Ich habe kürzlich
das Buch „Das Serien-Mörder-Prinzip“ von dem Kriminologen Stephan Harbort (siehe viele Texte zum Thema und Buchbeschreibung auf der Homepage des Autors)
gelesen. Der Autor hat intensive Gespräche mit über 50 Serienmördern geführt
und daraus 7 Phasen (siehe auch hier und hier) herausgearbeitet, die die Täter durchlaufen, wovon für mich
die wichtigste die erste Phase ist: Die Genese.
Entsprechend habe ich das Buch
sehr an meinen Thesen orientiert durchgearbeitet. Auch die emotionale Lage der
Täter und ihre Gefühle während der Taten kommen immer wieder zur Sprache. Die
Bedeutung von beidem hat Harbort eindeutig erkannt. Allerdings geraten diese
beiden Beobachtungen im Gesamtumfang des Buches etwas in den Hintergrund, da
der Autor sein 7-Phasen-Serienmörderprinzip darlegen wollte. Ich möchte in
diesem Beitrag beides hervorheben: Die Kindheit (Genese) und die emotionale
Lage der Täter. Zudem bietet das Buch auch viele mögliche gedankliche
Anregungen und Überleitungen bzgl. politischer Massenmörder und Krieg, worauf
ich auch eingehen werde.
Harbort beschreibt
an vielen Stellen die Kindheit der Täter. Am ausführlichsten geht er gleich zu
Beginn u.a. auf die Kindheit eines Mannes ein, der mehrere Frauen brutal vergewaltigt
und getötet hat. Dieser Mann ist als Kind mehrfach von seinem Onkel brutal
vergewaltigt und dabei wohl fast umgebracht worden, da der Onkel ihm ein Kopfkissen auf das Gesicht drückte, damit
niemand etwas hört. Auch der Vater schlug ihn oft, meist auch grundlos, einmal
sogar so hart, dass der Sohn bewusstlos wurde und eine Woche ins Krankenhaus
musste. Auch verbal teilte der Vater
ordentlich aus. Er missbrauchte zudem sowohl die Mutter als auch die Schwester
sexuell, außerdem war er auch nach außen hin brutal, zerstörte z.B. die
Windschutzschübe von Autofahrern, die ihn im Verkehr geschnitten hatten mit einer
Eisenstange.-O-Ton über den Vater: „Aber wenn er in Rage gerät, wird er
unberechenbar und Menschenleben scheinen ihm egal zu sein, auch sein eigenes.“
(S. 48) Die Mutter des Täters scheint ihn – so meine Vermutung - zudem eher als
Partnerersatz missbraucht zu haben (sie war „immer ganz nah bei mir“ und der
erwachsene Mann sagt immer noch, dass er immer „ihr kleiner Junge“ sein werde.)
An einer Stelle sagt der Mann eine zunächst verwirrenden und widersprüchliche
Satz bzgl. dem gewalttätigen Vater: „Meine ältere Schwester und meinen jüngeren
Bruder behelligte er kaum, weil meine Mutter mich nach meiner Geburt stärker
liebte als ihn.“ (S. 47) Wenn man sich diesen Satz durch den Kopf gehen lässt,
wird er verständlich. Die Mutter liebte diesen Sohn mehr als ihren eigenen
Ehemann, darum wurde gerade dieser Sohn besonders gezielt das Opfer des Vaters.
