Freitag, 27. August 2010

Irakkrieg:Das Märchen vom Krieg ums Öl - Teil 2

In der Überleitung vom Magazin "Monitor" (Sendung vom 19.08.10) zu den Tagesthemen hat Sonia Mikich ganz selbstverständlich darauf hingewiesen, dass der Irakkrieg bekanntlich um Öl geführt wurde. „Blood for oil? Wie die US-amerikanische Öl-Industrie den Irak erobert“ hieß auch eine "Monitor" Sendung vom 25.09.2008, was diese Sichtweise noch mal erklärt.

Dass die „Blut-für-Öl-These“ so selbstverständlich vor einem Millionenpublikum als quasi allgemein bekannte Realität benannt wird, hat mich nochmal motiviert, etwas weiter zu dem Thema zu recherchieren. Den folgenden Beitrag sehe ich als eine Ergänzung von dem Text „Irakkrieg: Das Märchen vom Krieg ums Öl“ vom 21.04.2010.
Nebenbei bemerkt war ich zu Beginn des zweiten Golfkrieges Anfang der 90er Jahre Schüler. Unsere LehrerInnen motivierten uns damals zu einer Demo gegen den Krieg vor unserem Rathaus. Fleißig bastelten wir Transparente „Kein Blut für Öl!“. Nun, bekanntlich marschierten damals die USA nicht im Irak ein und ließen Saddam an der Macht. Kein Tropfen irakisches Öl floss als „Kriegsgewinn“ in die USA (und der Anteil der Ölförderung in Kuwait an der weltweiten Förderung hatte kaum Gewicht). Schon damals war diese These gründlich falsch (siehe auch den Beitrag "Der Golfkrieg als emotionale Störung") und ich selbst arbeite gerne die Dinge auf, alleine schon, weil ich einst selbst an die o.g. These glaubte.


Zum Thema: Ab 1972 hatte Saddam Hussein die irakische Ölförderung verstaatlicht, westlichen Konzernen wurde somit der Einfluss entzogen. Insofern ist dies ein Punkt, wo man auf den Gedanken kommen könnte, dass der Sturz Saddams zum Ziel hatte, die Rückkehr der (vor allem amerikanischen) Ölmultis zu ermöglichen.
Aufschlussreich fand ich folgendes: „Entgegen einer verbreiteten Vermutung lässt sich empirisch kaum erhärten, dass die USA ihre politische Macht nutzen, um den internationalen Wettbewerb zugunsten amerikanischer Ölfirmen außer Kraft zu setzen. In der Regel werden große Projekte ohnehin von multinationalen Konsortien durchgeführt. (…) An allen sind amerikanische Firmen beteiligt, aber in keinem sind sie Konsortialführer oder im Besitz der Mehrheitsanteile. Vielmehr zeigt gerade diese Region, dass politische Interessen der USA und die Interessen der Ölunternehmen auseinanderklaffen können und Washington auf die Unternehmensinteressen wenig Rücksicht nimmt. Im Übrigen würde eine drastische Bevorzugung amerikanischer Unternehmen, die den üblichen Spielregeln zuwiderliefe, in dem Geflecht multinationaler Unternehmen große Unruhe auslösen. Und dies würde den USA vermutlich mehr Schaden als Nutzen eintragen.(…) Dass die USA die Intervention aus wirtschaftlichen Interessen suchen, ist ganz unwahrscheinlich. Es lässt sich kein Szenario vorstellen, bei dem amerikanische Firmen oder speziell die amerikanische Ölversorgung aus einem Regimewechsel im Irak übermäßig profitieren sollte.“ (Stiftung Wissenschaft und Politik, September 2002: Das Öl des Irak. (Von Friedemann Müller) ) Natürlich gilt, dass in einem einigermaßen rechtsstaatlich geführten Irak von ausländischen Unternehmen lukrative Geschäfte gemacht werden können. Dass die amerikanischen Konzerne dabei nur einige Akteure unter vielen anderen sind, wurde oben bereits angedeutet. Die Welt (20.01.2010, "Im Irak blasen die Konzerne zur letzten Bonanza") berichtet, welche Firmen u.a. im Irak aktiv sein wollen: Shell aus Holland, Petronas aus Malaysia, Japex aus Japan, Eni aus Italien, Sonangol aus Angola, Gazprom-Neft aus Russland, Lukoil aus Russland und Statoil aus Norwegen. Daneben sind vier Unternehmen aus China an Verträgen interessiert, darunter die China National Petroleum Corporation (CNPC) (vgl. ZEIT-Online, 22.3.2010, "Das Öl-Monopoly", von Frank Sieren), die – neben BP aus Großbritannien - bereit zu Abschlüssen kam. Zusätzlich fand ich die Namen von weiteren im Irak aktiven Firmen: OMV aus Österreich, Repsol YPF aus Spanien, TotalFinaElf aus Frankreich und SK Energy aus Südkorea. Sicherlich sind dort auch noch weitere Unternehmen aktiv oder warten auf ihre Chance.
Friedemann Müller – der seinen Text im Jahr 2002 schrieb – lag insofern richtig, die US-Unternehmen geben nicht den Ton an, wenn es um das irakische Öl geht, sie müssen sich das Geschäft aufteilen, sofern sie überhaupt zum Zug kommen. Die US-Politik scheint keinen Einfluss auf die Ölgeschäfte zu nehmen oder gar Verträge für US-Firmen zu diktieren.

Die „Blut-für-Öl-These“ lässt auch außen vor, dass einer Produktionssteigerung erhebliche Investitionen vorausgehen müssen. Interessantes zu dem Thema fand ich in einem Bericht vom 18.04.2009 von Gunnar Maul auf der Homepage der „WPI Wirtschaftsplattform Irak“. Internationalen Organisationen schätzen, dass 30 Milliarden US-Dollar in den Wiederaufbau der Öl-, Gas- und Elektrizitätsinfrastruktur fließen müssen, um das Niveau der Ölförderung vor der US-Invasion wieder zu erreichen. Angestrebt sind vom Ölministerium Förderquoten von sechs Millionen Barrel. 25 bis 75 Milliarden US-Dollar werden benötigt werden, um diese Kapazitäten überhaupt erreichen zu können. Ohne technische Hilfe von ausländischen Firmen, wird dieses Ziel nicht zu erreichen sein, heißt es weiter.

Die Weltbank schätzt – laut einem Focus-Bericht- , dass die Modernisierung der irakischen Ölindustrie 100 Milliarden Dollar kosten wird. Kriege, Vernachlässigung und UN-Embargos gegen Diktator Saddam Hussein versetzten die Ölfelder und Raffinierien in einen miserablen Zustand.

Das Ergebnis einer der „Presse“ vorliegenden Studie der amerikanischen Beratungsfirma IHS Cera zeigt: Die tägliche Fördermenge werde bis 2020 bestenfalls auf 6,5 Millionen Barrel ansteigen. Das sind weitere 10 Jahre! Wer weiß schon, was dann sein wird.

