Mittwoch, 15. Mai 2019

„Andere Leute haben auch eine schwierige Kindheit gehabt!“: Wechselwirkung zwischen belastenden Kindheitserfahrungen und Genen


Immer wieder taucht der Hinweis auf, dass doch unzählige Menschen, die schlimmste Erfahrungen als Kind machen mussten, später ein relativ unauffälliges Leben führen und niemals straffällig oder gewalttätig oder politisch extremistisch werden. Mit diesem Hinweis wird routinemäßig dem zentrierten Blick auf destruktive Kindheitserfahrungen von Gewalttätern, Terroristen und Diktatoren kritisch entgegnet. Diese Kritik ist so durchgängig, dass ich ihr in meinem Buch in einem eigenen Kapitel (»Nicht alle einst gedemütigten und misshandelten Kinder werden zu Gewalttätern« und »Nicht alle Nationen, deren Bevölkerung als Kind schwer belastet war und misshandelt wurde, führen Kriege«: Und warum diese Feststellungen keine Gründe dafür sind, Kindheitseinflüsse gering zu reden!) entgegnet bin. Diese Kritik ist eigentlich recht leicht zu entkräften. Vor allem geht es um erhöhte Wahrscheinlichkeiten für destruktives Agieren im Erwachsenenalter. Zum anderen müssen auch andere negative Folgen (z.B. psychische Krankheiten, Selbstschädigungen usw.) in den Blick genommen werden, so dass nicht – nur weil kein Täterverhalten nachweisbar ist - gesagt werden kann, dass die erlittenen Kindheitserfahrungen keine negativen Folgen haben. (Ich habe dazu auch in einem Blogbeitrag bereits einiges geschrieben)

Das Thema Gene habe ich dabei bisher nur angeschnitten. Leider bekam ich erst nach Fertigstellung meines Buches von der Neurobiologin und Psychologin Nicole Strüber das Buch „Die erste Bindung. Wie Eltern die Entwicklung des kindlichen Gehirns prägen“ (2018, Klett-Cotta, Stuttgart) in die Hände.

Heute weiß man, dass es verschiedene Wechselwirkungen zwischen Genen und Umwelt gibt. Gene beeinflussen, welche Auswirkungen Erfahrungen haben. Es gilt aber auch, dass Erfahrungen festlegen, welche Gene wirksam werden. Strüber beschreibt die sogenannte Hypothese der differentiellen Beeinflussbarkeit. „Hiernach werden Individuen abhängig von ihren Anlagen in einem unterschiedlichen Ausmaß von den Erfahrungen mit ihrer Umwelt beeinflusst – und zwar im Guten wie im Schlechten. Kinder mit einer besonders beeinflussbaren Veranlagung können mehr als andere von positiven Erfahrungen profitieren, leider aber auch mehr als andere unter einer negativen Umwelt“ (Strüber 2018, S. 34).
Beispielsweise kann das Gen für eine Bindungsstelle des Dopamins (laut Wikipedia ein wichtiger, überwiegend erregend wirkender Neurotransmitter des zentralen Nervensystems) in verschiedenen Varianten vorliegen und dadurch die Wirkung von Dopamin beeinflussen. Kinder mit einer sogenannten 7R-Variante reagieren empfindlicher auf ihre Umwelt und Erfahrungen, als Kinder mit einer 4R-Variante. „Haben Kinder mit der 7R-Variante eine eher unsensible Mutter, neigen sie sehr zu aggressivem Verhalten. Reagieren deren Mütter hingegen sehr feinfühlig auf ihr Kind, dann sind die 7R-Kinder ausgesprochen friedlich – friedlicher als die Kinder mit anderen Varianten. Bei den 4R-Kindern spielt Feinfühligkeit der Mutter keine so große Rolle“ (Strüber 2018, S. 65).

Das gleiche würde, so Strüber, für die Fremdbetreuung von Kindern gelten. Kinder mit der 7R-Variante reagieren mit besonderer Unaufmerksamkeit und impulsivem Verhalten auf lange Fremdbetreuung; umgekehrt sind diese Kinder bei keiner oder von kaum Fremdbetreuungen besonders aufmerksam und können sich selbst sehr gut regulieren.

An anderer Stelle schreibt die Autorin: „Das Auftreten von Resilienz wird gelegentlich als Argument dafür angeführt, dass sich der Mensch von schlimmen frühen Erfahrungen erholen kann, wenn er nur will. Frühe extrem negative Erfahrungen könnten keine späteren Verhaltensprobleme entschuldigen (»andere Leute haben auch eine schwierige Kindheit gehabt!«). Leider ist diese Schlussfolgerung ziemlich falsch, da sowohl die genetische Ausstattung als auch das Vorhandensein früher ausgleichender Erfahrungen (etwa eine positive Bindungsbeziehung zu einem Familienmitglied bei gleichzeitiger Misshandlung durch ein anderes) bestimmen, ob jemand resilient auf frühe negative Erfahrungen reagieren kann. Das ist per Willensentschluss kaum mehr zu beeinflussen“ (Strüber 2018, S. 34f). Ich möchte dem noch anfügen, dass trotzdem jeder Mensch eine Verantwortung trägt und u.a. durch Psychotherapien die negativen Folgen abmildern kann.

Wichtig ist unterm Strich zu verstehen, dass Menschen verschieden sind, auch was ihre genetische Ausstattung angeht. Bei dem Einen führen Misshandlungserfahrungen dazu, dass mit ungeheurer Wut und Hass nach außen reagiert wird, ein anderer Mensch lenkt diesen Hass eher nach innen und schädigt sich selbst, ein Dritter (z.B. mit der 4R-Variante und zusätzlich ausgleichenden Positiverfahrungen) kommt vielleicht einigermaßen gut durchs Leben, trotz Misshandlungserfahrungen. Es bleibt bei allen Gedankenbeispielen dabei, dass jemand, der durch Massenmord, Gewalttäterkarriere, Terror usw. auffällt, die Kindheitserfahrungen einen ganz wesentlichen Einfluss auf derart destruktives Verhalten genommen haben und es bleibt auch dabei, dass als Kind geliebte und gewaltfrei aufgewachsene Menschen nicht zu Massenmördern und ähnlichen Akteuren werden.

Ich persönlich kann den Satz „Nicht alle einst gedemütigten und misshandelten Kinder werden zu Gewalttätern“ oder „Andere Leute haben auch eine schwierige Kindheit gehabt!“ nicht mehr hören. Diese Art von Reaktion verbaut einen wesentlichen Zugang zum Verständnis der tieferen Ursachen von Gewalt und menschlicher Destruktivität.

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Ich persönlich kann den Satz „Nicht alle einst gedemütigten und misshandelten Kinder werden zu Gewalttätern“ oder „Andere Leute haben auch eine schwierige Kindheit gehabt!“ nicht mehr hören. Diese Art von Reaktion verbaut einen wesentlichen Zugang zum Verständnis der tieferen Ursachen von Gewalt und menschlicher Destruktivität."

Nicht nur das. Den einstigen Opfern, wie auch heutigen Opfern, wurde/ wird damit jegliches Mitgefühl und ein Anerkenntnis ob deren erlittenem Leid verweigert. Entsetzlich!

Murx Pickwick hat gesagt…

Es ist das erste Mal, daß ich so klar ausgedrückt Kritik an dieser furchtbaren Totschlageargumentation lese.
Ich feier das gerade ... :D

Ich feier das nicht deshalb, weil ich zum Täter wurde und die Verantwortung von mir schieben will - sondern weil ich nicht zum Täter wurde, es jedoch im Nachhinein als einen Zufall und einen Mangel an Gelegenheiten ansehe. Und ich bin dem sehr dankbar, daß es keine Gelegenheiten für mich gab, zum Täter zu werden!
Wenn es jedoch nur Zufall und Mangel an Gelegenheiten ist, was ein mißhandeltes Kind davor bewahrt, als Erwachsener zum Täter zu werden, sind genau solche Totschlageargumente ein Schlag ins Gesicht! Es wird abgelenkt von der Mitverantwortung der Gesellschaft, welche solcherart Mißhandlungen zuläßt.

Es ist nach meiner Beobachtung auch bezeichnend, daß dieses Totschlageargument zumeist ausgerechnet von den Leuten kommt, die zwar eine schwere Kindheit hatten, aber von ihren Eltern nie wiederholt geschlagen, gedemütigt oder sonstwie gequält wurden - wie können diese Leute verstehen, was in einem vorgeht, wenn man solche Behandlung der eigenen Eltern über sich ergehen lassen mußte?
Haben sie jemals diese unstillbare Wut in sich gespührt, die für mißhandelte Kinder so typisch ist?
Haben sie jemals diese Leere im Leben gespürt, dieses Gefühl, es nicht wert zu sein?
Kennen sie das Gefühl, egal was man tut, nix ist gut genug?
Wissen sie überhaupt, wie es ist, irrational Dinge zu tun, wo man hinterher selbst nur noch kopfschüttelnd dasteht und sich fragt, warum hab ich das eigentlich getan?
Wissen sie eigentlich, wie es ist, selbst die kleinsten Ansätze von Glück im Leben systematisch zu zerstören, ohne es zu wollen? So, als wäre man fremdgesteuert?