Zudem ist der Satz ein weiteres Indiz dafür, dass die Mutter diesen Sohn
besonders eng an sich bannt und – so meine Vermutung – als Partnerersatz
missbrauchte. Klassisch ist auch die Widersprüchlichkeit an anderer Stelle
gegenüber der Mutter. Er berichtet zunächst über eine enge und gute Beziehung
zu ihr und wie toll und stark sie ist usw. Dann sagt er: „Niemand hat sich
jemals um meinen seelischen Schmerz gekümmert oder sich die Zeit genommen, um
mir zuzuhören. Meine Mutter (…) ist zu subjektiv, um eine wirklich objektive
Antwort geben zu können. Mir wurde immer beigebracht, ich solle ein Mann sein,
und Männer zeigen keine Gefühle.“ (S. 50+51)
Als junger Mann
ging er dann zur US-Armee und wurde dort erneut seelisch gebrochen, zum Hass
erzogen und erlebte später auch den Krieg mit. „In der Army wirst du darauf
gedrillt, eine perfekte Kampfmaschine zu sein, aber niemand erklärt dir, wie du
den Schalter wieder herumwerfen kannst: von „Hölle“ zu „normales Leben“. „(S.
27) Für mich ist dies erneut ein Beleg dafür, dass der Weg zum Berufssoldat
viel mit der gewaltvollen Sozialisation in der Kindheit zu tun hat, was ich
u.a. hier ausgeführt habe. Auch der „Wahnsinn“ ist in diesem Sinne ganz nah an
der Normalität, was ich u.a. bereits hier kurz ausgeführt habe.
Denn als Soldat hätte dieser Serientäter ohne große Schwierigkeiten etliche
Menschen töten können, auch Vergewaltigungen in einem fernen Land wären wohl
straffrei geblieben. Er hätte zu Hause weiterhin „ganz normal“ unter seinen
Mitmenschen weiterleben können…
Was fühlte dieser
Mann auf Grund seiner Erfahrungen? Er sagte dazu einiges in Gesprächen mit
Harbort: „Ich fühlte mich innerlich
leer als Kind“; „Ich kam mir
vor wie ein komplettes Nichts. ABFALL! Schwach! Hilflos. Scheiße! Beschissen!
Nix!“; „Das Bedürfnis, jemandem
meinen eigenen Schmerz fühlen zu lassen, war übermächtig. Und es war nie mit
einem Schlag erledigt. Ich wollte meinen Schmerz irgendwo „sehen“.; „Ich
bin kein Psychologe, aber ich bin überzeugt, wenn ein Mensch permanent
gedemütigt, auf ihm herumgehackt, er beleidigt und verbal niedergemacht wird,
hat er kaum mehr Empfindungen – für sich und andere! Vergewaltigung ist ein
Gewaltverbrechen, der Sexualakt ist lediglich eine berauschende Form der
Erniedrigung. Ich wollte dominieren, kontrollieren und erniedrigen. Für die
Opfer habe ich nichts empfunden. Einfach NICHTS!“
Der Serientäter war
innerlich leer, voller Minderwertigkeits- und Versagensängste,
orientierungslos, ohne Selbstkonzept, (innerlich) vereinsamt usw. Harbort
kommentiert: „Diese Menschen hadern ständig mit ihrem Schicksal, fühlen sich
zurückgesetzt, manövrieren sich in eine emotionale Sackgasse. Nur gelegentlich
werden sie tatsächlich ausgegrenzt. Subjektive Außenseiterpositionen sind
wesentlich häufiger zu beobachten.“ (S. 44) Der genannte Täter suchte sich
zudem eine Frau, die ihn auch in seiner Beziehung dominierte, demütigte,
kontrollierte, Macht über ihn hatte und ausübte. Er beschreibt diese Beziehung als
„Hölle“. All dies ist im Grunde klassisch für Menschen, die als Kind schwere
Gewalterfahrungen und Lieblosigkeit erlebten. Ständig werden Entscheidungen (die
als „Schicksal“ erlebt werden) getroffen, die Glück unmöglich machen, die das
Leben ins Abseits manövrieren. Dieser Mann ging ja freiwillig zur US-Armee und
wurde dort „freiwillig“ gedemütigt und zum Hass erzogen. Er suchte sich seine
Partnerin. Er machte sich das Leben zur Hölle. Die weitere Sozialisation dieses
Mannes und seine Lebenserfahrungen und Probleme müssen sicherlich in der
Analyse berücksichtigt werden, so wie Harbort dies tat. Aber, am Anfang war
Erziehung. Der destruktive, selbstzerstörerische Lebensweg dieses Mannes ist
nur auf Grund seiner Kindheit möglich geworden. Nicht ohne Grund beschreibt
Harbort diesen Mann in seiner Einleitung zum Buch bzw. im Teil „Genese“. Und er
verallgemeinert auch an einer Stelle: „Überwiegend ist das Verhältnis zu beiden
Erziehungsberechtigten erheblich belastet, ein weites Konfliktfeld tut sich auf.