Wir sehen hier also, dass eine Produktionssteigerung sehr viel Geld kostet und auch nicht von heute auf Morgen umzusetzen ist. Auch der Regierung Bush musste dies im Jahr 2003 klar gewesen sein. Ein „Ölraubbeutefeldzug“ macht unter diesen Umständen wenig Sinn und birgt unkalkulierbare Risiken.
Mit den Planungen für den Irak-Krieg wurde genau sechs Tage nach den Anschlägen von New York und Washington begonnen. Glaubt jemand ernsthaft, dass damals ein Rohstoff-Krieg in Aussicht genommen wurde?“ schrieb DIE ZEIT 2003 im Artikel „Die Mär vom Ölkrieg“. „In Wahrheit würde der Irak-Krieg nicht wegen, sondern trotz des Öls geführt. Schon jetzt lastet auf dem Barrel-Preis eine beträchtliche „Angstprämie“. Ein Krieg, wäre er kurz, kostete konjunkturdämpfende 100 Milliarden Dollar. Zöge er sich hin, gäbe es im Irak nichts mehr zu verteilen, und eine globale Rezession wäre unausweichlich. Die ökonomischen Risiken des Krieges sind unabsehbar und auch die Meriten schwer kalkulierbar. Ginge es nur darum, den Ölpreis niedrig zu halten, wäre es risikoloser, das Ölembargo aufzuheben und Saddam zu rehabilitieren. Im auskömmlichen Umgang mit Diktatoren hat Amerika ja Erfahrung.“, so der Artikel weiter.

Auch eine drastische Produktionssteigerung – sofern diese gelingt - birgt Risiken. Denn wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt, fällt der Rohölpreis. „Geht alles so, wie die Iraker es sich vorstellen, dann werden über 400 neue Ölförderstellen erschlossen und die Tagesproduktion steigt von heute 2,4 Millionen auf bis zu zwölf Millionen Fass. Spezialisten halten allerdings die Hälfte für realistisch. Schon eine solche Steigerung könnte den Ölpreis aber stark senken, sagt James Williams vom Energiefachdienst WTRG: „Wenn es dem Irak gelingt, seine Produktion innerhalb von zwei Jahren auf fünf Millionen Fass zu steigern, würde das Angebot die Nachfrage übersteigen und der Ölpreis von den jetzt knapp 80 auf unter 50 Dollar fallen.“ „ (http://www.welt.de/wirtschaft/article5922622/Im-Irak-blasen-die-Konzerne-zur-letzten-Bonanza.html) Zudem ist der Irak Mitglied der OPEC. Diese legt maximale Förderquoten fest, um eben den Preis stabil zu halten.

Da alte Ölfelder bereits stark ausgebeutet sind, hat die Ölindustrie (vor allem auch die amerikanische welche) ihre Bohrungen auf den Meeren erheblich ausgeweitet. Die aktuelle Ölpest im Golf von Mexico brachte dies uns allen nochmal stark ins Gedächtnis... Die Förderkosten liegen hier aber sehr viel höher, als bei einfacheren Landbohrungen. Um dabei rentabel arbeiten zu können, braucht es ein einigermaßen hohes Ölpreisniveau. Matthias Reich, Professor für Bohrtechnik an der Technischen Universität Bergakademie im sächsischen Freiberg, meint, dass ein Preis von über 50 US-Dollar pro Barrel nötig sei, damit die Weiterentwicklung aufwendiger Bohr- und Fördertechniken für tiefe Bohrungen Sinn mache. (vgl. Welt-Online, 11.06.2010, "Bessere Bohrtechniken hängen vom Ölpreis ab") Ein zu starkes Abfallen des Ölpreises liegt hier nicht im Interesse der US-Ölkonzerne.
Das Geschäft auf dem Meer ist auf Grund der hohen Investitionen vor allem in der Hand großer Konzerne wie es z.B. ExxonMobil und Chevron sind, berichtet DIE ZEIT ("Im Rausch der Tiefe"). Im klassischen Raffineriegeschäft (die Weiterverarbeitung von Rohöl etwa zu Benzin) seien nur noch geringe Margen zu verdienen, weshalb die Fördergeschäfte immer interessanter werden. „Der Mineral Management Service, eine Fachbehörde der US-Regierung, schätzte allein im Jahr 2006 die Offshore-Ölvorkommen in bislang unentdeckten Feldern vor der amerikanischen Küste auf 86 Milliarden Barrel. Das wäre mehr als an Land.“ (vgl. DIE ZEIT) Derzeit erfolgt 5 % der weltweiten Rohölförderung auf den Meeren. Bis 2012 soll sich diese Zahl auf 10 % verdoppeln. (vgl. Greenpeace-Magazin, 5.2010,„Die Party geht weiter“) Bedenkt man dabei, dass weltweit Staatskonzerne 80 Prozent der Ölvorkommen kontrollieren und alle privaten Unternehmen um nur ein Fünftel der Reserven konkurrieren (vgl. ebd.), dann wird zusätzlich deutlich welche enorme Bedeutung die Tiefsee für die Konzerne spielt. Nochmal: Ein durch den Irakkrieg (vermeintlich) angestrebter niedriger Ölpreis durch rasche Ausbeutung der irakischen Quellen konnte von Anfang an nicht im Sinne der US-Ölindustrie sein.

Die Iraker lassen sich bei der Vergabe von Förderrechten übrigens alles andere als übers Ohr hauen und agieren sehr autonom. „Als gewiefte Händler boten die Iraker den Ölkonzernen eine Gewinnbeteiligung von maximal zwei Dollar pro Fass Öl an – bei einem Weltmarktpreis von heute knapp 80 Dollar. Eine erste Versteigerung Ende Juni 2009 wurde zum Fiasko: Von acht Feldern wurde nur ein Ölfeld an British Petroleum (BP) und die China National Petroleum Company (CNPC) vergeben. Vier andere Ölfelder wurden ebenfalls zu irakischen Vorstellungen vergeben.“ (siehe "Welt" Artikel oben) Auch hier ist keine diktierende Einflussnahme durch die USA festzustellen.
In einem relativ aktuellen Artikel in der Welt-Online vom 15.06.2010 („US-Amerikaner profitieren nicht vom Irak-Öl“) wird berichtet, dass am 7. März der vorerst letzte der Ölverträge mit ausländischen Firmen unter Dach und Fach gebracht wurde. „Russlands Lukoil zusammen mit der norwegischen Statoil bekam den Zuschlag für die Erschließung eines der größten Ölfelder im Süden des Irak – West Qurna. Damit sind insgesamt 15 ausländische Firmen mit der Entwicklung künftiger Ölquellen betraut worden. Amerikanische Unternehmen sind dabei klar in der Minderheit.“ Die schon erschlossenen Quellen im Irak werden sämtlich von zwei Staatsfirmen bewirtschaftet, so der Artikel weiter. Von neuen Verträgen profitieren bisher vor allem Asiaten im Irak, die malaysische Gesellschaft Petronas führt mit drei Lizenzen die Liste der ausländischen Firmen im irakischen Ölgeschäft an. Lediglich zwei amerikanische Firmen sind bisher involviert: Exxon Mobil hat den Zuschlag für ein Projekt bekommen, Occidental ist innerhalb eines Konsortiums an der Entwicklung eines anderen Feldes beteiligt, schreibt die Welt-Online. „Dass die US-Konzerne nicht umfangreicher einsteigen, liegt an der Natur der Verträge. Der irakische Staat bietet Dienstleistungsverträge, keine Gewinnbeteiligungen. Für jedes gepumpte Fass gibt es einen Bonus zwischen 1,9 und sechs Dollar, je nach Förderkosten. US-Vertreter werteten dies als Affront und blieben den Auktionen meist fern.

