Montag, 31. Oktober 2011

Lynchjustiz in Kenia - Und die Blindheit der Kommentatoren

Unter der Bildüberschrift „In Kenia steigt die Zahl der Fälle von Lynchjustiz rapide. Die Gründe? Armut, Drogen, korrupte Polizisten - und oft auch der Glaube an übernatürliche Kräfte.“ schreibt aktuell SPIEGEL-Online darüber, wie der einfache Ruf „Haltet den Dieb!“ eine Lynchmeute in Bewegung setzen kann, die häufig erst hinterher, nachdem der Verdächtigte verbrannt, gesteinigt, mit der Machete erschlagen oder todgeprügelt wurde, fragt, wer der „Bösewicht“ denn war und was genau ihm eigentlich vorgeworfen wird. „Hat die Menge ihre Opfer erst einmal markiert, ist sie unnachgiebig, verbissen und erbarmungslos.“ Aber auch der untreue Ehemann, der mit einer anderen Frau erwischt wurde oder Menschen, die einfach der Hexerei verdächtigt wurden, wurden und werden laut dem Bericht gelyncht.
Dass die Kenianer die Rechtssprechung selbst in die Hand nehmen, hat vor allem mit dem nicht vorhandenen Vertrauen in Polizei und Justiz zu tun.“ erfährt man weiter in dem Bericht.

Neben der Schrecklichkeit des Berichteten macht mich immer wieder fassungslos, wie blind Kommentatoren und Journalisten bzgl. der tieferen Ursachen sind. Kaum jemand stellt in Angesicht solcher Taten die Frage, welche emotionalen Voraussetzungen ein Mensch überhaupt erfüllen muss, um derart brutal und willkürlich töten zu können.

Dass in Angesicht von extremer Armut und Elend und einer unfähigen Polizei das wenige Eigentum der Menschen lebenswichtig wertvoll ist, ist dabei unbestritten. Das Selbstjustizsystem wäre nur zu verständlich und geradezu sozial vorbildlich, wenn es wirklich um das Verhindern von Diebstählen und der Sicherung von Eigentum ginge. Wenn eine gerade bestohlene Frau ruft „Haltet den Dieb“ und die Nachbarn schnell zusammenkommen, den Dieb stellen, der Dieb sich erklären muss, das gestohlene Eigentum der Frau zurückgeben wird und der Dieb sozial abgestraft wird, in dem man ihn z.B. zu seiner Familie bringt und den Diebstahl eröffnet. Allerdings: Erstens sind die Delikte – laut Bericht – oftmals Bagatelldelikte bis hin zum Abbrechen eines Außenspiegels am Auto oder inszenierte Delikte wie Hexerei, die zum Morden führen. Zweitens scheint die Meute im Grunde nicht wirklich zu interessieren, was dem Beschuldigten vorgeworfen wird, sie wollen einfach Blut sehen. Drittens erklären diese „Auslöser“ (wie Diebstahl) nicht, warum Menschen, die gerade beim Abwaschen waren, mit ihrem Kind spielten, einfach rumsaßen usw. plötzlich aufstehen und einfach so einen Menschen brutal umbringen, ja geradezu zu Tode quälen können.
Nur Menschen, die ihre Emotionen, vor allem das Mitgefühl, abgespalten haben, können zu solchen Taten fähig sein. Das ist die emotionale Grundvoraussetzung für solche Taten. Elendige Lebenssituationen, tagtäglicher Überlebenskampf um Nahrung usw. sind eine Sache, die sicherlich emotional abstumpfen lassen (aber nicht unbedingt psychisch spalten). Die bedeutsamste Sache ist allerdings erfahrene elterliche Gewalt, die den Menschen früh und extrem nachhaltig spaltet und zudem – je nach dem Ausmaß der erfahrenen Gewalt – Rache- und Hassgefühle zurücklässt, die ihren Ausdruck suchen, um kurzfristig Erleichterung durch Opfern eines Anderen zu verspüren. Dass Gewalt gegen Kinder in Kenia Routine ist, teils auch sehr schwere Formen, hatte ich kürzlich in einem Beitrag geschrieben. Wer die grenzenlose Gewalt verstehen will, die uns oftmals in vielen afrikanischen Ländern begegnet (und die oftmals sehr an die Zustände im Europa früherer Zeit erinnert) , der muss zu aller erst die Kindheiten vor Ort anschauen und verstehen.