Emotionale Zurückweisung, allgemeine Vernachlässigung des Kindes und
Prügelpädagogik sind die häufigsten Erziehungsformen. Die späteren Täter werden
so schon früh in eine Außenseiterposition gedrängt, ihre Existenz wird geprägt
von Misstrauen und Misserfolgen, das Vertrauen in Menschen und Beziehungen geht
weitestgehend verloren. Dafür jedoch müssen sie hautnah erfahren, dass sich ein
Mittel besonders eignet, um Probleme zu lösen und sich durchzusetzen: Gewalt.“
(S. 429)
Auch bzgl. der
anderen Serienmörder, über deren Kindheit im Buch berichtet wird, fällt
folgendes besonders auf: 1. Sie erlitten besonders schwere Formen der
(elterlichen) Gewalt. 2. Sie erlitten nicht nur eine Form von Gewalt, sondern
z.B. neben körperlicher Gewalt auch seelische Grausamkeiten, Vernachlässigung
und Demütigungen, manchmal auch zusätzlich sexuellen Missbrauch 3. Die Gewalt
wurde nicht selten, sondern häufig erlebt. 4. Die Gewalt, Demütigungen und
Destruktivität ging nicht nur von einer Person aus, sondern immer von beiden
Elternteilen und ergänzend Stiefeltern, Heimpersonal usw. , so dass es keine
Lichtblicke und Orte des Trostes gab (nur ein einziger Mann berichtet von einer
Oma, die ihm Trost bot) 5. Häufig tauchten im Buch auch weitere Problemlagen
auf, vor allem in Form von Heimunterbringungen und damit verbunden erneute
Verletzungen.
Alle diese fünf
genannten Punkte bedingen besonders schwere psychische Folgen für die
Betroffenen, was auch wissenschaftlich belegt ist. Im „Lehrbuch der
Psychotraumatologie“ (Fischer / Riedesser 1999: 264) wurden bzgl.
der Folgen von sexuellem Missbrauch Bewertungsdimensionen aufgestellt. Ich meine, dass diese auch für andere
Gewaltformen gültig sind. Insofern tausche ich hier das Wort „Missbrauch“ gegen
„Gewalt“ aus. Auswirkungen auf die Schwere der Folgen haben demnach die Art und
Weise und der Schweregrad der Gewalt (besonders zerstörerisch wirkt sich – so
die Autoren - die Verbindung verschiedener Gewaltformen aus), die Häufigkeit bzw. Chronizität des Gewalterlebens, das
Alter des Kindes (je jünger das Kind beim Gewalterleben, desto schwerer die
Folgen), der Entwicklungskontext des Kindes (lebt es z.B. im Heim oder einer
Familie) und die Person des Täters /der Täterin (die übelsten Folgen ergeben sich
bei Gewalt durch die engsten erwachsenen Bezugspersonen wie Vater, Mutter oder
Stiefeltern.). Es verwundert in diesem Zusammenhang nicht, dass bei den durch Harbort untersuchten Serienmördern bei 9 von 10 eine Persönlichkeitsstörung nachweisbar war. (vgl. S. 53; siehe auch online)
Harbort berichtet
über die Kindheit eines weiteren Serienmörders (ab S. 84): Die Eltern trennten
sich, daraufhin war der Junge oft den ganzen Tag alleine in der Wohnung. Der
Sohn ging dann mit zum Vater, der bald eine neue Lebensgefährtin fand, die der
Sohn nicht mochte und akzeptierte. Auch seine Mutter fand einen neuen Mann.
