Ebrahim B. ist der erste deutsche IS-Rückkehrer, der offen über seine Erlebnisse in Syrien und im Irak berichtet und sich vom IS deutlich distanziert. Das in der ARD veröffentlichte Interview ist sehr sehenswert und offenbart viel über die massive Gewalt, die auch in der Gruppe IS untereinander herrscht.
In der ZEIT (17.07.2015, "Du bist entweder tot oder tot") wurde noch eine weitere Aussage von Ebrahim zitiert. Er habe eine schwierige Schulzeit hinter sich, kleinere Vorstrafen, eine geplatzte Hochzeit und sei in Orientierungslosigkeit verfallen. Dann wurde er angeworben von IS-Rekrutierern und fand eine scheinbare Berufung und einen Sinn. Ebrahim wörtlich (und das ist der Satz, der mich besonders aufhorchen ließ!): "Würde ich von einer Rocker-Bande aufgenommen in Jamaika oder in Amerika von Hells Angels oder so was, wäre ich mitgegangen. Ich bin gestolpert und wurde von den falschen Händen aufgenommen." Dazu passt auch, dass Ebrahim vorher nicht sonderlich religiös war.
Mich erinnert diese Aussage an den ehemaligen Terroristenunterstützer Willi Voss, über den ich hier im Blog bereits kurz geschrieben habe. In einem SPIEGEL-Interview (31.12.2012. "Ein Mann, drei Leben") sagte er folgendes: "Ich war ein verlorener Hund. Einer, der so oft getreten worden war, dass er zurückbeißen wollte, egal wie (…). Hätte ich damals Andreas Baader getroffen, wäre ich vermutlich bei der Roten Armee Fraktion gelandet.“ Seine Kindheit sei von Gewalt, sexuellem Missbrauch und anderen Demütigungen geprägt gewesen, schreibt der SPIEGEL weiter. „Ich habe als Kind immer wieder Zustände absoluter Ohnmacht kennengelernt. Etwas, dass blanke Mordlust in mir ausgelöst hat, tiefste Scham und ein Gefühl, als sei ich das Wertloseste, dass es auf dieser Welt gibt.“, sagte Voss.
Beide Akteure haben letztlich deutlich gemacht, dass ihnen die „Farbe“ ihrer gelebten Ideologie oder ihres Gruppenkultes letztlich mehr oder weniger egal war und sich einfach ergab. (Viele wundern sich, wenn z.B. Linksextremisten nach einiger Zeit plötzlich Rechtsextremisten werden, dabei erklärt dieses „egal welche Farbe“ genau das.) Ein Willi Voss wäre vielleicht, hätte er einen muslimischen Hintergrund, heute als junger Mann auch unterwegs in Richtung Syrien. Oder er wäre damals, wie er selbst für sich feststellte, einfach zur RAF gekommen, so Begegnungen und Zufälle dies möglich gemacht hätten. Ein Ebrahim B., der als Weißer in den Südstaaten der 50er Jahre in den USA aufgewachsen wäre, hätte sich vielleicht – so es Zufälle und Begegnungen ergeben – dem rassistischen Ku-Klux-Klan angeschlossen.
Egal wie die jeweilige „Farbe“ aussieht, der Weg MUSS destruktiv sein, wenn im Hintergrund eine entsprechend destruktive Kindheit therapeutisch unbearbeitet schlummert und das Opfer, das mensch als Kind war, weiterhin alles steuert. Die „Unauffälligeren“ wählen vielleicht einen selbstdestruktiven Weg, Drogensucht, lebensgefährlichen Extremsport, Unglück und Scherbenhaufen im Leben, zerschossene Beziehungen, Kindesmisshandlung, mir fällt da viel ein. Die „Unauffälligeren“ wählen vielleicht auch einen Weg, der zwar destruktiv ist, aber der Kultur angepasst ist, so dass das Verhalten nicht als abweichend oder kriminell gilt. Z.B. das Soldatentum oder machtvolle Positionen, in denen extrem vernichtende Entscheidungen getroffen werden können, die dann als ökonomisch-politisch zweckrational gelten, obwohl sie im Grunde Terror sind, mit dem einzigen Ziel der Zerstörung.
Es ist eines der größten Irrtümer der klassischen Gewaltforschung, dass diese sich auf die politische, zweckrationale Dimension fokussiert und dies als Ursache benennt, obwohl dieser Überbau den Akteuren nur dazu dient, sich selbst zu belügen, damit gewissenlos zerstört werden kann, um der Zerstörung willen. Der „rational-politische Überbau“ dient – um es gleich noch mal zu wiederholen - nur als Mittel zum Zweck. Der eigentliche Zweck ist die Zerstörung an sich (gespeist durch Selbsthass auf Grund kindlicher Opfererfahrungen): Zerstörung von Menschen und Umwelt und natürlich vor allem die Selbstzerstörung.
