat, 27.02.2012 „Putin ganz nah“) Das genannte Zitat wie auch weitere Aussagen von Putin für diese Doku sind auch online zu sehen. Putin verbrachte demnach seine Kindheit in armen Verhältnissen meist von Morgens bis Abends, manchmal auch bis in die Nacht im Hofgelände mit anderen Kindern seiner Umgebung, „dann kamen die Eltern nach Hause und riefen uns herein“. (Man fragt sich entsprechend, in wie weit die Eltern tagsüber überhaupt für ihn da waren?) Während dieser Zeit war Putin nach eigenen Worten ein „Schlägertyp“. (Handelsblatt, 02.03.2012, Wladimir Putin, der „starke Führer“, S. 2)
Ein Jugendfreund berichtet in der Doku, dass Putins Vater immer etwas an seinen Sohn auszusetzen hatte. Er sei eben ein echter Proletarier gewesen (dabei ballt der Jugendfreund die Faust). Putins Mutter sei dagegen „die Güte in Person“ gewesen deren Hauptziel war, bloß keine Konflikte zu haben. (der Jugendfreund hat die Hände dabei offen; Anmerkung: allerdings hat Putin in seinen oben zitierten Äußerungen seine Mutter nicht ausgeschlossen, als er von der sehr wenig emotionalen Familie berichtet). „Sein Vater war da schon ganz anders, Arbeiterklasse eben.“ (dabei ballt er wieder die Faust)
Was der Jugendfreund andeutet, beschreibt eine andere Quelle deutlicher. Putins Vater – der als streng und dominant beschrieben wird - schlug seinen Sohn mit einem Gürtel. (Ihanus, Juhani (2011). Putin and Medvedev: Double Leadership in Russia. In: The Journal of Psychohistory, Vol. 38, No. 3, S. 254) Ihanus berichtet zudem, dass Putin als Schüler auf Grund seiner körperlichen Statur gemobbt und verhöhnt wurde. (ebd., S. 255)

Montag, 3. März 2014

„Was, wenn es dein Kind gewesen wäre, Cate Blanchett?“

Was, wenn es dein Kind gewesen wäre, Cate Blanchett?“ schrieb Woody Allens Atoptivtochter Dylan Farrow u.a. in ihrem Offenen Brief in der New York Times, in dem sie den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater anklagt. (Ich hatte über ihre Missbrauchsvorwürfe gegen Allen bereits kurz berichtet.) Allen reagierte seinerseits mit einem Offenen Brief und stritt alle Vorwürfe ab.  Dylan sei von ihrer Mutter Mia Farrow dazu gebracht worden, ihn zu hassen.
Nun hat Cate Blanchett tatsächlich einen Oscar gewonnen, als beste Hauptdarstellerin in dem Woody Allen Film „Blue Jasmine“, der den sozialen und psychischen Abstieg einer gefallenen „High-Society-Dame“ nachzeichnet (Übrigens mal wieder ein Allen Film, der offenbar psychisch gestörte Menschen zum Inhalt hat, was Bände über Allen selbst spricht, wie ich finde.)
For so long, Woody Allen’s acceptance silenced me. It felt like a personal rebuke, like the awards and accolades were a way to tell me to shut up and go away.”, schrieb Dylan in ihrem Brief. Der Oscar für Cate Blanchett muss für sie ein weiterer großer Schlag gewesen sein. Ihr Brief vor der Oscarverleihung entstand wohl u.a. auch auf Grund der Hoffnung, dass Hollywood sich endlich positioniert und die Vorwürfe wegen Missbrauchs ernst nimmt. Es kam anders.
Cate Blanchett hätte bei der Verleihung zur echten Heldin werden können. Sie hätte den Brief von Dylan in ihrer Rede ansprechen und ihre Gefühle dazu ausführen können. Wenn ich mich in die Situation von Blanchett einfühle, dann bleibt als gesunde Reaktion auf einen Oscar eigentlich nur der Ausdruck des Unwohlseins damit, dem Misstrauen gegenüber Allen, Mitgefühl für Dylan und dem Gefühl, zukünftig nicht mehr mit Allen arbeiten zu wollen. Stattdessen kam eine sichtlich erfreute Blanchett, die Woody Allen dafür dankte, sie gecastet zu haben. Solche Abläufe machen mal wieder deutlich, wie ungemein tief die Identifikation mit Tätern geht.