Im Irak werden ca. 10-11 % der weltweiten Ölreserven vermutet. Das ist das Fundament der „Blut-für-Öl-These“. Die Rohölversorgung aus dem Irak ist also langfristig von Interesse. So weit kann allerdings niemand (auch die USA nicht) vorausplanen. Erst recht nicht, wenn im Irak Krieg und Terror herrschen. (Nebenbei bemerkt besteht das reale Risiko, dass langfristig das ÖL von den regenerativen Energien abgelöst wird und an Bedeutung verliert) Und: Die USA haben bisher keinen sichtbaren Vorteil durch die Invasion bzgl. dieser Reserven erreicht, wohl eher das Gegenteil dürfte der Fall sein. Bildlich gleicht die Situation folgender Lage: Da ist eine Gruppe (deren Führer früher in der Diamentenbranche gearbeitet haben), die die Besitzer einer Diamantmine unter einem Vorwand überfällt und viele von ihnen tötet, inkl. ihrem bösen Anführer und vieler Kinder. Die Diamanten liegen nicht einfach abholbereit da, sondern sind im Stollen verborgen. Dann setzt diese Gruppe Wahlen und eine junge Demokratie durch und zieht sich langsam wieder zurück. Die Diamanten werden nun über Jahre und Jahrzehnte von der neuen Führung gefördert und in alle Welt verkauft. Draußen vor der Mine stehen dabei die Demonstranten und rufen: „Kein Blut für Diamanten!“, „Ihr habt die Leute nur überfallen, weil ihr sie ausbeuten wolltet!“

Die damalige Außenministerin Condoleezza Rice war vor ihrer Politkarriere 10 Jahre Direktorin von Chevron, einer der größten Ölfirmen der Welt. Dick Cheney, Vizepräsident unter George W. Bush, war vor seiner Amtszeit Präsident eines anderen großen Unternehmens: Halliburton - eines der größten Ölexplorationsunternehmen. Handelsminister Donald Evans war Präsident der Energie- und Erdölgesellschaft Tom Brown. Auch die Familie Bush hatte geschäftlich mit Öl zu tun. Diese Verbindungen heizten die „Blut-für-Öl-These“ kräftig an. Ein aktueller Artikel im Greenpeace-Magazin 5.2010 („Die Party geht weiter“) stellte heraus: „Einen guten Ölkonzern gibt es nicht.“ Bei etlichen Unternehmen der Branche finden sich Verwicklungen in Menschenrechtsverletzungen, Handel mit Militärregierungen usw. und vor allem schwere Umweltverschmutzungen. Das Ölgeschäft scheint ein schmutziges Geschäft zu sein. Dass sich darin Menschen wie George W. Bush & Co. tummelten, passt einfach zu ihrem destruktiven Charakter. (Oder könnte sich jemand George W. Bush als Besitzer mehrerer Biobauernhöfe oder von Solaranlagen in seinem früheren Leben vorstellen?) Daraus gleich eine direkte Verbindung zum Krieg ziehen zu wollen, halte ich für fragwürdig. Mehr noch, ich möchte sogar behaupten, dass gerade die US-Führungsriege, die sich fachlich mit dem Ölhandel auskannte, um die Fakten, die ich in diesem Text zusammengetragen habe (und die sich sicher noch ausweiten ließen), hätte wissen müssen bzw. diese hätte voraussehen können. Rein von der Faktenlage her machte der Irakfeldzug ums Öl herum allerdings überhaupt keinen Sinn.
(Der steigende Öldurst der USA könnte außerdem voraussichtlich gleich von ihrem Nachbarn Kanada gedeckt werden, Kanada steht heute dank enormer Ölsand-Vorkommen auf Platz 2 der ölreichsten Länder der Erde und verfügt über 15 Prozent der Weltreserven. Ein hoher Ölpreis würde diese Art der Förderung weiter rentabel machen und die Transportkosten wären gering.)


Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass US-Ölunternehmen nicht die einzigen Unternehmen sind, die einflussreiche Lobbyarbeit leisten und Druck bzgl. ihrer Interessen auf die US-Politik ausüben können. Der Irakkrieg war – neben anderen Gründen - ein bedeutender Grund dafür, dass der Rohölpreis explodierte. Die energieintensive Industrie in den USA dürfte darüber wenig erfreut gewesen sein. Ebensowenig wie die autofahrenden WählerInnen und die Autoindustrie. Im Jahr 2002 lag der Benzinpreis in den USA etwas über 100 Cent/Gallone. Ab 2003 – dem Jahr, in dem der Krieg gegen den Irak begann – stieg der Preis stetig. Den Höhepunkt erreichte er ca. Mitte 2008 mit etwas über 400 Cent/Gallone. Danach sank der Preis wieder ab. (vgl. http://www.markt-daten.de/chartbook/oel-benzin.htm) Diese Steigerung hing eng mit der Rohölpreisentwicklung zusammen. Der Irakkonflikt war sicher nicht der einzige Grund für Preissprünge, aber er lastete schwer auf dem Rohölpreis. Niemand wusste damals auch, ob sich der Konflikt ggf. ausweiten und Nachbarländer einbezogen würden.
Darüberhinaus gibt es Hinweise dafür, dass die enormen Kosten des Krieges und die entsprechende Kreditaufnahme durch die USA die nachfolgende Weltwirtschaftskrise mit verursacht hat. (vgl. heise.de, „Der Billionen-Krieg im Irak als Ursache für die Wirtschaftskrise?„) Die US-amerikanische Zentralbank (FED) hatte versucht, die enormen Kriegskosten mit Hilfe billiger Kredite zu kompensieren, „die schließlich zur Subprime-Krise und einen Konsumboom geführt haben. Das habe die USA nun eine Rezession und die höchste Verschuldung beschert.“ (heise.de) Der Leitzins wurde von der FED ab 2001 (also nach dem „11. September“, ab dem die Kriegsplanung begann) stetig gesenkt, von ca. 6,5 % auf unter 2 % im Jahr 2002 und ca. 1 % zwischen 2003 und 2004. (vgl. http://www.leitzinsen.info/charts/funds.htm) „Sollte der Irak-Krieg tatsächlich ein Grund für Kredit- und Bankenkrise sein, die sich von den USA ausbreitet, dann würden die tatsächlichen weltweiten Kosten noch weitaus höher als einige Billionen Dollar sein.“ (heise.de)

