Freitag, 10. August 2012

Jonathan H. Pincus: Was Menschen zu Mördern macht


Kaum ein Buch hat mich derart erschüttert und gleichzeitig so deutlich in meiner Sicht bestätigt wie „Base Instincts. What Makes Killers Kill?“ von dem Neurologen Jonathan H. Pincus (2001). Selbiger hat jahrelang Mörder, Serienmörder und Massenmörder in diversen amerikanischen Hochsicherheits-Gefängnissen befragt und begutachtet. Ein Satz bringt die wesentliche Gemeinsamkeit auf den Punkt, die er bei fast allen nachweisen konnte: „It has been amazing to discover that the quality and the amount of „discipline“ these individuals have experienced are more like that of a prisoner in a concentration camp than a child at home.“ (S. 27) Die untersuchten Mörder erlebten nicht nur einfach Gewalt, sondern extreme Formen und diese häufig und langjährig. In seinem Buch schilderte er einige Einzelfälle ausführlich und es wird einem wirklich schlecht, wenn man von diesen Kindheiten und der unfassbaren erlebten Gewalt oder eher Folter ließt.

Der Autor ergänzt, dass das Neue dabei ist, wie sich das Gehirn auf Grund von Misshandlungen verändern und Schaden nehmen kann. Seine Grundthese ist, dass Mörder als Kind misshandelt wurden, bei ihnen Gehirnschädigungen nachweisbar sind und paranoides Denken. Nur diese drei Faktoren zusammen führen u.U. zur Gewalt und zu Mord, was er in seinem Buch an Hand von Fallbeispielen nachweist. Er sagt aber auch, dass nicht alle schwer misshandelten Kinder zu Mördern werden.

Häufigen und langjährigen körperlichen und sexuellen Missbrauch durch Elternteile oder Elternfiguren fand Pincus bei den meisten ca.  150 Mördern, die er während seiner langjährigen Arbeit befragt und begutachtet hat. (vgl. S. 67) Er zitiert dabei auch eine seiner Studien, die einen fünf Jahres Zeitraum umfasste und nachwies, dass 94 % der untersuchten Mörder nachweisbar schwer als Kind  misshandelt wurden. (Anmerkung: Schwere diverse Misshandlungen in unterschiedlichen Formen erleben dagegen nur verhältnismäßig wenige Menschen. Eine deutsche repräsentative Studie wies z.B. nach, dass 1,4 % der Befragten drei, 0,8 % vier und 0,1 %  fünf schwere Formen des Missbrauchs  bzw. der Misshandlung erlebt haben. Wenn ich den Fallbeispielen im Buch folge, gehören die meisten Mörder wohl eher zu dieser Kategorie, mit einer Tendenz in Richtung fünf erlebter unterschiedlicher Misshandlungsformen.)

