Donnerstag, 28. Juli 2011

Attentäter Breivik: Natural born Killer?

I haven´t really had any negative experiences in my childhood in any way.”, schrieb der norwegische Attentäter Anders in einem mit sich selbst geführten Interview (innerhalb seines kranken „Manifestes“ auf Seite ca. 1387, dass ich glücklicherweise dank Suchfunktion nur sehr kurz lesen musste… ) im vollen Bewusstsein dessen, dass diese Zeilen nach seiner Tat gelesen würden, um nach den Ursachen zu suchen. (Nachtrag vom 20.04.2012: Und er blieb auch später diesem Satz treu. Bei einer Befragung durch die Staatsanwältin sagte er wörtlich: "Ich hatte eine gute Kindheit. Sie ist nicht der Grund dafür, dass ich ein militanter Nationalist bin."; vgl. SPIEGEL-Online, 17.04.2012)

Kann das stimmen? Kann ein Mensch, der zu solch brutalem, kaltblütigem Massenmord und Terror fähig ist, „keine negativen Erfahrungen“ in seiner Kindheit bzw. demnach also positive, liebevolle Erfahrungen gemacht haben? Dann wäre der Massenmörder Anders Behring Breivik sozusagen ein „natural born Killer“, einer, der „einfach so“ zum Killer wurde, quasi biologisch determiniert wohl auf Grund eines angeborenen kranken Geistes, dem später womöglich die falschen Bücher in die Hände fielen...

Wichtiger Nachtrag/Hinweis:  An dieser Stelle sei auf meinen späteren Beitrag Aage Borchgrevink: "A Norwegian Tragedy". Ein Lehrstück über die tieferen Ursachen von Terror. verwiesen, in dem viele Details von Breiviks traumatischer Kindheit ausgeführt sind. Ich lasse diesen älteren Beitrag hier trotzdem bestehen, weil er meine gedankliche Entwicklung in diesem Fall deutlich macht!

Der Psychologe Christian Lüdke sagte in einem aktuellen Interview mit WELT-Online zu diesem Terrorakt u.a.:
Die Ursachen gehen oft weit bis in die die frühe Jugend und Kindheit zurück“ um dann mit einem Komma anzuhängen „,etwa die Unfähigkeit, mit Enttäuschungen umzugehen.“ Mit einem solchen Nebensatz nimmt der Psychologe gleich wieder die Luft raus. Kein Wort von möglichem elterlichen Terror, Missbrauch, Demütigungen und Gewalt. Breivik lernte also womöglich als Kind nicht, mit Enttäuschungen umzugehen. Und das macht einen Menschen dann zum potentiellen Killer? Ich habe schon so oft Interviews von Psychologen zu Amokläufern und Kriegsverbrechern gelesen. Wenn überhaupt Andeutungen bzgl. der Kindheit auftauchen, dann bleibt es bei diesen leichten Andeutungen oder es folgen Ablenkungen, die das ganze wieder in eine ganz andere Richtung drehen, wie oben aufgeführt. Dabei sagt Lüdke auch: „Der Attentäter muss voller Wut und Hass sein.“ Wo aber kommt dieser abgrundtiefe Hass her? Keine Antwort vom Psychologen.

Ein anderer Psychologe wird von SPIEGEL-Online zitiert. Das ganze sei „ein biologisches Programm“, Experten nennen es kalte Aggression. "Der Täter befindet sich in einem Jagdmodus", erklärt Psychologe und Forscher Jens Hoffmann. „Er handelt kalkulierend und planend, die Emotionen sind komplett ausgeschaltet." Prinzipiell sei dieser Jagdmodus in jedem Menschen biologisch verankert, erklärt der Psychologe. „Einst benötigten ihn die Menschen für die Jagd nach Fleisch. Breivik aktivierte ihn, um Menschen zu jagen.“, schreibt SPIEGEL-Online. Auch hier wird wieder das Bild vom „Natural born Killer“ aufgemacht.

Der Gerichtspsychiater Reinhard Haller geht in seinem Interview erst gar nicht auf Ursachen ein, sondern beschreibt rein die gestörte Persönlichkeit.

Auf WELT-Online schreibt der Autor Henryk M. Broder: „Wer Lebensmittel im Supermarkt klaut, der hat Hunger, wer nachts Autos abfackelt, der hat was gegen Reiche, wer ein Kind missbraucht, der hatte selbst eine schwere Kindheit. Was aber hat einer, der als Polizist verkleidet Kinder und Jugendliche wie herumfliegende Tonscheiben abknallt? Wie wäre es damit: Spaß am Töten?“ Warum wird auch hier nicht ein Schritt zurückgedacht, wo doch das Thema Kindheit schon im Raum war?

(Nachtrag 23.08.11) „Wie ist es möglich, so ganz ohne Mitleid zu sein?“, fragt sich für Die Presse.com Thomas Kramar, um am Schluss zu schreiben: "Dass Grausamkeit nicht, wie noch vor 20Jahren viele glaubten – allen voran die Psychologin Alice Miller („Im Anfang war Erziehung“) –, nur eine (durch Erziehung und Kultur) erworbene Eigenschaft ist, darauf können sich heute die meisten einigen. Auf viel mehr nicht. Die Psychologie steht, so scheint es, weiterhin hilflos vor dem grausamen Bruder."

