Freitag, 7. Juni 2024

Kindheit von Mohamed Siad Barre (Somalia)

Mohamed Siad Barre war bis 1991 Diktator Somalias. Zufällig bin ich heute auf seine enorm traumatische Kindheit aufmerksam geworden. 

According to his biographers, at the tender age of 10, young Muhammad first witnessed the murder of his own father in the Shilaabo area of Eastern Ethiopia where he was born. Subsequent to this, Barre became an orphan after his mother was also killed when the Mullah battled with the Europeans across the length and breadth of the Somali Peninsula. The shock and impact of this life experience and the difficult circumstances of life as an orphan put a very deep scar in his psyche.” (Njoku 2013, S. 126).

Der Autor kommentiert gleich anschließend, dass diese schwierige Kindheit in einer Verbindung zu dem listigen, unsicheren, rachsüchtigen und sadistischen Zügen des Diktators stehen würde. Diese in der Kindheit ausgeprägten Charakterzüge wären später auch von den italienischen, kolonialen Faschisten, die ihn später „polizeilich“ ausbildeten, um die „dirty jobs for his imperial fascist Benito Mussolini“ zu erledigen (ebd., S. 127), benutzt und weiter ausgebaut worden.

Wir sehen in diesen wenigen Zeilen also ganz klassisch, wie ein schwer traumatisiertes Kind in die Fänge von Ideologen bzw. destruktiven politischen Gruppierungen geraten kann, die auf das Trauma aufbauen. Solche Menschen geraten dann in Gewaltspiralen und stumpfen derart ab, dass vieles möglich wird...

Wie so oft bei solchen Akteuren muss ich abschließend noch darauf hinweisen, dass auch heute noch in Somalia und Äthiopien (wie in allen afrikanischen Ländern) ein sehr hohes Ausmaß von Gewalt gegen Kinder in der Familie herrscht. Anfang des 20. Jahrhunderts wird das Leid der Kinder in der Familie sogar noch höher gewesen sein.

Wir können also allein statistisch davon ausgehen, dass dieser Diktator ergänzend zu dem oben geschilderten besonderen Trauma auch Gewalt in der Familie erlebt hat, was das Ganze zu einem explosiven "Gesamttraumapaket" ausformen würde.


Verwendete Quelle:

Njoku, R. C. (2013). The History of Somalia (The Greenwood Histories of the Modern Nations). Greenwood, Santa Barbara.

Montag, 3. Juni 2024

Die Kindheit von Walter Ulbricht. Wenige, aber tendenziöse Infos

Die Walter Ulbricht Biografie von Ilko-Sascha Kowalczuk zeigte wenig für mich Bedeutsames bzgl. der Kindheitserfahrungen des Diktators.
Der Biograf schreibt zunächst, dass es nur wenig Selbstzeugnisse von Ulbricht geben würde (was vielleicht auch das wenige Material über Inneneinsichten aus seiner Kindheit erklärt). Aber in einer Rede anlässlich des internationalen Frauentages im Jahr 1967 wurde Ulbricht dann doch etwas persönlicher und sagte:
Die Eltern haben dafür gesorgt, dass wir richtig lernten, auch wenn wir mal keine Lust hatten, was vorkommen soll. (…) Da gab es nichts, da durfte nicht hinausgegangen werden, bevor die Schularbeiten fertig waren. Da herrschte Ordnung, absolute Ordnung. Nachdem man sich das ein paar Jahre lang angewöhnt hatte, ging das normal weiter. (…) Es ist doch immer ein gewisser … [Kampf beim Kinde] zwischen dem Lernen und dem Fußballspiel. Das Lernen ging immer vor, mit Liebe und manchmal auch mit Zwang, aber es ging gut“ (Kowalczuk 2023, S. 45).´

Der Biograf kommentiert dazu: „Interessant, wie wichtig Ulbricht der Zusammenhang zwischen Zwang und Einsicht war“ (ebd.)

Ulbricht wurde im Jahr 1893 geboren. Dieses Datum und die (autoritären) Erziehungsnormen der damaligen Zeit sollten wir uns bei der Interpretation der oben zitierten Zeilen vor Augen führen!
Er spricht nicht nur von „Ordnung“, sondern von „absoluter“ Ordnung, die die Eltern forderten. Das Ganze hatte er sich "ein paar Jahre" angewöhnen müssen. Und er gebraucht das Wort „Zwang“, dazu noch im selben Atemzug mit dem Wort „Liebe“. Dies alles sind klassische Schlüsselbegriffe, die Menschen dieser Zeit mit Rückblick auf ihre Kindheit auffällig häufig benutzten. 

Meine Eltern straften mich, meine Eltern forderten Gehorsam, (oft auch:) meine Eltern schlugen mich, aber sie liebten mich, wie oft habe ich diese Verbindung schon gesehen, die klassisch für die Identifikation mit strengen Eltern steht?

Vielleicht finde ich irgendwann doch noch etwa mehr Details über die Kindheit von Walter Ulbricht. Für mich ergibt sich aus den zitierten Zeilen über die Erziehung in seiner Kindheit bereits eine Tendenz, die durchaus zu seinem späteren autoritären Führungsstil passen würde. 


Quelle:

Kowalczuk, I.-S. (2023). Ulbricht: Der deutsche Kommunist. C. H. Beck, München.