Dienstag, 29. Oktober 2019

Terror von Links - Kindheit von Holger Meins


Über die Kindheit des RAF-Terroristen Holger Meins fand ich nur wenige, aber aufschlussreiche Informationen in dem Buch:
Conradt, Gerd (2001): Starbucks - Holger Meins: Ein Porträt als Zeitbild. ESPRESSO Verlag, Berlin. 

Holger Meins wurde am 26. Oktober 1941 in Hamburg inmitten des Krieges geboren.
Der Vater von Holger sagte in Gesprächen: „Ganz frühzeitig hatte er eine Operation nach einem Leistenbruch, die lebensgefährlich war. In den ersten Monaten durfte er weder schreien noch weinen, weil dann die Gefahr eines `kalten Brandes` aufgetreten wäre und er hätte daran sterben können. In seinen ersten Lebensjahren verlebte er bis zum Kriegsende jeden Sommer an der Ostsee, um mit seiner Mutter und seinem Bruder den Luftangriffen auf Hamburg nicht ausgesetzt zu sein. Ein beeindruckendes Erlebnis für ihn war, dass er während des Winters mit seiner Mutter nicht rechtzeitig in den Luftschutzbunker gekommen war und einen Luftangriff außerhalb der Luftschutzräume miterlebte. Er sprach von einem schönen Feuer: `Da waren herrliche Lichter am Himmel und es machte Bummbumm wie ein Feuerwerk.` Das war für ihn kein erschütterndes Kriegserlebnis. Das hat er mit strahlendem Gesicht erzählt. 
1943 wurden wir ausgebombt. (…). Wir fanden aber in Hamburg einen Unterschlupf am Stadtpark, wo Holger seine Jugend verbrachte. Im Sommer 1948 war er zu einer Kinderverschickung in der Schweiz, bei der Schreinerfamilie Albert Fürer in Bühler“ (S. 13).

Hier haben wir gleich mehrere Informationen. Zunächst die frühzeitige, lebensgefährliche Operation – offensichtlich im Kleinkind- oder Säuglingsalter. Wie wurde damals das Kind dazu gebracht, dass es nicht schreit oder weint? Gab es dazu irgendwelche damals übliche Methoden? Wie konnte dies in diesem jungen Alter überhaupt gelingen? Diese Fragen stehen im Raum.

Holger verlebte ganz eindeutig eine traumatische Kriegskindheit, auch wenn sein Vater die Situation in der Erinnerung sehr beschönigt. Hamburg wurde vielfach bombardiert und Holger war seine gesamte frühe Kindheit über – außer im Sommer – in der Stadt.

Über die Länge der „Kinderverschickung“ erfährt man nichts von dem Vater. Holger muss damals ca. 6 Jahre alt gewesen sein. Da er von Hamburg aus in die Schweiz „verschickt“ wurde, gehe ich davon aus, dass es ein längerer Aufenthalt und insofern eine längere Trennung von der Familie in diesem jungen Alter gewesen ist. Auch über die Situation vor Ort erfährt man fast nichts. Der Vater kommentiert, dass Holger in Briefen für seine gute Rechtschreibung und sein mathematisches Können gelobt und für das Herumspielen mit Werkzeug kritisiert wurde. Außerdem habe sein Sohn „Ich bin gerne hier“ unter die Briefe geschrieben (S. 14).
Da hier auch von „Briefen“ die Rede ist, bestätigt dies meine Vermutung, dass der Aufenthalt länger dauerte. Für ein sechs Jahre altes Kind ist das, egal was nun der Vater dazu kommentiert, eine große Belastung, so weit weg in der Fremde und getrennt von der Familie zu sein.

Der Vater ist eine zentrale Figur in dem Buch. Er stand zu seinem Sohn, auch, als dieser Terrorist und inhaftiert wurde. Es scheint eine doch starke Bindung zwischen Vater und Sohn gegeben zu haben. Fakt ist aber auch, dass der Vater nichts über die Erziehung und den familiären Alltag Preis gibt. Wir wissen schlicht nicht, wie die Eltern konkret mit ihren Kindern umgingen und ob und wenn ja wie Strafen ausgeführt wurden.

Ein Sachverhalt sticht in dem Buch ins Auge: Der Vater überstrahlt alles, die Mutter dagegen bleibt fast gänzlich unerwähnt und ausgeblendet. Dies liegt wohl an folgendem Sachverhalt:
Die Nachbarn kannten Holger alle. Drüben bei Meyers war er fast wie ein halber Sohn, nachdem meine Frau verstorben war. Sie war nervenkrank gewesen, darum hatten wir eine Wohnung im Grünen“ (S. 16).