Bei den vielen Fallbeispielen im Buch fiel mir neben der Schwere der Gewalt auch immer wieder folgendes auf: Oft ging die Gewalt nicht nur von einer Person aus, sondern von mehreren (z.B. beide Eltern, zusätzlich andere Verwandte oder Geschwister, Pflegeeltern, in einem Fall auch Nachbarn, denen erlaubt wurde, das Kind in Abwesenheit der Mutter körperlich zu bestrafen).  Sofern ein Elternteil (i.d.R. die Mutter) nicht offen körperlich gewalttätig war, stand dieser den Gewalttaten duldend und nicht-helfend (ohnmächtig oder zustimmend?) gegenüber. Die besondere Schwere der Gewalt (der Sadismus und die Folter), der diese Mörder ausgesetzt waren, ist hier nicht wiederzugeben, da man jeden einzelnen Fall in seiner ganzen Realität ausbreiten müsste, so wie dies Pincus in seinem Buch teils getan hat. Unten gehe ich kurz auf zwei Fälle ein. Vorher möchte ich auf den Fall "Whitney" hinweisen. Pincus hat die erfahrene Gewalt, die dieser Mörder als Kind erlitten hat,  quantitativ an Hand der Gespräche erfasst. Der Vater pflegte den Jungen innerhalb eines festen Rituals körperlich zu bestrafen. Der Junge wurde so positioniert, dass er sich nicht bewegen oder wehren konnte. Der Junge durfte auch nicht weinen oder sich ansatzweise sträuben, ansonsten riskierte er noch mehr Schläge. Er wurde auch gezwungen, seinen Kopf in einem Kissen zu vergraben und seinen Vater bei der Ausübung der Prügel nicht zu beobachten. (Da eine Schwester berichtet hat, dass sie ihren Vater nach einer Prügelorgie draußen hat masturbieren sehen, könnte dies auch während dieser Prügel geschehen sein und der Grund dafür, warum der Junge sich nicht umdrehen durfte) Mit einem Gürtel schlug der Vater dann ca. 10 bis 20 mal auf diverse Körperstellen. Diese Prügel konnten einige Minuten andauern. In dieser Form fand die Gewalt  zwei bis drei mal die Woche statt, das ganze über 10 Jahre lang, ab dem Alter von 5 Jahren bis "Withney" 15 wurde. (vgl. S. 144) Ich habe einmal nachgerechnet. Dieser Junge bekam pro Woche den Angaben folgend im Minimum ca. 20, im Maximum ca. 60 sadistische Schläge; im Min. 80  und im Max. 240 pro Monat; im Min. 9.600 und im Max. 28.800 innerhalb von 10 Jahren (sprich 120 Monaten)! Und dies sind nur die Angaben bzgl. der ritualisierten (nicht außerordentlichen) körperlichen Gewalt und auch nur die des Vaters. Denn "Whitney" wurde auch von seiner Mutter misshandelt, die sich dafür eine Art Peitsche gebastelt hatte. Außerdem kam auch sexueller Missbrauch in dieser Familie vor. .

Eines fand ich auch besonders aufschlussreich. Pincus berichtet, dass von allen Gewalttätern und Mördern, die er befragt hat, zunächst zwei Drittel sagten, dass sie keine Kindesmisshandlung erlebt hätten. (vgl. S. 159) Wenn er diese Fälle nicht weiter untersucht hätte, so Pincus, wäre er wohl nicht darauf gekommen, dass Misshandlungserfahrungen besonders weit unter Gewalttätern verbreitet sind. Er erklärt sich die ersten Antworten der Befragten damit, dass viele sich nicht an die erlebte Gewalt  erinnern können (oder wollen) und zusätzlich auch weiterhin Angst haben, darüber zu sprechen.
Pincus beschreibt auch ausführlich den Fall eines Mörders – mit Namen Ray -, der selbst sagte, er sei nicht misshandelt worden. (vgl. S. 106ff) Ray ging konform mit der „harmonischen“ Geschichte, die seine Mutter, sein Bruder und sein Stiefvater seinem Anwalt erzählt hatten. Sein Vater – Jack – wurde als „guter Mann“ , „guter Ehemann“ und „guter Vater“ beschrieben, der besonders gut zu seinem Sohn Ray war. Dieser tolle Mann verstarb früh an Leukämie. Und sein Sohn hätte dies wohl nicht gut vertragen und sei daraufhin zum Alkohol gekommen und zum Mörder geworden. Während Ray dies Pincus erzählte, wirkte er wenig glaubhaft auf ihn.
Pincus führte daraufhin ausführliche Gespräche mit Familienmitgliedern und stieß auf die wahre Geschichte. Rays Vater war ein Alkoholiker (und ehemaliger Soldat), der seine Frau und Kinder schlug, dies immer heftiger und häufiger, je mehr er dem Alkohol verfiel. Die Konflikte zwischen den Eltern eskalierten immer mehr und das Leben der Mutter wurde sogar ernsthaft bedroht.
Rays Vater schlug ihn u.a. mit Stöcken, Gürteln, Schnallen, einer Gitarre und einem Gewehrrohr. Manchmal nahm der Vater seinen Sohn einfach mit auf lange Reisen, um sich an seiner Frau zu rächen und drohte  ihn zu seiner Großmutter in einen anderen US-Staat abzuschieben. Auch während dieser Reisen wurde der Sohn mit einer Peitsche misshandelt (bis er blutete), die der Vater extra für diesen Zweck im Auto aufbewahrt hatte. Als Rays Mutter einmal auf so einer Reise dabei war, goss sie Alkohol auf die Wunden ihres Sohnes, angeblich um ihm zu helfen. Als Ray nach diesem Vorfall gefragt wurde, ob dies nicht Schmerzen verursacht hatte, rollte er mit den Augen und sagte: „Gott, hab erbarmen!“. Auf Rays Rücken fand Pincus diverse Narben, die von den Misshandlungen stammten. Im Alter von zwölf Jahren gab es wieder einen handfesten Streit zwischen seinen Eltern. Ray schrie seinen Vater an: „Warum stirbst Du nicht?“Eine Woche später starb der Vater an Leukämie und Ray fühlte sich dafür schuldig. Soviel zu dem „tollen Vater“ und der „harmonischen Kindheit“ dieses Mörders... 

