Mittwoch, 28. August 2024

ChatGPT über eine imaginierte liebevolle und gewaltfreie Kindheit von Adolf Hitler

Ich habe heute ChatGPT folgende Frage gestellt: 

"Wäre Adolf Hitler auch zum Massenmörder geworden, wenn er eine liebevolle und gewaltfreie Kindheit gehabt hätte?"


Antwort KI-Chatbot, Modell GPT-4o mini:

Das ist eine komplexe und vielschichtige Frage, die Historiker und Psychologen seit langem beschäftigt. Es gibt viele Faktoren, die das Verhalten und die Entscheidungen eines Menschen beeinflussen, darunter persönliche Erfahrungen, gesellschaftliche Umstände, Ideologien und psychologische Aspekte.

Eine liebevolle und gewaltfreie Kindheit könnte möglicherweise einige der negativen Einflüsse und Traumata, die zu extremen Verhaltensweisen führen, gemildert haben. Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass die Entwicklung von extremen Ideologien und das Handeln in einer Weise, die zu Massenmord führt, auch stark von sozialen, politischen und wirtschaftlichen Kontexten abhängt.

Letztendlich lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wie sich Hitlers Leben und Handeln unter anderen Umständen entwickelt hätte. Es bleibt ein Thema, das viele Fragen aufwirft und zu weiterführenden Diskussionen anregt.

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Mein Kommentar: 

Ich finde die KI Antwort erst einmal sehr sauber, klar und facettenreich formuliert. Ähnlich würden auf diese Frage viele Fachleute antworten. Wobei ich mir sogar sicher bin, dass viele Fachleute (vor allem Historiker) den Satz "Eine liebevolle und gewaltfreie Kindheit könnte möglicherweise einige der negativen Einflüsse und Traumata, die zu extremen Verhaltensweisen führen, gemildert haben" nicht so ausgesprochen hätten, denn sie lehnen Kindheitseinflüsse bei der Betrachtung von politischen Akteuren in der Regel generell ab. Insofern ist die KI da schon weiter. 

Ich sehe es so: Ich bin in vielen Gebieten wirklich saudumm oder uninformiert. Ehrlich gesagt muss ich manchmal sogar einfache Rechenaufgaben mit dem Taschenrechner machen (Mann wird ja nicht jünger...).

Ganz selbstgerecht muss ich heute trotzdem sagen, dass ich bzgl. der Antwort auf die o.g. Frage "wissender" bin :-) . Ich finde, dass ich in einem einzigen Punkt da besser als die KI bin! 

Meine Antwort: Wäre Adolf Hitler als Kind geliebt worden und wäre er gewaltfrei aufgewachsen, er wäre nicht zum Massenmörder geworden. Und dies bei gleichem gesellschaftlichem Umfeld und Grundbedingungen. 

Nun, mal schauen was die KI in den nächsten Jahren auf die gleiche Frage antwortet. Ich werde dies jährlich prüfen. Da geht bestimmt noch was :-)


Samstag, 17. August 2024

Kindheit von James David (kurz. J. D.) Vance (Vize von Donald Trump)

Für an Psychohistorie Interessierte ist es ein absoluter Glücksfall, dass ein Politiker wie James David (kurz. J. D.) Vance (Vize von Donald Trump) eine offene und ehrliche Autobiografie verfasst hat. Derart viele Einblicke in Kindheit und Jugend eines politischen Akteurs erhält man in der Form nur selten. 

Es geht um das Buch (ein Bestseller) „Hillbilly-Elegie: Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise“ (Ullstein, Berlin; 2017).

