Ich habe erneut eine Fallstudie über einen Nazi gefunden:
Smith, A. F. & Sullivan, C. R. (2022). Exiting far-right extremism: a case study in applying the developmental core need framework. Behavioral Sciences of Terrorism and Political Aggression. Onlineveröffentlichung vom 13.06.2022. https://doi.org/10.1080/19434472.2022.2076718
Tom war fast 20 Jahre Teil einer sehr bekannten und gewalttätigen Neo-Nazi Organisation in den USA. Die Forschenden trafen ihn für ein langes Interview. Fragen waren vorbereitet, das Gespräch verlief aber auch offen. In dem Forschungsbericht werden auch einige Details aus seiner Kindheit erwähnt.
Tom traf im Alter von elf Jahren erstmals auf die rechtsextreme Gruppe, genau zu der Zeit, als sein Vater gestorben war. Was ihn an der Gruppe sofort beeindruckte, war der – wie er sagt – „Respekt“, den die Gruppe durch ihr Auftreten bekam. Man könnte auch einfach sagen: Die Leute hatten Angst vor ihnen. „I liked that people feared me … I liked it when people saw me coming, they crossed the street” (S. 8)
Tom wuchs in einer Nachbarschaft auf, wo er und seine Familie die einzigen „Weißen“ waren. Als Kind hatte er zunächst viele „Schwarze“ als Freunde. Mit den Jahren fühlte er sich aber als „Weißer“ nicht gleich und auch rassistisch behandelt. „In addition to his feelings of social and racial alienation, Tom’s home life was characterized by conflict. He described his biological father as hard-working but largely absent. Tom noted, ‘ … there wasn’t a lot of communication with him [his father], except for when we [Tom and his brother] got in trouble.’ Tom described his father as a former Navy-man, who was a physically abusive disciplinarian. (Tom described being given ‘twenty-five to thirty spanks with a big-ass leather belt’ by his father for relatively minor infractions and childhood pranks.)” (S. 9).
Er entschuldigte seinen Vater sogleich für dessen Gewalt und Verhalten, weil dieser ganz ähnlich aufgewachsen sei (sprich mit Gewalt).
Später trat noch ein Stiefvater in Toms Leben. Tom spricht bewundernd von seiner Mutter. Die Beziehung zu ihr oder ihr Erziehungsverhalten wird aber nicht deutlich. An einer Stelle wird erwähnt, dass seine Mutter Brustkrebs hatte und behandelt werden musste. Es wird leider nicht deutlich, ob diese Situation noch in Toms Kindheit eintraf (was eine weitere schwere Belastung für das Kind bedeuten würde, das ja bereits seinen Vater früh verloren hatte).
Als er der Nazi-Szene beitrat wurde er innerhalb seiner Familie zum Außenseiter. Da er bereits ab dem 11. Lebensjahr in Kontakt mit der Szene kam, wird es – so meine Vermutung - zu etlichen Konflikten mit Mutter und Stiefvater gekommen sein.
Schwere traumatische Erlebnisse (väterliche Misshandlungen, Tod des Vaters) sind deutlich belegt, weitere Belastungen sind nicht ausgeschlossen.
Innerhalb der Nazi Gruppe machte Tom dann sowohl als Täter als auch als Opfer weitere traumatische Erfahrungen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen