Freitag, 20. Dezember 2024

Die Kindheit von Elon Musk und die Frage nach einem "Trauma-Kindheit Cluster" in der US-Politik

 “Only the AfD can save Germany” schrieb Elon Musk am 20.12.2024 auf X, gerade an dem Tag, an dem ich einen Text über seine destruktive Kindheit veröffentliche. Eine unfassbare Aussage von einem derart einflussreichen Menschen!

Über das weitere Agieren von Musk ist viel bekannt und viel geschrieben worden. Dass er zu Extremen neigt, scheint schon immer ein wesentlicher Charakterzug von ihm gewesen zu sein. 

Elon Musk ist nun unter Donald Trump politisch sehr aktiv und bringt massiv Gewicht in die Politik ein. Wir alle wissen noch gar nicht, was da auf uns zu rollt. Aber ich ahne nichts Gutes…

Dass Musk eine destruktive Kindheit hatte, ist weitläufig bekannt und wurde u.a. in etlichen Medienartikeln thematisiert. Warum also sollte ich mir die Mühe machen und seine Kindheit hier besprechen?

Nun, nachdem ich hier im Blog bereits ausführlich die destruktive Kindheit von Donald Trump und seinem Vize James David (kurz. J. D.) Vance besprochen habe, ist es aufschlussreich, dass auch die Kindheit von Musk traumatisch war. Ich habe schon länger die Frage im Kopf, ob es bzgl. bestimmter politischen Phasen und natürlich bzgl. politisch extremer Parteien „Trauma-Kindheit Cluster“ in der Politik gibt? 

Meine These: Menschen, mit traumatischer Kindheit neigen manchmal dazu, sich gegenseitig anzuziehen und „unbewusst“ zu erkennen. Das gilt z.B. für Liebespaar oder auch Freundeskreise im Kleinen, (extreme) Gruppen im Mittleren und politische Bewegungen und (radikale) Parteien im Großen. (Bzgl. Musk kommt dann noch dazu, dass Trump vom Alter her sein Vater sein könnte und es hier nochmals eine besondere Anziehungskraft geben könnte)

Nachdem ich mich an die Recherche über die Kindheit von Musk gemacht habe, merkte ich aber auch für mich selbst, dass sich diese Zeitinvestition auf jeden Fall gelohnt hat. Ich kenne dies schon von anderen Kindheitsrecherchen: Wenn man erst mal in die Materie eintaucht, Infos zusammenführt und dann dazu schreibt, nähert man sich dem verletzten Kind viel mehr, als wenn man nur grob einen Artikel dazu liest. Man wird emotional berührt und auch schockiert. Keinem Menschen würde man eine Kindheit wünschen, wie Sie Elon Musk erlebt hat! Zusammen mit seinen natürlichen Begabungen liegen in seiner Kindheit ganz sicher auch einige Antworten auf die Frage, wie er zu dem Menschen werden konnte, der er heute ist. 

Walter Isaacson beginnt seine Biografie über Elon Musk mit folgendem Satz: „Als Kind, das in Südafrika aufwuchs, kannte Elon Musk Schmerz, und er lernte, ihn auszuhalten“ (Isaacson 2023, S. 12). 

Was für ein Start für eine solche Biografie! Die extrem belastete Kindheit von Elon Musk wird hier gleich überdeutlich hervorgehoben. 

Die Geburt von Elon war laut seiner Mutter schwierig (Musk 2021, S. 105).
Eine zentrale Konfliktfigur war von Beginn an der Vater. Elon und auch sein Bruder Kimbal bestätigen, dass ihr Vater von einem Extrem ins nächste schwenken konnte. „In einem Moment sei er freundlich gewesen, im nächsten konnte er einen für eine Stunde oder länger gnadenlos misshandeln. Jede Schimpftriade pflegte er damit zu beenden, Elon zu erklären, wie erbärmlich er sei. Elon musste still dastehen und das Ganze über sich ergehen lassen“ (Isaacson 2023, S. 14). 

