Montag, 26. Januar 2015

Studie: Den meisten Kindern in Deutschland geht es wirklich gut

Entgegen aller dunklen Themen in diesem Blog bleibe ich Optimist, was die weitere Entwicklung der Kindheiten angeht. Deutschland scheint da ein richtiges Zugpferd und Vorbild zu sein, das legen viele hier im Blog besprochene Daten nahe, wie auch eine aktuelle Studie.

Für die Zeitschrift Eltern wurden - jeweils in eigenen Studien und Befragungen - Eltern (1.006)und Kinder
(727 Kinder von 6 bis 12 Jahren) in Deutschland repräsentativ befragt.  (Eltern, 12.01.2015, „Eltern 2015 – wie geht es uns? Und unseren Kindern?“)

77 % der Kinder meinen, dass sich ihre Eltern sehr gut verstehen und sich lieben.

Über 90 % der Kinder fühlen sich von ihren Eltern so geliebt, wie sie sind; fühlen sich bei ihren Eltern immer sicher und wohl und empfinden ihre Eltern als die besten Eltern, die sie sich vorstellen können.

93 % der Kinder finden es schön auf der Welt zu sein und 83 % meinen, dass es ihnen richtig gut geht.


Die Studie zeigt auch: Die Eltern sind gestresst und haben hohe Ansprüche an sich (höhere, als früher). Doch sind nicht die positiven Rückmeldungen der Kinder auch mal ein Eigenlob wert? Diese Frage steht so sinngemäß am Ende der Studie und dort steht auch: "Großartige Eltern, glückliche Kinder." Dem kann ich nur zustimmen.

Samstag, 24. Januar 2015

Anschlag auf Charlie Hebdo. Die Kindheit der Täter

Ich hatte kürzlich in einem Beitrag darauf hingewiesen, dass die beiden Brüder Chérif und Saïd Kouachi, die für den Terroranschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" verantwortlich sind, in einem Heim aufgewachsen sind. Den alten Beitrag lösche ich hiermit, da u.a. der SPIEGEL (Nr. 4 / 17.01.2015) mit einem Titelthema zu dem Anschlag etwas ausführlichere Informationen über Kindheit und Jugend recherchiert hat.

Der entsprechende SPIEGEL Artikel trägt den Titel „Das waren gute Kinder“ (S. 77-84; der Artikel ist auch online in englisch hier zu lesen) Eine ehemalige Erzieherin in dem Kinderheim hatte diesen (Titel-)Satz bzgl. ihrer früheren Schützlinge zu Protokoll gegeben.
Ich hatte mich in dem nun gelöschten Beitrag rein auf die Heimunterbringung konzentriert, da es in diversen Medien hieß, beide Brüder wären in sehr früher Kindheit nach dem Tod beider Eltern ins Heim gekommen. Der SPIEGEL zeigt da jetzt ein anderes Bild. Der Vater der Brüder starb 1990 an Krebs. Chérif ist zu dem Zeitpunkt ca. 8, sein Bruder Saïd ca. 10 Jahre alt. „(…) die Mutter bekam noch eine weitere Tochter mit einem anderen Mann. Sie fühlte sich überfordert mit den vielen Kindern, erzählt der Heimleiter. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Schulnoten der Brüder schlechter, sie wirkten verwahrlost. Das Pariser Jugendamt schickt die vier ältesten Geschwister in das Kinderheim nach Treignac, wo sie am 03. Oktober 1994 ankamen.“  (DER SPIEGEL, 17.01.2015, S. 78) Chérif ist 11 Jahre alt bei seiner Heimunterbringung, sein Bruder Saïd ist gerade 14 Jahre alt geworden. Die Mutter telefonierte laut SPIEGEL regelmäßig mit den Kindern, kam aber nie zu Besuch. Ca. drei Monate nach der Heimunterbringung stirbt die Mutter Anfang 1995. 

