Nach dem jüngsten gescheiterten Anschlagversuch am New Yorker Times Square, deren Drahtzieher pakistanische Taliban sein sollen, zu denen der stellvertretende Sicherheitsberater im Weißen Haus, John Brennan, feststellte „Diese Gruppe hat enge Verbindungen mit al-Qaida. Das ist etwas, was wir sehr ernstnehmen" (vgl. http://www.sueddeutsche.de/politik/574/510690/text/) und darauf der Oberbefehlshaber der internationalen Afghanistan-Truppen, US-General Stanley McChrystal, anregte, man solle nun schneller mit dem Töten von pakistanischen Taliban und al-Qaida Kämpfern in Nord-Waziristanich beginnen, muss ich etwas zum Thema „al-Qaida“ schreiben.
„Wie baue ich mir einen Feind?“ Dies scheint die zentrale Frage vor allem in den USA nach dem Zusammenbruch des Feindbildes „Ostblock“ zu sein. Dazu habe ich kürzlich einiges bzgl. des Feindbildes „Irak“ und „Saddam Hussein“ geschrieben. Nun, Saddam ist tot, hunderttausende Iraker auch…, so etwas wie „Terror“ und vor allem „al-Qaida“ bleibt als Bedrohungsszenario. (Schaut man sich beispielsweise die Daten auf wikipedia an, dann beginnen die der Terrorgruppe „al-Qaida“ zugeschriebenen Anschläge im Jahr 1993, drei Jahre nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und zwei Jahre, nach dem zweiten Golfkrieg gegen Saddam Hussein) Denn ohne „Feind“ scheint es nicht zu gehen, droht innerer Zusammenbruch.
Al-Qaida hier al-Qaida dort, ich kann es nicht mehr hören! Ich glaube nicht an das Zentralorgan „al-Qaida“, das natürlich auch einen bösen Kopf a la Osama Bin Laden braucht. „Al-Qaida, das sind viele Organisationen. (…) Am besten beschrieben ist al-Qaida heute als ein terroristisches Franchise-Unternehmen.“, schreibt die ZEIT in einem sehr guten Artikel über das Thema. Osama bin Ladens Zeit als Gründer und Manager der ersten Generation von al-Qaida sei längst abgelaufen, schreibt die ZEIT weiter. „Die zweite (Mohammed-Atta-)Generation mag von bin Laden als Geld- und Ideengeber profitiert haben. Mittlerweile aber ist die globale Mission gegen die Ungläubigen ein Selbstläufer. (…) Für die jüngste, dritte Generation von Glaubenskämpfern, die sich vor allem aus jungen arbeitslosen Nordafrikanern speist, ist »Scheich Osama« nur noch eine Inspirationsfigur. Ihnen mag er noch Impulse geben, kontrollieren kann er sie nicht. An die Stelle der alten, vertikal organisierten al-Qaida ist ein loses, horizontales Netzwerk aus Netzen getreten.“
Trotz dieser Feststellung lässt der ZEIT-Autor allerdings nicht von dem Wort „al-Qaida“ los, sondern formuliert Sätze wie „Wird al-Qaida Deutschland verschonen? Wahrscheinlich nein.“ Genauso gut hätte er auch schreiben können „Wird es Terroranschläge in Deutschland geben? Wahrscheinlich ja. Durch welche Gruppierung, durch welchen Einzeltäter, das wird sich zeigen.“
Überall auf der Welt gibt es Anschläge (die meisten davon finden dabei nicht im Westen statt, sondern in den Entwicklungsgesellschaften) und meistens wird „al-Qaida“ dahinter vermutet. Ich übersetze für mich schon länger „al-Qaida“ mit „Hass“ oder „Hasser“. „Der „Hass“/ Die „Hasser“ war/waren verantwortlich für den jüngsten Anschlag. „, das ist meine Übersetzung von Mediennachrichten, die mir mehr Sinn zu machen scheint. Die Terroristen sind Hasser, Frauenhasser, Kinderhasser, Selbsthasser, Staatshassser, Modernehasser, Fortschrittshasser. Sie sind vor allem Produkte einer Atmosphäre von Gewalt in ihren Familien, die leider in vielen muslimischen Ländern herrscht, stärker noch als im Westen. Und in der Folge dieser Erfahrungen sind es Menschen, die mit dem aktuellen modernen Fortschritt in allen Teilen der Welt überfordert sind (siehe dazu weitere Anmerkungen hier). Wenn man diesen Hassern ein Feindbild bietet, nehmen sie es nur zu gerne an. Die globalisierte Welt bringt die Ressourcen mit, durch die sich auch der Hass globalisieren kann, der sich früher vor allem auf andere Bahnen entlud (familiäre Gewalt, Frauenunterdrückung, Bürgerkriege, regionale Warlordkämpfe usw. usf.). (Die globalisierte Welt ist aber nicht die Ursache des Hasses.)
Vor allem die USA ist dabei meisterlich darin, sich zum Feindbild zu machen. Ihre ganze Außenpolitik ist seit Jahrzehnten nicht auf echte Sicherheit bedacht, sondern auf Eskalation und darauf, dass die USA als Feindbild bereit steht, für die Hassser dieser Welt. Und wir Europäer haben uns zu einem Teil mit vor den Karren spannen lassen. Wir züchten uns den Hass selbst, lenken ihn auf uns, um dann die Hasser eifrig mit unserer überlegenen Technik zu bekämpfen. Nur echte Hasser lassen sich gut bekämpfen, denn irgendwie braucht unsere Psyche schon einen oberflächlichen „guten Grund“ dafür, dass Menschen sterben sollen. Menschen, die nicht zurückschreien, nicht mit Gewalt und Hass und Drohungen antworten, sind nämlich keine guten Feinde.
Das Wort „al-Qaida“ dient im Grunde einem großen Ziel, der Verbreitung von Angst vor einem großen, realen Feind. Das ist nicht der Verdienst von Osama bin Laden, sondern dieses Angstgebilde haben wir uns in der westlichen Welt selbst aufgebaut, weil wir Angst haben wollen, weil wir die Angst vor einem äußeren Feind brauchen. Denn ohne dieses Außen, drohen die tyrannischen Eltern aus unserer Kindheit wieder in unseren Kopf zu gelangen. Doch diese sehr realen Aggressoren dürfen nicht erkannt werden, müssen verschont bleiben. Also suchen wir uns andere, die wir bestrafen können. Wäre der Afghanistankrieg mit von uns Europäern getragen worden, wenn es so etwas wie das Angstgebilde „al-Qaida“ (das angeblich alles lenkt) nicht gegeben hätte? Wohl kaum. Das Wort „al-Qaida“ sollte entsprechend gestrichen werden. Wenn man es durch „Hasser“ austauscht, wird man näher an die Ursachen kommen und weniger Feindbildgefühle auslösen. Dies würde einen rationaleren Umgang mit dem Problem Terror ermöglichen und unsinnige, unnütze Kriege in fernen Ländern erschweren.
(siehe zu dem Thema auch, wie Angela Merkel Angst verbreitet)
Freitag, 14. Mai 2010
Das Angstgebilde „al-Qaida“ oder "Wie baue ich mir einen Feind?"
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1 Kommentar:
dazu eine ergänzung meinerseits (die sich größtenteils auf den ansatz von deMause stützt):
quellen des islamistischen fundamentalismus
gruß
mo
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