Ich erinnere mich an dieser Stelle, dass nach Amokläufen routinemäßig in den Medien das behütende, durchschnittliche bürgerliche Elternhaus des Täters beschworen wird und die Unerklärlichkeit der Tat. Die Tatsache, dass zwei Drittel der befragten Mörder zunächst abstritten, misshandelt worden zu sein, Pincus aber bei fast allen eine schwere Misshandlungsgeschichte fand, sollte nachdenklich machen, vor allem auch die JournalistInnen, die über solche Mörder berichten.  

Besonders interessant fand ich das Kapitel „Hitler and Hatred“ (ab Seite 178) im Buch. Pincus verknüpft seine Erkenntnisse darin mit möglichen politischen Prozessen, wie sie in NAZI-Deutschland stattfanden. Er bezieht sich auf den Historiker Goldhagen, der davon ausgeht, dass mehr als 500.000 Deutsche während dieser Zeit aktive Täter und Mörder waren. Pincus vermutet, dass diese Mörder in ganz besonders hasserfüllten und misshandelnden Familien aufgewachsen sind. 

Er behandelt in diesem Kapitel auch den Fall des Mörders „Trent“. Trents Eltern waren misshandelnde Alkoholiker und er wurde im Altern von drei Jahren per Gerichtsbeschluss  zusammen mit seinem Bruder aus der Familie genommen und zu einem Onkel gebracht. Auslöser für diesen Weg war eine Situation, in der Trents Vater ein Messer über einer Flamme heiß machte und damit zur Strafe Trent verbrannte. Der Onkel, zu dem Trent kam, war allerdings ebenfalls Alkoholiker, der Trent und seinen Bruder regelmäßig schwer verprügelte, dabei u.a. einen Gürtel, Fäuste oder andere Instrumente verwendete. Einmal, als der Onkel total die Kontrolle verlor, trat er Trent so heftig auf den Kopf, dass Pincus bei seiner Begutachtung des Erwachsenen immer noch die Narbe deutlich vorfand.  Der Onkel dachte sich auch andere Grausamkeiten aus, z.B. musste Trent nackt in der Ecke stehen und durfte sich nicht herum drehen, sonst wurde er mit einem Gürtel verprügelt. Da er sich nicht herumdrehen durfte, sah er auch nicht, wann sein Onkel kam, um ihn zu kontrollieren. Schläge kamen dann quasi aus dem Nichts über ihn. Diese Folter konnte über Stunden andauern. Der Onkel zwang beide Brüder auch dazu, quasi in einer Art Gladiatorenkampf  zu seiner Unterhaltung gegeneinander anzutreten. Zusätzlich missbrauchte er die Jungen sexuell, zwang sie zu Oral- und Analsex, bei Trent bereits ab dem Alter von vier Jahren. Trents Tante unternahm nichts gegen all dies und war ebenfalls Opfer von Schlägen durch ihren Mann.
Einmal wollte der Onkel zur Strafe die Finger einer Hand von Trent mit einem Beil abtrennen und verfehlte diese, traf aber noch einen Finger, so dass Trent von seiner Tante ins Krankhaus gebracht werden musste. Dadurch kamen die Misshandlungen heraus und die Brüder kamen zunächst in eine Pflegefamilie; danach wurde Trent in diversen Einrichtungen untergebracht. .Auch in einigen Pflegefamilien wurde Trent erneut schwer verprügelt und sexuell missbraucht.
Das Unfassbare: Sein Onkel holte Trent für manche Wochenenden oder auch Urlaube aus den Pflegefamilien. Erneut wurde er sexuell missbraucht und sogar dazu gezwungen, bei der Vergewaltigung seiner Tante mitzuwirken. Der Onkel redete Trent dann ein, dass ihm all die Gewalt widerfahren sei, weil seine Tante nicht die sexuellen Dinge mit dem Onkel getan hatte, die dieser sich gewünscht hatte. Trent entwickelte daraufhin einen enormen Hass auf diese Tante und auf Frauen allgemein.
Diese Tante missbrauchte den Jungen ebenfalls sexuell, veranstaltete regelmäßig „Badetage“, ließ sich von ihm "waschen" und „wusch“ ihn. Bereits im Alter von 17 Jahren kam Trent ins Gefängnis, nachdem er erneut eine Lehrerin schwer angegriffen hatte (vorher hatte er eine andere Lehrerin fast vergewaltigt). Dort vergewaltigte er eine weibliche Wärterin. Später brachte er ohne Skrupel "einfach so" einen Mithäftling um. 

