Freitag, 6. August 2010

Afghanistan. Krieg und häusliche Gewalt

Der SPIEGEL berichtet aktuell über eine junge Frau - Bibi Aisha. „Sie wurde geschlagen und geknechtet, sie floh vor der gewalttätigen Familie ihres Ehemanns. Doch der verfolgte sie und schnitt ihr Nase und Ohren ab. (…) Das "Time"-Magazin hat ein Porträt von ihr auf dem Titel gedruckt, daneben steht: "Was passiert, wenn wir Afghanistan verlassen". Kein Fragezeichen hinter dem Satz, eine Feststellung.

Was passiert eigentlich, wenn die alleierten SoldatInnen aus dem Kriegsgebiet zurück in ihre Heimat kommen frage ich mich?

Laut einem Bericht haben in der US-amerikanischen Siedlung Killeen, in der die meisten Soldaten des anliegenden Militärstützpunktes mit ihren Familien leben (ca. 100.000 Einwohner), die Meldungen uber häusliche Gewalt seit Beginn des Afghanistankrieges um 75 % zugenommen. Verschiedene Kennziffern uber den Anstieg von Gewaltkriminalitat sind um 22 % gestiegen, in vergleichbaren Gemeinden landesweit jedoch um 7 % gesunken. Die schulischen Leistungen der Kinder haben deutlich ab- und auffälliges Verhalten deutlich zugenommen. (Dr. med. Thomas Lukowski, http://www.dr-lukowski.com/pdf/DNP2_2010_22-25.pdf)

Es ist absehbar, was auf unsere Gesellschaft zukommen wird, schreibt Dr. med. Thomas Lukowski (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie). Eine Untersuchung an insgesamt 289.328 US-amerikanischen Armeeangehorigen, die von 2002 bis 2008 im Irak oder in Afghanistan eingesetzt waren, ergab erschreckende Zahlen:
- 21,8 % (also 90 000 Menschen!) litten an einer PTBS.
- 17,4 % litten an einer Depression.
- 36,9 % litten an einer anderen psychischen Erkrankung.
- Soldaten nach Kampfeinsatz und im Alter von ca. 25 Jahren
wiesen die hochsten Raten an PTBS, Drogen- oder Alkoholmissbrauch auf.

Nahezu jeder zehnte Häftling im britischen Justizsystem ist ein ehemaliger Soldat Ihrer Majestät, schreibt der SPIEGEL. "Wenn wir Menschen auffordern, schreckliche Dinge zu tun und regelmäßig in Feuergefechten und im Nahkampf zu stehen, dann kommen wir zu dem Punkt, dass sie gegenüber Gewalt abstumpfen", sagte der Psychologe Tim Robbins dem SPIEGEL. Von 90 britischen Soldaten, die in Nordirland, Bosnien, Irak und Afghanistan gedient haben, wurden 57 später für Gewaltanwendung verurteilt, die meisten für häusliche Gewalt. In weiteren zehn Fällen ging es um Missbrauch von Kindern. Die Hälfte litt unter Depressionen und posttraumatischem Stresssyndrom. Ein gutes Drittel hatte ein Alkoholproblem. Die Ergebnisse bestätigten eine ähnliche Napo-Umfrage unter Bewährungshelfern vom vergangenen Jahr, schreibt der SPIEGEL.

Was passiert, wenn die alleierten Truppen weiterhin Krieg in Afghanistan führen? Die Caritas (Das Caritas Projekt "Windows for life" bietet psychosoziale Beratung für traumatisierte Menschen in Afghanistan) schreibt: „Das extrem patriarchalische System und die religiösen Restriktionen haben sich in der Gesellschaft verfestigt. Und so leiden die Frauen auch nach dem Ende des Talibanregimes nicht nur unter den Folgen der Unterdrückung, sondern sind noch immer extrem häufig psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt. Vor allem die häusliche Gewalt dient häufig als Ventil, über das die Männer ihre aus den Kriegsjahren stammenden Aggressionen und Ohnmachtsgefühle ablassen.„ (http://www.caritas-international.de/37041.html)

Zu den möglichen Zusammenhängen von Krieg und häuslicher Gewalt habe ich auch hier etwas geschrieben.

Der Krieg in Afghanistan dient also nicht dem Schutz vor häuslicher Gewalt (wie das Time-Magazin annimmt), er scheint diese vielmehr in erheblichem Maße mit zu verursachen, auf beiden Seiten.

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