Elons Bruder Kimbal beschrieb, wie der Vater ihm und Elon drei bis vier Stunden Vorträge hielt, bei denen die Kinder nichts sagen durften (Vance 2021, S. 40f.). Genauere Details über ihren Vater wollten sowohl Elon als auch Kimbal dem Biografen Ashlee Vance nicht erzählen, „aber in den Jahren mit ihrem Vater haben sie eindeutig grundlegend schreckliche Dinge erlebt. Beide sprechen davon, einer Art psychologischer Folter ausgesetzt gewesen zu sein“ (Vance 2021, S. 41). 

Elon Musk sagte über seinen Vater u.a.: „Er ist vollkommen verrückt. (…) Er ist gut darin, das Leben unglücklich zu machen – das ganz bestimmt. Er kann jede Situation nehmen, egal, wie gut, und sie schlecht machen (…)“ (Vance 2021, S. 42). In einem Interview sagte Musk über seinen Vater: “He was such a terrible human being (…) You have no idea. (…) My dad will have a carefully thought-out plan of evil. (…) He will plan evil” (Strauss 2017). 

Dass Elon Musk als Kind emotional von seinem Vater misshandelt wurde, steht außer Frage. Doch wie sieht es mit körperlichen Übergriffen aus? Elon Musk sagte dazu: “My dad was not physically violent with me. He was only physically violent when I was very young” (Strauss 2017). Der Satz sieht auf den ersten Blick widersprüchlich aus, ist aber so und so ähnlich ganz klassisch für Menschen, die über Gewalt durch Elternteile berichten. Sein Vater sei nicht körperlich gewalttätig gewesen, außer halt, als Elon noch ganz klein war... Wir sollten den Vorsatz einfach streichen: Elon Musk hat als Kind auch körperliche Gewalt durch seinen Vater erlitten. (Der Vater sagte der Quelle nach übrigens, dass er seinen Sohn nur einmal geschlagen habe. Nun, ich finde, dass Elons Aussage da etwas anders klingt. Zudem nehme ich an dieser Stelle vorweg, dass der Vater Elons Mutter körperlich misshandelte. Er war durchaus zu häufigen und auch schweren körperlichen Übergriffen fähig). 

Elons zweite Frau erzählte später, dass Musk in einer schwierigen unternehmerischen Phase morgens um sich schlagend aufwachte und ihr von den schrecklichen Dingen erzählte, die sein Vater zu ihm gesagt hatte (Isaacson 2023, S. 16f.).
Elons erste Ehefrau Justine merkte an: „Wenn dein Vater dich ständig Schwachkopf und Idiot nennt, dann ist vielleicht die einzig mögliche Reaktion, alles in deinem Inneren abzuschalten, das eine emotionale Dimension eröffnet hätte, mit der du nicht hättest umgehen können“ (Isaacson 2023, S. 16). Der Biograf Walter Isaacson spricht an dieser Stelle nach weiteren Zitaten der Ex-Frau bzgl. Musk, von einer „posttraumatischen Belastungsstörung durch seine Kindheitserfahrungen“.
Dies alles sind Deutungen, die ich allerdings auf Grund der nachweisbar massiv destruktiven Kindheitserfahrungen für nachvollziehbar und auch berechtigt halte. 

Die Kindheit von Musk ist hoch politisch, denn wir reden hier nicht von irgendwem, sondern von dem reichsten Menschen des Planeten, der aktuell auch nach politischer Einflussnahme und Macht strebt. Sein Biograf zeichnet einen deutlichen Zusammenhang zwischen Musks Kindheit, seiner besonderen Art zu denken und seiner hohen Risikobereitschaft: „Elon wurde zu einem Menschen der Sorte, die sich am lebendigsten fühlt, wenn ein Hurrikan aufzieht“ (Isaacson 2023, S. 18). Gleichzeitig wurde seine persönliche Schmerzgrenze sehr hoch, was Musk selbst laut Isaacson so von sich gesagt hat. Dies alles kennen wir auch von Extremsportlern, die nach einer traumatischen Kindheit das Lebendigsein im Angesicht von hohen Risiken und Leistungen suchen. 

