Dienstag, 26. April 2011

Urvölker: Das falsche Ideal

Kürzlich bin ich auf den interessanten Artikel „Das Märchen vom edlen Wilden“ auf Sueddeutsche-Online gestoßen.

Bzgl. einiger Stämme unter den Ureinwohnern Nordamerikas, scheinen Belege dafür gefunden worden zu sein, dass diese Wälder abholzten und Wildbestände dezimierten, zum Nachteil des Ökosystems und der eigenen Lebensgrundlage. Des Weiteren verursachte Intensive Landnutzung z.B. häufige und starke Überflutungen und andere Nachteile für die Umwelt (was auch für Stämme aus Südamerika belegt ist). „Wenn es irgendwo keine Umweltzerstörung gegeben hat, liegt das daran, dass dort nur wenige Menschen gelebt haben, die nur über eine primitive Technik verfügt haben.“ wird Raymond Hames, Anthropologe an der University of Nebraska, zitiert.
Das Märchen vom Indianer, der in tiefer spiritueller Verbundenheit mit der Natur lebt, verrät viel über die romantische Sehnsucht der Europäer und nichts über die indigene Bevölkerung Amerikas.“ schreibt die Sueddeutsche. Aufschlussreich und für mich neu ist auch, dass die bekannte Weissagung der Cree "Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann." gar nicht von den Indianern stammte, sondern eine Erfindung des Filmregisseurs Ted Perry war.

Ohne Frage sind die heutigen Menschen weit aus größere Umweltverschmutzer als die damaligen Indianer, eben weil die Techniken und Möglichkeiten wesentlich weiterentwickelt sind. Hier geht es um etwas anderes. Wer diesen Blog genau liest, wird wahrgenommen haben, dass ich den Thesen von Lloyd deMause bzgl. der psychischen Evolution von Menschen und Gesellschaften ausgelöst durch sich verändernde Kindererziehungspraktiken zustimme. Wir werden in der Geschichte kein Ideal finden, was unsere Probleme lösen kann. Emotional sind viele heutige Menschen weiter entwickelt, als alle Generationen vor ihnen. Über Emotionen und Mitgefühl lassen sich auch Umweltprobleme besser in den Griff bekommen, wie ich meine. Aber das ist wieder ein Thema für sich.
Eigentlich möchte ich hier (erneut) festhalten, dass man sich vor einer Idealisierung von Urvölkern und Stämmen hüten sollte! Dies gilt insbesondere auch für die dort vorherrschenden Kindererziehungspraktiken, aber auch bzgl. aller möglichen anderen destruktiven Verhaltensweisen.

Weiterführendes zu dem Thema hier:

Hexenjagd in Papua-Neuguinea

Aborigines. Gewalt und Missbrauch. Entzauberung eines Urvolkes?

Historische Kindererziehungspraktiken und Persönlichkeiten

Sonntag, 10. April 2011

Vom Porno-Star über Milgram zu Hitler

In der Winterausgabe der EMMA berichtete „Kim“ im Artikel „Der Traum vom Porno-Star“ über ihre Zeit als Pornodarstellerin. Ihre Schilderungen sind sehr schockierend und zeigen die menschenunwürdigen Bedingungen, die in dieser Branche herrschen. (Kim über ihre Pornoerfahrungen: „Scheiße wird besser behandelt, die wird das Klo runtergespült. Die ist dann weg. Aber man selbst liegt noch da.“) Der EMMA Text ist unbedingt lesenswert und darüberhinaus Pflicht, wenn dieser Beitrag von mir hier richtig verstanden werden soll. Denn mir geht es hier jetzt um etwas anderes, als die Pornoszene.