Ich habe in den letzten zwei Jahrzehnten etliche Bücher (auch Autobiografien) und Schilderungen über Kindesmisshandlung und destruktive Eltern gelesen. Das Buch „Hillbilly-Elegie“ hätte meiner Auffassung nach auch einen Titel wie „Die Geschichte meiner Kindheit, die Geschichte eines Albtraums“ oder ähnliche tragen können. Es entspricht im Prinzip klassischer „Betroffenen“-Literatur. Es wäre dann aber nicht zum Bestseller geworden. Zum Bestseller wurde es offensichtlich, weil der Autor seine Familiengeschichte in den Kontext der frustrierten, weißen und armen Arbeiterschicht (den „Hillbillys“) setzt (seine Geschichte also nicht als Einzelfall sieht, sondern als klassisch für diese Schicht in den USA) und die Öffentlichkeit in dem Buch nach Erklärungen zur Trump Wahl suchte. 

Ich habe derart viele Notizen zu diesem Buch gemacht, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. 

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass er das Buch seinen Großeltern (mütterlicherseits), im Buch „Mamaw“ und „Papaw“ genannt, gewidmet hat. Sie waren ihm lange Zeit Elternersatz. 

Vielleicht kann man mit seiner Bemerkung beginnen, dass er der „sitzengelassene Sohn“ eines Mannes war, „den ich kaum kannte“ und einer Mutter „die ich lieber nicht gekannt hätte“ (Vance 2017, S. 20). Die Eltern trennten sich früh und J. D. musste mit vielen verschiedenen (oft schwierigen) „Ersatzvätern“ (wechselnden Partner der Mutter) umgehen lernen. Das an sich ist bereits tragisch und belastend für ein Kind. Was im Laufe des Buchs alles an Details dazukommt, sprengt teils die Vorstellungskraft. 

Bereits der Umgang der Mutter mit dem Säugling ist destruktiv: „Ich war neun Monate alt, als Mamaw meine Mutter zum ersten Mal dabei erwischte, wie sie Pepsi in mein Fläschchen tat“ (S. 30). 

Bzgl. seiner Mutter spricht er mehrfach von „bizarren“ Verhaltensweisen. Diese stehen offensichtlich im Zusammenhang mit ihrem langen Suchtverhalten (Alkohol- und Drogenmissbrauch). Den Drogenmissbrauch seiner Mutter hatte J. D. als Kind lange Zeit ausgeblendet bzw. gar nicht einordnen können. Wenn es mal wieder schlecht zu Hause lief, pendelte er halt zu seinen Großeltern und danach wieder zurück zur Mutter. Erst nach dem Tod seines Großvaters wurde ihm bewusst, dass seine Mutter ein Drogenproblem hatte (S. 132).

J. D. Vance verehrt seine Großeltern (Sie waren „fraglos und uneingeschränkt das Beste, was mir hätte passieren können“ S. 32) und sicherlich haben diese ihn auch ein Stück weit Ausgleich und Sicherheit geboten. 

Vergessen werden sollte dabei aber nicht, dass auch die Großeltern in ihrem Inneren großes Destruktionspotential besaßen, wie offensichtlich auch große Teile der restlichen Familie. 

Seine Großmutter hätte Familiengeschichten nach als Zwölfjährige fast einen Mann erschossen, der Kühe stehlen wollte. Sie traf ihn nur am Bein (S. 23). Seine Großmutter bezeichnet J.D. als „durchgeknallte Waffennärrin“ (S. 23). „Onkelt Pet“ hatte einst einen Mann, der ihn beleidigt hatte, bewusstlos geschlagen und ihn dann mit einer elektrischen Säge aufgeschlitzt. Der Mann konnte im Krankenhaus gerettet werden (S. 22). 

Als seine Großeltern noch selbst ihre Kinder zu Hause hatten, konnten sie „ohne jede Vorwarnung in die Luft gehen“ (S. 49), wie sich ihr Sohn Jimmy erinnert. 

Mitte der sechziger Jahre war der Großvater zum Alkoholiker geworden, die Mutter von J. D. war zu der Zeit ca. vier Jahre alt (S. 48f.). J.D. hatte seinen Großvater anders bzw. deutlich positiver als Kind erlebt (wohl auch, weil der Großvater vorher mit dem Trinken aufgehört hatte), bezeichnet ihn aber bzgl. der Vergangenheit als „gewalttätigen Trinker“ und seine Großmutter als „gewalttätige Nichttrinkerin“ (S. 52). 

