„Von seiner Familie hatte Einstein Nestwärme, Unterstützung und Anerkennung erfahren.“ formulierte der Einstein Biograph Johannes Wickert. Für mich Grund genug, noch etwas ausführlicher auf die Familie Einstein einzugehen, die einen so außergewöhnlichen Geist hervorgebracht hat:
„Sollte man sich seine Eltern aussuchen können? Im Hinblick auf Albert Einsteins Elternhaus möchte man dies fast bejahen.“ schrieb Till Schauen für das ZDF. „Er hätte kaum ein besseres Klima für seine geistige Entwicklung finden können. Vater Hermann, ein Freidenker, äußerte sich wenig respektvoll über Dogmen und Rituale. Starres Obrigkeitsdenken, seinerzeit in den deutschen Staaten üblich, war Hermann und Pauline Einstein fremd. Sie dachten fortschrittlich und liberal, förderten Belesenheit und pflegten das gemeinschaftliche Gespräch bei Tisch (seinerzeit durchaus keine Selbstverständlichkeit) und die Musik. Albert wurde zu nichts gezwungen. Man ließ ihm Raum zum Atmen. Auf diese Formel lässt sich bringen, wie Albert Einstein sich in seinem Elternhaus gefühlt haben muss. Selbst sein verzögerter Spracherwerb, seine Anfälle von Jähzorn und die Verweigerung von sozialen Kontakten wurden geduldet - solche Verhaltensauffälligkeiten würden heute eine Einschulung deutlich erschweren. Albert wurde behutsam mit Reizen gefüttert und stimuliert, die sein Wesen formten.“ (ZDF / Till Schauen, 2005: Albert Einstein Biografie, Querdenker & Weltbürger Albert Einstein 1879 bis 1896 – Kindheit & Jugend
http://www.zdf.de/ZDFxt/module/einsteinbio/pdf/biografie_druckversion.pdf)
Der Autor hat hier gut zusammengefasst, was ich bei meiner Recherche zu Albert Einsteins Kindheit immer wieder las. In der Familie Einstein herrschte ein liberaler, freundlicher Geist, Förderung, Harmonie in der Ehe und ein liebevoller Umgang mit den Kindern. Der Vater wird als gütige Person, die Mutter als diszipliniert und fürsorglich beschrieben. Albert Einstein wurde am 14.03.1879 geboren und eine solche Familienatmosphäre war für diese Zeit wirklich etwas sehr außergewöhnliches. War doch die deutsche Kindheit um 1900 im Allgemeinen „ein Alptraum von Mord, Vernachlässigung, prügeln und Folter“ von unschuldigen, hilflosen Kindern, wie der Psychohistoriker Lloyd deMause schrieb.
„Überblickt man die biographischen Dokumente, die zu seinem Werdegang gesammelt wurden, so sind Einsteins Kindheit und Jugendzeit als glücklich, aber auch als dornig einzustufen: Er erfuhr Geborgenheit in seiner Familie, Anregung und Ermutigung; es wurde nicht – wovor er einmal warnte – zuviel erzogen. Dornig war seine Entwicklung, weil er sich schon in der Kindheit als Einspänner entpuppte – abseits stand und trabte. Aber gerade seiner früh ausgeprägten Individualität verdankt er eine sich bereits in jungen Jahren ausbildende Selbständigkeit und die Einübung eigenständigen Denkens.“ (Leseprobe: "Monographie
Albert Einstein" von Johannes Wickert, 2005.
Die Familie spielt in Alberts Lebens eine große Rolle, gerade auch, weil er in der Schule eher ein Außenseiter war. Zu Hause tauscht er sich mit Vater und Onkel über interessante Themen aus der Welt der Technik aus, die Mutter fördert dagegen seine kreativen Fähigkeiten. Zu seiner Schwester Maja hatte Albert ebenfalls ein gutes Verhältnis. (vgl. Strauch, D. 2007: Alles ist relativ. Die Lebensgeschichte des Albert Einstein. Beltz & Gelberg Verlag, Weinheim, S. 13ff) Auch seine Großmutter fand ihn lieb und brav und schwärmte von den lustigen Einfällen des kleinen Albert. (PLUS LUCIS 2/96, Gedanken zur Kindheit von Albert Einstein, von Gabriele Kerber und Marie -Therese Rösner)
Seine Eltern förderten ungewöhnlich früh Alberts Entwicklung von Selbstvertrauen. Noch vor seinem vierten Lebensjahr hielten sie ihn beispielsweise dazu an, in der Nachbarschaft herumzustreifen und alleine die Straßen der Umgebung zu überqueren (freilich schauten sie ihm dabei heimlich die ersten male zu, um sich zu vergewissern, dass er vor dem Überqueren auch nach beiden Seiten schaute.) (vgl. Brian, D. 2005: Einstein. Sein Leben. Wiley-VCH, S.3)
Wen wundert es nach diesen ganzen Einblicken, dass Albert schon früh als Schüler offen die militärische Disziplin und Strenge der Lehrer verabscheute, war er doch von zu Hause einen ganz anderen Ton gewohnt. „Am schlimmsten scheint es mir zu sein, wenn eine Schule hauptsächlich mit den Mitteln von Furcht, Zwang und künstlicher Autorität arbeitet. Solche Behandlung vernichtet das gesunde Lebensgefühl, die Aufrichtigkeit und das Selbstvertrauen des Schülers. Sie erzeugt den unterwürfigen Untertan.“ (vgl. Strauch, 2007, S. 13)
Einstein zeichnet sich als Persönlichkeit durch sein Temperament, seinen Eigensinn, seine Willensstärke und Entschlossenheit, sein Genie und durch Charme und Witz aus. Er galt zudem als Pazifist und nahm bereits im Zuge des Ersten Weltkriegs an Protesten gegen den Krieg teil. Natürlich möchte ich hier nicht sagen, dass aus allen Kindern, die Geborgenheit und Förderung in der Art wie oben beschrieben erfahren, ein „Einstein“ wird. Einstein war einzigartig, wie jeder Mensch. Ich glaube aber, dass Menschen ihre naturgegebenen Potentiale am Besten unter einer freundlichen und liebevollen familiären Atmosphäre entwickeln können und dass diese Potentiale eher nicht zur vollen Entfaltung kommen, wenn Gewalt und Missbrauch das Klima beherrscht. Und ich bin fest davon überzeugt, dass Einsteins Pazifismus kein rein intellektueller war, sondern viel mehr ein emotionaler, der sich ihm tief durch sein friedliches Elternhaus eingeprägt hat. Einsteins Kindheit steht für mich (wie die von Astrid Lindgren und auch die von Alice Schwarzer, siehe letzten Beiträge) als Vorbild für eine friedlichere, menschlichere und individualisiertere Zukunft.
An Hand einige Zitate wird auch noch mal abschließend deutlich, wie sehr Albert Einsteins Sicht auf die Welt von seiner Kindheit geprägt war:
- „Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“
- „Wenn Sie möchten, dass Ihre Kinder intelligent werden, erzählen Sie ihnen Märchen. Wenn Sie möchten, dass sie hochintelligent werden, erzählen Sie ihnen noch mehr Märchen.“ (Das war die Antwort von Albert Einstein auf die Frage, ob Märchen für Kinder wichtig sind. Ich bin mir sicher, dass Albert als Kind etliche Märchen vorgelesen bekommen hat :-). Und vielleicht brachte diese elterliche Förderung von Fantasie ihn auch zu der Erkenntnis bzw. dem vielzitierten Satz "Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt")
Freitag, 10. Juli 2009
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