Nun, die Beispiele ließen sich sicher noch fortführen. Ich finde es immer wieder erstaunlich, warum sich die Gesellschaft so sehr davor sträubt, einfachste psychische Wahrheiten direkt auszusprechen und zu akzeptieren.

Ein oder zwei Tage vor dem Attentat in Norwegen fügte ich meiner Blogleiste folgendes Zitat von Prof. Dr. med. Peter Riedesser (der verstorbene ehemalige Inhaber des Lehrstuhls für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie und Direktor der Klinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) hinzu:
Die Biographie von Selbstmordattentätern "(...) muss geprägt sein von hohem destruktivem Potential, sonst wäre eine so rücksichtslose, zielgerichtete mörderische Planung nicht möglich. Wer eine wirklich gute Kindheit hatte, ist immun gegen die Verführung zum ideologisch motivierten Selbstmordattentat."

Das ist die simple Wahrheit. Wer eine wirklich gute Kindheit hatte, ist zu solchen und ähnlichen Taten nicht in der Lage. UND: Es gehört ein „hohem destruktivem Potential“ vor allem innerhalb der frühen Erfahrungen dazu, damit ein Mensch zu solchen Taten fähig wird. Ich habe in diesem Blog etliche Diktatoren und ähnliche Personen bzgl. ihrer Kindheit analysiert. (siehe hier) Ich bin von Anfang an davon ausgegangen, dass ich Gewalterfahrungen finden würde. Was ich fand übertraf all meine Vorstellungen, es waren nicht nur einfach Gewalterfahrungen. Es waren häufige, manchmal tägliche Bedrohungen und Demütigungen, Hohn, Missbrauch, schwere Vernachlässigung, schwere Schläge, überall Ausgrenzung, sich schlagend, streitende Eltern, tote Geschwister usw. usf.
Man wird nicht zum Massenmörder, wenn man ein paar mal von seinen Eltern geschlagen wurde oder ein Trennungskind ist. Die Menschen, die zu Massenmördern wurden und werden, erlebten schweren Terror, Hass und die reine Hölle bereits in ihrer Kindheit. Diese Geschichte führen sie auf die eine oder andere Art wieder auf. Hass und Gewalt ist die einzige Sprache, die sie von Geburt an lernten.

Diktatoren wurden aber auch über Jahre und Jahrzehnte analysiert und von Biografen skizziert. Entsprechend ließen sich hier einige nützliche Infoformationen finden. Bzgl. Anders Behring Breivik wird das schon schwieriger.

Seine Eltern trennten sich in England als er 1 Jahr alt war, schrieb er in sein "Manifest". Seine Mutter zog darauf mit ihren Kindern zurück nach Norwegen und leierte sich bald mit einem neuen Mann, einem Major in der norwegischen Armee. Anders beschreibt diesen Mann – seinen Stiefvater - als „primitives sexuelles Biest“, der viel Zeit „mit Prostituierten in Thailand“ verbracht hätte. Sein Stiefvater hätte mehr als 500 Sexualpartnerinnen gehabt, seine Mutter wusste darum und litt darunter, so Breivik. Sie fing sich dadurch auch eine folgenreiche Geschlechtskrankheit ein, aus der eine fatale Gehirnentzündung wurde, die den Verstand der Mutter auf das Niveau „einer Zehnjährigen“ reduzierte. („Auch eine seiner Halbschwestern habe sich mit einer solchen Krankheit angesteckt“, schreibt Caroline Fetscher, die für den Tagesspiegel das „Manifest“ durchgearbeitet hat. )
Zu seinem biologischen Vater hielt er losen Kontakt mit ca. einmal jährlichen Besuchen, so weit ich es verstanden habe. Ab seinem 15. Lebensjahr hätte er den Vater dann nicht mehr gesprochen und getroffen.

(Nachtrag:) Die Welt berichtet über die wohl bedeutsamsten Details aus Breiviks Kindheit:
Als Anders Behring Breivik vier Jahre alt ist, soll die Mutter die Kinderschutzbehörde um Entlastung gebeten haben, und ein Psychologe wurde benannt, um den Bedarf zu beurteilen. Aber Entlastung war dem Psychologen zufolge nicht genug. Er beurteilte die Situation als so ernst, dass er empfahl, den Jungen unverzüglich und dauerhaft in ein Kinderheim zu bringen. Der Psychologe war der Auffassung, dass die Mutter ein gefühlsmäßig instabiles Verhältnis zum Sohn hatte. Er fürchtete, dass das Kind psychischen Schaden nehmen könnte. Der Junge kam nicht ins Kinderheim. Aber der Vierjährige wohnte eine Zeit lang bei einer Pflegefamilie. Auch die Pflegeeltern sollen besorgte Meldungen abgegeben haben.“
Ich denke, dass hier der Schlüssel liegt. Leider sind bisher keine konkreteren Details bzgl. der Mutter-Sohn-Beziehung öffentlich geworden, was sich zukünftig vielleicht noch ändert. Ein abwesender, desinteressierter Vater, ein destruktiver Stiefvater und ein derart destruktive Mutter, dass ursprünglich sogleich eine Heimunterbringung im Raum stand. Bis heute (Stand 20.04.2012) ist vor allem letzteres Detail von den deutschen Medien – außer von der „Welt“ – ignoriert worden. Breivik titelte in seinem Manifest zu Beginn des Abschnittes „Planning the operation" - in dem er ausführte, wie einzelne Menschen Attentate vorbereiten sollen - mit den Worten „Violence is the mother of change“. Ein Satz, der in die Tiefe blicken lässt. (Nachtrag Ende 2012): Mittlerweile gibt es wieder neue Details. Belegt ist, dass Breivik als Kleinkind von seiner Mutter geschlagen wurde und sie vielfach ihm gegenüber geäußert hat, dass sie seinen Tod wünsche. Siehe mehr dazu hier.