Die emotionalen Misshandlungen seines Vaters waren aber nicht die einzigen Belastungen, die Elon Zuhause erleben musste. Offensichtlich wurde er auch Zeuge von häuslicher Gewalt. Seine Mutter Maye berichtete über ihren Ex-Mann Errol: „Er schlug mich, auch wenn die Kinder dabei waren. Ich erinnere mich, dass Elon, der damals fünf war, ihm in die Kniekehlen schlug, damit er aufhörte“ (Isaacson 2023, S. 32). Maye berichtet ergänzend auch von emotionalen Misshandlungen, die sie durch ihre Ex-Mann erleiden musste.
Konkreter diesbezüglich wird sie in ihrem Buch: „In meiner Ehe mit ihm erklärte er mir mehrmals täglich, wie langweilig, dumm und hässlich ich sei“ (Musk 2021, S. 85). In den Jahren mit ihrem Mann sei ihr „Leben die Hölle“ gewesen (Musk 2021, S. 81).
Ihr Mann habe sie sogar geschlagen, während sie Auto fuhr.  Elon habe dann seinen Vater von der Rückbank aus geschlagen, damit dieser aufhörte (ZDFinfo 2023). 

Die Ehe mit ihrem Mann war für Maye Musk von Anfang an schwierig. Sie sei in den Flitterwochen mit ihrem Mann schwanger geworden. “Dort begann die Gewalt. Er beschimpfte und schlug mich, wenn ich ihm nicht gehorchte. Ich kam schwanger und mit blauen Flecken von der Hochzeitsreise zurück. Habe es meiner Familie aber verheimlicht“ (ZDFinfo 2023). Für mich stellt sich hier die Frage, ob Elon schon als Fötus Gewalt gegen seine Mutter miterlebt hat. Die Wahrscheinlichkeit dafür scheint hoch und solche Gewalterlebnisse sind nochmals ganz besonders prägend und schädigend für das werdende Kind und später nicht bewusst greifbar. 

Als Elon acht Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden. Elons Mutter hatte danach einen neuen Freund, der sie allerdings ebenfalls misshandelte: „Die Kinder hassten ihn …“ (Isaacson 2023, S. 34). Auch hier wird Elon erneut Zeuge von häuslicher Gewalt geworden sein.
Maye Musk selbst berichtet von einer Beziehung mit einem Mann, der stets wollte, dass sie dünner wurde und der mit Selbstmord drohte, als sie ihm den Verlobungsring zurückgeben wollte (Musk 2021, S. 96). Ob dies der selbe Mann war, der sie auch misshandelte, erschließt sich hier nicht. 

Als Elon zehn Jahre alt war, zog er zu seinem Vater, weil dieser in seinen Augen zu einsam war. Später bereute er diese Entscheidung. 

Im Alter von zwölf Jahren, wurde er in eine Art Überlebenscamp in der Wildnis verfrachtet. Größere Kinder schlugen die Kleineren. Die Kinder wurden sogar in zwei Gruppen aufgeteilt, die sich gegenseitig angreifen mussten. Mit sechszehn Jahren kam er erneut in das Camp, diesmal bereit, zurückzuschlagen, was er auch tat (Isaacson 2023, S. 12). Der Biograf führt nicht aus, auf wessen Veranlassung die Unterbringung in dem Camp stattfand. 