Was genau sich an psychischer Krankheit hinter dem Wort „nervenkrank“ verbirgt, bleibt unsere Fantasie überlassen. Fest steht aber, dass die Mutter auch alleine für die Kinder sorgte, so z.B. im Sommer, wie oben zitiert. War die Mutter schon damals "nervenkrank" und wenn ja, was erlebten die Kinder mit einer „nervenkranken“ Mutter?

In dem Buch „Starbucks - Holger Meins: Ein Porträt als Zeitbild“ fällt mir besonders ins Auge, dass die Sozialisation und Kindheit von Holger Meins als möglichst normal und freundlich dargestellt wird. Das Buch an sich ist sehr tendenziell und sympathisiert deutlich mit linken Ideen und den damaligen Akteuren. Der Staat, der die Isolationshaft der RAF-Häftlinge verantwortete, erscheint dagegen tendenziell als Gegner. Das Buch erscheint eher als Denkmal für Holger Meins.

Wie auch immer: Trotzdem konnte ich so einige Informationen über die Kindheit von Holger Meins herausziehen. Es wird sehr deutlich, dass Holger sehr belastet aufgewachsen ist.

Freitag, 25. Oktober 2019

Kinder in Moria: "Da ist das Leben des Menschen doch vorbei"

Jeden Tag könnte man über das Leid von Kindern in der Welt berichten…

Ich selbst habe mich in diesem Blog vor allem auf das Thema Kindesmisshandlung fokussiert. Und ich habe das Gefühl, dass ich damit etwas Gutes tue, und ja, auch etwas bewirke.
Heute möchte ich auf die Situation von Kindern im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos hinweisen. Ich kann den Kindern dort nicht helfen, aber mir ist es ein tiefes Bedürfnis, kurz etwas dazu zu schreiben.

Jeder Europäer sollte diesen Bericht sehen: „Kinder in Moria: Auf dem Weg nach Europa | Exklusiv-Reportage aus dem völlig überfüllten Flüchtlingscamp auf Lesbos“ (ARD)

Die Lage dort ist katastrophal, vor allem auch für die Schwächsten, die Kinder. Ein Arzt berichtet, dass Kinder versuchen, sich umzubringen oder sich selbst Verletzungen zufügen. „Ihre Kindheit wird ihnen genommen“, sagt der Mann. Es gibt keine Schulen, keine Beschäftigung, keine Decken, keine Unterkünfte, keine Toiletten, keinen Schutz, zu wenig Essen und und und.

Am Ende des Berichts fragt ein Mädchen eine Reporterin, die sich in das Lager hineingeschmuggelt hat: „Wie lange müssen wir hier noch bleiben?“ Die Reporterin antwortet: „Was schätzt Du denn?“ „Ich frage Sie doch!“, sagt das Mädchen. „Vielleicht ein Jahr“, antwortet die Reporterin. Das Mädchen überlegt eine Weile und sagt: „Da ist das Leben des Menschen doch vorbei

Ich bin dafür, dass zumindest alle Familien mit Kindern nicht länger als eine Woche in solchen Lagern leben sollten! Zumal wir hier von europäischem Boden sprechen. Wenn wir dies wollten, könnten wir dies auch leisten!

Das wäre - neben den menschlichen Aspekten - auch Prävention! Denn wenn diese Kinder irgendwann in andere europäische Länder überführt werden (nicht Wenige auch nach Deutschland) und dort aufwachsen, dann muss es im Interesse der Aufnahmeländer sein, dass diese Kinder möglichst wenig traumatische Erfahrungen gemacht haben. Ansonsten haben die Aufnahmeländer später weit mehr Probleme, als wenn jetzt investiert würde. Die möglichen Folgen von Traumatisierungen im Kindesalter habe ich hier im Blog jahrelang ausführlich behandelt. Das Handeln der EU, gerade bezogen auf die Kinder, die als Flüchtlinge kommen, macht also keinen Sinn. Es wäre viel günstiger, jetzt und sofort zu helfen, als Traumatisierungen durch diese Lager systematisch zu fördern. Was wir heute an Leid gegen Kinder zulassen, kommt übermorgen auf uns zurück.

