U.a. Sam Barber kommt in dem Bericht zu Wort. Der Erwachsene hat starke Probleme in seinem Leben, fühlt sich u.a. bindungsunfähig. Mit acht Jahren kam er ins Internat, für ihn der schlimmste Tag in seinem Leben. Sam fühlte sich nicht beschützt und sicher im Internat, einem Ort, an dem Angst herrschte, wie er sagt. “Irgendwann hört man dann auf zu weinen. Das ist der schlimmste Moment. Wenn man mit dem Fühlen aufhört und sagt: Alles in Ordnung, ich habe mich dran gewöhnt.“
Bereits fünf Jahre alte Kinder werden in Großbritannien in Internate geschickt. Mehr als 80.000 britische Kinder leben weit Weg von zu Hause in solchen privaten Einrichtungen. Und diese Orte verstehen sich meist als Elite-Schmieden, die dortigen Kinder sollen später Karriere machen und die britische Gesellschaft führen.
Der Psychotherapeut und Psychohistoriker Nick Duffel äußert sich im Auslandsjournal wie folgt:
„Wer das durchlebt, muss einen Teil seiner Persönlichkeit verleugnen. Die Gefühlswelt, Spontanität, Sexualität, dadurch gibt es Defizite bei der emotionalen Intelligenz. Und die meisten unserer Minister waren in solchen Internaten. Dabei braucht die Welt heute Politiker, die gemeinschaftlich Kompromisse finden können.“
Duffel hat über das Thema Bücher geschrieben. Das aktuellste heißt “Wounded Leaders: the Psychohistory of British Elitism and the Entitlement Illusion”. Auf seiner Homepage gibt es einiges darüber zu lesen und auch Videobeiträge, die aufschlussreich sind. (Einen Blogeintrag von Duffel möchte ich hervorheben. Darin beschreibt er, dass sich die britischen Internate natürlich verbessert haben, Gewalt, Demütigungen und Isolation haben deutlich abgenommen. Es bliebe aber immer das Trauma, von den Eltern getrennt zu werden. Darum geht es! Und ich möchte persönlich anmerken, dass die heutige Machtelite in dieser Region noch Kindheiten in Internaten verbracht hat, wo die Rahmenbedingungen noch nicht so aussahen wie heute.)
Ich finde seine Denkansätze wichtig und interessant. Letztlich geht es um die Frage, was für Menschen wir an der Macht und in Führungspositionen wollen? Ich habe mich hier im Blog schon häufig in der Hinsicht geäußert, dass Machtpositionen sehr reizvoll gerade für die Menschen sind, die als Kind schwere Ohnmachtserfahrungen gemacht haben. Dadurch verstärken sich destruktive gesellschaftliche Prozesse, weil die Führenden – so meine Vermutung – überproportional häufig emotional beschädigt zu sein scheinen. Die britische Gesellschaft scheint dies sowohl historisch als auch immer noch aktuell systematisiert und institutionalisiert zu haben. Kinder werden früh emotional beschnitten, in dem sie aus den Elternhäusern entfernt und dann in Eliteschulen auf die Führung des Landes getrimmt werden. Das ganze wird ihnen sowohl durch die Eltern, die Internatslehrkräfte als auch durch die Gesellschaft als "Wohlwollen" verkauft, wie immer wollen alle nur „das Beste für das Kind“…
Hinweis: In meinem Blog habe ich mich mit den Auswirkungen von Internatszeiten auf Politiker bereits an Hand des Beispieles von Tony Blair befasst.