Jimmy erinnert sich an Szenen von häuslicher Gewalt zwischen den Eltern (bzw. Großeltern von J. D.). Dies gipfelte in einen Mordversuch: Die Großmutter hatte damals angekündigt, dass sie ihren Mann umbringen würde, wenn er nochmals betrunken nach Hause käme. Als dies der Fall war ging sie „in aller Seelenruhe in die Garage und kehrte mit einem Kanister Benzin zurück, den sie über ihren Mann ausgoss“ (S. 53). Sie zündete ihn an und er konnte nur gerettet werden, weil eine seiner beiden Töchter sofort (es ist nicht ganz klar, ob dies die Mutter von J. D. war) aufsprang und das Feuer löschte. 

Im Leben der Großeltern finden sich – neben den bereits erwähnten Erfahrungen – weitere traumatische Erlebnisse (u.a. starb der Vater des Großvaters früh, die Mutter des Großvaters gab ihn weg zu ihren Eltern; acht Fehlgeburten der Großmutter, ihr erstes Kind bekam sie als Teenager im Alter von vierzehn Jahre, der Säugling starb auf der Flucht vor den eigenen Eltern; S. 33, 36) die sicherlich auf die eine oder andere Weise an die Nachkommen weitergegeben worden sind. 

Ganz eindeutig muss man die massiven Probleme der Mutter von J. D. Vance vor dem Hintergrund ihrer eigenen traumatischen Kindheit sehen, was auch J. D. deutlich so sieht (S. 56). Das Stichwort lautet hier: transgenerationale Traumata.

Die Mutter von J. D. neigte zu Ohrfeigen, Schlägen und Kniffen gegen ihre Kinder (S. 90, 101, 109), aber auch „brutale Beleidigungen“ (S. 109) waren Routine. Dazu kam ihr Suchtverhalten. 

Als schrecklichsten Tag seines Lebens bezeichnet J. D. den Tag, als seine Mutter drohte, ihn umzubringen. Im Auto wurde sie wütend auf ihren Sohn, beschleunigte den Wagen und sagte, sie werde jetzt einen Unfall bauen und sich und ihn umbringen (S. 91). Sie hielt dann doch an, um ihren Sohn durchzuprügeln. Er konnte zu einem Haus flüchten. Seine Mutter trat die Tür dort ein, zerrte ihren Sohn nach draußen und konnte dann von der benachrichtigten Polizei gestoppt werden. Danach lebte J. D. bei seinen Großeltern.

Dass seine Mutter durchaus das Zeug hatte, ihren angedrohten „erweiterten Suizid“ durchzuführen, zeigt ein früherer Selbstmordversuch mit einem Auto (sie war alleine unterwegs), als J. D. elf Jahre alt war (S. 89). 

Dazu kam für J. D. das vielfache Miterleben von häuslicher Gewalt zwischen seiner Mutter und Partnern (vor allem auch Bob). J. D. selbst spricht von „traumatischen Szenen zu Hause“, die er miterlebt hatte und die seine Gesundheit damals angriffen (S. 87). 

Insgesamt ging vieles nicht spurlos an J. D. vorbei. In der Schule wurde er schwieriger und zeigte Anzeichen von emotionalen Problemen. Er selbst berichtet ergänzend, dass er Jahrzehnte später eine Erzieherin aus seinem Kindergarten wieder getroffen hätte. Sein Verhalten als Kind sei damals so schwierig gewesen, dass sie beinahe den Beruf gewechselt hätte (S. 113). 