Aufschlussreich fand ich auch folgenden Satz von ihm: „The Illusion about love in a relationship between a man and a woman is the sum of irrational feelings based on desire.“ Für Breivik gibt es keine Liebe, Mann und Frau kommen einzig dazu zusammen, Kinder zu bekommen, schreibt er an anderer Stelle. Diese Passagen erzählen uns etwas über die Atmosphäre in der Familie. Für Liebe war hier wohl kein Platz.

Sehr wichtig finde ich weitere Informationen, die Caroline Fetscher im Tagesspiegel (siehe Link oben) herausgearbeitet hat: Breivik gibt an, noch nie eine feste Beziehung zu einem weiblichen Wesen gehabt zu haben(, was psychologisch aufschlussreich ist und auf eine tiefe Bindungsstörung hinweist). Am wichtigsten finde ich allerdings die Info, dass der Attentäter schreibt, die körperliche Züchtigung von Kindern – in allen skandinavischen Ländern gesetzlich verboten – müsse wieder rechtens werden, damit die „traditionelle Familie“ sich neu etabliert. Hier findet sich DIE Andeutung dafür, dass er selbst körperliche Gewalt erlebt hat. Ein nicht geschlagenes Kind kommt später nicht auf Idee zu sagen: "Mir und anderen Kindern fehlten Schläge." Nur einst geschlagene Kinder idealisieren später die schwarze Pädagogik. Fetscher schreibt: „Von Adornos analytischen Studien zur autoritären Persönlichkeit, deren Erträge sich inzwischen im „Erziehungskartell“ ausgebreitet hätten, fühlt sich Behring Breivik merklich narzisstisch gekränkt, angegriffen, beleidigt und bedroht. Auf „servile“, beflissene Weise würden wegen solcher Thesen „Sensibilisierungstraining“ und „Sprachcodes“ in der Erziehung verwendet, die auf „Massenpsychologie“ basieren. Kinder würden daher nicht mehr „gemäß ihrer Geschlechterrollen und biologischen Unterschiede“ erzogen. Ja, ganz Europa sei auf dem Weg der „Feminisierung“.

Kinder, vor allem Jungen, müssen wieder härter in der Erziehung angepackt werden, könnte man hier auch zusammenfassen. Diese Sicht auf Erziehung verrät viel über das, was Breivik wohl selbst als Kind erlebt haben dürfte. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass der 32jährige immer noch bei seiner Mutter lebte und seinen Stiefvater, nachdem er ihn als "sexuelles Biest" bezeichnet und ihm Vorwürfe gemacht hat, gleichzeitig einen "guten, liebenswerten Menschen" nennt. Wenn Anders Breivik von beiden Gewalt auf die ein oder andere Art erfuhr, was ich für sehr sehr wahrscheinlich halte, dann hat er seinen Schmerz und seinen Hass ihnen gegenüber oder kurz gesagt das Opfer in sich abgespalten.

Wenn die Gesellschaft wirklich wissen wollte, was in der Familie des Attentäters alles vor sich ging, könnte sie es erfahren. Dafür müsste die Gesellschaft aber auch hinsehen wollen, sie müsste die richtigen Fragen stellen und umfassende Nachforschungen betreiben. Die obigen zitierten Medienberichte zeigen leider, dass dieses Hinsehen nicht immer gewollt ist.

Allerdings spricht bereits die grauenvolle, kaltblütige Tat als solche eine deutliche Sprache. Hervorheben möchte ich dabei, dass Breivik die eigentlichen erklärten politischen Feinde und Symbole „nur“ mit einer anonymen Bombe treffen wollte, während er den Kindern und Jugendlichen Auge in Auge gegenüber stand, während er sie tötete. Mehr noch, der Attentäter hatte sich als Polizist verkleidet und nach Augenzeugenaussagen Hilfe und Schutz angeboten, um die zu ihm kommenden jungen Menschen dann zu erschießen. Ein Polizist, der Freund und Helfer in Uniform, jemand, dem man sonst vertraut, er ist der Mörder. Ähnlich erleben es schwer misshandelte und missbrauchte Kinder. Ihre Eltern stehen für und sprechen von Liebe und Schutz, dann schlagen sie zu, missbrauchen, demütigen, im Namen der Liebe. Breivik hat seinem Manifest übrigens einige Fotos von sich angehängt. Mal sich mit Waffe, mal er in Uniform usw. Das letzte Bild zeigt ihn, wohl eine seiner Schwestern und seine Mutter in trauter Dreisamkeit. Für mich ist das sehr symbolisch, dass er ein Familienfoto an letzte Stelle stellt und dadurch besonders hervorhebt.