Es gibt Berichte, dass sich die Mutter der Brüder nach dem Tod des Vaters prostituierte, um die Kinder durchbringen zu können. Die Brüder hätten ihre Mutter eines Tages tot in der Wohnung gefunden. Von einer Überdosis Drogen ist die Rede und von Selbstmord.  (vgl. The National, 18.01.2015, “From orphans to terrorists: journey of the Kouachi brothers” und The Telegraph, 19.01.2015, “Charlie Hebdo killers 'traumatised by mother's suicide' ”; beide Artikel berufen sich wohl  auf den Artikel “L’enfance misérable des frères Kouachi” vom 15.01.2015 auf “reporterre”, den ich leider weitgehend nicht verstehe, da ich kein französisch kann. Durch googel kann man ihn allerdings übersetzen lassen und erhält zumindest einen Eindruck. Der Titel sagt schon vieles (übersetzt): "Die unglückliche Kindheit der Brüder Kouachi")
Im SPIEGEL werden die Abläufe anders dargestellt, die Mutter starb demnach erst nach der Heimunterbringung.  Von einem möglichen Selbstmord der Mutter ließt man allerdings auch auf Wikipedia unter Berufung auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 17.01.2015.

Es gibt also noch einige Unklarheiten und Fragezeichen. Es baut sich allerdings ein Bild auf. Egal welcher o.g. Quelle und Darstellung man folgt, so oder so, diese Kindheiten waren ein Alptraum. (Was nichts entschuldigt!)
Ein Titel wie „Das waren gute Kinder“ (wie vom SPIEGEL gewählt) lenkt eher ab. Vielmehr sollten die offenen Fragen beantwortet werden. Die Spitze des Eisberges (die vorgenannten Hintergrundinfos) sind erschreckend genung, doch wie sahen die Kindheiten in der Familie Kouachi genau aus, was passierte alles im Laufe der Jahre? Gab es Gewalt als Mittel der Bestrafung? Andere Übergriffe? Geschwister der Brüder leben noch, man könnte die Fragen klären, wenn man wollte.

Eine aktuelle UNICEF Studie stellte bzgl. des Heimatlandes der Eltern der Attentäter fest, dass 88 % der aktuellen Kindergeneration in Algerien körperliche und/oder psychische Gewalt erleben. 75 %  erleben körperliche Gewalt, besonders schwere körperliche Gewalt ca. 25 % und rein psychische Gewalt 84 %. Das Ganze gilt nur für das Gewalterleben innerhalb eines Monats vor der Befragung! Algerien gehört demnach zu einem der gewaltvollsten Ländern der Welt, was den Umgang mit Kindern angeht. Die Vermutung liegt - alleine aus statistischen Gründen - nahe, dass im Hause Kouachi eher ein nicht liberaler Erziehungsgeist herrschte, sondern das genaue Gegenteil davon.


Montag, 5. Januar 2015

Kindheiten von RAF-Terroristen

Nachträglicher Hinweis: Die Kindheiten von Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Inge Viett, Horst Mahler, Stefan Wisniewski, Peter-Jürgen Boock, Lutz Taufer und Astrid Proll habe ich  in meinem Buch besprochen und dabei Infos und Quellen eingebracht, die ich zum Zeitpunkt dieses Blogbeitrages noch nicht vorliegen hatte. Irgendwann werde ich auch den Blog bzw. diesen Beitrag hier dahingehend aktualisieren. 

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Gleich Anfang des Jahres 2015 hatte ich ein „Aha-Erlebnis“. Ich googelte etwas über die Kindheit von RAF Terroristen. U.a. auch über Peter-Jürgen Boock. Ich fand die Information, dass Boock im Alter von 16 Jahren von seinen Eltern in ein Kinderheim (zur damaligen Zeit sehr strenge und gewaltvolle Orte für Kinder, wie wir heute wissen)  gesperrt wurde. Das Schicksal wollte es, dass Boock gerade dort die RAF-Gründer Andreas Baader und Gudrun Ensslin kennenlernte (diese engagierten sich damals für Heimkinder) bzw. diese ihn quasi aus dem Heim heraus rekrutierten. Er habe Baader geliebt, gestand Boock in einem Interview. „Da gab es einen Grad von Verlässlichkeit, wie er mir vorher in meinem Leben nicht begegnet war.“ (Kölner Stadtanzeiger, 23.04.2007, „ Boock hat nicht den besten Leumund“)
Während ich nach weiteren Informationen über Boocks Kindheit suchte (und keine fand) stieß ich - zu meinem eigenen Erstaunen - auf meinen Blog. Und zwar auf mein Nachwort zum „Grundlagentext“, in dem ich 2008 folgendes geschrieben hatte:
Am 18.10.07 gab es auf dem Sender N-TV eine Dokumentation über den „Terror der RAF“, in der auch der Ex-Terrorist Peter-Jürgen Boock interviewt wurde. Er sagte dort aus, dass der Moment der Schleyer Entführung (damals kamen während der Entführung auch Begleiter von Schleyer ums Leben; Schleyer selbst wurde später umgebracht) und nachdem alles so „glatt gelaufen“ wäre, er sich so lebendig gefühlt habe, wie nie zuvor in seinem Leben. Wenn sich ein Mensch nur mit Hilfe von Terror „lebendig“ fühlen kann, dann sagt das viel über tiefere, emotionale Ursachen seiner Taten aus, die im Kern nichts mit politischen Zielen oder der Zeit usw. zu tun haben, wie ich meine.“
Ich hatte diese Textstelle glatt vergessen...
Nachträglich geben mir die o.g. Informationen über die Heimunterbringung von Boock Recht bzgl. meiner Gedanken aus dem Jahr 2008. Über Boocks Eltern habe ich noch nichts gefunden. Aber: Welche Eltern geben ihr Kind in ein Heim? Es muss eine Menge Destruktivität im Hause Boock geherrscht haben. So viel Destruktivität, dass sich der später Erwachsene lebendig fühlte, als ein anderer Mensch litt.