Kim ist ganz offensichtlich in ihrer Kindheit und ihrer Familie schwer traumatisiert worden. Sie deutet dies direkt an: „Ich hab mich schlecht gefühlt, aber es kam so viel Anerkennung von wildfremden Menschen, das hatte ich in meiner eigenen Familie so noch nicht gehabt. (…) Wenn ich zu den Sets gefahren bin, habe ich aber immer stärker nach dieser Anerkennung gelechzt.“ An anderer Stelle wird sie noch deutlicher, bezieht ihre Aussagen allerdings nur auf Dritte (ich vermute allerdings sehr stark, dass sie damit auch sich selbst meint): „Und alle diese Mädchen (…) alle, alle, alle hatten eine schlimme Erfahrung gemacht. Oder mehrere. Ob es der Missbrauch durch den Vater war, die drogenabhängige Mutter oder Heimkinder. Und eigene Drogenerfahrungen, die ja auch irgendwoher gerührt haben. Es waren alles Mädchen mit einer Geschichte dahinter. (…) Viele kamen auf der Suche nach Anerkennung und Bestätigung (…)
An einigen Stellen des Berichtes fielen mir auch mögliche Verbindungen zu traumatischen Erfahrungen auf. So z.B. als Kim berichtet, wie sie während der „Sets“ aus ihrem Körper rausgeht und woanders ist (etwas, dass in ähnlicher Weise sehr oft als Kind sexuell missbrauchte Menschen berichten.). Oder auch grundsätzlich, in der Art, wie sie sich selbst gar nicht als eigenständige Person wahrnimmt, sondern als jemanden, mit dem mann macht, der nicht entscheiden kann, der den Dingen hilflos ausgeliefert ist. Ein Beispiel dazu: Kim wurde von einem „Klaus“ das erste mal für einen Porno-Dreh vermittelt. Sie berichtet: „Er kam einen Abend vorher zu mir und hat prompt auch bei mir geschlafen und mir „schon mal ein paar Sachen gezeigt“. Ich wär’ ne ganz Tolle, hat er dann gesagt. Ich hätte ein ganz enges Loch, das würde ganz viel Spaß bringen mit mir.“ Wo ist hier der Mensch „Kim“, der sich und seine Würde verteidigt? „Klaus“ wertet über sie, er trifft die Entscheidungen. Der Mensch Kim ist…tja..irgendwo anders. Dieses Gefühl, nicht Herr bzw. Frau im eigenen Haus zu sein, mit sich Dinge geschehen zu lassen, Eigenverantwortung abzugeben, anderen absolute Macht über sich zu geben, ist typisch für Menschen, die als Kind kein eigenes Selbst aufbauen durften und schon früh massiv in ihrer Würde verletzt wurden. (Studien über Prostituierte - vgl. Zumbeck, 2001 - zeigen, dass diese sehr oft als Kind misshandelt und/oder sexuell missbraucht wurden. Ähnliche Ergebnisse würde man sicherlich auch bei PornodarstellerInnen vorfinden.)

Das Milgram-Experiment: Um mir große Erläuterungen dazu zu ersparen, verweise ich an diese Stelle auf den entsprechenden Wiki-Beitrag, der das ganze gut erklärt. Das Experiment zeigte, das Testpersonen („ganz normale Menschen“) unter bestimmten Bedingungen bereit sind, Befehle ggf. bedingungslos zu befolgen. Im Kernexperiment wurde eine vermeintliche andere Testperson (die eigentlich Schauspieler war) in einem Nebenraum durch die eigentliche Testperson auf Befehl des Experimentleiters (z.B. als Arzt aufgemacht) mit Stromstößen bestraft, wenn auf eine Frage falsche Antwort gegeben wurde. Die Mehrheit der Testpersonen waren bereit, Stromschläge bis zum Maximum (450 Volt) zu verabreichen, was den fiktiven Tod oder schwerste Verletzungen der anderen Testperson bedeutete. Keine Testperson blieb unter der 300-Volt-Grenze, vor dieser Phase (bei 200 Volt) waren noch schlimme Schreie des „Schauspielers“ zu hören. Ich selbst habe als Student an meiner Uni eine deutsche Variante dieses Experiments auf Video gesehen. Wenn man den Ablauf bildlich sieht und die Schreie hört, ist das Experiment und sein Ergebnis um so erschütternder.

Nur ganz ganz wenige Forscher wie Arno Gruen oder Lloyd deMause haben dieses Experiment mit traumatischen, von Gewalt geprägten Kindheitserfahrungen in Verbindung gebracht. Der Grundtenor all der anderen Forschenden lässt sich in etwa so zusammenfassen: Unter bestimmten Rahmenbedingungen scheinen fast alle ganz normalen Menschen zu grausamen Verhalten in der Lage zu sein.