„Ich wollte immer zu meiner Mutter, aber die hatte auch einen neuen Freund, und
der wollte nicht, dass ich da in die Wohnung komme. Da ist was kaputtgegangen,
es war halt nicht mehr so wie ich es gewohnt war.“ (S. 86) Die Mutter zog dann
auch noch in eine andere Stadt, der Vater arbeitete den ganzen Tag und war
nicht da. Er fühlte sich immer mehr der Lebensgefährtin seines Vaters
ausgeliefert, die ihn psychisch und körperlich misshandelte: „Schläge gab`s
eigentlich jeden Tag, mal mehr, mal weniger. Ich habe sie dafür gehasst. Ich
hatte damals schon den Gedanken, dass es besser wäre, wenn meine Stiefmutter
tot wäre.“ (S. 88) Er hasst aber auch den eigenen Vater, weil er ihm nicht half
und vor der Stiefmutter schützte, und wohl auch weil es keine richtigen
Gespräche mit ihm gab und er sich nicht für den Sohn interessierte. Der Sohn
lief dann immer wieder von Zuhause weg und wurde schließlich mit 15 Jahren in
ein Heim abgeschoben. Obwohl er sich dort einigermaßen wohl fühlte, lief er
auch hier immer wieder weg, klaute usw. Daraufhin kam er in eine geschlossene
Jugendpsychiatrie und machte dort sehr beängstigende Erfahrungen mit
Mitpatienten. Erneut floh er aus dieser Einrichtung. Parallel zu diesen
Entwicklungen entwickelte sich der junge Mann immer mehr zum Serientäter und
nahm auch Drogen.
Einen dritten
Mörder möchte ich beschreiben (ab S. 122), dessen Kindheit ebenfalls ein reiner
Albtraum war. Seine Familie kennt er nach eigenen Angaben gar nicht richtig.
„(…) ich war viel im Heim, dann war ich übergangslos im Knast, ich war doch
fast immer nur eingesperrt.“ (S.122) Die Eltern trennten sich einst. Der Vater
trank oft Alkohol. Die Mutter hatte den Sohn nie Zuneigung entgegenbringen
können und ihn umarmt, ganz im Gegenteil teilte sie Schläge aus. Zudem gab es
wohl auch seelische Grausamkeiten, der Mann berichtet z.B., dass die Mutter
seinen Hund gegen seinen Willen weggegeben hatte. Er wurde zudem auch Zeuge der
väterlichen Gewalt gegen die Mutter und sah mit eigenen Augen wie seine Mutter
von diesem vergewaltigt wurde. Gefragt nach dem Verhältnis zu seinem Vater war
seine prompte Antwort: „Ich wollte meinen Vater umbringen.“ (S. 138) Auch der
Vater war körperlich gewalttätig gegenüber seinen Kindern. Der Mann berichtet,
dass er u.a. mit einem Teppichklopfer verprügelt wurde und zwar so stark, dass
dieser irgendwann auf ihm kaputt ging. „Danach hab ich`s mit einem Stocheisen
gekriegt; also so ein Schürhaken, mit dem man den Ofen heizt, damit hab ich`s
gekriegt.“ (S. 139) Er lief dann so oft er konnte von Zuhause weg, vor allem
wenn der Vater nach Hause kam. Später, in einem Heim, das von Nonnen betrieben
wurde, wurde er auch Opfer sexuellen Missbrauchs durch die Nonnen. Aber auch
Schläge waren in dieser Einrichtung üblich: „Ja, und dann bin ich immer
geschlagen worden. Aber ich hab nie geweint. Wenn ich geschlagen wurde, ich hab
nie geweint. (…) Ich wollte nicht, dass die sehen, dass ich weinen kann. Und
hinterher konnte ich nicht mehr weinen.“ (S. 137) Hier zeigt sich bereits an
Hand dieser Aussage, wie der Junge sein Schmerzempfinden abspalten musste, um
zu überleben.