Als Kind sah Elon in Südafrika Gewalt und deren Folgen. Dazu gehörte u.a. auch der Anblick von einem getöteten Menschen auf der Straße (Isaacson 2023, S. 13).
Elons Vater selbst hat Menschen erschossen, die in sein Haus einbrachen: “ (…) in this one case, he says he shot and killed three out of five or six armed people who broke into his home, and was later cleared of all charges on self-defense” (Strauss 2017). In der Quelle ist nicht der Zeitpunkt ersichtlich. In einer anderen Quelle wird aber berichtet, dass Elon diese Gewaltszene miterlebt hat: „Eine weitere traumatische Erfahrung für Musk war ein bewaffneter Überfall auf sein Elternhaus. Es kam zu einer Schießerei im Wohnzimmer der Familie, Musks Vater Errol tötete die Eindringlinge. Musk war Zeuge des Blutvergießens, berichtete Space-X-Mitgründer Jim Cattrell, dem Musk die Geschichte erzählt hat (…)“ (Epp 2022). 

In der Schule war Gewalt ebenfalls verbreitet und Elon wurde häufig Opfer von Mobbing und auch Prügel. Einmal wurde er von Mitschülern so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus musste (Isaacson 2023, S. 13). In einem Interview wurde er gefragt, ob er in der Schule gemobbt wurde. Musk antwortete: „Fast tot geprügelt, wenn Sie das Mobbing nennen wollen“ (ZDFinfo 2023). 

Vance (2021, S. 45) beschreibt ebenfalls das Mobbing an der Schule (inkl. Prügel durch Mitschüler), das Elon drei oder vier Jahre ertragen musste. Sogar sein bester Freud wurde verprügelt, damit dieser nichts mehr mit Elon unternahm. Einmal wurde dieser Freund sogar dazu gebracht, Elon aus einem Versteck zu locken, damit Elon verprügelt werden konnte. Dieser Verrat habe Musk damals schwer getroffen, so Vance. 

Auf Grund der schlechten Erfahrungen in der Highschool schickte sein Vater ihn schließlich auf eine Privatschule. Allerdings herrschten auch dort raue und autoritäre Sitten, u.a. schlug man die Kinder mit einem Stock (Isaacson 2023, S. 40). 

Im Alter von siebzehn Jahren wanderte Elon Musk schließlich nach Kanada aus und begann seine Reise zum reichsten Menschen dieser Welt. 

(Übrigens: Wenn ich für Musk auf Grundlage der genannten Infos einen ACEs-Score (aus der Adverse Childhood Experiences Forschung mit erweitertem Fragebogen) ermitteln würde, käme ich auf sechs Punkte (falls sein Vater psychisch krank war, käme sogar noch ein Punkt hinzu...):
Psychische Misshandlungen, körperliche Gewalterfahrungen, Miterleben von Häuslicher Gewalt, Miterleben von Gewalt in der Nachbarschaft, Mobbingerfahrungen, Trennung der Eltern. Musk gehört somit laut ACEs-Forschung zur sogenannten Hochrisikogruppe bzgl. Gesundheits-/Verhaltensproblemen.)


Quellen:

Epp, E. (2022, 05. November). Mobbing, Gewalt und ein "böser" Vater – die schwierige Kindheit des Elon Musk. https://www.stern.de/lifestyle/leute/elon-musk--die-schwierige-kindheit-des-reichsten-manns-der-welt-32872934.html

Isaacson, W. (2023). Elon Musk. Die Biografie. C. Bertelsmann, München.

Musk, M. (2021). Eine Frau, ein Plan: Ein Leben voller Risiko, Schönheit und Erfolg. Benevento Verlag, München – Salzburg. 

Strauss, N. (2017, 15. November). Elon Musk: The Architect of Tomorrow. https://www.rollingstone.com/culture/culture-features/elon-musk-the-architect-of-tomorrow-120850/

Vance, A. (2021). Elon Musk. Tesla, PayPal, SpaceX. Wie Elon Musk die Welt verändert. FinanzBuch Verl, München. 

ZDFinfo (2023, 08. November). Elon Musk - Genie und Wahnsinn:. 2. Teil: Höhenflüge. (Doku-Film von Jeremy Llewellyn-Jones und Marian Mohamed) https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/elon-musk-genie-und-wahnsinn-hoehenfluege-100.html