Ich meine, dass es Menschen wie z.B. Kim sind, die in solchen Versuchen alle Verantwortung abgeben und blind dem Befehl von Autoritäten folgen. Viele Testpersonen im Milgram-Experiment zeigten dabei starke körperliche Reaktionen, Zeichen von großer Anspannung und Nervosität usw.
Ein Wiki-Zitat: „Ich beobachtete einen reifen und anfänglich selbstsicher auftretenden Geschäftsmann, der das Labor lächelnd und voller Selbstvertrauen betrat. Innerhalb von 20 Minuten war aus ihm ein zuckendes, stotterndes Wrack geworden, das sich rasch einem Nervenzusammenbruch näherte. Er zupfte dauernd an seinem Ohrläppchen herum und rang die Hände. An einem Punkt schlug er sich mit der Faust gegen die Stirn und murmelte: ‚Oh Gott lass uns aufhören‘. Und doch reagierte er weiterhin auf jedes Wort des Versuchsleiters und gehorchte bis zum Schluss.“ Im Grunde zeigt dies, dass sie sich auf der einen Seite darüber im Klaren waren, etwas falsches, gar Verbrecherisches zu tun. Trotzdem machten sie weiter. Warum ist das so?

Der Versuchsaufbau stellte – obwohl von den Experimentleitern wahrscheinlich gar nicht bewusst gewollt – die Kindheitserlebnisse vieler Menschen wieder her. Übermächtige Eltern bestraften ihre Kinder bei Vergehen oder aus Spaß. Bedingungsloser Gehorsam wurde von den Kindern verlangt, absolute Ohnmacht erlebt. (Man bedenke auch: Das Experiment wurde in den 60er Jahren durchgeführt. Die Kindheit der VersuchsteilnehmerInnen lag entsprechend in der Zeit der „schwarzen Pädagogik“.) Eigene Empfindungen, Sicht und Empathie wurden dadurch schon früh als etwas fremdes psychisch abgespalten. (Ich habe diesen Prozess sehr ausführlich auch hier beschrieben) Die alte Ohnmacht aus der Kindheit taucht unter den Bedingungen des Experimentes wieder auf. Ohnmächtig wird das getan, was die Autorität verlangt. Diese Seite, diese Folgen von Kindesmisshandlung und –missbrauch sind meiner Meinung nach sehr bedeutsam für die Gewaltursachenforschung. Trotz innerer Widerstände waren die VersuchsteilnehmerInnen nicht in der Lage, eigenständige, verantwortliche, auf Mitgefühl bauende Entscheidungen zu treffen oder besser gesagt einfach „Nein!“ zu sagen, “ Nein! Das mache ich nicht mit“. Auch Kim konnte dies (sehr lange) nicht, konnte nicht „Nein! Das will ich nicht, das mache ich nicht mehr mit!“ sagen, obwohl sie nicht zu den Pornodrehs gezwungen worden war, sondern Verträge unterschrieben hatte, die sie jederzeit hätte auflösen können. Auch die VersuchsteilnehmerInnen hätten den Versuch jederzeit abbrechen können. Viele taten dies nicht. Das Milgram-Experiment wird klassisch dazu herangezogen, Hitler-Deutschland zu erklären. Das ist auf eine Art meiner Meinung nach auch richtig. Allerdings sind es weniger die Umstände, die die Menschen lenken, als deren gewaltvolle Kindheitserfahrungen. Leider wird das auch heute noch immer nicht wirklich erkannt.

Heute würde das Milgram Experiment aus ethischen Prinzipien der Zeit nicht mehr durchgeführt werden. Allerdings bin ich sicher: Heute würde das Experiment etwas andere Ergebnisse bringen, da sich die Kindererziehungspraxis in den letzten Jahrzehnten enorm verbessert hat.

Sonntag, 3. April 2011

Kindererziehungspraxis in Afrika (Ghana) - Bilder von "bösen Mamis"

Afrika ist ein Kontinent, über dessen Kindererziehungspraxis ich bisher sehr wenig gefunden habe. Bzgl. Nordafrika gibt es einige erschreckende Zahlen was Kindesmisshandlung angeht. In Südafrika liegen vor allem Zahlen bzgl. der sehr weit verbreiteten sexuellen Gewalt gegen Kinder und Frauen vor. Dazu kommen Berichte über die weit verbreitete Genitalienverstümmelung an Mädchen (teils auch an Jungen) und grausame Initiationsriten. Wirklich repräsentative Studien bzgl. Gewalt in der Familie für diverse afrikanische Länder habe ich bisher nicht gefunden. Mir scheinen hier aussagekräftige Zahlen zu fehlen.