Wo ist der Gewinn aus diesem angeblichen Ölkrieg? Ich kann ihn einfach nicht finden! (Auch sicherheitspolitisch kann ich keinen Vorteil feststellen, das "Feindbild USA" ist durch die Kriege aktueller denn jeh, das wäre nochmal ein Thema für sich.) Der Krieg scheint vor allem emotionale Ursachen zu haben. Diese Sicht wird leichter verständlich, wenn man den fehlenden "Nutzen" von Kriegen klar aufdecken kann wie oben geschehen. Dieses Ursachenverständnis würde im Übrigen aber auch dann noch Bestand haben, wenn Kriege wirklich ökonomische Vorteile hätten. Denn auch dann wäre es das Handeln von emotional leblosen, tief psychisch gespaltenen Menschen, die für das Erreichen ihrer Nutzen- und Machtmaximierung über Leichen gehen und die letztlich wie Maschinen handeln. Thesen und Antworten in diese Richtung findet man in diesem Blog. Mir scheint es, als ob wir die These "Blut für Öl" umformulieren müssen in "Krieg für Blut" oder "Krieg als Opferritual", das Leid von Menschen und die Reduzierung von Wirtschaftskraft und ökonomischem Wachstum sind die immer wieder beobachteten Folgen und wohl auch Ziele von Krieg. Wenn diese Folgen von Krieg als eigentliche Ziele erkannt und analysiert würden, würden wir auch ein ganz anderes Bild und Verständnis vom Krieg bekommen und die Chance, etwas an den tieferen Ursachen zu rütteln.

Donnerstag, 12. August 2010

Bill Clinton. "Dämonen" im Kopf und sanktionierter Massenmord

Meinen Beitrag "Bill Clinton. Kindheit und Kriegsführungspersönlichkeit" möchte ich noch mit ein paar Zeilen ergänzen:

Bill Clinton wurde 1999 der deutsche Medienpreis verliehen. „In der Begründung der Jury wird Clinton als Präsident beschrieben, der die globale Macht seines Landes und den Einfluss seines Amtes genutzt habe, um Unterdrückung und Missachtung von Menschenrechten als Unrecht aufzuzeigen. Als 42. Präsident der USA habe er, mehr als seine Vorgänger, die Welt als globale Gemeinschaft gesehen mit einer kollektiven Verantwortung kriegerische Konflikte zu beenden.http://www.deutscher-medienpreis.de/index.php?id=1999|content|index (Die prominente Jury bestand aus 20 Chefredakteuren deutscher Zeitungen, Zeitschriften und TV-Sendern)

Im Angesicht der unzähligen militärischen Operationen (siehe meinen o.g. Beitrag) während seiner Amtszeit ist diese Verleihung höchst fragwürdig. Bill Clinton führte auch das gegen den Irak verhängte Embargo nach seinem Amtsantritt strickt weiter. Das Embargo begann kurz nach Ende des Krieges im Jahr 1991. Anfang 2003 wurde Bill Clinton US-Präsident. Er ist somit hauptsächlich für den durch die Sanktionen bedingten Tod von unzähligen Menschen im Irak (darunter sehr viele Kinder) verantwortlich.

In einem Jahresbericht 2001 stellte UNCEF fest, dass zwischen 1990 und 2000 die Kindersterblichkeit im Irak um 160% anstieg, die höchste Steigerungsrate unter allen Ländern der Welt. Im Jahre 1998 war fast jedes vierte Baby, wegen Unterernährung der Mutter, auch untergewichtig. 2001 waren 22.1% der Kinder, jedes fünfte Kind, körperlich zurückgeblieben, was auf chronische Mangelernährung oder akute Unterernährung zurückzuführen ist. (AlSammawi, Faris 2006: (Dissertation) "Die UN-Sanktionen gegen Irak und deren Auswirkungen auf die Bevölkerung von 1990 bis 2003". Köln.)
Seit 1991 (per. Anmerkung: bis 2003) sind nach Schätzungen internationaler humanitärer Organisationen rund 1,5 Millionen Iraker, darunter über 550 000 Kinder unter fünf Jahren, den Folgen dieser Wirtschaftssanktionen zum Opfer gefallen - durch Mangelernährung und unzureichende medizinische Versorgung. Das entspricht rund sieben Prozent der irakischen Bevölkerung.“ (http://www.km.bayern.de/blz/web/irak/golfkriege.html) Ander Schätzungen gehen von bis zu 1,5 Million toter Kinder aus. (vgl. Büttner, C. 2004: Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten: Lebensumstände und Bewältigungsstrategien. Campus Verlag, Frankfurt/Main, S. 234) Siehe ergänzend auch: Untersuchungsberichte von UN- und anderen Hilfsorganisationen über die Auswirkungen des Embargos
Als Madeleine Albright (erste Frau im Amt der Außenministerin in den USA 1997-2001 unter Bill Clinton) am 20.05.1996 gefragt wurde, ob der Tod der vielen irakischen Kinder durch die Sanktionen, die eigentlich Saddam Hussein schwächen sollten, nötig wäre, antwortete sie: „Ich denke, es ist eine sehr schwere Wahl, aber der Preis, wir denken, es ist den Preis wert.“ (zit. nach deMause, 2005, S. 38) (Original: "This is a very hard choice, but we think the price is worth it.”) Zu diesem Zeitpunkt war sie noch US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen. Die Regierung Clinton befand sich derzeit im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl am 05.11.2006 und ihr möglicher Posten als Außenministerin wird sicherlich schon fest eingeplant gewesen sein. Sie gehörte also zum engsten Führunsstab der Regierung Clinton. Mit "wir" wird Albright vor allem auch Clinton gemeint haben. (nebenbei entlastet das "wir" von der Verantwortung...)
Ich habe bisher keine Äußerungen von Bill Clinton finden können, in denen er sein Bedauern zum Ausdruck brachte und die Iraker um Entschuldigung bat. Dieses Embargo, schrieben die US-Wissenschaftler Noam Chomsky und Edward Said, sei „keine Außenpolitik“, sondern „sanktionierter Massenmord“. (vgl. Büttner, 2004, S. 234) Und in der Tat war Bill Clinton für den massenhaften Tod von Menschen verantwortlich.

