Samstag, 25. Juni 2011

Die Folgen der Gewalt. Oder: Die Kindheit ist politisch!

Die gesamtgesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der Gewalt gegen Kinder werden allgemein eher nicht oder wenig wahrgenommen. Mehr noch, wer auf diese Auswirkungen hinweist, begibt sich in die Gefahr, nicht ernst genommen, verlacht, als unseriös bezeichnet zu werden oder es erfolgen manchmal sogar persönliche Angriffe. Wobei nach meiner Erfahrung die häufigste Reaktion einfach ignorieren und schweigen ist. Die verstorbene Kindheitsforscherin Alice Miller konnte ein Lied davon singen und hat in vielen Beiträgen immer wieder auf die dicken Mauern des Schweigens hingewiesen, die sie nicht oder kaum überwinden konnte. Manchmal habe ich auch Kritiken aus Wissenschaftskreisen gelesen, die dem Forschungsbereich Psychohistorie alles mögliche vorwerfen und ihn kaum ernst nehmen.

Dabei stehen die Schlussfolgerungen von Alice Miller und anderen ähnlich Forschenden und natürlich auch meine bescheidene Arbeit im Grunde auf einem ganz ganz dicken Fundament! Dieses Fundament ist wissenschaftlich durch unzählige internationale Studien abgesichert und kann von keinem Menschen, der ernsthaft und seriös, gar wissenschaftlich arbeitet in Zweifel gezogen werden.

Das Fundament besteht aus zwei wesentlichen Teilen:

A. Unzählige Studien über die Verbreitung von verschiedenen Formen von Gewalt gegen Kinder belegen, dass weltweit Kinder, die keine Gewalt durch ihre Eltern oder Elternfiguren erleben, nicht die Regel, sondern die Ausnahme sind (siehe auszugsweise hier). Die meisten Kinder erleben mindestens eine Form von elterlicher Gewalt, oftmals auch mehrere Formen. Die einen Kinder erleben dies mehr, die anderen weniger. Die einen werden von verschiedenen Personen verletzt, die anderen nur von einer.

B.Gewalt gegen Kinder hat Folgen. Es gibt kurzfristige Folgen und ist gibt Langzeitfolgen, die auch die später Erwachsenen betreffen. Über die Folgen der Gewalt gegen Kinder gibt es ebenfalls etliche Studien, ganze Diplom- und Doktorarbeiten und natürlich Erfahrungsberichte von Betroffenen und SozialarbeiterInnnen/PsycholgInnen etc. Die Folgen sind um so schwerwiegender, je häufiger Gewalt und je schwerere Formen von Gewalt erlebt werden, je näher das Kind dem Täter/der Täterin steht, je jünger die Kinder beim Gewalterleben sind, je mehr unterschiedliche Formen von Gewalt zusammenkommen und je weniger Hilfen und andere positive Bezugspersonen zur Verfügung stehen. Die Folgen sind vor diesem Hintergrund von Kind zu Kind unterschiedlich. ( Manche Erwachsene schaffen es zudem, durch Psychotherapie die destruktiven Folgen abzumildern oder manchmal gar relativ gut aufzulösen. Doch viele Menschen machen eben auch keine Therapie und lassen die Dinge laufen wie sie sind.)

Einige von vielen möglichen Folgen habe ich hier einmal aufgeführt:
Verlust von Urvertrauen/innerer Zuversicht, Beeinträchtigung der Bindungsfähigkeit und ungünstiger Bindungsstil, Probleme in sozialen Beziehungen bzw. Probleme beim Lösen sozialer Konfliktsituationen, sozialer Rückzug, erhöhtes Risiko für verschiedene Störungen (Ängste, Zwänge, Depression, Störung des Sozialverhaltens, Suizidalität/Todessehnsucht, diverses Suchtverhalten) bzw. Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen, geringes Selbstvertrauen, negatives Selbstbild/gestörte Selbstwahrnehmung, Identitätsprobleme, Minderwertigkeitsgefühle, Überanpassung, Vermeidungs- und Fluchtverhalten, ständiges Misstrauen, selbstverletzendes Verhalten, psychosomatische Störungen, aggressive Verhaltensstörungen, Gewaltverhalten, erhöhte Akzeptanz von Gewalt als Konfliktlösung, fehlende Frustrationstoleranz, Missachtung emotionaler Grundbedürfnisse anderer, geringere Empathiefähigkeit; Unfähigkeit, eigene Grenzen wahrzunehmen und auch anderen deutlich aufzuzeigen; Übernahme der Opferrolle, Posttraumatische
Belastungsstörungen, psychische Abspaltung von gewaltvollen Erlebnissen und entsprechenden Gefühlen, Prostitution, Entwicklung von Schuldgefühlen, Schlafstörungen, Albträume, Konzentrationsstörungen, chronische körperliche Krankheiten, „eingefrorene“ Mimik und Gefühlslage usw.

