Mein „Grundwissen“ über Korsika lernte ich als Kind durch den Comic „Asterix auf Korsika“. Ich erinnere mich noch, dass mich die düstere Atmosphäre, die in diesem Comic bzgl. der Sitten und Charakterstruktur „der Korsen“ aufgebaut wurde, als Kind etwas befremdete und ich Angst hatte. Ich habe als Kind alle Asterix Bände gelesen. „Asterix auf Korsika“ war der einzige Band, bei dem ich Angst hatte und den ich etwas unheimlich fand. Bei Asterix wird ja allgemein viel gerauft und geschlagen. Der Humor bleibt dabei aber meist im Vordergrund. Wenn die Korsen im entsprechenden Asterix Heft ihre Messer rausholten, fand ich das als Kind nicht witzig, sondern bedrohlich.
Meine nächste Begegnung mit Korsika hatte ich, als ich mich mit der Kindheit von Napoleon Bonaparte befasste. Demnach war traditionell auf Korsika die Kindererziehung rein Sache der Mütter. Im Falle von Napoleon war die Erziehung von schwerer Gewalt durch seine Mutter und Abwesenheit des Vaters geprägt.
Mein Wissen beschränkt sich hier im Grunde auf diese zwei Infos: Das Bild bzw. Vorurteile über „die Korsen“ und eine Kindheit als Fallbeispiel.
Mein Bild über Korsika konnte ich noch etwas erweitern. Die Geschichte Korsikas ist von Gewalt geprägt. Innerhalb von 25 Jahren vor dem Jahr 2000 kam es auf Korsika laut SPIEGEL zu ca. 10.000 Sprengstoffattentaten und ungefähr 220 Morden. "Auf Korsika", meldete ein Präfekt schon 1874, "stößt der Mörder auf der Flucht nicht auf die gleiche Ablehnung wie in Frankreich. Man hilft ihm." Das gilt noch heute, schreibt der SPIEGEL weiter. Ein Lokalpolitiker wird wie folgt zitiert: "Auf Korsika weiß immer jeder, wer die Mörder und die Attentäter sind. Aber Korsika schweigt." (vgl. DER SPIEGEL, 04.09.2000, „Das Gesetz des Schweigens“)
Auf einer privaten Seite, die sich intensiv mit Korsika befasst, fand ich folgendes: „Der amüsante Comic »Asterix auf Korsika« zeigt die Korsen als ehrbesessene Sturköpfe, denen das Messer locker sitzt. Stolz und Ehrgefühl sind Wesenszüge vieler Korsen, deren Entstehung hier nicht rückverfolgt werden kann.“ und „Die Korsen lebten jenseits von Recht und Gesetz und regelten ihre Angelegenheiten untereinander - oftmals mit dem Gewehr.“ Die Betreiber der Seite schreiben, dass im 18. Jh. Blutracheexzesse 30.000 Opfer gekostet hätten (was ich nicht weiter nachprüfen konnte). Unter dem Stichwort Vendetta (korsische Blutrache) fand ich im Marcopolo Reisführer folgendes: „Die Wahrung von Ehre und Recht nahmen die Korsen früher nach Kräften selbst in die Hand. Nach ihrem Ehrenkodex war ein Mann verpflichtet, schwere Kränkungen durch Mord zu rächen. Dieses Vendetta genannte Vergeltungsrecht erlebte seinen Höhepunkt in der ersten Hälfte des 19. Jhs., als die Zahl der durch Blutrache Ermordeten auf über tausend im Jahr anstieg und unzählige „Ehrenbanditen“ sich in der Macchia versteckt hielten.“
Über die korsische Blutrache fand ich hier und da auszugsweise weitere Artikel, die mich aber nicht wirklich weiter brachten. Fest steht wohl, dass noch im 18. und 19. Jahrhundert die Blutrache auf Korsika relativ weit verbreitet war.
In einem Online-Forum fand ich einen Bericht aus dem Jahr 2009:
„Ich bin auf Korsika in Urlaub und erlebe die aggressive Bevölkerung dort. Mit Überraschung. Frauen schreien unbeherrscht fremde Touristen an. Wegen Falschparkens. Die Leute streiten sich offen auf der Straße, ich verstehe kein Wort, aber ich spüre die heftige Aggression. Die fast zu allem bereite Aggression. Ein Rätsel für mich. Ich lese im Geschichtsführer über Korsika. Die aggressive Geschichte dieses Volkes.“
Interessant fand ich auch den SPIEGEL Bericht „Korsika geht unter“ von Lutz Krusche „über Terror, Blutrache und Nationalstolz auf der "Insel der Schönheit". „ Hier wird die Gewalt vor Ort noch mal etwas weiter beleuchtet.
Die Vorurteile im Asterix Band fand ich also bestätigt. Die Korsen regelten ihre Angelegenheiten oftmals mit Gewalt, was sich wohl auch heute noch auf die korsische Gesellschaft auswirkt. Keine Zahlen fand ich über die Verbreitung von Kindesmisshandlung und die Kindererziehungspraxis auf Korsika. (Leider kann ich kein Französisch. Sicherlich ließen sich hier Infos auch online finden.) Insofern bleibt mein einziger Anhaltspunkt die gewaltvolle Kindheit von Napoleon Bonaparte.
Allerdings: Auf Grund der belegten korsischen Gesellschaftstruktur, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass sich auf Korsika die Kindererziehung nicht so weiterentwickelt hat, wie z.B. auf dem französischen Festland. Ich gehe stark davon aus, dass Napoleons Kindheit kein Einzelfall auf Korsika war (und ist?).
Korsika wäre insofern ein extrem interessantes Forschungsgegenstand, da es sich hier um eine Insel handelt, die relativ abgeschottet gegen Einflüsse von Außen war. Wenn sich hier und da Eltern fanden, die andere Erziehungspraktiken ausprobieren wollten, werden sie es auf einer Inseln mit ihren dörflichen Strukturen besonders schwer gehabt haben. Man stelle sich z.B. einen korsischen Vater zur Zeit Napoleons vor, der sich für seine Kinder interessiert und für sie da sein will. Die Gemeinschaft um ihn herum hätte ihn sicher schnell an die „Regeln“ und die Tradition „erinnert“.
Korsika ist vielleicht ein gutes Beispiel dafür, wie auch geographische Bedingungen und sozial enge Strukturen eine schnelle Evolution der Kindererziehungspraxis erschweren können. Um die Evolution von Kindheit und Psyche besser erforschen zu können, halte ich eine Erhellung der Geschichte von Kindheit auf Korsika für ganz besonders wichtig! Mir persönlich fehlen die Mittel und die Zeit dafür. Vielleicht kann ich ja andere dazu anregen, hier weiter nach Infos zu suchen.
Sonntag, 10. Juli 2011
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
2 Kommentare:
vielleicht eine ergänzung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Mateo_Falcone
hatten wir im französisch-unterricht... ich fand das ziemlich heftig.
Danke. Das macht das Bild einmal mehr runder.
Kommentar veröffentlichen