In der Süddeutschen Zeitung wurde aktuell über eine Ausstellung ("Deadly and Brutal - Filmplakate aus Ghana" Die neue Sammlung - The International Design Museum Munich. Pinakothek der Moderne) berichtet, in der 70 Filmplakate (aus den 80er Jahren) aus Ghana gezeigt werden. (Artikel dazu: "Kunst der naiven Grausamkeit") Die online gestellten Bilder zeigen eine deutliche Symbolik: misshandelnde und missbrauchende „böse“ Mütter. Man sieht z.B. auf Bild 1 "Mami Water" - ein afrikanischer Wassergeist –, diese „Mami“ hat einen Schlangenkörper und ist von Schlangen umgeben (ein Bild, dass in ähnlicher Art und Weise vor allem Lloyd deMause in allen Regionen der Welt gefunden hat und in Zusammenhang mit leidvollen Kindheitsgeschichten bringt.). Auf Bild 2 schlägt die übergroße „Mami“ mit einem Knüppel auf ihre „Tochter“ ein. Bild 3 zeigt den Film „Bad Woman“, aus deren monströsen Gesicht bzw. Mund eine riesige Schlangenzunge schnellt, während der Kopf eines jungen Mannes in einem Topf voller Blut zu sehen ist. Unter dem Titel „I hate my village“ (Ich hasse mein Dorf) sind zwei Kannibalen zu sehen, die Menschenteile verzehren. Unter dem Titel „The God to serve“ sind auf Bild 10 drei Frauen zu sehen, aus deren Augen „böse“ Blitze schießen. Vor ihnen befindet sich ein großer Topf voller Blut. Eine der Frauen trägt dabei zwei Babys im Arm. Auch andere Bilder zeigen Spiele mit Leichenteilen.

Mir fällt an dieser Stelle wieder ein Zitat ein. Die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Barbara Diepold (1998, S. 136) beschrieb bildlich und wahrlich erschreckend die innere Welt schwer traumatisierter Kinder. „Die innere Welt traumatisierter Kinder ist so, wie Hieronymus Bosch sie gemalt und Dante sie in seinem „Inferno“ beschrieben hat, oder der Mythos der Medusa sie erzählt: Gespenster und Geister, brennendes Feuer, Eiseskälte, Leichenstarre, von Kopf bis Fuss gespaltene Menschen, deren Fragmente sich zu ganzen Menschen zusammensetzen, Menschenleere und Einsamkeit, Spiele mit Leichenteilen, Unfälle und mörderische Aggressivität.“ (ebd., S. 136) Diese inneren Bilder finden sich in den oben aufgeführten Kinoplakaten deutlich wieder.

Wegen der verzerrten Perspektive und falschen Größenverhältnissen, wirken die knallbunten Motive trotz aller Blutrünstigkeit naiv - fast so, als wären sie von Kindern selbst gemalt worden“, schreibt der Autor der Süddeutschen unter ein Bild. Und er spricht damit einen sehr wahren Kern an (ohne ihn richtig zu deuten): Die Bilder scheinen aus der leidvollen Kindheitsgeschichte ihrer Maler zu stammen und wirken insofern kindlich. Offensichtlich erfreuten sich diese Darstellungen in Ghana großer Beliebtheit. Es liegt auf der Hand, hier zu vermuten, dass in Ghana Gewalt und Missbrauch von Müttern ausgehend gegenüber ihren Babys und Kindern vor den 80er Jahren (heute?) weit verbreitet war.
Leider ist Afrika eine „Black Box“ was Studien über Gewalt in der Familie angeht. Der Auftrag an die Forschung wäre hier, etwas mehr Licht in diese Region zu bringen. Da in Afrika vor allem Frauen für die Kindererziehung zuständig sind, sollte hier vor allem auch ohne Scheuklappen geforscht werden. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst und bekannt, dass Frauengewalt (neben der Männergewalt) gegen Kinder sehr weit verbreitet ist . Erst wenn dies überhaupt bekannt ist, kann auch ein genaueres Hinsehen folgen. Sehr wahrscheinlich würden wir dann auf die tieferen Ursachen der oftmals gewaltvollen Konflikte in dieser Region stoßen. Spannend wäre hier, mögliche Unterschiede in der Kindererziehungspraxis zwischen afrikanischen Ländern herauszuarbeiten, die in der Vergangenheit oder auch aktuell blutige Konflikte und Diktaturen erlebt haben/erleben und den Ländern, die weniger oder keine blutigen Unruhen erlebt haben.