Die Kindheiten
dieser drei Männer sind die am ausführlichsten dargestellten in dem Buch. Aber
auch bei anderen vorgestellten Tätern tauchen immer wieder extrem destruktive
Familienverhältnisse auf, die Harbort z.B. einmal bzgl. eines Täter so in
Kurzform zusammenfasst: „Von den leiblichen Eltern abgelehnt, von seinen
Stiefvätern oft geschlagen und eingesperrt, als kleinwüchsiges Kind in der
Schule gehänselt, bereits mit 15 dem
Alkohol verfallen.“ (S. 184) Vor allem letztere Entwicklungen fallen auch sehr in
dem Buch ins Auge. Die katastrophalen Familienverhältnisse führen zu den
nächsten Katastrophen und Demütigungen: In Schule, Beruf und Partnerschaften.
Fortwährende Zurückweisungen und vielfache Versagenserlebnisse kennzeichnen die
Kindheit und Jugend vieler Serientäter. (vgl. u.a. S. 240)
Kann sich jemand
nach diesen Schilderungen ernsthaft vorstellen, dass diese extrem destruktiven
Kindheiten in keinem ursächlichen Zusammenhang zu den späteren Gewaltkarrieren
standen? Oder genauer: Kann sich jemand ernsthaft vorstellen, dass ein wirklich
geliebtes Kind zu einem eiskalten Serienmörder werden könnte? Ich kann mir
beides nicht vorstellen und halte es sogar für unmöglich. Insofern ist die für
mich wesentliche aus dem Buch abzuleitende Formel ganz klar: Ohne schwere
kindliche Gewalterfahrungen wird Mensch nicht zum Serienmörder.
Aber, das muss an dieser Stelle auch immer gesagt werden, natürlich
werden nicht alle, die ähnliches erlebten, automatisch zu Mördern. Wenn man
Menschen befragen würde, die wirklich ähnliches erlebten, wie die genannten
Mörder, aber die selbst nicht zu Mördern wurden, wird man auch in ihren
Lebensläufen schwere Einschnitte und Belastungen feststellen, vielleicht
Suchterkrankungen, Selbstmordgedanken, psychische Erkrankungen, Ängste, Gefühle
der Leere und des Unglücks usw.; der ein oder andere wird vielleicht auch zu
Hause seine Kinder misshandeln oder – je nach Machtmöglichkeiten – über andere
Menschen Macht ausüben und sie demütigen. Mancher wird vielleicht ganz im
Gegenteil eher eine Opferrolle einnehmen und diverse Verletzungen in Beruf und
Partnerschaft erleben. Andere – vor allem die, die Hilfe, Unterstützung und
Therapie bekommen haben – werden vielleicht auch ein geregeltes und glückliches
Leben führen.
Der Serienmörder, und damit meine ich an dieser Stelle vor allem
dessen emotionale Lage - seine Leere, sein Unglück, seine Ohnmacht, seine Wut,
seinen Hass, seine Fühllosigkeit – ist im Grunde nicht so weit weg von der
Normalität, wie wir uns das gerne wünschen. Die wenigen Menschen, die real die
Lust am Töten für sich (oft ausgelöst durch bestimmte „Schlüsselerlebnisse“,
wie Harbort es nennt) entdecken, sind im Grunde nur die Spitze des Eisberges.
Sie sind gefährlich und mordlustig, ja. Aber hinter ihnen schlummern
tausendfach Mord- und Hassfantasien ganz „normaler„ Menschen, die diese
Fantasien aus Verantwortung oder einfach aus diversen unterschiedlichen
Beschränkungen und Lebensgegebenheiten heraus oder weil sie den Hass gegen sich
und ihr Leben selbst lenken usw. nicht in die Tat gegen andere Menschen umsetzten.