Was wäre, fragt sich Pincus, wenn jemand wie Trent einen politischen Führer – so wie Hitler  - hätte sagen hören: „Die Frauen sind unser Unglück“, „Die Juden sind unser Unglück“?  Was wäre, wenn so jemand gehört hätte, dass die Juden für Pornographie verantwortlich sind, für Unmoral, dass sie Krankheiten übertragen, dass sie schwach sind und keine Menschen, so wie Hitler es tat? So eine Nachricht wäre bei Jemandem wie Trent sehr willkommen gewesen, so Pincus, genau wie diese Nachricht bei vielen Deutschen willkommen geheißen wurde. Er fragt sich weiter, was gewesen wäre, wenn jemand wie Trent Anführer in einem Lager geworden wäre, mit dem Auftrag, Frauen und Homosexuelle zu töten.  Pincus schreibt, dass er zu wenig Daten hat, glaubt aber auf Grund seiner Arbeit mit unzähligen Mördern, dass Trent und Hitler sehr viel gemeinsam haben. Und er hat Recht damit, wenn man um die Kindheit von Hitler (auf diese geht Pincus auch kurz ein) weiß oder auch um die Kindheit der meisten Deutschen, die vor allem Lloyd deMause beschrieben hat.
Am Ende des Kapitels schreibt der Autor, dass die beste Prävention von Gewalt und Terror Kinderschutzprogramme sind. Und wie Recht er damit hat!

Studien wie diese machen den Blick frei auf das Wesentliche. Abgründe tun sich auf. Man muss aber dort hineinschauen, um zu verstehen, wie Menschen zu grausamen Mördern werden können. Und man wird daraufhin auch den von mir oft formulierten Satz ableiten können:
Wirklich geliebte Kinder werden nicht zu (Massen)Mördern, Serienkillern oder Terroristen!



Siehe ergänzend: 

 "Stephen Harbort: Das Serien-Mörder-Prinzip."

"James Gilligan: Gewalt." 

Donnerstag, 9. August 2012

Was hat Kindesmisshandlung mit Umweltzerstörung zu tun?

 Kindesmisshandlung als gewichtige Ursache von Umweltzerstörung.

Auf den ersten Blick scheint die Frage im Titel vielleicht eine ungewöhnliche Verknüpfung zu sein. Die Fragezeichen lassen sich eingangs ganz leicht aus dem Weg räumen, wenn man sich ein Teil-Ergebnis der ACE-Studie anschaut. 