Der RAF Terrorist Stefan Wisniewski wurde ebenfalls von seinen Eltern als Jugendlicher in ein Heim gegeben. Siebenmal flüchtete er innerhalb eines Jahres, wurde aber immer wieder von der Polizei zurückgebracht. (SPIEGEL-Online, 23.04.2007, „Stefan Wisniewski: Wie aus einem Provinzler die Furie der RAF wurde“)
Ich habe mich bisher nur häppchenweise mit den Kindheiten von RAF-Terroristen befasst. In meinem Blog gibt es bisher nur einen Beitrag über die Kindheit von Inge Viett, die ebenfalls in einem Kinderheim und zwischenzeitlich auch bei Pflegeeltern lebte.

Bzgl. Ulrike Meinhof ist mir bisher nur die wichtige Info bekannt, dass ihr Vater starb, als sie fünf Jahre alt war. Sie ist vierzehn, da stirbt ihre Mutter an Krebs. Dies an sich spricht für eine sehr traumatische Kindheit. (Zudem war sie - Jahrgang 1934 - ein Kriegskind) Ich bin aber davon überzeugt, dass es noch mehr braucht, um zum Terroristen zu werden. Wie war der Umgang der Eltern (zu deren Lebzeiten) mit ihr? Gab es Vernachlässigungs- und Gewalterfahrungen in ihrer Kindheit?

Über Andreas Baader fand ich im Internet in diversen Quellen bisher nur die Info, dass er seinen Vater nie kennengelernt hat, da dieser verstarb. Er wuchs in einem Haushalt mit Mutter, Tante und Großmutter auf und soll verwöhnt worden sein. Ich zitiere nicht gerne Diplomarbeiten, aber in folgender fand ich die Info, dass er auch längere Zeit von seiner Mutter getrennt war. Die Mutter ließ Andreas nach Kriegsende bei seiner Großmutter in Thüringen und versuchte in München Geld für die Familie zu verdienen. Erst 1949 - Andreas war sechs Jahre alt - zog die Familie gemeinsam nach München und Mutter und Sohn lebten - nach Jahren der Trennung - wieder zusammen. (vgl. Hofböck, Carina (2010): Die Berichterstattung über die RAF-TerroristInnen in den österreichischen Printmedien. Uni Wien, Diplomarbeit, S. 36) Seine Großmutter muss irgendwann Ende des 19. Jahrhunderts geboren worden sein. Was für einen Erziehungsstil hat sie wohl gegenüber dem Kleinkind Andreas gelebt, als sie mit diesem alleine war? Viele Fragen bleiben offen.

Es gibt mittlerweile etliche Bücher, vor allem auch Autobiografien der Terroristen selbst, über die RAF. Mir scheint, dass man in den Kindheiten dieser Leute viele Brüche finden kann. Außerdem sprechen alleine ihre Geburtsjahrgänge rein statistisch dafür, dass sie elterliche Gewalt erlebt haben.

Sofern es meine Zeit zukünftig zuläßt, werde ich ausführlich über einzelne Terroristen recherchieren und dies hier im Blog zusammentragen. Sofern die Leserschaft hier schon ergänzende Hinweise hat, bitte, ich freue mich auf Kommentare.