Vor den US-Präsidentschaftswahlen im Jahre 2000 führte Amy Goodman ein interessantes spontanes Interview mit Bill Clinton. Clinton wies darin alle Verantwortung bzgl. des Embargos von sich:
AMY GOODMAN: President Clinton, UN figures show that up to 5,000 children a month die in Iraq because of the sanctions against Iraq.
PRESIDENT CLINTON: (Overlap) That’s not true. That’s not true. And that’s not what they show. (…)
Anschließend gibt er Saddam Hussein die Schuld am Leid der irakischen Bevölkerung und sagt, dass Hussein mehr Geld zur Verfügung gestanden hätte, als vor dem Krieg und den Sanktionen. „He has more money today than he did before the embargo, and if they’re hungry or they are not getting medicine, it is his own fault.“
Ein Artikel in ”der Freitag” macht deutlich, dass Clinton hier nicht die Wahrheit sagte.
Hans Graf von Sponeck, der ab 1998 das Programm Oil for Food leitete und im Februar 2000 aus Protest von seinem Amt zurücktrat, hat mit detaillierten Aussagen aufgedeckt, dass die USA und Großbritannien die Weltöffentlichkeit bzgl. der Sanktionspraxis manipulierten. In der Weltöffentlichkeit wurde die Darstellung lanciert, „der irakische Diktator behindere das Oil for Food-Programm und beschaffe sich mit den entsprechenden Einnahmen neue Waffen und Paläste. Wie Hans von Sponeck belegt, wurde diese Version 1999 in einer Studie des US-Außenministeriums vertreten und dank einflussreicher US-Medien weltweit kolportiert. Gegenteilige Erklärungen, etwa von Caritas, Care und anderen NGO, wonach nicht Saddam, sondern allein die Praxis der Sanktionen die entscheidende Ursache für das Leiden der Iraker seien, wurden ebenso ignoriert wie die Reports des Beauftragten von Sponeck an den UN-Generalsekretär.“ Und „Jahrelang haben westliche Regierungen und Medien, ebenso die Öffentlichkeit (auch wir selbst), an das Märchen geglaubt, es sei Saddam Hussein, der die Gelder aus dem Programm Oil for Food für die Rüstung abzweige und dafür vorsätzlich den Tod Hunderttausender Iraker in Kauf nehme. Tatsächlich jedoch war sein Regime dank der strengen UN-Kontrollen zu einer solchen Zweckentfremdung der Gelder nie in der Lage.
Madeleine Albright hat dagegen deutlich gemacht, dass der Tod der zivilen Bevölkerung bewusst durch die US-Regierung in Kauf genommen wurde. Bei dieser Gelegenheit krampte ich das Buch „Stupid White Men“ von Michael Moore (2002) aus dem Keller. Dessen Sprache liegt mir nicht mehr, aber folgende Passage bzgl. Clintons destruktiver Umweltpolitik möchte ich hier zitieren: Bill Clinton „hat festgestellt, dass etwas sagen praktisch das Gleiche ist wie etwas tun. Wenn man sagt, man sei für eine saubere Umwelt, dann reicht das völlig aus – man brauchte nichts weiter zu tun für eine saubere Umwelt. Man könnte sie sogar ungestraft noch stärker verschmutzen, und die meisten Menschen würden das gar nicht merken.“ (S. 266)
Und so ähnlich verhielt es sich wohl auch mit dem Irak (und auch Jugoslawien). Clinton sagte: „Ich tue das für das Volk der Iraker, für die Menschen auf dem Balkan. Wir sind die Guten. Wir sind für Frieden und Freiheit. Deshalb bombardieren wir Euch und deshalb bekommt ihr nichts zu essen.“ Bill Clinton, so scheint es, hat eine Scheinpersönlichkeit aufgebaut (siehe auch Anmerkungen zu seiner Kindheit im vorherigen Beitrag). Und die Menschen wollten es ihm glauben. Das ist das absurde Zusammenspiel vom emotional Delegierten und dem Volk. Letztlich hat er auch seit Kindheit an lernen müssen, die Augen vor Realitäten, vor eigenem Schmerz und Qualen zu verschließen. Für das Leid Anderer scheint er ebenfalls blind zu sein.


Die Auszeichnungen (davon einige in Deutschland), die Clinton erhielt, sind ein Skandal. Ebenso unverstänlich ist, dass er weiterhin salonfähig ist, diverse Ämter inne hatte und weiterhin als Redner international gefragt und hoch bezahlt ist.

Montag, 9. August 2010

Bill Clinton: Kindheit und Kriegsführungspersönlichkeit

Kürzlich bin ich auf eine Chronologie aller US-Militäreinsätze und Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg bis Ende 1999 gestoßen. Ich erinnerte mich dabei an einen Satz von Lloyd deMause: Bill Clinton "hat es in seiner Amtszeit übrigens fertiggebracht, mehr Nationen zu bombardieren als jeder andere Präsident in der US-Geschichte vor ihm." ("Entschärft die menschlichen Zeitbomben", Interview mit Lloyd deMause)
Hier nun die Einsätze und Kriege während Clintons Amtszeit (wobei ihm auch ein paar wenige „vererbt“ wurden, er war vom 20. Januar 1993 bis Anfang 2001 im Amt, militärische Konflikte/Einsätze, die mit einem Datum vor dem 20. Januar 1993 aufgeführt werden, wurden von Clinton weitergeführt):