Samstag, 29. Oktober 2011

Ergänzung: Kindheit von Friedrich II. (König von Preußen)

Ich habe im Grundlagentext die Kindheit von Friedrich II. um Textstellen aus der neuen Quelle "Kunisch, J. 2009: Friedrich der Große. Der König und seine Zeit. Deutscher Taschenbuch Verlag, Münschen." ergänzt. Neue Textstellen habe ich hier kursiv gekennzeichnet. Außerdem habe ich den Titel des Kapitels geändert. Dort stand "Ein kurzer Abriss von ...". Mittlerweile ich dieses Kapitel nicht mehr kurz, sondern sehr ausführlich geworden. Insofern beginnt es jetzt mit "Die Kindheit von Diktatoren und destruktiven Politikern: (...)" Auch zukünftig habe ich vor, dieses Kapitel zu erweitern, auch um neue Namen.

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Der Kronprinz Friedrich II. (der Große und König von Preußen, 1712 - 1786) verbrachte seine ersten vier Lebensjahre unter der Fürsorge einer Untergouvernante, über deren Erziehungsstil man nichts erfährt. Wie in damaligen hochadligen Familien üblich, überließen die leiblichen Eltern die Erziehung komplett Anderen, was im Grunde systematisch den ersten schweren Bruch mit dem Kind bedeutet. Friedrichs Mutter – Königin Sophie Dorothea – scheint kaum eine Rolle im Leben des Kronprinzen gespielt zu haben. Der Biograf Johannes Kunisch beschreibt im Grunde überhaupt keine Beziehung oder Begegnungen mit ihrem Sohn. Alles, was man dazu erfährt ist folgendes: „Ob dem Heranwachsenden in seiner Kindheit jemals mütterliche Zuwendung und Wärme zuteil geworden ist, mag (…) zweifelhaft erscheinen. Spätestens seit die dynastischen Ambitionen der Königin in Bezug auf ihre Kinder abgewiesen und enttäuscht worden waren, trat zutage, dass besonders der Kronprinz und seine Schwester Wilhelmine lediglich Werkzeuge eines machtpolitischen Kalküls waren, das ständig häusliche Konflikte und gelegentlich heftige Auseinandersetzungen heraufbeschwor (…).“ (Kunisch, 2009, S. 12)
Genauer beschrieben ist die Beziehung zum Vater – König Friedrich Wilhelm I. Dieser wird als jähzorniger, unberechenbarer, tyrannischer und aufs Militärische fixierter Vater beschrieben. Die Kindheit und Jugend Friedrichs war auf Anweisung und unter Beteiligung des Vaters von einer militärischen Erziehung mit Drill, körperlichen Züchtigungen und seelischen Verletzungen geprägt. (vgl. WDR, Planet Wissen, 01.06.2009 und Kunisch, 2009) Der junge Friedrich interessierte sich mehr für Musik, Literatur und Sprachen als für das Soldatentum, was dem Willen seines Vaters komplett entgegenlief. Heimlich spielte er Flöte, las französische Romane und lernte Latein. Wenn der Vater davon Wind bekam, setzte es Prügel, auch vor den Augen von Offizieren und Dienstboten. Einem Lehrer, der mit dem Sohn Latein übte, verabreichte der König höchst persönlich Prügel, wie Friedrich II. später selbst berichtete. Danach war der Sohn dran, der sich erschreckt durch den Wutausbruch des Vaters unter einem Tisch verkrochen hatte. Friedrich II. dazu: „Ich zitterte noch mehr; er packte mich an den Haaren, zieht mich unter dem Tisch hervor, schleppt mich so bis in die Mitte des Zimmers und versetzt mir endlich einige Ohrfeigen: "Komm mir wieder mit deiner mensa, und du wirst sehen, wie ich dir den Kopf zurechtsetze" “ (Kunisch, 2009, S. 20) Je älter der Kronprinz wurde, desto strenger und reglementierter wurde die durch den Vater angewiesene Erziehung. Aus der Jugendzeit des Kronprinzen ist eine Konfliktsituation überliefert, in der er vom Vater zunächst vor der versammelten Dienerschaft misshandelt wurde. „Dabei schrie er ihn an und gab ihm in provozierender Verächtlichkeit zu verstehen, dass er sich totgeschossen hätte, wenn er von seinem Vater so behandelt worden wäre; doch er, Friedrich, lasse sich ja alles gefallen.“ (ebd. S. 24) Hier wird der blanke Hass des Vaters deutlich, der sich wünscht, dass sein Sohn sich umbringt. Friedrich II. schrieb im Alter von Sechzehn Jahren noch einmal einen verzweifelten Brief an den Vater, in dem er den „grausamen Hass, den ich aus allem seinen (Anmerkung: des Königs) Tun genug habe wahrnehmen können“, von sich fernzuhalten hoffte. Die schriftliche Antwort des Königs beschreibt zusammenfassend die Haltung des Vaters: „Sein eigensinniger böser Kopf, der nicht seinen Vater liebet, denn wenn man nun Alles thut, absonderlich seinen Vater liebet, so thut man, was er haben will, nicht wenn er dabei steht, sondern wenn er nicht Alles sieht. (…)“ (ebd. S. 24f) Der Vater wollte eine Marionette, jeder Eigensinn sollte dem Sohn ausgetrieben werden. Friedrich versuchte sich immer mehr der Kontrolle des Vaters zu entziehen und wurde auch ein Meister darin, sich zu verstellen. Um dem jähzornigen Vater zu entkommen, beschloss der Thronfolger schließlich 1730 die Flucht. Doch die Pläne flogen auf, Friedrich wurde als Deserteur verhaftet und in Festungshaft genommen. Sein Vater verhängte die Todesstrafe über Friedrichs besten Freund, Hans Hermann von Katte, der in die Fluchtpläne eingeweiht war. Bei der Hinrichtung musste der Kronprinz zusehen. (vgl. ZDF, 11.11.2008) In der Folge beugte sich Friedrich II. nun dem Befehl seines Vaters und heiratete auf dessen Wunsch Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern, an der Friedrich keinerlei Interesse hatte. Als späterer König führte Friedrich II. häufig, ja fast ununterbrochen Krieg. Es scheint so, dass er letztendlich den Willen des Vaters komplett entsprochen wenn nicht gar noch übertroffen hat. Friedrich II. hat sich absolut mit dem Aggressor identifiziert und ist selbst zu einem unerbittlichen Aggressor und Kriegsherren geworden.
Die Geschichte von Friedrich II. hat insofern ein ganz besondere Tragik, wenn man sich die Entwicklungen vor Augen hält, die er selbst in dem Gedicht „An Jordan“ vom 10. Juni 1742 beschrieb:
"Als ich geboren ward, ward ich der Kunst geboren, (…)
Und für des Herrschers Hochmut schien dies Herz verloren,
Das voller Mitleid war und kindlich unbewußt.
Die ganze Welt war mir ein Garten duft'ger Blumen, (…)
Da riß das Schicksal mich aufs große Welttheater,
In der Tragödie »Krieg« ward mir der Heldenpart"