Mittwoch, 23. Oktober 2019

Terror von Links - Kindheit von Stefan Wisniewski


Der ehemalige RAF-Terrorist Stefan Wisniewski wurde am 08.04.1953 geboren. Wenig später, am 9. Oktober 1953, starb sein Vater im Alter von nur 27 Jahren an einer Nierenentzündung. Die Krankheit, davon ging Stefans Mutter aus, sei Folge der Zeit im Konzentrationslager. Während des Krieges war Stefans polnischstämmiger Vater von den Deutschen verschleppt und interniert worden. Die Mutter bemühte sich um Wiedergutmachung und finanzielle Hilfen, aber vergebens (Krall, 2007).

Geboren wurde Stefan in Klosterreichenbach, einem Dorf im Schwarzwald. Angst habe ihn und seine Familie begleitet. In der Umgebung wohnten damals viele ehemalige SS- und SA-Männer. Die Geschichte des Vaters musste geheim bleiben (Hengst & Schwabe, 2007).

Später scheint es massive Probleme mit Stefan gegeben zu haben: „Als Stefan wieder einmal aus der Schule weggelaufen war, bat Gisela bei Pädagogen um Rat. Es waren Pädagogen der Jugendhilfe. Sie rieten ihr, den Sohn ins Heim zu geben. `Dort landet er früher oder später sowieso`, sagten die Pädagogen. Stefan war ein Jahr im Heim. (…) Heimleiter war ein Pastor, ein stämmiger Mann mit feistem Gesicht und starken Fäusten. Der Pastor vergab an jeden drei Zensuren pro Woche: für Arbeit, Unterricht, Betragen. Hatte man nur eine einzige Sechs darunter, verbrachte man das Wochenende im Isolationsraum. Dort gab es zwei Bretter. Ein niedriges zum Sitzen, ein höheres, um Arme und Kopf aufzustützen“  (Krall, 2007).
Die „starken Fäuste“ des Heimleiters werden in dem zuvor zitierten Text mehrmals erwähnt und hervorgehoben. Ich deute dies dahingehend, dass der Heimleiter auch – neben der psychischen Gewalt - körperliche Gewalt gegen Stefan angewandt haben könnte.

Siebenmal flüchtet Stefan aus dem Heim, innerhalb eines Jahres. „Die Polizei bringt ihn immer wieder zurück“ (Hengst & Schwabe. 2007).

Verwendete Quellen: 

Hengst, B. & Schwabe, A. (2007, 23. April): Stefan Wisniewski. Wie aus einem Provinzler die Furie der RAF wurde. Spiegel-Online.

Krall, H. (2007, 27. April): „Stefan Wisniewski, Sohn eines Zwangsarbeiters“. Welt-Online.

Mittwoch, 16. Oktober 2019

Kindheit von Robert Ley (u.a. Reichsorganisationsleiter der NSDAP)


Robert Ley war ein führender Nationalsozialist. Er gehörte zu den 24 im „Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher“ Angeklagten. Seiner Verurteilung entzog er sich durch Suizid.

In der Hierarchie der NS-Führungsriege rangierte er an fünfter Stelle (Wald 2004, Angabe des Verlags in der Inhaltsbeschreibung bzw. auf der Buchrückseite)

Wie war Robert Ley als Mensch, fragt sich der Biograf Ronald Smelser. Und er antwortet selbst: „Er war schroff und hart, hatte keinerlei Hemmungen, neigte zu Gefühlsausbrüchen, war korrupt und bestechlich, und es fehlte ihm in erstaunlichem Maß an Urteilsvermögen. Er war auch ein notorischer Schürzenjäger und ein starker Trinker. Gleichzeitig war er ein intelligenter Mensch, der echtes Organisationtalent besaß (…). Er war auch ein ungewöhnlich ehrgeiziger Mensch mit einem starken Geltungsbedürfnis. Vor allem war er Adolf Hitler, in dem er einen Gott-Menschen sah, sklavisch ergeben“ (Smelser 1989, S. 13). Im Privaten kam Leys Destruktivität überdeutlich zu Tage. So z.B. gegenüber seiner zweiten Ehefrau, die er wohl nicht nur einmal öffentlich demütigte. „Ein andermal enthüllte Ley anscheinend seine Gattin direkt, indem er versuchte, ihr die Kleider vom Leib zu reißen, damit die Gäste ihren herrlichen Körper bewundern könnten. `Er behandelt mich schamlos`, sagte sie. `Ich bin überzeugt, eines Tages bringt er mich noch um`“ (Smelser 1989, S. 116). Am 29.12.1942 erschoss sich Leys Frau Inge nach einem belanglosen Streit mit ihrem Mann. Smelser meint, dass Inge Ley vermutlich stark unter der Alkoholsucht ihres Mannes litt.