Die amerikanische Kaiser Permanente Krankenversicherung hat ab 1995 eine Studie mit Daten von 17.421 Versicherten bzgl. dem Zusammenhang zwischen belastenden Kindheitserfahrungen (Adverse Childhood Experiences, kurz ACEs, die u.a. emotionale, körperliche, sexuelle Misshandlungen und emotionale und körperliche Vernachlässigung beinhalten) und dem Gesundheitszustand durchgeführt. Es wurde dabei u.a. ein starker Zusammenhang zwischen Kindesmisshandlung (ACE Werten) und Rauchen festgestellt. (siehe den Text “The Relationship of Adverse Childhood Experiences to Adult Health:  Turning gold into lead”, S. 4 ) Am wenigsten Raucher (ca. 7 %) fanden sich in der Gruppe der Befragten, die über keinerlei Misshandlungserfahrungen (ACEs) berichteten. Mit jedem einzelnen ACE Wert, der angegeben wurde, stieg auch der Anteil der Raucher. Am häufigsten rauchten entsprechend die Personen, die über 6 und mehr ACE Werte berichteten (fast 18 % von diesen Personen rauchten). Rauchen ist ein selbstzerstörerischer Akt. Wer um die möglichen  Folgen von Kindesmisshandlung weiß, der wird sich über das aufgezeigte Ergebnis wenig wundern. 


Was aber hat Rauchen mir Umweltzerstörung zu tun? Sehr viel. Mensch lese sich den Greenpeace Magazin (Ausgabe 6/11) Artikel „Rauchen zerstört die Umwelt“ durch. Weltweit wurde, dem Artikel folgend,  zwischen 2000 und 2005 rund 13 Millionen Hektar Wald in etwa die Fläche von Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zusammen für den Tabakanbau abgeholzt. Monokulturen, Pestizide, Kunstdünger und Holzverbrauch (auch Tropenholz) für die Trocknung des Tabak tun ihr Weiteres zur Zerstörung der Umwelt. Ein enorm großes Problem ist auch der (Gift)Müll, der durch weggeworfene Zigarettenkippen entsteht. 40 Liter Grundwasser werden durch eine einzige weggeworfene Zigarettenkippe  (die unzählige Giftstoffe enthält) verunreinigt.  „Laut UN-Umweltprogramm stammen 40 Prozent des Mülls in den Weltmeeren aus Kippen und Verpackungen das ergab eine Untersuchung im Mittelmeerraum. Zigaretten und Zigarettenfilter machen demnach außerdem den weltweit größten Anteil an Müllobjekten an den weltweiten Stränden und Küsten aus. Jährlich würden laut UN doppelt so viele Kippen wie Plastiktüten gefunden.“, schreibt das GM. (Dazu kommen andere destruktive Auswirkungen, wie Kinderarbeit im Tabakanbau. In Malawi sind z.B. in der Hauptsaison bis zu 150.000 Kinder am Schuften. Ein zynischer Zusammenhang, wenn man bedenkt, dass misshandelte Kinder später häufiger rauchen und dadurch wiederum Kinderarbeit „beauftragen“.)
Raucher zerstören sich selbst, aber auch ihre Umwelt. Rauchen hängt erwiesenermaßen stark mit belastenden Kindheitserfahrungen zusammen. Insofern ist es nicht übertrieben zu schreiben, dass Kindesmisshandlung auch etwas mit Umweltzerstörung zu tun hat. 

Dieses Thema lässt sich sicher auch noch weiter ausbauen. Beispiele für extreme und irrsinnige Umweltzerstörung gibt es zu Hauf. Es ist noch nicht all zu lange her, dass gesetzlich erlaubt  Atommüll im Nordatlantik versenkt werden durfte (der mittlerweile wieder auftaucht und sogar in Fischen nachweisbar ist). Wer damals  solche Gesetze geschaffen und wer solche Fässer im Meer versenkt hat, muss emotional blind sein und unter Realitätsverlust leiden.  Es bedarf eines hohen Verdrängungspotentials, wenn solche Dinge geschehen. Genau dieses Ausblenden von Emotionen und Realitäten, von Auswirkungen auf das eigene Handeln trifft auf viele willentliche und direkte (aber auch indirekte) Handlungen zu, die die Umwelt zerstören. Das Ausblenden von Emotionen und Realitäten ist auch etwa, was Kinder brauchen, um in einer Atmosphäre der familiären Gewalt zu überleben. „Das geschieht mir nicht“; „Meine Eltern sind doch lieb“; „Gewalt ist Fürsorge und Liebe“ usw. das sind Verdrehungen der Wirklichkeit, die Eltern durch ihr gewaltvolles Handeln und ihre Äußerungen (gezielt) auslösen. Gewalt gegen Kinder bedingt auch manches mal Denkblockaden (aus den genannten Gründen). 