Mir fiel nach dieser Tat der Film „Natural born Killers“ von Oliver Stone ein, den ich als Jugendlicher einmal gesehen habe. Ich fand den Film damals ziemlich irritierend, schwer auszuhalten und merkwürdig. Ein junges Paar entdeckt den Spaß am Töten und zieht mordend – und von den Medien teils gefeiert - durch die USA. In Zwischenszenen, Flashbacks und Zeitsprüngen tauchen Erinnerungsblitze an die Kindheit der Akteure auf. Mallory wurde häufig von ihrem Vater sexuell missbraucht, ihre Mutter unternahm nichts dagegen. Gemeinsam mit ihrem Freund Mickey tötete sie ihre Eltern. Im Rausch erschießt Mickey in einer Wüste einen Indianer und erinnert sich dann an Misshandlungen durch seine Eltern und den Selbstmord seines Vaters. Der Film bekam damals viel Kritik. Dabei hatte er eine deutliche Message. Beide Massenmörder waren keine „Natural born Killers“, nicht von Natur aus böse. Der Titel legte dies nahe, im Film erfuhr man allerdings die wirklichen, tieferen Hintergründe. Die lustvollen Mörder wurden einst dazu geformt, durch Gewalt, Missbrauch und Terror in ihrer Kindheit. Der Film und sein Titel zeigten der Gesellschaft, was die tieferen Ursachen der Gewalt sind. Auch damals wurde das nicht richtig verstanden.

Eine interessante Studie, zitiert am 23.07.11 vom Tagesspiegel möchte hier noch erwähnen: „In einer Studie des Bundeskriminalamts und der Universität Duisburg/Essen – „Die Sicht der Anderen“ – wurden 24 Rechtsextremisten, neun Linksextremisten und sechs Islamisten, alle mit Gewalterfahrungen, eingehend befragt. Ihnen allen war gemeinsam, dass die Wurzel ihres Hasses in der Kindheit und der gestörten Beziehung zu den Eltern liegt. Gewalt gehörte schon früh zum Alltag. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es bei den meisten Befragten Zufall war, welcher Ideologie sie sich anschlossen. Es hing davon ab, welche extremistische Gruppe ein soziales Kontaktangebot schuf.

Das ist genau das, was ich schon oft geschrieben habe, Zufälle, äußere Rahmenbedingungen und Möglichkeiten entscheiden über die Farbe der Gewalt, die Ursachen liegen immer in der Kindheit.

16 Kommentare:

ShoBeazz hat gesagt…

hm... ich halte das Erklärungsmodell "schlechte Kindheit" hier für wenig zielführend - einmal, weil monokausale Erklärungen seltenst zu etwas führen, und zum anderen (wie hier im Blog ja auch oft umrissen), weil "schlechte Kindheiten" etwas dermaßen Häufiges sind, daß sie im Grunde wenig aussagen.

Wir haben bisher wenig Informationen über Breivik (das wird sich ändern), zumal er gewissermaßen noch "aktiv" ist - er sitzt zwar im Knast, hat aber noch Handlungsoptionen (zb. inwiefern er bisher zurückgehaltene Infos preisgibt, auch über eventuelle Mitwisser; und er kann auch nach wie vor inhaltliche Aussagen machen, auch wenn man verzweifelt bemüht ist, ihm "keine Bühne" geben zu wollen). Daher wird jetzt viel spekuliert, und meistens monokausal.

Was mir am plausibelsten erscheint (bisher) dürfte eine Kaskade von aufeinander aufbauenden Entscheidungen/Ereignissen sein, die den selbstempfundenen Möglichkeitsraum immer weiter verkleinerten - im Grunde etwas, was die meisten Menschen in ihrem Leben durchmachen (das Treffen einer Entscheidnung, privat, beruflich oder sonstwie, bedeutet idR die Absage an einen anderen Weg).

Eine beispielhafte "Entscheidungsfolge" wäre hier vllt. (1)"schlechte Kindheit" im weitesten Sinne (2)--> soziopathisches/narzisstisches Persönlichkeitsbild (an diesem Punkt stehen durchaus noch Optionen für ein "bürgerliches Leben" offen) (3a)--> Anschluß an radikale Milieus (3b)--> Probleme, stabile zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen (das evtl. zeitgleiche Eintreten von 3a und 3b könnte ein wichtiger Wendepunkt sein, denn wie oft kommt beides vor? Viele Mitglieder radikaler Gruppen haben funktionierende soziale Beziehungen, andersrum sind Menschen mit sozialen/Bindungsproblemen mmn selten aktive Mitglieder radikaler Gruppen), (4)--> die radikalen Inhalte nehmen einen bedeutenden, primären Raum in seinem täglichen Denken ein (logisch, als Resultat), was eine weitere Verselbständigung des Prozesses bedeutet. (Ungefähr zeitgleich findet der 11. 9. statt mit der nachfolgenden weltweiten Anti-Islam-Stimmungsmache, die Breivik und seinen Gesinnungsgenossen das Gefühl gibt, nicht allein zu sein.)

ShoBeazz hat gesagt…

Ob nach (4) noch weitere entscheidende Momente kommen ist schwer zu sagen. Ich finde es allerdings bedenklich, wenn jetzt Rechtskonservative (um von ihrer eigenen Mitverantwortung abzulenken) die Karte "psychisch krank" ausspielen - Broder macht nichts anderes, indem er "Lust am Töten" unterstellt. Tötungsbereitschaft kann man lernen (auch wenn eine soziopathische Anlage, die ich bei Breivik wie gesagt vermute, dabei sehr hilfreich sein dürfte), das können von Soldaten über Islamisten bis zur RAF alle möglichen Leute bestätigen.