Sie kennen es nicht - woher auch ... sie haben in der Kindheit nicht das erlebt, was mißhandelte Kinder psychisch schwer geschädigt hat!
Wie können dann solche Leute solche Totschlage-Argumente von sich geben?
Für mich ist das eine weitere Form der Demütigung ... ein Nichtanerkennen dessen, was mir passiert ist, vollkommen unerheblich davon, ob ich zum Täter wurde, oder nicht.

Das ist der Grund, weshalb ich diesen Artikel gerade so feier!
Er tut einfach nur gut ...

Sven Fuchs hat gesagt…

Hallo "Murx Pickwick",

selten bekomme ich solch offene und klare Kommentare/Rückmeldungen, die dazu auch noch berühren. Also danke auch meinerseits :-)

Sehr selten ist auch, dass Menschen, die schwere Misshandlung erlebt haben (und nicht zum Täter wurden), gerade auch, wenn es um Täterverhalten/menschliche Destruktivität geht, diese Innenansicht wiedergeben. Dabei habe ich mehr als einmal von entsprechend Betroffenen (die ich näher kannte und ein Vertrauensverhältnis hatte) gehört, wie sie diese "Wut" fühlten, diesen "Hass", wie sie auch die ganze Welt "hassten" und das Gefühl hatten, sie müssten etwas oder jemanden zerstören usw. Und ja, natürlich auch der Selbsthass, Selbstzerstörung, irrationale Verhaltensweisen. Das ganze "Paket" halt.

Leider ist es ganz im Gegenteil sogar häufig, dass gerade Betroffene eher Wut über die ausschütten, die die Zusammenhänge von Misshandlungserfahrungen und menschlicher Destruktivität besprechen. Oder sie senden Störfeuer, machen jede Diskussion unmöglich usw. (Ich spreche da aus Erfahrung).

Viele Grüße !

Sven

Murx Pickwick hat gesagt…

Den Betroffenen kann man eine solche Reaktion denke ich gar nicht anlasten.
Es geht für viele Betroffenen nur noch ums nackte Überleben - klingt dramatisch, ist es aber auch!

Man muß sich bei der ganzen Materie klarmachen, für Kinder gilt, was die Eltern tun, das ist richtig - immer! Das ist angeboren. Es muß auch so sein, ansonsten würde die Aufzucht von derartig lernfähigen Wesen, wie wir Menschen es nunmal sind, gar nicht möglich sein.
Mit dieser "kindlichen Prägung" ist es möglich, daß sich der Mensch unabhängig von seinen Genen sehr schnell an neue Lebensbedingungen anpassen kann und diese Anpassung auch tatsächlich an die nächsten Generationen weiterträgt - der eigentliche Sinn von Tradition.
Leider kann genau dieses System sehr schnell dazu führen, daß eben auch das Quälen und Prügeln von Kindern zur Tradition wird - es gibt wirklich nix, was nicht zur Tradition werden könnte beim Menschen! Selbst Kriegstreiberei kann zur Tradition werden ... und das ist das eigentlich gefährliche an so einem offenen System, was derartig stark das Lernen in der Kindheit gewichtet.

Für das Individuum bedeutet das nun, daß es bei Mißhandlungen jeglicher Art etwas vorgesetzt bekommt, was vom Selbstwertgefühl und der eigenen Entscheidungsfähigkeit nix mehr überläßt - es bleibt nur dieses kindliche Mama und Papa haben immer Recht und der Zwang, sich den unkindlichen Bedingungen anzupassen ... und damit ist genau diese Prämisse das Einzige, was ein Leben am Abgrund überhaupt erst ermöglich.
Wird diese Prämisse, Mama und Papa haben immer Recht, ins Wanken gebracht, bleibt nur noch Schmerz, Todesangst, die Erkenntnis, nicht besser zu sein wie die mühsam aufgebauten Feindbilder, und ein nicht mehr endenwollender Horror. Es gibt keinen Sinn im Leben mehr, nur noch Horror, Todesangst und Schmerz.
Ich möchte den Menschen sehen, der das ohne Hilfe durchsteht, ohne nen Abgang zu machen ...