Robert war das siebte Kind seiner Eltern, die insgesamt elf Kinder bekamen. Von den 11 Kinder waren drei im Kleinkindalter oder bei der Geburt gestorben (Wald 2004, S. 15). Ob Robert den Tod dieser Geschwister miterlebte und wie sich diese Tragödie auf die Familie auswirkte, wird nicht beschrieben.
Robert Ley wurde in eine armen Region hineingeboren, seine Familie gehörte aber zu den Privilegierten und war wohl relativ reich. Sein Vater – Friedrich - konnte mit dem Reichtum allerdings nicht umgehen. Er ließ sich auf verlustbringende Geschäfte ein. „In seiner Verzweiflung zündete Friedrich offenbar den Hof an, um die Versicherungssumme zu kassieren. Die Sache wurde aufgedeckt; Friedrich Ley wurde verhaftet, vor Gericht gestellt und zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Der junge Robert war damals sechseinhalb Jahre alt, und dieses Erlebnis zeichnete ihn für sein Leben. Mit einem Schlag stürzte die Familie in bittere Armut“ (Smelser 1989, S. 18). Die älteren Geschwister verließen daraufhin die Familie, um Arbeit zu finden. Die Familie brach offensichtlich auseinander. „Der älteste Sohn, der zur Zeit des Brandes 21 Jahre alt war, und der vierte zogen wie andere junge Männer ins Wupper-Tal und Niederbergische. Der zweite ging allein fort, Richtung Rhein. Der dritte arbeitete zunächst als Metzgergeselle im übernächsten Dorf und folgte dann dem ältesten Bruder. Sie versuchten, bei dem Geldverleiher die Schulden abzubauen, aber das gelang nicht“ (S. 16).
Die Familie kam nicht mehr von dem Geldleiher los: „Die beiden Töchter mussten zu ihm in den Dienst, zunächst die ältere, die 14 war, als der Hof abbrannte, dann auch die jüngere. Die zweite – zarte kleine, aber zähe und unerschrockene – habe schließlich aufbegehrt: `Nu is Schluss, wir versinken ja im Elend`“ (Wald 2004, S. 16). Ein wohlhabender Verwandter habe dann Geld vorgeschossen, so dass der Peiniger ausgezahlt werden konnte. „Dass Ley dies im Kindesalter erlebte, muss bei ihm ein Trauma hinterlassen haben; er blieb stets äußerst empfindlich in Bezug auf seine soziale Stellung und entwickelte ein heftiges Geltungsbedürfnis – wie es für eine ganze Reihe hoher NS-Führer typisch war“ (Smelser 1989, S. 19).

Die Mutter zog mit den beiden jüngsten Kindern – darunter auch Robert – in ein verfallenes Anwesen in der Nähe. „Für die Mutter, die vorher schon, so wie der Hof der Leys verschuldete, mehr und mehr zu leisten hatte, riss die Arbeit nicht ab. Das Leben mit den beiden Kleinen war arm und eng, aber nach den Jahren der Ungewissheit und der Aufregung endlich ruhig“ (Wald 2004, S. 15).
 Über seine Mutter berichtete Ley später: „Sie musste öfters auf Gericht gehen, Demütigungen ertragen. Dann weinte sie sich bitter aus, und wir Kinder trösteten sie“ (Smelser 1989, S. 33). Als Robert 11 Jahre alt war, kam sein Vater wieder nach Hause. Ley notierte dazu: „Wir Kinder hatten ihn kaum vermisst. (…) Und die Mutter redete nie von ihm … So war denn die Heimkunft des Vaters wie eine Alltäglichkeit“ (Smelser 1989, S. 33). Robert Leys Tochter schreibt zum Vater-Sohn-Verhältnis ihres Vaters: „Zum Vater (…) bestand Distanz. Der war kein Vorbild“ (Wald, 2004, S. 127). Zur Mutter habe dagegen, so Robert Reys Tochter Renate Wald, eine enge Bindung bestanden. Die Mutter habe auch hohe Erwartungen gegenüber ihrem Sohn Robert gehabt, was seine Lebensperspektive geformt hätte.

