Freitag, 27. März 2009

Amoklauf von Winnenden und die Medien

Gestern Abend meldete sich erstmals ein Vater, dessen Tochter durch den Amokläufer von Winnenden erschossen wurde, im Fernsehen bei "Maybrit ILLNER" zu Wort. Neben vielen Dingen sagte er auch einen sehr wichtigen Satz: „Tim K. hatte kein Gewissen!“ Die anschließende Diskussionsrunde beschäftigte sich dann ausschließlich mit Forderungen nach schärferen Waffengesetzen und mehr Jugendschutz bei Computerspielen. Auch in dem Offenen Brief der Opfer-Familien aus Winnenden an die Politik ging es hauptsächlich um diese Forderungen. (Von den Eltern erwarte ich allerdings auch keine tiefere Analyse, sehr wohl aber von den Medien) Zu diesen Punkten möchte ich jetzt gar nicht weiter Position beziehen.
Mich wundert allerdings, warum der Satz „Tim K. hatte kein Gewissen!“ nicht aufgegriffen wurde? Mich wundert in der medialen Diskussion sowieso, warum dieser Satz nicht zur Frage „Wie kommt es, dass ein 17jähriger kein Gewissen mehr hat?“ umformuliert eine zentrale Rolle einnimmt?
Man scheint fast davon auszugehen, dass dies wohl in unserer Gesellschaft irgendwie normal ist, dass es „zum Menschsein gehört“, dass mal der ein oder andere Amok läuft. Keiner scheint nach dem Verlauf einer Sozialisation zu Fragen, die ganz offensichtlich einen gefühlskalten jungen Mann hervorbrachte, der kein Gewissen und keinerlei Mitgefühl mehr hatte. Zumindest fanden sich in einem Text von Alice Schwarzer einige Fragen in Richtung männliche Sozialisation und am Ende die Forderung nach „aufmerksamen, zugewandten Eltern und LehrerInnen, mehr Psychologen und Sozialarbeiter in Schulen und Jugendhäusern – sowie eine Erziehung nicht etwa zum Selbstmitleid und zur "Männlichkeit", sondern zur Mitleidensfähigkeit und Menschlichkeit.“
Alice Schwarzer stand ja ursprünglich auch auf der Gästeliste der gestrigen Sendung, kam dann aber doch nicht zu Wort, schade. Diese Forderungen gehen schon mehr in die Tiefe.
Darüber hinaus sollte noch der Punkt Kinderschutz- und -fürsorge ausführlich diskutiert werden. In den Medien wird ja gerne von dem behütenden Elternhaus des Täters gesprochen, wohl weil diese wohlhabend und sehr bürgerlich sind. Man muss hier fragen, ob ein wirklich behütetes und geliebtes Kind überhaupt eine derartige Gefühlskälte entwickeln kann?

weiteres zu dem Thema:

- Amokläufer Tim K. - neue Details
- Interview mit "Beinahe-Amokläufer"

1 Kommentar:

jens hat gesagt…

sowie eine Erziehung nicht etwa zum Selbstmitleid und zur "Männlichkeit", sondern zur Mitleidensfähigkeit und Menschlichkeit.“

Es ueberrascht nicht, dass Alice Schwarzer Maennlichkeit und Menschlichkeit als Antipoden ansieht - und es ueberrascht auch nicht, dass du das unreflektiert uebernimmst.