Die deutsche Geschichte und NS-Zeit zeugte allerdings auch davon, dass
Millionen bereit waren, das Opfer in sich und damit auch den potentiellen Täter
in sich offen nach außen zu tragen, sofern diese Anteile gezielt geweckt werden
und das entsprechende Agieren von Oben und ideologisch erwünscht ist.
An dieser Stelle möchte ich eine Textstelle zitieren, die die Emotionen der Deutschen zu Beginn des 1. Weltkriegs auf den Punkt bringt: "Hitler begrüßt den Weltkrieg mit großer Begeisterung. In „Mein Kampf“ schreibt er: „Mir selber kamen die damaligen Stunden wie eine Erlösung aus den ärgerlichen Empfindungen der Jugend vor. Ich schäme mich auch heute nicht, es zu sagen, dass ich, überwältigt von stürmischer Begeisterung, in die Knie gesunken war und dem Himmel aus übervollem Herzen dankte, dass er mir das Glück geschenkt, in dieser Zeit leben zu dürfen.“ Hitlers Kriegsbegeisterung teilten damals in Deutschland viele. So wie er dachten damals z.B. die meisten prominenten Dichter und Wissenschaftler. Thomas Mann schreibt: „Wie hätte der Künstler, der Soldat im Künstler nicht Gott loben sollen für den Zusammenbruch einer Friedenswelt, die er so satt, so überaus satt hatte? Krieg! Es war Reinigung, Befreiung, was wir empfanden und eine ungeheure Hoffnung.“ Max Weber, der geniale Stammvater der Soziologie, äußert am Kriegsbeginn: „Dieser Krieg ist bei aller Scheußlichkeit doch groß und wunderbar, es lohnt sich ihn zu erleben.“ (Text von Gerhard Vinnai)
Diese Freude, Erleichterung und Glücksgefühle im Angesicht des nahenden Todes anderer Menschen (aber auch des möglichen eigenen Todes) empfanden Millionen ganz "normaler" Menschen (und ganz "normal" war damals auch die Prügelpädagogik gegen Kinder). Sie alle holten den Täter in sich hervor. Auch wenn wir in die weitere Menschheitsgeschichte schauen – ich erinnere z.B. an Steven Pinkers „Eine neue Geschichte der Menschheit“, in der er die historischen Menschen als Sadisten, Krieger und Vergewaltiger beschreibt – dann fällt auf, dass die heutigen Serienmörder früher nicht nur nicht selten, sondern eher die Regel waren. Mehr noch, ihre Taten waren gesellschaftlich gewollt und erwünscht, wenn man eine Stadt einnahm, dann galt es, möglichst viele Menschen abzuschlachten und die Frauen zu rauben und zu vergewaltigen. Die heutigen Serienmörder sind letztlich nichts anderes als rudimentäre Überbleibsel unserer Gesichte und dabei vor allem auch der Geschichte der Kindheit.