Was nach (4) kam, könnte allerdings eine nach und nach sich verfestigende Unmöglichkeit sein, den Weg noch zu ändern - Breivik hatte bereits viel zu viel Lebenszeit/energie/Emotion/whateverinvestiert, um sich überhaupt noch vorstellen zu können, umzukehren - und wohin auch? Sein "Kampf" füllte bereits seine Existenz aus, er hätte nur Leere hinterlassen, hätte er ihn aufgegeben. Seine perfekte Maske zusammen mit seiner Überzeugung und sozialen Reserviertheit war vllt das Verhängnis - hätte er zwischenzeitlich eine Krise erlebt und sich dabei Freunden anvertraut, wäre das ganze Gebäude eventuell zusammengebrochen. Aber er war sich immer sicher, wie es aussieht.

Und warum er ausgerechnet jetzt zuschlug? Mw hat er sich dazu bisher nicht geäußert, aber irgendwelche Zusammenhänge mit anderen Ereignissen oder eine symbolische Bedeutung sehe ich da nicht... vermutlich hatte er endlich genügend Material für die Bombe gesammelt (was unauffällig, für seine "Geofarm", nur in kleinen Mengen über größere Zeiträume ging)... auch hier spielt also der lange Zeitraum, in dem ihn nichts von seinem Vorhaben ablenken oder sein Denken ändern konnte, eine Rolle.

Soviel küchenpsychologische Ferndiagnose erstmal :-b. Mir ist klar, daß eine solche Interpretation gerade in Politik und Medien nicht gut rezipiert wird (ähnlich wie deine, auf Kindheitsereignisse konzentrierte), einfach weil beide Sichtweisen keine Anschlußkommunikation mit gängigen politischen Werkzeugen (mehr Überwachung, Verbot von XYZ usw.) ermöglichen. Stoltenberg hat die richtigen Worte gefunden, um den sinnvollsten Umgang mit solchen Ereignissen bzw. deren Vermeidung zu beschreiben... nur sind das für die 90% der Politiker (und Medienmeinungsmacher), deren Werkzeuge vor allem Schablonen sind, böhmische Dörfer...

Anonym hat gesagt…

Wenn er Kinder oder eine Freundin gehabt hätte, dann hätte er wohl dort seinen destruktiven Hass abbauen können und wäre nicht zum Massenmörder geworden!

Sven Fuchs hat gesagt…

1. Teil @ShoBeazz

Erst einmal freue ich mich über Deinen langen Beitrag und Deinen Kommentar!

Zugegeben wirkt dieser wie andere Beiträge von mir auch monokausal. Ich denke aber nicht so eindimensional. Für mich ist die Kindheit das Fundament oder die Wurzel. Darauf baut alles auf. Äußere Einflüsse und alles andere, was die Wissenschaft bzgl. Ursachen von Gewalt und menschlichem Verhalten erforscht hat, sind auch wichtig und beeinflusst den Weg eines Menschen.

Mein wesentlicher Ansatz ist aber der, dass ich davon überzeugt bin, dass wenn Menschen als Kinder keine Gewalt erlebt haben, bestenfalls sogar echte Liebe und Geborgenheit erfuhren, sie niemals zu solchen Taten fähig wären. Wenn das Fundament gesund ist, wir sich auch der weitere Aufbau konstruktiv weiterentwickeln. Äußere Einflüsse wirken auch dann, aber niemals in die Richtung, die solche Taten ermöglicht. Um in Deinem Bild zu bleiben: Wenn (1) einigermaßen gut ist und vor allem gewaltfrei, dann kein (2), kein (3a)/(3b) und kein (4).

Sven Fuchs hat gesagt…

2. Teil @ShoBeazz

„weil "schlechte Kindheiten" etwas dermaßen Häufiges sind, daß sie im Grunde wenig aussagen.“

Diese Kritik höre ich oft. Allerdings ist doch klar, dass nicht jeder schwer misshandelte Mensch zum Amokläufer wird. Sonst hätten wir in der Tat täglich solche Ereignisse. Es gibt dabei aber eine Ausnahme. In Kriegszeiten holen die Menschen den Mörder und Hasser in sich hervor, lassen alles raus, was sie sonst weit abgespalten haben. In Kriegszeiten haben wir eine Situation, wo massenhaft Menschen zu offenen Psychopathen und kaltblütigen Mördern werden. Das ist das eine.

Das andere ist, dass menschliche Gesellschaften unzählige Angebote entwickelt haben, um hassenden, destruktiven Menschen eine Ausdrucksform zu geben. Der eine blüht in der SM Szene auf, der andere misshandelt die eigenen Kinder, ein weiterer sorgt durch politische Entscheidungen dafür, dass in Entwicklungsländern hunderte ja tausende Menschen sterben, ein weiterer arbeite in der Rüstungsindustrie und entwickelt Streubomben und Landminen, ein Bauer misshandelt und quält seine Tiere. Die Beispiele ließen sich fortführen. Sprich der ganz normale Wahnsinn um uns herum.
Insofern sagt das destruktive Drum Herum in unserer Gesellschaft sehr viel darüber aus, was früher in vielen Kinderzimmern los war.

Das weitere ist, dass mir natürlich auch Menschen bekannt sind/waren, die schlimmes als Kind erlebten und die ihr Leben wirklich im Griff haben und ihre Wege gehen. Aber hinter diesen Menschen liegt auch eine Menge psychischer Arbeit. Und in ehrlichen Momenten sagen sie: „Als ich 17 Jahre alt war, fühlte ich einen solchen Hass auf alles, ich hätte jemanden umbringen können.“

Sven Fuchs hat gesagt…

"Wenn er Kinder oder eine Freundin gehabt hätte, dann hätte er wohl dort seinen destruktiven Hass abbauen können und wäre nicht zum Massenmörder geworden!"

