Samstag, 10. Oktober 2009

Gewalt gegen Kinder in Entwicklungsländern

Der UNICEF Report 2009 enthüllt u.a. extrem hohe Raten von körperlicher und psychischer Gewalt gegen Kinder in Entwicklungsländern. Angeführt wird die Liste von Palästina, Vietnam, Yemen und Ägypten. (vgl. UNICEF, 2009, S. 8)

In Palästina erleben nur 5 % der Kinder keine Gewalt, 70 % erleben psychische und körperliche Gewalt, 23 % erleben nur psychische Gewalt und 2 % nur körperliche Gewalt.

Zahlen für Vietnam: 6 % keine Gewalt, 58 % psychische+körperliche, 32 % nur psychische, 4 % nur körperliche

Zahlen für Yemen: 7 % keine Gewalt, 81 % psychische+körperliche, 10 % nur psychische , 2 % nur körperliche

Zahlen für Ägypten: 8% keine Gewalt, 68 % psychische+körperliche , 22 % nur psychische, 2 % nur körperliche

Über 80 Prozent aller Kinder in einer Reihe von weiteren arabischen und westafrikanischen Ländern erleben Gewalt in der ein und/oder anderen Form. Unter 80 % fallen dann abnehmend bis zu ca. 50 % einige osteuropäische Staaten.

In den ausgewählten sechs lateinamerikanischen und karibischen Staaten erleben durchschnittlich 83 % aller Kinder mindestens eine Form von Gewalt. (ebd. S. 31)

UNICEF weist darauf hin, dass die Gewalt gegen Kinder meist von Menschen ausgeht, die die Kinder kennen: Eltern, Stiefeltern, Lehrer usw.

Quelle: UNICEF, September 2009: Progress for Children - A Report Card on Child Protection.

In dem Report werden die Formen der Gewalt nicht weiter ausdifferenziert (was auf Grund der vielen Daten verständlich ist). Zu vermuten wäre hier allerdings, dass z.B. hinter "körperlicher Gewalt" häufig körperliche Misshandlungen stehen und nicht hautsächlich Züchtigungen, sprich dass das Gewaltverhalten gegen Kinder insgesamt in Entwicklungsländern heftig (darauf weisen z.B. auch einzelne Infos hin, die ich hier zusammengestellt habe) und dadurch auch schädlicher und folgenreicher für die Kinder ist.

Im deutschen Vorwort zu dem Report heißt es ergänzend: Jedes dritte Mädchen in Entwicklungsländern wird als Kind verheiratet. In den Ländern Niger, Tschad und Mali liegt der Anteil der Kinderheiraten sogar bei über 70 Prozent, in Bangladesch, Guinea und der Zentralafrikanischen Republik sind es mehr als 60 Prozent.
Eine Gesellschaft kann sich nicht entwickeln, wenn ihre jüngsten Mitglieder in Kinderheiraten gezwungen, sexuell ausgebeutet und ihrer grundlegenden Rechte beraubt werden“, sagte UNICEF-Direktorin Ann Veneman. „Das Ausmaß der Kinderrechtsverletzungen zu erfassen ist ein erster Schritt, um eine Umgebung für Kinder zu schaffen, in der sie geschützt aufwachsen und sich entwickeln können.“

Dies ist eine Botschaft, die insbesondere auch von psychohistorischen ForscherInnen seit einigen Jahrzehnten verbreitet wird. Leider wird sie kaum gehört, so manches mal sogar belächelt und von der Sozial-/Politikwissenschaft i.d.R. erst gar nicht wahrgenommen. Dabei fehlt vor allem der Blick auf Zusammenhänge zwischen den kindlichen Gewalterfahrungen von breiten Bevölkerungsschichten, politischer Instabilität bis hin zu Krieg und letztlich einer fehlenden sozio-ökonomischen Entwicklung. Denn: Eine Gesellschaft kann sich nicht entwickeln, wenn die meisten ihrer Kinder missbraucht, misshandelt und vernachlässigt wurden und werden. Ihr fehlt zudem das Fundament für gewaltlose Konfliktaustragung und echte (auch emotionale) Demokratie.

Mein vorheriger Beitrag zu Lösungen für Afghanistan macht auf das ganze Dilemma aufmerksam. Der Westen versucht mit aller Gewalt einem nicht-entwickelten Land von oben Demokratie aufzudrücken. Gewaltmonopol, Wahlen, Verwaltung usw. sollen helfen, das Land zu stabilisieren.
In einem Land wie Afghanistan muss dagegen mit viel Einsatz und Empathie versucht werden, vor allem die Kindheit zu befrieden. Dies muss das oberste Ziel sein. Erst dann kann sich das Land wirklich auf den demokratischen Entwicklungsprozess begeben, den es ohne Zweifel nötig hat.

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