An dieser Stelle möchte ich eine Textstelle zitieren, die die Emotionen der Deutschen zu Beginn des 1. Weltkriegs auf den Punkt bringt: "Hitler begrüßt den Weltkrieg mit großer Begeisterung. In „Mein Kampf“ schreibt er: „Mir selber kamen die damaligen Stunden wie eine Erlösung aus den ärgerlichen Empfindungen der Jugend vor. Ich schäme mich auch heute nicht, es zu sagen, dass ich, überwältigt von stürmischer Begeisterung, in die Knie gesunken war und dem Himmel aus übervollem Herzen dankte, dass er mir das Glück geschenkt, in dieser Zeit leben zu dürfen.“ Hitlers Kriegsbegeisterung teilten damals in Deutschland viele. So wie er dachten damals z.B. die meisten prominenten Dichter und Wissenschaftler. Thomas Mann schreibt: „Wie hätte der Künstler, der Soldat im Künstler nicht Gott loben sollen für den Zusammenbruch einer Friedenswelt, die er so satt, so überaus satt hatte? Krieg! Es war Reinigung, Befreiung, was wir empfanden und eine ungeheure Hoffnung.“ Max Weber, der geniale Stammvater der Soziologie, äußert am Kriegsbeginn: „Dieser Krieg ist bei aller Scheußlichkeit doch groß und wunderbar, es lohnt sich ihn zu erleben.“ (Text von Gerhard Vinnai)
Diese Freude, Erleichterung und Glücksgefühle im Angesicht des nahenden Todes anderer Menschen (aber auch des möglichen eigenen Todes) empfanden Millionen ganz "normaler" Menschen (und ganz "normal" war damals auch die Prügelpädagogik gegen Kinder). Sie alle holten den Täter in sich hervor. Auch wenn wir in die weitere Menschheitsgeschichte schauen – ich erinnere z.B. an Steven Pinkers „Eine neue Geschichte der Menschheit“, in der er die historischen Menschen als Sadisten, Krieger und Vergewaltiger beschreibt – dann fällt auf, dass die heutigen Serienmörder früher nicht nur nicht selten, sondern eher die Regel waren. Mehr noch, ihre Taten waren gesellschaftlich gewollt und erwünscht, wenn man eine Stadt einnahm, dann galt es, möglichst viele Menschen abzuschlachten und die Frauen zu rauben und zu vergewaltigen. Die heutigen Serienmörder sind letztlich nichts anderes als rudimentäre Überbleibsel unserer Gesichte und dabei vor allem auch der Geschichte der Kindheit.
Abschließend noch
etwas zur emotionalen Lage der von Harbort befragten Serientäter. Allen war vor
allem eines gemeinsam: Sie kannten kein
Mitleid mit dem Opfer, keine Empathie. Opfer waren für sie nur „Objekte“,
Mittel zum Zweck. Und der Zweck war alles andere als rational. Menschen wurden
brutal umgebracht, weil sich die Täter mächtig fühlen wollten, weil sie
absolute Macht und Kontrolle wollten, weil es ihnen Spaß machte, ein gutes
Gefühl erzeugte, weil es sie psychisch entlastete. Auch Rache spielte wohl eine Rolle wie ein Täter sagte: „Es
war einfach nur Rache an der Gesellschaft und allen, die mir Leid angetan
hatten. Ich duldete keinen Widerspruch im Moment der Rache.“ (S. 23) Ein Täter
berichtet, wie er sich nach dem Mord gefühlt hatte: „Ich hatte etwas Besonderes
vollbracht. Ich fühlte mich besser. Mir ging es irgendwie gut.“ (S. 79) oder ein
anderer „Der wusste nicht, dass ich ihn gleich kille würde – aber ich. Das war
so ein Machtspielchen. Das hab ich genossen, das war klasse. Das ist auch
körperlich, ich spür das, so ein Kribbeln im Magen.“ (S. 93) und der selbe
Täter nochmal: „Ich hab`s einfach getan. Und ich hab mich gut gefühlt dabei.
Vor allem danach, da hab ich mich richtig leicht gefühlt, besser.“ (S. 95) oder
ein weiterer: „Ich hab die Straftaten nie für Geld gemacht, sondern immer nur
für den Kick. Das war aufregend, da kam das Adrenalin durch meinen ganzen
Körper. Wenn man mich verfolgt hat oder so, das war unbeschreiblich.“ (S. 121)
oder ein anderer Mörder (allerdings nicht selbst interviewt)„Ich hatte weder
einen anderen Nervenkitzel, noch eine andere Art von Glück.“ (S. 283)
Harbort fast die
emotionale Lage der Täter nachdem sie bereits getötet haben wie folgt sehr gut
und auf den Punkt gebracht zusammen: „Die Existenz des Mörder „(…) ist
gekoppelt an den sich fortwährend wiedeholendem Akt der Selbstwahl: Entweder
ich leide – oder jemand anders. Und die sich daraus ergebende Konsequenz ist
immer mörderisch: Dein Leben für meins. Ich töte dich, damit ich leben kann.“
(S. 283) In einem Interview anläßlich des besprochenen Buches für die TV-Sendung "10vor11" (05.02.2007) beschreibt Harbort, wie die Tat oder genauer das Selbstkonzept als "Mörder" identitätsstiftend ist, da vorher keine eigene Identität entwickelt und erlebt wurde. "Der Versager ist tot, es lebe der Mörder!" kommentiert Harbort diese Empfindung der Täter.