Das kann sein. Muss aber nicht. Auch Stalin misshandelte seine Kinder, Bush Senior auch, Tony Blair schlug seine Kinder, soweit ich weiß ließ Saddam Hussein seinen Söhnen auch eine brutale Erziehung beikommen. Manchmal scheint es so zu sein, dass solche Menschen einfach alles zerstören müssen, sich selbst, ihre Familie, das Umfeld, Länder und so weit in ihrer Macht liegend sogar die halbe Welt.

borderline44 hat gesagt…

@Shobeazz - Zitat: >>> "hm... ich halte das Erklärungsmodell "schlechte Kindheit" hier für wenig zielführend" <<<

Ich schreibe immer zu viel, daher mache ich es kurz :-D bzw. versuche es.

Ich verweise auf meine Blogeinträge:

- Oslo -oder: was der Täter EIGENTLICH erzählt ...
- Der lange Weg zur gewaltFREIEN Erziehung ...

und Leserbrief an Alice Miller, vom 16. Juni 2006:

"Die Täter von morgen?"

Warum das vorhandene Wissen bagatellisiert wird, geht aus meinen aufgezeigten Inhalten hervor. Wir sind alles Opfer unserer Eltern, auch wen wir es nicht wahrhaben möchten, weil der Beweis ist wie wir sind.

Niemand kann abstreiten, dass die Gesellschaft gewalttätig und ignorant und völlig empathielos ist und künstlich einen Mangel im Überfluss erzeugt:

7 Billionen Vermögen und 2 Billionen Schulden und trotzdem wird behauptet "kein Geld da" und wir könnten 12 Milliarden Menschen ernähren und trotzdem stirbt alle 5 Sekunden ein Kind an Hunger - s. Jean Ziegler auf meiner HP (meine Bitte an Sven Fuchs dieses Thema mal aufzugreifen),

um u.a. auf den emotionalen Mangel in der Kindheit zu verweisen (-die Mutter war ja da ...).

Um die Pferde zu verstehen, braucht es die Liebe zum Pferd, mit Verweis auf Monty Roberts, den Pferdepflüsterer. -und warum verstehen die Menschen einander nicht? Warum hassen die Menschen sich und woher kommt all die Wut, die unsere Gesellschaft und Politik so destruktiv sein lässt und die immer wieder Gewalt erzeugt. Wir brauchen mehr Menschenpflüsterer.

Der Grad vom Opfer zum Täter des einst erlittenen zu werden ist sehr schmal. -und wer sich selbst gegenüber ignorant ist, wendet die Ignoranz auch anderen gegenüber an. Wer sich also selbst behandelt, wie die Eltern der Kindheit, ist ein Täter, wenn die Eltern destrutkiv - ignorant - empathielos waren. Nur wer fühlt, ist in der Lage Recht von Unrecht zu unterscheiden.

Dass es den § 1631 BGB (ZüchtigungsVERBOT s. dazu meinen Blogeintrag: Der lange Weg zur GewaltFREIEN Erziehung) erst seit 11 Jahren gibt, zeigt wie wenig wir bereit sind, Gewalt als solche zu erkennen und wie wenig wir bereit sind, die Eltern als Täter sehen zu wollen, auch wenn sie es sind. Die Mehrheit der Menschen hofft, dass die Gewalt der Eltern aus Liebe geschah und wendet sie selber an.

Es gibt sehr viele Unternehmen, die auf Kosten anderer leben und sehr viele Menschen die Gewalttätig gegenüber sich selber sind, um ihre Eltern nicht zu sehen, wie sie waren, bzw. die sich die Schuld für die Taten ihrer Eltern geben:

die Raucher (destruktiv gegenüber sich selbst und Anderen) und die Zigarettenindustrie (als Täter: gewalttätig und manipulativ gegenüber anderen, benutzt Menschen) um nur ein Beispiel zu nennen. So lange die Menschen Gewalt nicht erkennen möchten, um die Eltern (Zigarettenindustrie) der Kindheit zu schonen und die Schuld der Eltern auf sich nehmen (Raucher), wird es immer zu wenig wissende Zeugen i. S. Alice Miller geben (s. meine HP: Helfender Zeuge), die verhindern können, dass es Täter wie Breivik oder Amokläufer wie in Winnenden -und überhaupt: Raucher und eine Zigarettenindustrie gibt.

Es ist leider sehr einfach: die Gewalt erzeugen wir: die Eltern und wir, die Gesellschaft, dadurch wir die Eltern schützen und damit uns und die Menschheit opfern.

Deswegen bin ich auch wütend auf den Aufschrei, wenn ein Mord passiert, weil es einfach nur zeigt, dass nicht einmal der Spiegel ausreicht, hinsehen zu wollen. -aber wer meine Blogeinträge und Ausführungen zu diesem Thema liest, hat ja die Möglchkeit zu erkennen, warum das alles so ist und wie wir das verhindern können, dass wir uns gegenseitig vernichten.