Ab dem Alter von sieben Jahren hat J.D. eigenen Angaben zu Folge über 20 Jahre lang einen immer wiederkehrenden Albtraum von seiner ihn verfolgenden Mutter gehabt. In verschiedenen Fassungen des Albtraums änderten sich auch die Verfolger (S. 294). Diese Traumafolgen sind nur logisch und kaum verwunderlich. 

J. D. Vance hat mit seiner Autobiografie zweifelsohne auch stolz zeigen wollen: Schaut her, ich habe es, „trotz allem“, geschafft und meinen amerikanischen Traum verwirklicht. Im hinteren Teil des Buchs geht er auf seinen beruflichen Werdegang und seine Erfolge ein. 

Ich gönne ihm seinen beruflichen Erfolg. Was mich viel mehr umtreibt ist, dass er jetzt als Vize neben dem „destruktiven Vater“ Donald Trump steht. Sieht er nicht, dass er dabei ist, erneut in der Traumafalle zu landen und die Geschichte seiner Familie sich fortzusetzen droht (diesmal auf der politischen Bühne)t? Sieht er nicht die ganzen destruktiven „Ersatzväter“ seiner Kindheit in den Augen von Trump?

Kritiker mögen jetzt anmerken, dass Vance früher Trump-Gegner war. Ich halte diesen Sachverhalt für nicht all zu wichtig. Bedeutsam ist nur, dass er jetzt Trump-Verehrer ist und sich diesem gehorsam unterordnet. 

Früher demütigte Trump seinen heutigen Vize Vance öffentlich indem er sagte: “J.D. is kissing my ass he wants my support so bad“ (https://edition.cnn.com/2022/09/19/politics/donald-trump-jd-vance-ohio-rally/index.html)

Nun, Vance ist Demütigungen gewohnt und scheint sich auch dieser zu ergeben. 

J. D. Vance hat seine persönliche Kindheitsgeschichte wie schon beschrieben verallgemeinert. Diese sei klassisch für die „Hillbillys“ in den USA. Die vielen Daten, die wir über Kindheit in den USA haben, bestätigen ergänzend, dass diese Nation deutlich im Rückstand ist, wenn es um das Kindeswohl geht. Und ja, dies hat ganz sicher auch etwas mit den politischen Verwerfungen in den USA und mit dem Phänomen „Donald Trump“ zu tun. J. D. Vance ist dabei, seine entsprechende Rolle zu übernehmen. 


Montag, 12. August 2024

Kindheit von Ilse Koch (gefürchtete KZ-Kommandantengattin)

Ilse Koch war die gefürchtete Kommandantengattin von Karl Otto Koch und wurde zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Familie Koch lebte eine ganze Zeit lang ganz nah am KZ Buchenwald.

Der Biograf Pierre Durand schreibt über die Kindheit von Ilse Koch:
Man hat behauptet, Ilse Koch habe eine harte Kindheit gehabt; als Tochter einer Prostituierten, mit zwölf Jahren vergewaltigt, habe sie Gefallen an unmoralischen Sitten gefunden, (…). Aber die Ermittlungen der Polizei und der Justiz zum Augsburger Prozess zeigten, dass sie ein normales Kind war und ein Elternhaus hatte, in dem nichts Ungewöhnliches vorfiel“ (Durrand 1989, S. 13)

Und er ergänzt an anderer Stelle: „Vor ihrer Geburt bis zu ihrem Eintritt in die SS-Welt erscheint uns Ilse Koch, geb. Köhler, als Kind, Jugendliche und junge Frau, die sich nicht aus der anonymen Masse der Deutschen ihrer Zeit abhebt“ (Durrand 1989, S. 15). 

Ja, es wäre in der Tat zu einfach, wenn bei einer Täterin wie Ilse Koch extreme und von der Norm deutlich abweichende Kindheitshintergründe gefunden worden wären. 