Menschen brauchen aber i.d.R. etwas, um diesen eigentlichen Zweck vor sich selbst zu verschleiern. Einige wenige besonders krasse Täter wie Serienmörder etc. sind da große Ausnahmen. Sie sagen oftmals ganz offen: Ich wollte einfach zerstören, jemanden abschlachten, jemanden leiden sehen, wer und wo ist im Grunde egal und eher Zufall. Die meisten anderen destruktiven Menschen, die z.B. für den IS in den Krieg ziehen, brauchen zunächst einen politischen oder religiösen Überbau, irgendetwas, das dazu dient, die Lüge vor sich selbst zu verbergen. (Selbst der Straßenschläger, der jemanden „einfach so“ zusammenschlägt und vielleicht sogar tötet, braucht oftmals eine kleine Rechtfertigung für den Anlass der Gewalt: Er wurde schief angeschaut oder beleidigt oder er wurde darauf hingewiesen, sich zu benehmen. Der Hass und die Wut schlummerten schon vor der Tat in ihm.) Ist der Damm dann erst einmal gebrochen, wird dem Hass freien Lauf gelassen.
Jede neue Tat traumatisiert die Täter wiederum zusätzlich. Fataler Weise fühlen sie sich kurzzeitig durch das Morden lebendig, sterben aber real immer weiter ab. Falls noch leichte Gefühle da waren und eine winzige Verbindung zur Menschheit bestand, wird auch dieses letzte Licht gelöscht. Ich spreche dann immer davon, dass eine Art „Superzombie“ entsteht. Diejenigen, die heute in Syrien Menschen massenhaft und oft grausam umbringen, waren bereits voller Hass und toter Emotionen, als sie loszogen. So man will fühlten sich viele wahrscheinlich bereits innerlich nicht-lebendig, einem Zombie nahe. Der „Superzombie“ entsteht dann durch ihre realen grausamen Taten. Danach gibt es im Grunde kein Zurück mehr zu einem innerlich lebendigen und gefühltem Leben. Der körperliche Tot wird irgendwann zum Ziel und verspricht Erlösung, das Innere ist eh schon tot.
Menschen brauchen aber i.d.R. etwas, um diesen eigentlichen Zweck vor sich selbst zu verschleiern. Einige wenige besonders krasse Täter wie Serienmörder etc. sind da große Ausnahmen. Sie sagen oftmals ganz offen: Ich wollte einfach zerstören, jemanden abschlachten, jemanden leiden sehen, wer und wo ist im Grunde egal und eher Zufall. Die meisten anderen destruktiven Menschen, die z.B. für den IS in den Krieg ziehen, brauchen zunächst einen politischen oder religiösen Überbau, irgendetwas, das dazu dient, die Lüge vor sich selbst zu verbergen. (Selbst der Straßenschläger, der jemanden „einfach so“ zusammenschlägt und vielleicht sogar tötet, braucht oftmals eine kleine Rechtfertigung für den Anlass der Gewalt: Er wurde schief angeschaut oder beleidigt oder er wurde darauf hingewiesen, sich zu benehmen. Der Hass und die Wut schlummerten schon vor der Tat in ihm.) Ist der Damm dann erst einmal gebrochen, wird dem Hass freien Lauf gelassen.
Jede neue Tat traumatisiert die Täter wiederum zusätzlich. Fataler Weise fühlen sie sich kurzzeitig durch das Morden lebendig, sterben aber real immer weiter ab. Falls noch leichte Gefühle da waren und eine winzige Verbindung zur Menschheit bestand, wird auch dieses letzte Licht gelöscht. Ich spreche dann immer davon, dass eine Art „Superzombie“ entsteht. Diejenigen, die heute in Syrien Menschen massenhaft und oft grausam umbringen, waren bereits voller Hass und toter Emotionen, als sie loszogen. So man will fühlten sich viele wahrscheinlich bereits innerlich nicht-lebendig, einem Zombie nahe. Der „Superzombie“ entsteht dann durch ihre realen grausamen Taten. Danach gibt es im Grunde kein Zurück mehr zu einem innerlich lebendigen und gefühltem Leben. Der körperliche Tot wird irgendwann zum Ziel und verspricht Erlösung, das Innere ist eh schon tot.
Arno Gruen hat in seinem Buch „Wider den Terrorismus“ (2015) auf Seite 18 - auch mit aktuellem Bezug zum IS - formuliert: „Die tödliche Motivation kommt (…) vor der Ideologie. Diese soll nur die wahren Antriebskräfte verschleiern; die Ideologie ist niemals selbst Motivation.“ Dieser Satz bringt es auf den Punkt, wird aber oftmals immer noch nicht verstanden. In der gesamten Gewaltforschung müsste ein Umdenken in dieser Hinsicht stattfinden, ebenso bei politischen Entscheidungsträgern.
Siehe ergänzend:
- IS-Terroristen: "Biografien der Vorhölle"
Siehe ergänzend:
- IS-Terroristen: "Biografien der Vorhölle"
- Forschungsprojekt im Libanon: Islamistische Terroristen hatten furchtbare Kindheiten
- Studie "Die Sicht der Anderen". Wie Extremismus entsteht
- Einige Daten und Zahlen über Kindesmisshandlung im Nahen Osten und Afrika