Freitag, 1. April 2011

Libyen und die Eskalationsstrategie des Westens

Die These, die ich in diesem Blog schon oft vertreten habe, ist, dass die eigentlichen Ziele von Kriegen eben deren Folgen sind und das sind vor allem Opfer, Menschenopfer. Es geht darum, Menschen zu töten und Zerstörungen und Leid über eine Region zu bringen, parallel dazu geht es immer auch um Selbstzerstörung . Dieses eigentliche Kriegsziel entstammt aus tiefen, abgespaltenen Emotionen (aus der Kindheit) und ist insofern nicht wirklich greifbar zu machen. Dies gilt gerade in der heutigen Zeit, wo wir Demokraten eine „nettere“ Sprache brauchen, wie ich bereits ausführte. Das ganze Gerede um den „humanitären“ Kampfeinsatz in Libyen zeigt dies sehr deutlich.

Man muss sich jetzt einfach den Verlauf der Dinge anschauen. Vieles spricht dafür, dass die Kämpfe in Libyen längst beendet wären, hätte die westliche Allianz nicht interveniert. Die „Rebellen“ wären heillos unterlegen. Natürlich wären viele von Ihnen getötet worden. Doch alle Logik sagt mir, dass wochen- und monatelange andauernde Kämpfe nun mal mehr Menschenleben kosten, als ein Ende der Kämpfe mit Schrecken. Die Rebellen erobern mal diese mal jene Stadt, dann schlagen Regierungstruppen wieder zurück usw. Dabei sterben Menschen auf beiden Seiten. Und was ist eigentlich mit der Bevölkerung vor Ort? Diese ist immer zwischen den Fronten. Andauernde Kämpfe bedeuten also auch mehr zivile Opfer, mehr Traumatisierungen - gerade auch von Kindern, die die Kämpfe miterleben - oder auch Flüchtlinge. Vor allem letztere zeigen Medienberichte immer mehr.
Dass die Rebellenarmee ein Haufen von Fragezeichen aufwirft, zeigen aktuelle Berichte außerdem. So einige von ihnen könnten ehemalige „Gotteskrieger“ sein, die einst im Irak oder auch anderswo kämpften und die jetzt von der westlichen Allianz unterstützt werden. Ernsthaft wird derzeit darüber diskutiert, diese „Rebellenarmee“ mit Waffen aufzurüsten. Es ist schon absurd. Jahrelang wird Libyen und dessen Diktator vom Westen mit Waffen versorgt. Dann geht der Diktator mit diesen (westlichen) Waffen gegen Aufständische und sein Volk vor. Und jetzt soll die Gegenpartei wiederum mit westlichen Waffen versorgt werden… Das Ergebnis dieser Politik: Tod und Leid auf allen Seiten.
Für die Angriffe auf Libyen haben übrigens allein die USA bereits mehr als 550 Millionen Dollar ausgegeben hat! (vgl. sueddeutsche.de, 01.04.2011, "Rebellen wollen Waffenstillstand - und mehr Waffen") Da bekommt man eine Vorstellung davon, wie viele Bomben und Raketen abgefeuert wurden...

Die Entwicklungen der letzten Tage und Wochen zeigen immer mehr einen Weg in Richtung Eskalation. In Libyen herrscht Krieg. Nur sehr sehr wenig erfahren wir hier im Westen davon, was das an Leid für die Bevölkerung vor Ort bedeutet. Die Nachrichten konzentrieren sich auf „Rebellen“, „bösen Diktator“ und die „guten“ Luftschläge der Alleierten. Die Zukunft wird zeigen, was wiederum für Gräueltaten diese Rebellenarmee mit Unterstützung des Westens ausführen wird (oder bereits ausgeführt hat).

Nochmal: Die destruktiven Folgen von Kriegen sind deren eigentlichen Ziele. Mit dieser Denkweise im Gepäck ergibt sich ein ganz anderer Blick auf die Entwicklungen. Man schaut mehr auf die Ergebnisse der politischen Entscheidungen, als auf die verbal erklärten Ziele. Gesagt wird: Wir wollen Menschenleben schützen. Wenn das Ergebnis dann ist, dass weit mehr Menschen sterben, dann kann das erklärte Ziel nicht das eigentliche Ziel sein. Im Rückblick dürften die meisten Kriege einen solchen Verlauf aufzeigen. Beispielsweise denke ich an Vietnam oder auch den Irakkrieg. „Wir werden helfen, befreien, schützen“, das wird am Anfang gesagt. Am Ende finden sich nur noch Leichenberge.