Montag, 27. Oktober 2008

1. Einleitung: (destruktive) Kindheitserfahrungen im Kontext von Krieg


Das Thema Gewalt gegen Kinder bzw. destruktive Erziehung ist für mich im Kontext von Krieg ein wesentliches. Es wird nach meinem Eindruck in der Kriegsursachenforschung oft unterschätzt und vernachlässigt. Ich möchte dies in einem kleinen Bild festmachen. SoziologInnen, PolitologInnen und HistorikerInnen usw. sind in diesem Bild eifrige Gärtner, die einen verzweifelten Kampf gegen das wuchernde „Unkraut des Kriegsgartens“ austragen. Sie haben erkannt: Wichtige, äußere Umwelteinflüsse beeinflussen das Wuchern des Unkrauts, z.B. die Wetterlage, Klimaveränderungen oder die Quantität und Qualität des Düngers. An diesen Umwelteinflüssen setzen sie an und versuchen gleichzeitig, das Unkraut mit Kraftakten und ggf. Gewalt zu entfernen. Doch im Angesicht des immer weiter wuchernden Unkrauts haben sie glatt die Wurzeln übersehen, die sich ihrem Blick entziehen. An diesen Wurzeln setzen einige PsychoanalytikerInnen und PsychohistorikerInnen mit ihren Thesen an. Ein Zusammenwirken als voneinander lernende „Gärtnergemeinschaft“ könnte sicher einiges umfassender erklären und bewegen.

Zu fragen ist also: Wie ist es möglich, dass Millionen von Menschen dazu motiviert werden können, sich für diverse, egoistische oder auch „gerechte“ Ziele (denen ihrer Machthabern und ggf. eigenen) töten zu lassen und/oder andere Menschen zu töten bzw. dazu zu motivieren? In wie weit bestimmen dabei (destruktive) Kindheitserfahrungen die Entwicklung hin zum Krieg? Die erste Frage legt zunächst nahe, zwischen Machthabern/Regierenden und den Beherrschten/Regierten zu differenzieren. Letztere Gruppe werde ich, um den Einfluss von Kindheit anschaulicher zu machen, in Soldaten und das Volk an sich aufteilen. Danach werde ich noch der Frage nachgehen, ob entgegen der „Männlichkeit des Krieges“ der Frieden weiblich ist. Interessant fand ich zusätzlich die Frage, in wie weit der Krieg Folgen auch für die nachfolgenden Generationen hat
Ich verstehe diese Arbeit in Anbetracht der Komplexität des Themas vor allem als gedankliche Anregung. Vor allem komplexe politisch-sozio-ökonomische Dimensionen des Krieges muss ich aus Platzgründen außen vor lassen. Mir ist auch bewusst, dass auf den ersten Blick die vielen Themen, die ich mir innerhalb dieses Textes vorgenommen habe, zu unterschiedlich erscheinen und das ganze zu verwirren drohen. Ich meine aber, dass hier ein roter Faden zu finden ist und bemühe mich, diesen im Verlauf des Textes darzustellen. Im Sinne des Bildes „Wurzel des Übels“ stelle ich psychoanalytische bzw. psychohistorische Überlegungen zur Kindheit ins Zentrum der Arbeit. Im letzten Abschnitt gebe ich allerdings mit Hinweis auf den „Hamburger Ansatz“ eine Anregung dazu, wie psychohistorische Überlegungen zur Kindheit mit einer Gesellschaftstheorie über die Kriegsursachen verknüpft werden könnten (Denn dieser Text entstand ursprünglich auf Grundlage eines politischen Seminars an der UNI Hamburg ca. 2003, in dem der „Hamburger Ansatz“ vermittelt wurde. Meine damalige Hausarbeit habe ich hier erheblich ausgeweitet). Ausschlaggebend bei der Auswahl der Literatur waren für mich am Anfang meiner Recherchen die Thesen von Arno Gruen und Alice Miller. Entsprechend habe ich versucht, Literatur zu finden, die diese Thesen untermauern. Offensichtlich gibt es nur wenig Literatur, die sich hauptsächlich mit den gesellschaftlich-politischen Auswirkung von Kindheitserfahrungen beschäftigt (Eine Ausnahme ist dabei der Forschungsbereich „Psychohistorie“ insbesondere vertreten durch Lloyd deMause, den ich hier hervorheben möchte. Sein Buch „Das emotionale Leben der Nationen“ ist in meinen Augen ein Muss für alle, die sich mit den tieferen Ursachen von Krieg beschäftigen möchten.). Im Rahmen allgemeiner Untersuchungen über Kriegsursachen werden Kindheitserfahrungen und erzieherische Einflüsse meist gar nicht und wenn doch, dann meist knapp als ein Punkt unter vielen abgehandelt. Zum selben Eindruck kam ich auch bei meiner Internetrecherche. Selbst bei der freien Internetenzyklopädie Wikipedia ist zum Thema Kriegsursachen nicht ein einziges Wort von Kindheitserfahrungen und Psychoanalyse zu lesen (genannt werden nur ökonomische, politische, ideologische, religiöse und kulturelle Kriegsgründe; Stand 19.01.2008 unter http://de.wikipedia.org/wiki/Krieg). Um so wichtiger finde ich es, diesem Thema in dieser Arbeit eine zentrale Bedeutung zukommen zu lassen.



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