1914, als junger Mann, meldete sich Robert Ley als Kriegsfreiwilliger. Er machte diverse Kampferfahrungen und blieb in Frankreich zusammen mit zwei Kammeraden der einzige Überlebende einer 42-köpfigen Batteriebesatzung (Smelser 1989, S. 22).

Leider erfährt man in beiden verwendeten Quellen im Grunde nichts über den Erziehungsalltag bei den Leys. Auf jeden Fall war der Alltag hart. Die Kinder mussten auf dem Hof mitarbeiten. Der Brand und die Haft des Vaters blieben Familientrauma. Mit Blick auf die gezeigten Abläufe und die vielen Kinder ist zu vermuten, dass kaum Zeit für mütterliche Fürsorge gegenüber den Kindern, insbesondere auch den Jüngsten, zu denen damals Robert gehörte, da war. Der Vater an sich war sowohl durch die Haft, als auch danach auf Abstand zu seinem Sohn Robert. Dass Robert Ley als Kind vielfach belastet war, ist überdeutlich.

Ich betone in solchen Fällen auf Grund der Quellenlage immer, dass weder elterliches Gewaltverhalten, noch elterliche Gewaltfreiheit nachweisbar ist. Wir wissen nicht, ob zu all den schweren Lebensumständen auch noch elterliche Strafen und Gewalt dazukam. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass Robert Ley 1890 geboren wurde (dazu noch im ländlichen Raum). Nachweisbar wurde die große Mehrheit der um 1900 Geborenen im Elternhaus geschlagen, oft kamen dann auch noch Prügelstrafen durch Lehrer oder Lehrherren hinzu. Das Leben an sich war damals von Härten geprägt. Ich halte es demnach für sehr wahrscheinlich, dass Robert Ley nicht zu der Minderheit gehörte, die gewaltfrei aufwachsen durfte.



Verwendete Quellen:

Smelser, Ronald (1989): Robert Ley : Hitlers Mann an der "Arbeitsfront". Eine Biographie. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn.

Wald, Renate (2004): Mein Vater Robert Ley. Meine Erinnerungen und Vaters Geschichte. Martina Galunder-Verlag, Nümbrecht.

Dienstag, 15. Oktober 2019

Terror von Links - Kindheit und Jugend von Michael "Bommi" Baumann


Michael Baumann (genannte auch „Bommi“) war Mitbegründer der terroristischen „Bewegung 2. Juni“. Baumann hat in den 1970er Jahren seine Autobiografie veröffentlicht:
Baumann, Bommi (1976) Wie alles anfing - Dieses Buch wurde am 24.11.75 beschlagnahmt und wird jetzt trotz des Verbotes von verschiedenen Personen und Verlagen neu herausgegeben: Verschiedene Verlage und Einzelpersonen, Frankfurt am Main.

In harter und oft derber Sprache schildert er in dem Buch seinen Weg zum Terrorismus. Am Ende des Buches schreibt er: „Ich stehe immer noch hinter allen Sachen, die ich gemacht habe. Ich verdamme nichts und ich verurteile auch nichts daran (…). Ich habe es gemacht und es ist in Ordnung“ (S. 137).
Zu den „Sachen“, die er gemacht hat, gehörten u.a. Bombenanschläge, Banküberfälle, Sachbeschädigungen und Körperverletzung.

Baumann gibt in seinem Buch im Grunde fast keinen Einblick in seine Familie, über seine Eltern oder seine Kindheit. Im Alter von 12 Jahren sei die Familie von Ostdeutschland gen Westberlin umgesiedelt. Als Jugendlicher ließ er sich lange Haare wachsen und sei dadurch massiv diskriminiert worden. „Die ham uns aus Kneipen rausgeschmissen, auf den Straßen angespuckt, beschimpft und sind hintergerannt, also du hast wirklich nur Trouble gehabt. Auf der Arbeit bist du rausgeflogen oder hast gar keine mehr gekriegt (…)“ (S. 8).

Mit seinen Eltern wohnte er in einer Hochhaussiedlung, in der es keine Freizeit- oder Kommunikationsangebote gab und eine hohe Jugendkriminalität vorherrschte. Baumann über diese Zeit in der Siedlung: „Die Vereinzelung war schon ziemlich groß, es war echt ne Leistung, die Sache durchzuhalten, du hast nur Schwierigkeiten gehabt, och selbst unter Jugendlichen noch (…)“ (S. 10).