Sonntag, 23. Oktober 2011

Neue KFN-Studie: Deutlicher Rückgang von sexuellem Missbrauch

Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen hat im Jahr 2011 repräsentativ 11.428 Personen der Altersgruppe 16 bis 40 u.a. zu Gewalterfahrungen befragt. Das Zwischenergebnis (Langfassung hier) bzgl. sexuellen Missbrauch: 6,4 Prozent der weiblichen und 1,3 Prozent der männlichen Befragten gaben an, vor ihrem 16. Lebensjahr mindestens einen sexuellen Übergriff mit Körperkontakt erlebt zu haben. Das KFN vergleicht diese Zahlen mit einer älteren Studie im selben Hause: „Im Vergleich zur KFN-Untersuchung des Jahres 1992 ist ein deutlicher Rückgang des Missbrauchs zu verzeichnen. Damals hatten von den Frauen 8,6% und von den Männern 2,8% bis zum 16. Lebensjahr mindestens eine Missbrauchserfahrung mit Körperkontakt erlebt.“ Noch deutlicher wird dieser rückläufige Trend, wenn man sich drei Alterskohorten anschaut: „So haben die heute weiblichen 31 bis 40-jährigen der aktuellen Untersuchung bis zu ihrem 16. Lebensjahr zu 8,0% einen Missbrauch mit Körperkontakt erlitten, die 21 bis 30-jährigen zu 6,4%, die 16 bis 20-jährigen dagegen nur zu 2,4%. Bei den Männern lauten die Vergleichsquoten 1,8%, 1,1% und 0,6%.
Je jünger die Menschen also sind, desto weniger sind sie vom sexuellem Missbrauch betroffen. Das ist zunächst einmal eine sehr gute Nachricht für unser Land und bestätigt auch den allgemeinen Trend, dass hierzulande die Kinder Jahr für Jahr weniger an Gewalt erfahren. Wie schon oft von mir gesagt, wird sich damit mittel- bis langfristig die gesamte deutsche Gesellschaft enorm verändern. Weniger Gewalt gegen Kinder und eine bessere Kindererziehungspraxis bringen mehr echte Gefühle, mehr Authentizität, mehr Selbstbewusstsein, Flexibilität, Freiheit und vor allem weniger Destruktivität in allen persönlichen und auch gesellschaftlichen Bereichen mit sich.