Operation "Distant Runner": Ruanda, 9. April 1994 bis 15. April 1994
Operationen "Quiet Resolve"/"Support Hope": Ruanda, 22. Juli 1994 bis 30. September 1994
Operation "Uphold/Restore Democracy": Haiti, 19. September 1994 bis 31. März 1995
Operation "United Shield": Somalia, 22. Januar 1995 bis 25. März 1995
Operation "Assured Response": Liberia, April 1996 bis August 1996
Operation "Quick Response": Zentralafrikanische Republik, Mai 1996 bis August 1996
Operation "Guardian Assistance": Zaire/Ruanda/Uganda, 15. November 1996 bis 27. Dezember 1996
Operation "Pacific Haven/Quick Transit": Irak - Guam, 15. September 1996 bis 16. Dezember 1996
Operation "Guardian Retrieval": Kongo, März 1997 bis Juni 1997
Operation "Noble Obelisk": Sierra Leone, Mai 1997 bis Juni 1997
Operation "Bevel Edge": Kambodscha, Juli 1997
Operation "Noble Response": Kenia, 21. Januar 1998 bis 25. März 1998
Operation "Shepherd Venture": Guinea-Bissau, 10. Juni 1998 bis 17. Juni 1998
Operation "Infinite Reach": Sudan/Afghanistan, 20. bis 30. August 1998
Operation "Golden Pheasant": Honduras, ab März 1988
Operation "Safe Border": Peru/Ekuador, ab 1995
Operation "Laser Strike": Südafrika, ab 1. April 1996
Operation "Steady State": Südamerika, 1994 bis April 1996
Operation "Support Justice": Südamerika, 1991 bis 1994
Operation "Wipeout": Hawaii, ab 1990
Operation "Coronet Oak": Zentral- und Südamerika, Oktober 1977 bis 17. Februar 1999
Operation "Coronet Nighthawk": Zentral- und Südamerika, ab 1991
Operation "Desert Falcon": Saudi Arabien, ab 31. März 1991
Operation "Northern Watch": Kurdistan, ab 31. Dezember 1996
Operation "Provide Comfort": Kurdistan, 5. April 1991 bis Dezember 1994
Operation "Provide Comfort II": Kurdistan, 24. Juli 1991 bis 31. Dezember 1996
Operation "Vigilant Sentine I": Kuwait, ab August 1995
Operation "Vigilant Warrior": Kuwait, Oktober 1994 bis November 1994
Operation "Desert Focus": Saudi Arabien, ab Juli 1996
Operation "Phoenix Scorpion I": Irak, ab November 1997
Operation "Phoenix Scorpion II": Irak, ab Februar 1998
Operation "Phoenix Scorpion III": Irak, ab November 1998
Operation "Phoenix Scorpion IV": Irak, ab Dezember 1998
Operation "Desert Strike": Irak, 3. September 1996; Cruise Missile-Angriffe: Irak, 26. Juni 1993, 17. Januar 1993, Bombardements: Irak, 13. Januar 1993
Operation "Desert Fox": Irak, 16. Dezember 1998 bis 20. Dezember 1998
Operation "Provide Promise": Bosnien, 3. Juli 1992 bis 31. März 1996
Operation "Decisive Enhancement": Adria, 1. Dezember 1995 bis 19. Juni 1996
Operation "Sharp Guard": Adria, 15. Juni 1993 bis Dezember 1995
Operation "Maritime Guard": Adria, 22. November 1992 bis 15. Juni 1993
Operation "Maritime Monitor": Adria, 16. Juli 1992 bis 22. November 1992
Operation "Sky Monitor": Bosnien-Herzegowina, ab 16. Oktober 1992
Operation "Deliberate Forke": Bosnien-Herzegowina, ab 20. Juni 1998
Operation "Decisive Edeavor/Decisive Edge": Bosnien-Herzegowina, Januar 1996 bis Dezember 1996
Operation "Deny Flight": Bosnien, 12. April 1993 bis 20. Dezember 1995
Operation "Able Sentry": Serbien-Mazedonien, ab 5. Juli 1994
Operation "Nomad Edeavor": Taszar, Ungarn, ab März 1996
Operation "Nomad Vigil": Albanien, 1. Juli 1995 bis 5. November 1996
Operation "Quick Lift": Kroatien, Juli 1995
Operation "Deliberate Force": Republika Srpska, 29. August 1995 bis 21. September 1995
Operation "Joint Forge": ab 20. Juni 1998
Operation "Joint Guard": Bosnien-Herzegowina, 20. Juni 1998
Operation "Joint Edeavor": Bosnien-Herzegowina, Dezember 1995 bis Dezember 1996
Operation "Determined Effort": Bosnien, Juli 1995 bis Dezember 1995
Operation "Determined Falcon": Kosovo/Albanien, 15. Juni 1998 bis 16. Juni 1998
Operation "Eagle Eye": Kosovo, 16. Oktober 1998 bis 24. März 1999
Operation "Sustain Hope/Allied Harbour": Kosovo, ab 5. April 1999
Operation "Shining Hope": Kosovo, ab 5. April 1999
Operation "Cobalt Flash": Kosovo, ab 23. März 1999
Operation "Determined Force": Kosovo, 8. Oktober 1998 bis 23. März 1999

Der größte Kampfeinsatz war dabei bekanntlich der auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, der vor allem Folgen für die Zivilbevölkerung hatte: "In den 79 Tagen und Nächten vom 24. März bis 10. Juni 1999 flogen die NATO-Luftstreitkräfte mit zunächst 420 und schließlich 1.200 Flugzeugen insgesamt 37.465 Einsätze, bei denen sie 20.000 Raketen und Bomben auf das gesamte Territorium der Bundesrepublik Jugoslawien abfeuerten. Allein schon diese Tatsache macht deutlich, wie falsch und irreführend der Propaganda-Begriff vom ‚Kosovo-Krieg‘ ist. Bei diesem ersten Krieg gegen eine entwickelte Industrielandschaft in Europa wurden mindestens 200 Fabriken und Kraftwerke, 300 Schulen, 50 Krankenhäuser und 50 Brücken zerstört, womit die Wirtschaft Jugoslawiens etwa auf den Stand von 1900 zurückgeworfen wurde. Durch das systematische Bombardement von Betrieben der chemischen und pharmazeutischen Industrie, von Öl-Raffinerien und -Depots wurde in Jugoslawien und seinen Nachbarstaaten die größte Umwelt-Schädigung seit dem Krieg der USA gegen Vietnam verursacht." ("Kollateralschäden" oder Kriegsverbrechen? Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien und das Kriegsvölkerrecht von Ernst Woit) Darüberhinaus gibt es viele Hinweise darauf, dass große Flüchtlingsströme überhaupt erst durch die NATO-Bombardements ausgelöst wurden. (Hier sei nochmal wiederholt, dass die NATO 37.465 Kampfeinsätze flog!)

Über Bill Clintons Kindheit und seine Kriegsführungspersönlichkeit hatte ich kurz etwas hier geschrieben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch mal deMause in seiner Schilderung über Bill Clintons Kindheit ausführlich zitieren:

Folgt man seinem Biographen, war Clintons Familienrolle ebenfalls die eines sich aufopfernden Helden, der der "Umsorger und Beschützer der Familie" und seiner Mutter Virginia war.4 Sein alkoholischer Stiefvater war so gewalttätig seiner Mutter gegenüber, daß Clinton sich daran erinnert, wie dieser mit einem Gewehr auf seine Mutter geschossen hat, als er selber fünf Jahre alt war, und der kleine Billy "mußte zweimal echte Gewalttätigkeiten stoppen, als Roger drohte, Virginia umzubringen".5 Clintons Rolle des Familienhelden" war es natürlich, die ihn zu so einem meisterhaften Politiker machte, der fähig ist, die unbewußten emotionalen Bedürfnisse anderer zu spüren und seine eigenen Werte für die Verherrlichung, die er dadurch gewann, zu opfern. Es gab wenig Liebe in seiner Familie. Sein Stiefvater mißhandelte ihn physisch während seiner Trunkenheits-Wutanfälle, und seine Großmutter, die sich in den ersten Jahren, als die Mutter abwesend war, hauptsächlich um ihn kümmerte, hatte ein "grimmiges Wesen" und verwendete zweifellos "eine Peitsche" gegen ihn, wie sie es auch bei seiner Mutter getan hatte, als diese klein war.6
Zusätzlich zu diesem körperlichen Mißbrauch war Bill Clinton auch ein ungewünschtes Kind, dessen Mutter ihn als Kleinkind zwei Jahre lang bei ihrer Mutter ließ, während sie in eine andere Stadt zog, um eine Krankenschwestern-Ausbildung zu absolvieren, und die ihn später, während er aufwuchs, regelmaßig allein ließ und sich dem Glücksspiel widmete. "Ich wurde erzogen in der Art von Kultur, wo du ein glückliches Gesicht machst und deine Schmerzen und Qualen nicht zu erkennen gibst", sagte er.7 Der Psychotherapeut Jerome Levin verbindet Clintons suchthaften Sex mit Hunderten von Frauen unmittelbar mit seiner einsamen Kindheit.