Über seine Eltern oder deren Erziehungsmethoden gibt er nur indirekt Hinweise:
Die Studenten hatten damals ziemliche Schwierigkeiten sich gegen Bullen zu wehren, einfach von ihren Erziehungsgeschichten her. Die habe ich nicht gehabt, ich habe immer bei Demonstrationen zurückgehauen, wenn sie mich angefasst haben, darum bin ich auch nie verhaftet worden auf `ner Demo“ (S. 21).
An einer anderen Stelle schreibt er darüber, dass seine Gruppe proletarische bestimmt war, nur wenige Mitglieder waren Studenten. Dem gegenüber stand die RAF, die nur wenige Arbeiter als Mitglieder hatte. „Das Problem der Gewalt ist verschieden gehandhabt worden. (…) Ein Intellektueller zieht den Moment, wo er Gewalt anwendet, aus einer Abstraktion, weil er sagt, ich mache Revolution wegen des Imperialismus oder aus anderen theoretischen Beweggründen. Davon leitet er den Anspruch ab, dass er Gewalt einsetzen kann, den anderen gegenüber. (…) Wir haben mit der Gewalt von Kindesbeinen an gelebt, das hat eine materielle Wurzel. Wenn Zahltag ist, der Alte kommt besoffen nach Hause und verprügelt erst mal deine Alte, das sind doch die Geschichten. In der Schule, da keilst du dich, sich mit Fäusten durchzusetzen, das ist für dich eine ganz normale Sache, du keilst dich auf der Arbeitsstelle, du keilst dich in Kneipen, du hast dazu ein gesundes Verhältnis. Für dich ist Gewalt eine ganz andere Sache, die du ganz leicht abwickeln kannst. Da war auch immer der Sprung zwischen der RAF und uns, in der Entstehung der Gewalt, wo sie herkommt“ (S. 92f).

Auch wenn Michael Baumann hier nicht direkt „ich“ schreibt, „ich habe das so erlebt“, so wird in diesen oben zitierten Zeilen doch überdeutlich, das bei ihm Zuhause und in seiner Umgebung Gewalt Alltag war. Insofern reiht sich auch dieser Terrorist bzgl. seiner Sozialisation ein in die Reihe der Linksterroristen, die ich bisher hier im Blog analysiert habe.

Ergänzend muss noch erwähnt werden, dass Baumanns Vater ein Nazi war (Welt-Online, 21. Juli 2016): Der charismatische Proletarier des Terrors. Von Sven Felix Kellerhoff) Dies traf sicher auf viele junge Leute der 68er Generation zu. Gepaart mit seinen deutlichen Andeutungen über die destruktiven Verhältnisse zu Hause, macht dieser NS-Hintergrund seines Vaters das Bild noch einmal mehr rund. Dass gerade auch viele NS-Täter nach dem Krieg auch zu Hause weiter Terror und Gewalt verbreitet haben, ist nachweisbar keine Seltenheit.

Samstag, 12. Oktober 2019

Terror in Halle: Stephan Balliet


Über den Täter Stephan Balliet habe ich mir natürlich schon meine Gedanken gemacht. Wir werden sehen, was zukünftig über seine Kindheit und Sozialisation zu Tage gebracht werden wird.

Seine Taten an sich zeigen, dass es im Grunde gar nicht um Ideologie ging. Ideologie ist nur der Außenanstrich oder der Zündfunke. Nachdem er keinen Zugang zur Synagoge fand, brachte er halt eine zufällig vorbeikommende Passantin um. Er war auf "Sendung" (per Livestream) und es gab kein zurück mehr. Menschen sollten sterben. Gelingt dies bei dem einen Ziel nicht, dann halt beim nächsten oder übernächsten (in dem Fall dann der Dönerladen). Noch deutlicher kann man eigentlich nicht zeigen, dass es um einen tiefen, extremen Hass geht, der dem Außen demonstriert werden soll. Und das gilt auch nach innen, denn Barriet musste damit rechnen, dass er erschossen wird. Der Selbsthass ist der Kern jeder solchen Tat.

Alle weiteren Gedanken und Kommentare kann ich mir sparen, da der Kinderarzt und Autor Renz-Polster am 11.10.2019 einen sehr guten Blogbeitrag zu dem Fall veröffentlicht hat: Halle: Was wir von einem ”Loser” lernen können.  Er zitiert dabei auch aus meinem Blog und meinem Buch.