Mit traurigem Gruß
borderline44

Anonym hat gesagt…

Sven Fuchs, ich lese Deine Beiträge in größter Dankbarkeit!!!! Endlich eine Person(vielleicht ein Tropfen auf den heißen Stein, für mich jedoch ein Geschenk), die die richtigen Fragen zu dieser Angelegenheit stellt. Es ist doch auch hier wieder so, wie wenn man zum Arzt geht, weil man monatelang unter Kopfschmerzen leidet(nur ein Beispiel) und der einem gelangweilt ein Schmerzmittel verschreibt, ohne auch nur im Ansatz die Ursache zu hinterfragen. Die Wurzel muss man reissen, wenn man Unkraut vernichten will. Aber es stehen wieder nur Profilierungssucht und Sensationsgeilheit auf dem Plan, wie immer. Die Kindheitsdebatte ist für die meisten doch einfach nur unspektakulär, wobei ich da eher den Eindruck gewinne, dass diese Leute diesem sehr komplexen und durchaus schwierigen Thema einfach nur nicht gewachsen sind. Auch Psychologen sind nicht immer das, was man ihnen zuspricht.

Anonym hat gesagt…

Borderline44!
Bin der Meinung, Eltern die keinen angemessenen Zugang zu ihren Kindern finden, wie es auf Breivik und dessen Eltern offensichtlich zutrifft, sollten hart bestraft werden. Aber seine Mutter hat sich direkt verpisst und bekommt noch Blumen des Mitgefühls niedergelegt. Und sein Vater zieht sich aus der Affäre mit den Worten : "Er hätte sich lieber selbst umbringen sollen... Ich will ihn nie wieder sehen." Sehr bezeichnend finde ich. Da mischt die Pure Angst mit, nun selbst zur Zielscheibe zu werden. Aber die Allgemeinheit empfindet das als normal bzw. lässt man es einfach so stehen, weil es ja bequemer ist. Was machen wir da?

Sven Fuchs hat gesagt…

Hallo Anonym vom 21.08.,
erst einmal denke für die positive Kritik. Mich freut es immer sehr, wenn meine Gedanken zu dem Thema bei Leuten ankommen.
Ich möchte an dieser Stelle nur Deine Gedanken in Richtung „Bestrafung der Eltern“ aufgreifen.
Ich bin grundsätzlich dagegen , Eltern real juristisch dafür zu bestrafen, wenn ein Zusammenhang zwischen ihren destruktiven Erziehungsmethoden und späterem Gewaltverhalten der eigenen Kinder festgestellt werden kann. Für das eigene Gewaltverhalten trägt immer der Gewalttäter die Verantwortung und das sollte auch so bleiben.

Jeder Mensch, der als Kind schwer misshandelt wurde, kann nichts dafür, wenn er später Gewaltfantasien hegt oder davon träumt, Menschen zu töten. Wer solche Fantasien entwickelt hat, kann sich allerdings immer Hilfe suchen oder auch andere Wege gehen. Wer sich keine Hilfe sucht, sondern die Fantasien in die Realität umsetzt, muss dafür die Verantwortung übernehmen.

Allerdings kann man Eltern von Gewalttätern moralisch aburteilen, indem ihre Taten an ihren Kindern aufgezeigt werden. Das wäre eine andere Sache, vor allem auch Sache der Medien.
Ich persönlich denke über Strafen nicht sonderlich viel nach. Auch nicht über Therapien von Tätern. Ich denke vor allem an die Prävention! Prävention von Gewalt ist immer eine Investition in Kinderschutz und Jugendarbeit. Investitionen in Eltern und öffentliche Aufklärung wo es nur geht. Wenn die Dinge, über die ich hier schreibe (und über die andere noch viel mehr geschrieben haben), öffentlich allgemein anerkannt und wirklich gesehen würden, wäre die gesamte Gesellschaft bemüht, die Kräfte und all ihren Schutz auf die Kinder zu lenken.

Anonym hat gesagt…

Sven Fuchs! Vielen Dank für Deinen schnellen, aber durchaus interessanten Beitrag. Ich habe das Gefühl, einen Menschen gefunden zu haben, dessen Argumente es tatsächlich wert sind, sich darüber Gedanken zu machen. Frasen wie "Das kannst Du doch so nicht sagen" oder ähnlich plumpes Geschwätz, belustigen mich eher. Nun gut. Lass mir etwas Zeit, meine Gedanken dazu neu zu mischen.

Anonym hat gesagt…

So, nach umfangreichem Hin und Her bin ich zu der Ansicht gekommen, dass es unbesteitbar möglich sein sollte, Eltern mehr in die Pflicht zu nehmen. Prävention ja. Aber diese Wurst muss man von beiden Seiten anbeißen. Wo fängt sie an, wo hört sie auf? Bei einer Scheidung sollte richterlich verfügt werden, dass die Parteien verpflichtet sind, ihre Kinder vortan, bis zum Erreichen ihrer Volljährigkeit, in vorgegebenen Zeitabständen einer psychologischen Untersuchung zuzuführen. Bei Nichteinhaltung sind diese Eltern/ beide Parteien zu bestrafen. In Breiviks Fall, wie auch in vielen anderen Fällen, hätte genau das die Wende gebracht. Eltern haben nicht nur ihren Kindern gegenüber eine Verantwortung, sondern auch der Gesellschaft gegenüber. Und da nicht alle Eltern in der Lage sind, diese Verantwortung konsequent zu verfolgen, muss man ihnen Hilfen wie diese eben aufzwingen. Ewige Ansprachen an die Vernunft jedes Einzelnen sind nicht effektiv. Breiviks Eltern nicht öffentlich zu bemittleiden wäre ein Anfang. Reicht aber nicht. Ta Ta

Anonym hat gesagt…

Zusatz: Im Übrigen muss es nicht unbedingt der Fall sein, dass Breivik in seiner Kindheit geschlagen wurde. Was sein Vater ihm antat, indem er ihn mied, ist vergleichbar mit folgender Situation: Kopf abreißen und in den Hals kotzen. Die Psyche wird da wieder unterschätzt.