http://www.mattes.de/buecher/psychohistorie/978-3-930978-44-1_demause.pdf

Bill Clinton wörtlich über seinen Stiefvater: "Er war ein guter Kerl, aber er hatte dieses Alkoholproblem. Er konnte seine Dämonen nicht kontrollieren - daraus entstanden Hass und Zerstörung. Ich habe sein Handeln gehasst, ihn habe ich nicht gehasst. Die Gewalt nahm kein Ende. Irgendwann haben meine Mutter und ich erkannt, das wir uns entscheiden mussten. Wir entschieden, dies alles zu ertragen, und unser Leben so normal wie möglich fortzusetzen." (Zitiert nach einer Rezension von Clintons Biografie "Mein Leben" im Deutschlandradio)
Bill Clinton spricht - so die Rezension weiter - nach eigener Aussage über "Dämonen", die er mit ins Weiße Haus trug und auch von einem Doppelleben. Auch der stern schreibt in seiner Buchbesprechung etwas von Dämonen: "Nach einem Jahr intensiver Eheberatung und seinem Freispruch im Amtsenthebungsverfahren habe er sich dann am Ende "befreit" (von seinen "Dämonen") gefühlt." Dies sind klassische Hinweise auf abgespaltene emotionale Anteile, wie sie fast immer bei Menschen vorkommen, die solch extreme Gewalt in der Kindheit erfahren haben. Das an sich ist etwas, was nun einmal Realität im Leben von Clinton war. Wenn diese Realität nicht aufgearbeitet wird - und Clinton selbst sagt ja einiges zum Thema "Wegsehen" und Verdrängen -, dann besteht die Gefahr, dass einen die "Dämonen" von einst wieder einholen, erst recht gilt dies, wenn man der mächtigste Mann der Welt wird inkl. einer großen Militärmaschinerie hinter sich...

Wenn man sich diese o.g. Informationen vor Augen führt, hätte ich den "Demokraten" Bill Clinton auch gut im Grundlagentext unter Kapitel 3. aufführen können…

siehe ergänzend: "Bill Clinton. "Dämonen" im Kopf und sanktionierter Massenmord"

Freitag, 6. August 2010

Afghanistan: Gewalt gegen Kinder und der (un)mögliche Frieden

„Afghanistan braucht vor allem mehr Kinderschutz und nicht mehr deutsche Soldaten!“, schrieb ich im September 2009 in dem Beitrag „Lösungen für Afghanistan
Damals wie heute ist es schwierig, genaue Zahlen zur Gewalt gegen Kinder in diesem Land zu finden. Klassisch sind z.B. Berichte wie dieser von Amnesty International aus dem Jahr 2003. Im Kapitel 5.1 „Gewalt gegen Frauen und Mädchen innerhalb der Familie“ wird auf Grund allgemeiner Berichte und Erfahrungen von der Alltäglichkeit der häuslichen Gewalt und auch öffentlichen Gewalt berichtet, konkrete Studien fehlen aber. Ein anderes Beispiel: Die Caritas ließ 3600 Frauen in Kabul zu ihrer Lebenssituation befragen. (Studie "Women in Kabul"). Erfahrungen von Gewalt in der Kindheit und zu häuslicher Gewalt durch Ehemänner wurden bei dieser Gelegenheit nicht abgefragt.

Um so erstaunter war ich, als ich kürzlich die Diplomarbeit (Fachbereich Psychologie der Universität Konstanz) von JeanPaul Leo François Bette (2006) mit dem Titel „PTBS, häusliche Gewalt und Kinderarbeit – eine epidemiologische Untersuchung von Schulkindern in Kabul, Afghanistan“ fand.

In den Einleitungen zum Thema schreibt Bette: „700.000 Witwen und 200.000 durch Bomben und Minen verkrüppelte Väter haben keine andere Überlebensmöglichkeit als ihre Kinder. Viele arbeiten in Fabriken, in Läden oder in der Teppichindustrie. In Kabul arbeiten schätzungsweise 60.000 Kinder unter meist sehr schwierigen und unsicheren Bedingungen. Viele von ihnen werden nicht nur zur Arbeit gezwungen, sondern auch sexuell ausgebeutet.

287 afghanische Schulkinder aus dem Dashti Barchi Distrikt in Kabul im Alter von 7 bis 14 Jahren wurden in Interviews befragt. Die Ergebnisse sind wie erwartet erschütternd:

31% der Kinder gaben an, dass ihre Mutter von ihrem Vater geschlagen würde und 4,3% der Kinder gaben an, dass auch die Mutter ihren Vater schlagen würde. 41,6% der Kinder berichteten, von ihrem Vater geschlagen zu werden und 59,9% berichteten, von ihrer Mutter geschlagen zu werden. 37,8% der Kinder wurden von ihren älteren Geschwistern geschlagen.
Fast ein Drittel aller Kinder berichtete von mehr als fünf Typen häuslicher Gewalterfahrungen. Die Typen häuslicher Gewalterfahrung, die am häufigsten berichtet wurden waren Schläge auf den Körper, die Arme oder die Beine und angeschrien, oder beleidigt zu werden.
11,4% der Kinde, gaben an, aufgrund familiärer Gewalt verletzt worden zu sein. 8,6% so schlimm, dass sie daraufhin medizinisch versorgt werden mussten. Häufig berichtet wurden dabei „blaue Augen“, Verletzungen an Kopf und Gesicht, Platzwunden und gebrochene Gliedmaßen.
58,8% der Jungen und 40,2% der Mädchen berichteten zudem über mindestens ein kriegerisches Ereignis in ihrem Leben. 20% der Jungen und 13% der Mädchen berichteten über mehr als drei kriegerische Ereignisse in ihrem Leben.
Insgesamt erfahren Jungen nicht nur signifikant mehr verschiedene Typen häuslicher Gewalt als Mädchen, sondern geben auch signifikant mehr verschiedene Typen kriegsbedingter Gewalterfahrungen an.“, schreibt Bette in der Nachbesprechung der Arbeit.