Serienmörder kann
man manchmal befragen, manche sind schon seit Jahren im Gefängnis und konnten
viel nachdenken. An Hand ihrer Aussagen wird deutlich, wie sich ihre extrem
destruktive Kindheit ausgewirkt hat. Grundsätzlich sind sie abgespalten von
jeglichem Mitgefühl, was dem misshandelten Kind einst das Überleben sicherte. Sie
haben ab irgendeinem Punkt in ihrem Leben die Erfahrung gemacht, dass sich
Gewalt gegen andere Menschen auszahlt und zwar emotional. Plötzlich fühlen sie
etwas, Glück, Identität und Macht, wenn sie einen anderen Menschen verletzen und töten. Ist
diese Grenze einmal übertreten, gibt es kein Zurück, das Gefühl soll wieder
erlebt werden.
Selten bis gar
nicht werden politische Massenmörder derart offen in Gesprächen über ihre Taten
und Gefühle berichten. Aber diese „einfachen“ Serienmörder aus Harborts
Berichten lassen den Schluss zu, dass auch die „Großen“ ähnlich fühlten. Die
politischen Massenmörder, die ihre Armeen losschickten, um tausende, manchmal
gar Millionen von Menschen umzubringen,
auch sie werden diesen „Kick“ gespürt haben, wenn sie den Befehl zum Töten
gaben. (Manchmal lässt sich auch dies an Hand ihrer Reden belegen: Am 19. März2003 verkündete z.B. George W. Bush der Nation, dass der Krieg begonnen hat.
Vorher hatte er die Faust geballt und gesagt: „feels good!“ )
Auch sie konnten oft nicht damit aufhören, wollten immer weiter machen und
Krieg führen. Auch ihre Beweggründe sind alles andere als rational, sondern vor allem emotionaler Natur. Auch sie
waren eiskalt und agierten ohne jedes Mitgefühl. Auch ihre Kindheit war ein
reiner Albtraum, wie ich in diesem Blog immer wieder aufzeigen konnte.
- Ergänzend: "Gedanken zum Amoklauf" (Eine als Kind schwer gefolterte Frau berichtet über ihre Kindheit und Tötungsfantasien, die sie aber nicht in die Tat umgesetzt hat. Einer der aufschlussreichsten Texte zum Thema, den ich je gelesen habe.)
- Siehe ergänzend zum
Thema „Glücksgefühle durch Krieg und Gewalt“ auch „Krieg der Kindergangs“
P.S.
Übrigens sind Serienmörder rein statistisch weit aus weniger eine Bedrohung, als z.B. Eltern. Zwischen den Jahren 1996 und 2005 wurden über 180 Menschen Opfer von Serienmördern, also ca. 18 pro Jahr. Statistisch sterben pro Woche ca. 3 Kinder in Deutschland qualvoll auf Grund elterlicher Gewalt und/oder Vernachlässigung, das sind über 140 Kinder pro Jahr.
P.S.
Übrigens sind Serienmörder rein statistisch weit aus weniger eine Bedrohung, als z.B. Eltern. Zwischen den Jahren 1996 und 2005 wurden über 180 Menschen Opfer von Serienmördern, also ca. 18 pro Jahr. Statistisch sterben pro Woche ca. 3 Kinder in Deutschland qualvoll auf Grund elterlicher Gewalt und/oder Vernachlässigung, das sind über 140 Kinder pro Jahr.
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