Mir scheint, dass das weltweite Wegsehen bzgl. der Realitäten (des von Menschen gemachten Klimawandels und der Zunahme von Umweltkatastrophen) sehr viel mit destruktiven Kindheitserfahrungen zu tun hat. Bei vielen Menschen, denen ich im Alltag begegne, stelle ich auch eine Art „Starre“ fest. Man kann ja eh nichts tun und ändern, die Politik muss es richten usw. Man ergibt sich der Ohnmacht oder besser gesagt man gibt sich ihr hin. Dabei kann jeder etwas im Alltag tun, was schon beim Kaufverhalten oder der Wahl des Stromanbieters  anfängt. 

Es wäre zudem interessant, z.B. die Kindheiten von Greenpeace Mitgliedern mit den Kindheiten von Nicht-Mitgliedern und zusätzlich auch Menschen, die Greenpeace ablehen zu vergleichen oder die Kindheiten von überzeugten Ökostromkonsumenten (oder auch deren Produzenten) und überzeugten Atomstromkonsumenten (und deren Produzenten). Das hört sich vielleicht etwas merkwürdig an (weil solche Verknüpfungen bisher nicht gestrickt wurden), aber ehrlich, ich vermute, dass sich dabei signifikante Unterschiede feststellen ließen. 

Selbstzerstörung in diversen Ausformungen (z.B. Drogenkonsum, Prostitution, Soldatenberuf, selbstverletzendes Verhalten, Suizid) sind typische mögliche Folgen von Kindesmisshandlung. Ich habe noch in keinem einzigen Buch über Kindesmisshandlung gelesen, dass auch die Selbstzerstörung durch Umweltzerstörung eine mögliche Folge von Kindesmisshandlung sein kann. Dieser Bereich ist gänzlich unerforscht und es wird noch nicht einmal darüber nachgedacht. In Anbetracht der massiven weltweiten Umweltzerstörung (und der extrem weit verbreiteten Gewalt gegen Kinder) ist dies eine fahrlässige Lücke. 

Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass Kriege massive Auswirkungen auf die Natur und Umwelt haben. In Kriegszeiten werden gedankenlos Fabriken bombardiert, Abwasserkanäle zerstört, Uranmunition oder gar Chemiewaffen eingesetzt, Entlaubungsmittel versprüht (z.B. in Vietnam) oder wie im 2. Weltkrieg geschehen Atombomben eingesetzt. Da die (massenweise) Misshandlung von Kindern in einem direkten starken Zusammenhang zu der Entstehung von Kriegen steht (die Grundthese dieses Blogs) wird einmal mehr deutlich, dass Kindheiten Auswirkungen auf den Umgang mit der Natur haben. 

Klimaschützer und Umweltschützer müssen immer auch Kinderschützer sein, sie müssen für den Schutz von Kindern vor Gewalt, für die Lebendigkeit und Lebensfreude von Kindern und deren freien Eigenwille eintreten, wenn sie langfristig viel bewirken wollen. 

Samstag, 4. August 2012

Die Welt muss hinschauen! Wie Gewalt gegen Kinder aussehen kann. Zwei Videos


Ich habe schon unzähliges über Kindesmisshandlung und auch etliche Erfahrungsberichte gelesen (die mir zum Teil die Tränen in die Augen getrieben haben). Ich habe kürzlich zwei Videos gesehen, die mich komplett schockiert haben. Im ersten Video (das bei der ersten Onlinestellung Millionen mal angeklickt wurde) hat eine mutige jugendliche Tochter eine Misshandlungsszene heimlich aufgenommen und einige Jahre später online gestellt. Ihr Vater - William Adams - ist in den USA Familienrichter….  So weit ich in Medienberichten gelesen habe, wurde der Vater nicht für diese Misshandlung bestraft, weil sie zu lange zurücklag...

Das zweite Video zeigt eine  malaysische Mutter, die über drei Minuten lang ihr Baby misshandelt, während ihre etwas ältere Tochter dabei zusehen muss. Dieses Video ist derart schlimm, dass ich nur noch weinen konnte und große Wut empfand. 