Die Betroffenen leben damit, ohne drüber nachdenken zu können. Sie sind die Letzten, die dieses System hinterfragen können - sie müssen erst stabilisiert werden, bevor überhaupt daran gedacht werden kann, daß Gedankenmuster langsam geändert werden - ohne die Änderung der Gedankenmuster, die nur aufs Überleben abgestimmt sind, können sie keine Wahrheit annehmen, die ihr fragiles Überlebensgebäude in Frage stellt - es würde zum völligen Zusammenbruch führen - und damit in den Freitod. (ok, in manchen Fällen zur Tötung der Familie und dann dem Freitod oder der Vernichtung eines Feindes nebst Freitod ... was auch nicht viel besser ist)
Es ist verdammt gefährlich, einem Betroffenen klarmachen zu wollen, daß er Unrecht hat, wenn er versucht, sich selbst zu erhöhen, indem er rausstellt, es gäbe ja auch mißhandelte Kinder wie ihn selbst, die nicht zu Gewalttätern werden. Es ist für Betroffene nur allzuoft lebensgefährlich, die Beziehung zwischen mißhandelnder Erziehung und destruktivem Verhalten anzuerkennen. Damit müßte ja auch anerkannt werden, daß die eigenen Eltern unrecht hatten und etwas sehr Böses taten.

Ich selbst habe über 30 Jahre und zwei Jahre Therapie gebraucht, um bestimmte "Lebensweisheiten" ablegen zu können, dabei bin ich eigentlich ein sehr logisch denkender Mensch. Inzwischen kann ich nichtmal mehr verstehen, weshalb ich noch vor gut 10 Jahren vehement den Klaps auf den Hintern bei Kindern verteidigt habe!

Wir haben erstmalig die Situation in der menschlichen Geschichte, wirklich psychisch gesunde, stabile Menschen heranziehen zu können - ohne Störfaktoren, aber dazu gehört auch, daß Menschen mit Persönlichkeitsstörungen erkannt und ohne Verzug und Zeitbegrenzung therapiert werden und unsere Kinder geschützt werden - das kommt erst ganz langsam. Ausgerechnet diejenigen, die am Meisten unter den alten Systemen gelitten haben, sind es nun, welche die alten Systeme verteidigen und ein schnelles Voranschreiten neuer Systeme verhindern.
Ist halt tradiertes Verhalten, siehe oben.

Sven Fuchs hat gesagt…

Ja, damit hast Du absolut Recht!

"Vorwurf" ist vielleicht das falsche Wort. Es ist einfach so, dass ich gerne viel schneller bzgl. des Themas und der Aufklärung vorankommen möchte. Leider wird dies oft aus besagten Gründen ausgebremst. Mir sind die tieferen Gründe für dieses Ausbremsen bewusst. Und mir ist auch bewusst, dass viele Menschen viele meiner Texte oder auch mein Buch kaum aushalten würden. So ist es halt.

Ich sehe es so, dass die Zeit die Lösung bringt. Erstens dadurch, dass immer weniger Kinder Gewalt und Demütigungen erleiden (zumindest in Europa). Diese können sich später mit den Zusammenhängen befassten, ohne getriggert zu werden oder abwehren zu müssen. Die andere Zielgruppe sind Menschen wie Du. Also von schwerer Gewalt Betroffene, die an sich und ihrer "Geschichte" gearbeitet haben.

Ich glaube, dass es irgendwann einen ähnlichen Durchbruch bzgl. des Thema geben wird, wie wir ihn z.B. bzgl. der "Missbrauchsskandale" in der Kirche erlebt haben. Irgendwann wird das unfassbar hohe Ausmaß der Gewalt gegen Kinder (auch in der Geschichte) und die Folgen für die Menschheit breit öffentlich diskutiert werden. Ich arbeite mit meinen Möglichkeiten daran, diese Prozesse zu beschleunigen ;-)

Murx Pickwick hat gesagt…

Umso glücklicher bin ich über diese Seite.
Sie zeigt nicht nur den Zusammenhang zwischen Kindesmißhandlung und späterer Gewalt auf, sie zeigt auch, was inzwischen schon geschafft wurde.
Das gibt Hoffnung!

Michael Thomas Kumpmann hat gesagt…

Ich denke mitlerweile, dass bei der Frage, ob jemand Destruktiv und Gewalttätig wird, auch sehr stark Viktor Frankl (und by Proxy Jordan Peterson) Recht hat.