Trotzdem bleiben die o.g. Zahlen immer noch erschreckend. (Man muss an dieser Stelle auch wieder mit Erschrecken feststellen, dass das Ausmaß der sexuellen Gewalt gegen Kinder vor über 100 Jahren enorm gewesen sein muss, wenn wir den o.g. Trend historisch zurückrechnen.) Wenn man sich die Bevölkerungsstruktur anschaut, dann lebten laut Statistischem Bundesamt in Deutschland im Jahr 2009 31,05 Mio. Menschen, die zwischen 15 und 45 Jahren alt waren. Die o.g. Studie bezieht sich ja auf die 16 bis 40jährigen, insofern muss man von der genannten Statistik noch einiges abziehen. Ich ziehe mal einfach 4 Mio Menschen ab. Bleiben runde 27 Mio. Ums rechnerisch leichter zu machen, teile ich diese Zahl bzgl. der Geschlechter einfach durch zwei. Gehen wir jetzt von den 6,4 Prozent der weiblichen und 1,3 Prozent der männlichen Befragten aus, die sexuellen Missbrauch mit Körperkontakt angaben, dann ergibt sich daraus in absoluten Zahlen bzgl. der o.g. Altersgruppe: 864.000 Frauen und 175.000 Männer. Dabei sind wohlgemerkt die Kinder unter 16 und die Erwachsenen über 40 nicht enthalten!

Dazu kommen all die bekannten Probleme, die solche Studien aufweisen. Vor allem schwerere Missbrauchserfahrungen werden oftmals nicht oder in einem gewissen Zeitraum nicht erinnert, Erfahrungen vor dem 3. Lebensjahr werden dazu sowieso meist kaum bewusst auf Grund der Voraussetzungen des Gehirns erinnert. Diese und weitere Probleme lagen aber auch bei der Vergleichsstudie aus dem Jahr 1992 vor. Insofern ist der Rückgang der Zahlen ein realer.

Interessant ist hier noch, dass z.B. Dirk Bange alle bisher vorliegenden Studien zu der Thematik im Jahr 2002 besprochen hat und bei einer Anpassung der unterschiedlichen Definitionen von sexuellem Missbrauch zu dem übereinstimmenden Ergebnis kam, dass 10 -15 % der Frauen und 5-10 % der Männer bis zum Alter von 14 oder 16 Jahren mindestens einmal einen sexuellen Kontakt erlebt haben, der unerwünscht war oder durch die „moralische“ Übermacht einer deutlich älteren Person oder durch Gewalt erzwungen wurde. (vgl. Bange, D. 2002: Ausmaß. In: Bange / Körner (Hrsg.): Handwörterbuch - Sexueller Missbrauch. Hofgrefe-Verlag, Göttingen, S. 25)
Studien, die sich schwerpunktmäßig auf sexuelle Gewalt konzentrierten, sich auf Studierende konzentrierten (die meist zu mehr Selbstreflexion fähig sind und Befragungen an sich aufgeschlossener gegenüberstehen) oder auch z.B. durch persönliche Interviews durchgeführt wurden, scheinen meist höhere Raten festzustellen. Die Methodik und das Forschungsdesign haben immer Einfluss auf das Ergebnis. In der aktuellen KFN Studie wurde auch folgendes festgestellt:
"Im Vergleich der deutschen Befragten zu denen mit Migrationshintergrund fällt auf, dass vor allem die Frauen mit türkischem Migrationshintergrund erheblich seltener von Missbrauchserfahrungen berichtet haben, z.B. Missbrauch mit Körperkontakt bis zum 16. Lebensjahr zu 1,7%, deutsche Frauen dagegen 7,3%." Andere KFN Studien stellt bzgl. körperlicher Gewalt und Partnergewalt meist erheblich höhere Raten bei den Befragten mit türkischem Migrationshintergrund fest. Das passt insofern nicht ins Bild und scheint insofern mit dem sehr Scham- und Schuldgefühl belastetem Thema Missbrauch und/oder ggf. auch mit dem Aufbau der Studie in Zusammenhang zu stehen.

Trotzdem finde ich die aktuelle KFN Studie wichtig und bin zudem auf weitere Ergebnisse gespannt.