Ich habe nicht vor, öfter nach solchen Videos zu suchen, da sie mich wirklich belasten. 

Sehr oft habe ich innerhalb von Diskussionen erlebt, dass die Folgen der Gewalt gegen Kinder (dabei vor allem auch die politischen Folgen) abgewehrt werden, nicht gesehen werden wollen, bagatellisiert werden oder Ablenkungsmanöver innerhalb der Diskussionen erfolgen. 

Mensch schaue sich diese beiden Videos an, das eine zeigt die 7 minütige Misshandlung (sowohl körperlich als auch psychisch) einer Jugendlichen, das andere über drei Minuten die Misshandlung eines Babys. Die meisten Kinder werden bereits ab dem Kleinkindalter misshandelt. Das, was wir z.B. in dem Video mit der Jugendlichen sehen, geschieht so oder so ähnlich bereits gegenüber 2 bis  4  Jahre alten Kindern!! Das zweite Video zeigt sogar die Misshandlung von einem Baby, auch dies ist keine Seltenheit (und kam historisch um so häufiger vor, je weiter wir zurückschauen). Wir sehen einige Minuten Lebensrealität und Kindheitsalptraum. Wir sehen pure elterliche Folter. Beide Erlebnisse an sich zerstören etwas bei den Kindern. Nun, die  Abhängigkeit von Eltern endet aber nicht nach einigen Minuten, sie dauert über Jahre. Jahrelang müssen sehr viele Kinder solche Folter erleben!  Das ist unvorstellbar, aber es ist Realität. Wenn man sich diese zwei Schicksale anschaut und um die Zahlen weiß, die ich hier im Blog veröffentlich habe, dann wird einem wirklich schlecht. 

Nun sage mir nochmal einer, dass dies KEINE Auswirkungen auf eine ganze Gesellschaft hat, wenn 25, 30 oder 50 %, in manchen Regionen (z.B. in Afrika) auch bis zu 80 %  der Kinder misshandelt werden. Solche Zahlen findet man in vielen Krisenregionen auf dieser Welt, u.a. auch in Syrien, was ich im vorherigen Beitrag ausführte. 

Wie blind muss Mensch sein, solche Zusammenhänge nicht sehen zu wollen. Wie blind muss Mensch sein, wenn nicht erkannt wird, dass die Gewalt gegen Kinder die Wurzel von allen erdenklichen destruktiven Entwicklungen und individuellen wie auch gesellschaftlichen Problemen ist. Wer sich emotional vorstellen kann, was Kindesmisshandlung bedeutet, wer hinschaut, wie Kindesmisshandlung abläuft  und wie weit diese verbreitet ist, der kann nicht untätig bleiben. Die Welt muss endlich verstehen, dass wir international die Alarmglocke läuten müssen, dass wir einen gut durchdachten, gut finanzierten und vernetzten „Marshallplan“ für weltweiten Kinderschutz brauchen, sofort, jetzt, heute. Denn jeden Tag gehen diese Kindheitsalpträume weiter, jeden Tag geht etwas bei vielen Kindern kaputt und verloren, jeden Tag, den wir nicht effektiv gegen Gewalt gegen Kinder ankämpfen, ist ein weiterer verlorener Tag.  

Ich möchte an dieser Stelle auch wieder an das hier in der Blogleiste stehende Zitat von Prof. Dr. med. Peter Riedesser  erinnern:
"Je mehr Kinder bei uns und weltweit vernachlässigt, geschlagen, gedemütigt werden und in Hoffnungslosigkeit und Hass abgleiten, desto höher ist das destruktive Potential in unserem eigenen Land und weltweit. Vor diesem Hintergrund ist Kinderschutz zu einer Frage des Überlebens geworden. Weltweiter Kinderschutz ist der Königsweg zur Prävention nicht nur von seelischem Leid, sondern auch von Kriminalität, Militarismus und Terrorismus. Er sichert die Demokratie und den friedlichen kulturellen und ökonomischen Austausch. Unsere gesamte Kreativität und Entschlossenheit ist gefragt, dies zu realisieren. Wenn wir alle dies wollten in einem einzigartigen solidarischen Akt, hätten wir dafür auch das Wissen und die Mittel. "