Pierre Durand macht es sich hier aber dann doch zu einfach (wie so viele seiner Zunft)! Eine nach Außen intakte Kleinfamilie und durchschnittliche Berufe bzw. Rollenaufteilungen der Eltern sind nicht gleichbedeutend mit einem unbelasteten Aufwachsen. Ilse wurde 1906 geboren. Das Datum an sich reicht bereits aus, um viele Mutmaßungen u.a. bzgl. autoritärer Erziehung und kindheitsfeindlichen Umgangsnormen in den Raum zu stellen. 

Auch der Biograf Arthur L- Smith jr. hat nicht viel über die Kindheit von Ilse Koch geschrieben. Vermutlich erklärt sich dies u.a. auch durch folgendes Verhalten von Ilse Koch selbst: „Auf Befragen lehnte Ilse Einzelauskünfte über ihre Kindheit und Jugend ab; sie beschränkte sich nur auf einen groben Umriss“ (Smith 1994, S. 7). 

Bei Smith finden sich aber zumindest Anhaltspunkte und aufschlussreiche Informationen, die Ableitungen zulassen. 

Zunächst fällt mir auch ein Satz ins Auge, der klassisch ist. Über den KZ-Kommandant Karl Otto Koch  schreibt der Biograf: „Karl wurde 1897 in Darmstadt geboren. Er verbrachte eine relativ normale Kindheit, obwohl seine Mutter starb, als er noch ziemlich jung war“ (Smith 1994, S. 12). Der Tod der Mutter stellt für ein Kind eine schwere und traumatische Erfahrung dar. Das Wortpaar „normale Kindheit“ im gleichen Atemzug mit der Schilderung dieser traumatischen Erfahrung zu nennen, ist schon bemerkenswert. 

Details über die Kindheit von Ilse fehlen wie gesagt, insofern fällt mein Augenmerk auf ihr eigenes Erziehungsverhalten (was oftmals Rückschlüsse über selbst erlebte Erziehungsnormen zulässt). 

1940 wurde Gudrun (das jüngste Kind der Familie Koch) geboren. „Karls Stiefschwester, Erna Raible, half Ilse zeitweise mit den Kindern und ging an, bei den Kochs zu wohnen, als Gudrun geboren wurde. Später kümmerte sie sich um die Kinder, wenn Ilse in Ferien war. Während eines Skiurlaubs, wahrscheinlich verbrachte Ilse ihn allein, erkrankte Gudrun ernstlich, und die beunruhigte Frau Raible ließ die Mutter nach Hause rufen. Das Kind starb jedoch, und Frau Raible warf Ilse vor, sie habe Gudrun vernachlässigt und kehrte nie wieder zur Villa Koch zurück“ (Smith 1994, S. 33). Gudrun starb im Februar 1941 (Smith 1994, S. 258).
Ilse Koch scheint den Ausführungen nach oft ohne ihre Kinder in die Ferien gefahren zu sein. Sie ließ auch den Säugling Gudrun zurück. Es wird deutlich, dass Frau Raible ihr die Schuld für den Tod des Säuglings zuschreibt. 

Das Bild über die Erziehungsnormen bei den Kochs wird an anderer Stelle noch deutlicher. Karls ältester Sohn aus erster Ehe, Manfred, lebte eine Zeitlang bei der Familie in Buchenwald. Manfred lehnte es aber ab, Ilse als Mutter zu akzeptieren und gehorchte ihr kaum.
Eines Morgens gab Karl einem SS-Mann, der für die Zellen in einem Bunker am Haupteingang zuständig war, den Auftrag, Manfred in eine leere Zelle zu bringen und ihn dort zu lassen, bis er ihn holen lasse. Jemand hörte, wie Koch zu Manfred sagte: `Du wirst solange in der Zelle bleiben, bis du versprichst, nicht wieder frech zu deiner Mutter zu sein.` Als man Koch im Laufe des Tages mitteilte, der Junge weine, verbot er jedem, sich ihm zu nähern. Schließlich ließ er am Abend, nach dem Essen, den Jungen nach Hause holen, und als der Wachmann mit Manfred erschien, kam Frau Koch mit den Hunden aus dem Haus gerannt, um ihn zu begrüßen. Sie fragte ihn: `Wirst du jetzt brav sein?.` Doch Manfred ging einfach wortlos an ihr vorbei ins Haus. Fast unmittelbar nach diesem Ereignis wurde er in ein Internat gegeben und kehrte nur während der Schulferien zurück“ (Smith 1994, S. 33,36). Auch ein anders Kind von Karl wurde früh weggegeben: „Den jüngste Sohn hatte man wegen geistiger Defekte in eine Anstalt eingewiesen“ (Smith 1994, S. 33). 

