"Dies ist ein gutes Deutschland, das beste, das wir kennen, sagte vor kurzem der Bundespräsident. Ich kann dem nicht widersprechen. Welchen Abschnitt der deutschen Geschichte ich mir auch vor Augen halte, in keinem ging es freier, friedlicher, toleranter zu als in unserer Zeit."
(Zitat aus der unten besprochenen Rede von Dr. Navid Kermani)
Eigentlich hatte ich an dieser Stelle (dem Beitrag Nr. 299) einen anderen Beitrag geplant, da der nächste (Nr. 300) für mich symbolische Bedeutung hat. Aber irgendwie gibt es wohl kaum einen besseren Zeitpunkt dafür, mit Beitrag Nr. 299 auf die Festrede zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes (ergänzend als Video hier) des deutschen und iranischen Staatsbürgers Dr. Navid Kermani - gehalten heute im Deutschen Bundestag - hinzuweisen.
Die Rede hat mich sehr berührt. Vor allem aber teile ich seinen Optimismus und sein positives Bild über die Entwicklungen in Deutschland seit 1949. Und natürlich war es trotzdem auch richtig und wichtig auf aktuelle Schwachstellen und Schattenseiten hinzuweisen.
In der ZEIT wurde die Rede u.a. mit folgendem Satz kommentiert: „Er hat keine weichgespülte Rede gehalten, die niemandem wehtut in Deutschland, sondern eine erwachsene Rede für ein erwachsenes Land.“ Besser könnte man es nicht ausdrücken.
Ich sehe ebenfalls, wie unser Land immer erwachsener wird. Und natürlich habe ich da meine spezielle Sichtweise, warum diese Entwicklungen so bahnbrechend möglich waren: Nämlich in der Tiefe, weil sich Kindheit in Deutschland so bahnbrechend entwickelt hat. Eine gewaltfrei und gesunde (oder gesundere und gewaltfreiere) Kindheit produziert tendenziell Erwachsene, die auch wirklich emotional erwachsen (oder erwachsener) sind. Und dies wirkt sich natürlich auf allen gesellschaftlichen Ebenen aus.
Kermani sagte, nachdem er einzelne Artikel des Grundgesetztes besprochen hat: „(…) das waren, als das Grundgesetz vor 65 Jahren verkündet wurde, eher Bekenntnisse, als dass sie die Wirklichkeit in Deutschland beschrieben hätten. Und es sah zunächst keineswegs danach aus, als würde der Appell, der in diesen so schlichten wie eindringlichen Glaubenssätzen lag, von den Deutschen gehört.
Das Interesse der Öffentlichkeit am Grundgesetz war aus heutiger Sicht beschämend gering, die Zustimmung innerhalb der Bevölkerung marginal. Befragt, wann für sie die beste Zeit gewesen sei, entschieden sich noch 1951 in einer repräsentativen Umfrage 45 Prozent der Deutschen für das Kaiserreich, 7 Prozent für die Weimarer Republik, 42 Prozent für die Zeit des Nationalsozialismus und nur 2 Prozent für die Bundesrepublik. 2 Prozent! Wie froh müssen wir sein, dass am Anfang der Bundesrepublik Politiker standen, die ihr Handeln nicht nach Umfragen, sondern nach ihren Überzeugungen ausrichteten.“
Dieser Hinweis auf die bahnbrechenden Entwicklungen in Deutschland (und letztlich auch im gesamten Europa) könnte keine bessere Einleitung zu dem Beitrag sein, der in diesem Blog die Nr. 300 haben wird und an dem ich derzeit noch arbeite.