Sven Fuchs hat gesagt…

Teil 1: Ich glaube ebenfalls, dass auch nicht-körperliche Gewalt schwerwiegende Folgen für Kinder (und insofern die späteren Erwachsene) hat. Im Fall von Breivik kann ich mir allerdings nicht vorstellen, dass die Ablehnung und Abwesenheit des biologischen Vaters hier die zentrale Rolle gespielt hat. Dafür war die Tat als solche zu brutal, zu kaltblütig, zu mörderisch. Die Tat verrät uns etwas über den abgrundtiefen Hass und das absolute Nicht-Fühlen des Täters. Ablehnung durch den eigenen Vater schmerzt, erzeugt auch Wut, zum Teil auch Hass. Aber das reicht nicht aus, um zu solch einem Massenmord fähig zu werden. Es bedarf massiver, langfristiger, den Menschen tief spaltende Gewalt in der einen oder anderen Form, damit jemand derart bösartig handeln kann. Der biologische Vater konnte ablehnen, aber er hatte auf Grund seiner Abwesenheit fast keine Chance, alltägliche Übergriffe gegen seinen Sohn zu richten. Diese Chance hatten nur die Anwesenden: Seine Mutter und der Stiefvater.

Sven Fuchs hat gesagt…

Teil 2:
Zur Prävention: Ich bin da kein Experte. Leute aus der Praxis sind da sicher ergiebiger in ihren Vorschlägen. Verpflichtende psychologische Untersuchungen bei Trennungskindern lehne ich persönlich ab. Viele Trennungskinder kommen sicherlich gut durchs Leben, weil sie z.B. einen anwesenden, sich kümmernden, liebevollen Elternpart haben. Ich glaube, dass es mehr bringen würde, die Leute, die mit Kindern tagtäglich zu tun haben – ErzieherInnen, LehrerInnen, JugendgruppenleiterInnen usw. – bzgl. des Themas Kindesmisshandlung zu schulen. Insbesondere sollte auch vermittelt werden, dass auffälliges Verhalten (z.B. Gewalt gegen Mitschüler, Tiere oder sich selbst) nicht etwas ist, was normal ist, sondern was Ursachen hat. Wie Kinder sich verhalten verrät viel über das, was sie zu Hause erleben.

Anonym hat gesagt…

Hallochen,
glaub mir, so viel Gewalt hat unser Herr Breivik nicht erlebt. Da müsste ich jetzt aber sehr weit ausholen. Das sprengt die Seite.
Prävention muss in vielen Bereichen stattfinden. Psychologische Untersuchungen sind da lediglich ein Beispiel. Natürlich kommen viele mit der Trennung ihrer Eltern klar. Denen ihr Gespräch beim Psychologen würde dann eben sehr kurz ausfallen. Is doch nicht schlimm. Wahrscheinlich sind das aber genau die Kinder, deren Eltern sowieso auch von allein drauf kommen, dass man mit einer solchen Situation sensibel umgehen muss. Mir ist schon klar, dass dann auch vernünftige Menschen insofern ein Opfer geben müssten, dass sie eben auch solche Termine wahrnehmen müssen. Wie soll man sonst die andere Seite herausfiltern. Aber dazu ist eben keiner Bereit, für die allgemeine Sicherheit hier und da ein Opfer zu bringen. Alle fühlen sich gleich persönlich angegriffen, wenn man ihnen eine solche Vorschrift machen würde. Was für´n Quatsch. Wenn es um die physische Gesundheit geht, rennen ja auch alle zu Vorsorgeuntersuchungen. Die Psyche des Menschen wird brutal unterschätzt. Die Menschen sollten sich allgemein auf dieses Thema sensibilisieren und was Vorurteile angeht desensibilisieren.
Es gibt nun einmal viele viele Menschen, die nur aus einer Peinlichkeit heraus niemals einen Psychologen aufsuchen würden. Warum in Gottes Namen? Warum ist das so ein Drama? Diese Leute sind darauf geschult, Impulse setzen zu können, dass Psychische Störungen erst gar nicht richtig aufkeimen können. Wenn man zur vierteljährlichen Kontrolle beim Zahnarzt rennt und der ma nix findet, freut man sich. Wenn man zum Psychologen rennt und der einem sagt:" sie brauchen sich keine Gedanken machen" is es doch auch gut. Aber die Menschen sind träge und fühlen sich einfach zu sicher. Solange die Katastrophen weit weg sind, fühlen sie sich eben einfach nicht angesprochen und sind auch nicht bereit, an sich und in ihrem Leben was zu verändern. Es sind immer die andern, die was tun müssen.Die Gesellschaft. ja ja Wir sind die Gesellschaft!!!!! Ich bin es! Du bist es! Einer muss ma irgendwo den Anfang machen. Und sich ab und zu ma Hilfe bzw. proffesionelles Feedback zu holen, halte ich durchaus für eine überwindbare Hürde. Leg Dich wieder hin!