Was die Leute "over the Edge" treibt, um mal die englische Formulierung zu bringen, ist auch die Vorstellung, dass das eigene erlebte Leid, komplett Sinnlos war und eigentlich niemanden interessiert. Ich denke, jemand, der wirklich destruktiv wird, in seinem Inneren denkt

"Meine Vergangenheit war voller Leid. Meine Zukunft wird voller Leid sein. Das Leid war und ist immer vollkommen Sinnlos. Niemanden hat das je interessiert und alles was Ich tu ist insgeheim komplett Sinnlos."

Leute sind bereit, selbst massives Leid zu akzeptieren, sofern ihr Leid irgendeinem Zweck dient. Was der Mensch aber nicht ertragen kann, ist, dass sein Leid für nichts gut war.

Wenn das Leid einem guten Zweck dienen kann, dann sind viele Menschen bereit, sogar freiwillig noch mehr Schmerzen zu ertragen. Dieser Spruch der Royal Air Force "per ardua ad astra", "Durch Elend zu den Sternen" ist schon eine fundamentale Wahrheit des Lebens.

Nur, wenn man Leid und Misshandlung erfahren hat, lernt man meist die falschen Lebenslektionen. Und zwar meistens, dass man Schmerzen um jeden Preis vermeiden will, dass man als Opfer automatisch moralisch höher steht. Dass man, weil man selbst gelitten hat, Rücksichtslos gegenüber Anderen sein darf. Dass man Hart gegenüber Anderen sein muss, um Überleben zu können. Usw.

Damit rechtfertigt man gegenüber sich selbst nur erstens, immer den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Und zweitens rechtfertigt man so gegenüber sich selbst, über Leichen zu gehen.

Deshalb finde Ich auch Psychotherapie zum Teil durchaus einen Betrug. Psychotherapie verspricht, dass man danach weniger leidet. Dass einem das Leid genommen wird, was passiert war. Die Vergangenheit kann man aber nicht ändern. Man muss stattdessen lernen, so zu leben, dass man nicht noch mehr Leid zum Umfeld und sich selbst zufügt. Und man muss lernen, so zu leben, dass es besser war, dass man existiert hat, als wenn man nie geboren wäre.

Sven Fuchs hat gesagt…

Wenn man deinen Kommentar weiterstrickt, Michael, auf das Thema hier im Blog bezogen (z.B. Extremismus und Terrorismus), so wird doch deutlich, warum gerade einst als Kind misshandelte Menschen so anfällig für die Versuchungen von Ideologie und Extremismus sind.

Wer sich nie "existent" fühlte, nie im Leben stehend, sondern irgendwie daneben oder darüber, nie einen Sinn fand, nie verstanden hat, warum das Leben (bzw. meist die Eltern), so viel Schmerz bereitet haben, und dann auf Leute oder eine Ideologie trifft die sagen: "Komm her, hier bist Du wer! Hier kannst Du Dich einbringen. Wir sehen Dich! Wir sehen in Dir Potential! Du bist wichtig. Und wenn Du in den Kampf ziehst und stirbst, dann bist zu ein unvergesslicher Held!", ja der ist wirklich gefährdet zum massiven Täter zu werden.

Glücklicherweise gibt es hierzulande auch etliche Projekte und Vereine, die die Menschen eben auch auffangen und Sinn und "Gesehen Werden" geben. Ohne destruktive Ziele. Solche zivilgesellschaftlichen Dinge müssen gefördert werden. Aber noch viel besser ist es, vorne anzufangen, beim Schutz der Kinder.

Michael Thomas Kumpmann hat gesagt…

Vollste Zustimmung. In gewisser Weise kann man auch sagen, das gefährliche Versprechen des Faschismus ist im Wesentlichen, als Held sterben zu dürfen. Und wenn es keinen Krieg gibt, in dem man fallen kann, dann macht man sich halteben einen.

Natürlich. Wie gesagt. Der Bereich ist ein zweischneidiges Schwert. Jemand, der bereit ist, für einen Anderen (z.B. Ehepartner oder Kinder) zu sterben, ist auch bereit, für diese weiter zu leben. Und jemand, der in sich selbst die wichtigste Person im Leben ansieht, der wird dies bereuen.

Ayn Rands "Ich lebe nur für mich selbst, werde nie für jemand Anderes leben und will nicht, dass jemand für mich lebt"

Ist am Ende oft selbstzerstörerisch.