Samstag, 22. Oktober 2011

Libyen, das große Opferritual

"Das ist für Lockerbie", titelte die britische "Sun" zum Tod Muammar al-Gaddafis - und zeigte ein Bild seines geschundenen Leichnams, schreibt der SPIEGEL. Unter dem Sun- Titel steht dann noch: „Und für Yvonne Fletcher. Und für IRA Semtex Bomben Opfer“
Diese Rachegefühle beziehen sich auf Ereignisse aus den 80er Jahren, liegen also über 20 Jahre zurück. Ich glaube allerdings nicht, dass Rachegefühle die wesentliche Emotion ist, die von der Sun - stellvertretend für sicher einen nicht kleinen Anteil der britischen Bevölkerung – ausgedrückt wurde. Viel mehr dienen diese offenen „rächenswerten“ Ereignisse dazu, eine andere Emotion zu legitimieren: Freude und Spaß am qualvollen Tod des (selbst aufgebauten) Feindbildes Gaddafi.

Dieses öffentliche Zelebrieren eines Menschenopfers ist dazu ja nicht nur auf die Person Gaddafi bezogen. Letztlich könnte man tausende Bilder von zerschundenen, zerschossenen und zerstückelten Menschen zeigen, die auf Grund des Libyen Krieges ums Leben kamen und im Namen der Menschenrechte geopfert wurden. Insofern freuen sich die Menschen im Grunde auch über dieses große Opferritual, auch wenn wir im Westen mittlerweile soweit entwickelt sind, dass wir diese „Freude“ nicht offen aussprechen würden. Trotzdem liegt sie in der Luft. Irgendwie war der Tod der Vielen doch nützlich, wenn wir jetzt den Diktator erwischt haben…

Nein, es steht weiterhin nicht gut um die emotionale Entwicklung und Reife auch in vielen westlichen Ländern. Zudem wurde durch den NATO Einsatz und die Entfernung des Gaddafi Regimes der nächste große Konfliktherd geschaffen. Der libyische Übergangsrat hat bereits angekündigt, dass man in Libyen die Scharia zum obersten Gesetz erklären möchte. Wenn dieses Ziel auch mit beschwichtigenden Begleitworten geschmückt wurde, so steigt trotzdem das Risiko, dass dieses Land sich in eine islamistische, radikale Struktur zurückversetzen wird. Wer dann zunächst geopfert werden wird ist bekannt: Frauen und Kinder zuerst.

Samstag, 15. Oktober 2011

Gewalt gegen Kinder in Kenia

Ich habe den Grundlagentext um folgenden Text ergänzt:

Afrika ist leider immer noch weitgehend eine „blackbox“, was die Forschung über die Kindererziehungspraxis und Kindesmisshandlung angeht. Bzgl. Kenia habe ich eine interessante HRW-Studie gefunden, die über das hohe Ausmaß von Gewalt gegen Kinder in Schulen berichtet: „For most Kenyan children, violence is a regular part of the school experience. Teachers use caning, slapping, and whipping to maintain classroom discipline and to punish children for poor academic performance. The infliction of corporal punishment is routine, arbitrary, and often brutal. Bruises and cuts are regular by-products of school punishments, and more severe injuries (broken bones, knocked-out teeth, internal bleeding) are not infrequent. At times, beatings by teachers leave children permanently disfigured, disabled or dead.„ (Human Rights Watch, 1999) Es ist naheliegend, dass eine solche Akzeptanz ja geradezu „Normalität“ von Gewalt an kenianischen Schulen gleichzeitig etwas über die Akzeptanz von elterlicher Gewalt aussagt. In der Studie heißt es dazu weiter. „Various forms of corporal punishment (and other punishments like manual labor) have a long pedigree in Kenya. Many Kenyans told Human Rights Watch that physical chastisement has long been accepted in Kenyan homes.” (ebd.)

Quelle: Human Rights Watch, 1999: Kenya Spare the Child: Corporal Punishment in Kenyan Schools. Vol. 11, No. 6 (A) (http://www.hrw.org/reports/1999/kenya/Kenya999.htm#P136_23301)

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Anmerkung: Interessant fand ich dazu auch einen Kommentar von Caroline Fetscher. Sie fragt, woher in Kenia die politische Gewalt kommt und bezieht sich in ihrer Antwort auf o.g. Studie. Fetscher: "Die Schlussfolgerung von Human Rights Watch - ein Schluss, der für jegliche Gewalt dieser Art, überall und in allen Gesellschaften gilt, ist, dass Gewalterfahrung in der Kindheit primär dazu beiträgt, aggressionsbereite Erwachsene hervorzubringen." und "Wenn Konfliktvermittler beginnen, solche Berichte auf die Weise ernst zu nehmen, wie es reife und aufgeklärte Erwachsene könnten, würden schnellere Konsequenzen gezogen. Politisch, diplomatisch und juristisch."