Die Eheleute Karl und Ilse hatten keine Skrupel, Manfred zur Strafe in eine Zelle im Gefängnistrakt des Konzentrationslagers Buchenwald zu stecken, mit echten Häftlingen in den Nebenzellen. Eine unfassbar kalte Tat gegen ein Kind. Sein weiterer Ungehorsam gegenüber Ilse hatte eine dauerhafte Trennung von der Familie zur Folge. 

Auch die Ehe der beiden war alles andere als vorbildlich, gerade auch, wenn man sich das NS-Propagandabild der "deutschen Ehe" vor Augen führt. Sowohl Ilse als auch Karl waren untreu und es gab diverse Seitensprünge (Smith 1994, S. 37). 

1943 wurden Karl und Ilse Koch von den Nazis verhaftet. 1944 wurde Karl zum Tode verurteilt (das Urteil wurde am 05. April 1945 im KZ Buchenwald vollstreckt), Ilse wurde freigesprochen. Im Januar 1945 zog Ilse bei Karls Stiefschwester Frau Raible ein. „März: Frau Raible fordert Ilse auf, das Haus zu verlassen; Begründung: Ilses Trunkenheit. Ilse zieht mit den Kindern in ein Hotel, fährt fort zu trinken“ (Smith 1994, S. 259).
Am 02. September 1967, nach diversen Anklagen und ihrer langen Inhaftierung, endete das Leben von Ilse Koch durch Selbstmord in ihrer Zelle. 

In der Familie Koch lassen sich an Hand der gezeigten Infos destruktive Dynamiken und Verhaltensweisen nachweisen. Vor allem der kalte Umgang mit Kindern lässt hier aufhorchen. Die Vermutung liegt nahe, dass sowohl Karl als auch Ilse einen ähnlich kalten Umgang in ihren eigenen Elternhäusern erlebt haben. 

Nebenbei fand ich bei Smith auch eine Information über Bestrafungsformen gegenüber KZ-Insassen in Buchenwald. „Die Prügelstrafe wurde auf einem sogenannten `Bock` vollzogen, einem tischähnlichen Holzgestell, auf dem der unglückliche Gefangene festgeschnallt und mit einem Bambusstock oder einer Weidenrute auf das entblößte Gesäß geschlagen wurde. Die Wucht der Schläge – gewöhnlich 25 Hiebe – brachte häufig Blutgefäße zum Platzen (…) `25 zu bekommen` oder `über den Bock zu gehen` war eine Erfahrung, die unter Kochs Kommando Tausende Gefangene erlitten“ (Smith 1994, S. 42). 

Diese Art der Strafform (knieend über einen Holzgegenstand gelehnt) mit Schlägen auf das Gesäß war gängige Strafform im Deutschen Reich gegen Kinder! Hier haben die SS-Leute ganz eindeutig das wieder-aufgeführt, was sie als Kind selbst erlitten haben (dies gilt vermutlich auch für Karl Koch selbst). 


Verwendete Quellen:

Durrand, P. (1989). Die Bestie von Buchenwald. Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (4. Auflage). 

Smith, A. J. jr. (1994). Die Hexe von Buchenwald. Der Fall Ilse Koch. Böhlau Verlag, Weimar – Köln – Wien. (2. Unveränderte Auflage)