Bette stellt in dieser Arbeit richtigerweise einen Zusammenhang zwischen erlebter kriegerischer Gewalt und häuslicher Gewalt fest. Leider wird über den umgekehrten Zusammenhang nicht diskutiert, nämlich dass häusliche Gewalt bzw. Gewalterfahrungen in der Kindheit wiederum zu kriegerischer Gewalt führen können. Aber das nur nebenbei.

Diese Arbeit zeigt neben den anderen Infos zwei interessante Aspekte, die in der westlichen Öffentlichkeit kaum besprochen wurden. Erstens die hohe Gewaltrate von weiblicher bzw. mütterlicher Gewalt gegen Kinder von 59,9 %. Hier ist zu vermuten, dass die Frauen, die in der afghanischen Gesellschaft als „Giftcontainer“ für männliche Niederlagen, Ohnmachtserfahrungen und Verletzungen herhalten müssen, wiederum ihre Kinder als „Giftcontainer“ benutzen. Niemand sonst steht unter ihnen und über niemanden sonst verfügen sie über Macht. Der Kreis der Gewalt ist somit geschlossen. In der islamischen Welt ist die Erziehung der Kinder hauptsächlich Frauensache. Wenn fast 60 % der afghanischen Kinder von ihren Müttern geschlagen werden, dann sagt das auch etwas über die sonstigen Umgangsformen mit Säuglingen, Kleinkindern und Kindern aus. Und wenn dann noch 41,6% von ihren Väter - soweit sie anwesend sind - Schläge bekommen, dann lässt sich erahnen, warum die afghanische Gesellschaft auch im Politischen so im Chaos und in Gewalt versinkt.
Zweitens sind auch Jungen vielfachen Gewalterfahrungen ausgesetzt. Trotzdem gilt im Westen hauptsächlich das Argument „Mädchenschulen“, „häusliche Gewalt gegen Mädchen“, „Mädchenunterdrückung“ usw. Diese Jungen werden irgendwann erwachsene Männer sein. Neben den Mädchen muss auch den Jungen gezielt geholfen werden, aus humanitären Gründen, aber auch, damit sie die Gewalt später nicht weitergeben und für eine demokratische Gesellschaft arbeiten. Werden ihre Ohnmachtserfahrungen ausgeblendet, wird ihnen nicht geholfen wird es auch langfristig keinen Frieden in Afghanistan geben.

Afghanistan. Krieg und häusliche Gewalt

Der SPIEGEL berichtet aktuell über eine junge Frau - Bibi Aisha. „Sie wurde geschlagen und geknechtet, sie floh vor der gewalttätigen Familie ihres Ehemanns. Doch der verfolgte sie und schnitt ihr Nase und Ohren ab. (…) Das "Time"-Magazin hat ein Porträt von ihr auf dem Titel gedruckt, daneben steht: "Was passiert, wenn wir Afghanistan verlassen". Kein Fragezeichen hinter dem Satz, eine Feststellung.

Was passiert eigentlich, wenn die alleierten SoldatInnen aus dem Kriegsgebiet zurück in ihre Heimat kommen frage ich mich?

Laut einem Bericht haben in der US-amerikanischen Siedlung Killeen, in der die meisten Soldaten des anliegenden Militärstützpunktes mit ihren Familien leben (ca. 100.000 Einwohner), die Meldungen uber häusliche Gewalt seit Beginn des Afghanistankrieges um 75 % zugenommen. Verschiedene Kennziffern uber den Anstieg von Gewaltkriminalitat sind um 22 % gestiegen, in vergleichbaren Gemeinden landesweit jedoch um 7 % gesunken. Die schulischen Leistungen der Kinder haben deutlich ab- und auffälliges Verhalten deutlich zugenommen. (Dr. med. Thomas Lukowski, http://www.dr-lukowski.com/pdf/DNP2_2010_22-25.pdf)

Es ist absehbar, was auf unsere Gesellschaft zukommen wird, schreibt Dr. med. Thomas Lukowski (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie). Eine Untersuchung an insgesamt 289.328 US-amerikanischen Armeeangehorigen, die von 2002 bis 2008 im Irak oder in Afghanistan eingesetzt waren, ergab erschreckende Zahlen:
- 21,8 % (also 90 000 Menschen!) litten an einer PTBS.
- 17,4 % litten an einer Depression.
- 36,9 % litten an einer anderen psychischen Erkrankung.
- Soldaten nach Kampfeinsatz und im Alter von ca. 25 Jahren
wiesen die hochsten Raten an PTBS, Drogen- oder Alkoholmissbrauch auf.

Nahezu jeder zehnte Häftling im britischen Justizsystem ist ein ehemaliger Soldat Ihrer Majestät, schreibt der SPIEGEL. "Wenn wir Menschen auffordern, schreckliche Dinge zu tun und regelmäßig in Feuergefechten und im Nahkampf zu stehen, dann kommen wir zu dem Punkt, dass sie gegenüber Gewalt abstumpfen", sagte der Psychologe Tim Robbins dem SPIEGEL. Von 90 britischen Soldaten, die in Nordirland, Bosnien, Irak und Afghanistan gedient haben, wurden 57 später für Gewaltanwendung verurteilt, die meisten für häusliche Gewalt. In weiteren zehn Fällen ging es um Missbrauch von Kindern. Die Hälfte litt unter Depressionen und posttraumatischem Stresssyndrom. Ein gutes Drittel hatte ein Alkoholproblem. Die Ergebnisse bestätigten eine ähnliche Napo-Umfrage unter Bewährungshelfern vom vergangenen Jahr, schreibt der SPIEGEL.

Was passiert, wenn die alleierten Truppen weiterhin Krieg in Afghanistan führen? Die Caritas (Das Caritas Projekt "Windows for life" bietet psychosoziale Beratung für traumatisierte Menschen in Afghanistan) schreibt: „Das extrem patriarchalische System und die religiösen Restriktionen haben sich in der Gesellschaft verfestigt. Und so leiden die Frauen auch nach dem Ende des Talibanregimes nicht nur unter den Folgen der Unterdrückung, sondern sind noch immer extrem häufig psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt. Vor allem die häusliche Gewalt dient häufig als Ventil, über das die Männer ihre aus den Kriegsjahren stammenden Aggressionen und Ohnmachtsgefühle ablassen.„ (http://www.caritas-international.de/37041.html)

Zu den möglichen Zusammenhängen von Krieg und häuslicher Gewalt habe ich auch hier etwas geschrieben.

Der Krieg in Afghanistan dient also nicht dem Schutz vor häuslicher Gewalt (wie das Time-Magazin annimmt), er scheint diese vielmehr in erheblichem Maße mit zu verursachen, auf beiden Seiten.