So weit befinden wir uns in der Welt der anerkannten Wissenschaft und „Seriosität“. Wobei Teil A. (das hohe Ausmass der Gewalt gegen Kinder) nach meinem Eindruck trotz aller vorliegenden Erkenntnisse nicht wirklich umfassend öffentlich kommuniziert und wahrgenommen wird, was noch mal ein Thema für sich ist.

Ich fasse zusammen: Wir leben in einer Welt, in der die Mehrheit der Menschen als Kind Gewalt erlebte, missachtet wurde und/oder Ablehnung erfuhr. Diese Gewalt und Ablehnung geht häufig von den Menschen aus, die für die Pflege und Fürsorge der Kinder zuständig sind: Eltern und Verwandten/Pflegeeltern. Die destruktiven möglichen Folgen für den einzelnen Betroffenen sind umfassend analysiert und oben kurz angerissen. Die Folgen für Gruppen und ganze Gesellschaften sind dagegen bisher wenig erforscht und im Blickpunkt der Wissenschaft und Öffentlichkeit. Dabei muss mensch nur eins und eins zusammenzählen:
Eine Mehrheit von Gewaltbetroffenen bedeutet, dass eine Mehrheit unter möglichen Folgen leidet. Das ist eine ganz simple Wahrheit, die, wenn sie angesprochen wird, i.d.R. ignoriert oder zerrissen wird. Diese simple Wahrheit öffentlich zu machen, ist das eigentlich schwierige. Dabei ist es geradezu unlogisch, diese Zusammenhänge nicht sehen zu wollen. Es ist geradezu naiv, davon auszugehen, dass eine so hohe Gewaltbetroffenheit der Menschen keine politischen Auswirkungen hat; dass diese Erfahrungen quasi verpuffen, sobald sich Menschen auf der politischen und gesellschaftlichen Bühne bewegen, ist eine Illusion. Vermutlich bedingen wiederum die Folgen der Gewalt, dass auch eine Mehrheit der Gesellschaft nicht hinsehen kann und will, eben auf Grund der eigenen Betroffenheit und gedeckelten Schmerzen.

Diese Mehrheit der Gewaltbetroffenen findet sich zudem natürlich auch in allen möglichen Führungspositionen in Wirtschaft, Medien, Kultur und Politik wieder. Meine Vermutung ist sogar, dass von Ohnmachtserfahrungen und Gewalt Betroffene sogar in der Politik und bestimmten Bereichen der Wirtschaft verhältnismäßig überrepräsentiert sind, da sie nach großer Macht streben, um ihre innere Leere zu füllen und die Ohnmacht zu deckeln. (In manchen politischen und wirtschaftlichen Arbeitsbereichen ist es sogar sehr vorteilhaft, wenn mensch Emotionen und Mitgefühl abgespalten hat, da hier „maschinelle“ Entscheidungen gefragt sind.) Wenn dem so sein sollte, dann verschärfen sich dadurch noch einmal die Probleme der Gesellschaft, weil die Menschen an den Machthebeln mehrheitlich ggf. an diversen Folgen und emotionalen Störungen (die sie gerne verstecken) leiden.
Überhaupt ist es ein Problem, wenn Macht und emotionale Probleme zusammenkommen. Das gilt auch für den ganz normalen Alltag, wenn z.B. der Vermieter oder Chef vielleicht die ein oder anderen Folgen aufweist, insbesondere ist fehlendes Mitgefühl ein Problem. Es gibt darüberhinaus etliche gesellschaftliche Bereiche, die ebenfalls betroffen sind, wenn eine Mehrheit als Kind Gewalt erfuhr. Ich denke da z.B. an enormen Kosten für die Krankenkassen, sofern spätere Leiden und Krankheiten mit der erfahrenen Gewalt zusammenhängen. Ich denke auch an viele Menschen, die arbeitsunfähig sind oder sich schwer in Arbeit integrieren lassen, weil sie an diversen Folgen leiden. Ich denke an Kosten für die Jugendhilfe, Drogenberatungsstellen, Kosten für Polizei und Justiz, Kosten für psychosoziale Einrichtungen usw. usf.
Kurz: Gewalt gegen Kinder hat politische Konsequenzen, aber auch gesamtgesellschaftliche und ökonomische. Oder anders gesagt: Die Kindheit ist politisch! Dies alles wird noch immer fast nie wirklich in o.g. Zusammenhängen analysiert.

Die gute Nachricht für Deutschland: Die Gewalt gegen Kinder geht seit Jahren langsam aber stetig zurück. Zudem hat unsere Gesellschaft alle möglichen Hilfsmaßnahmen, Gesetze und Unterstützungsangebote für Kinder aufgebracht und zudem ein sehr differenziertes, breites Angebot von Psychotherapie für Kinder und Erwachsene aufgebaut, so dass kindliche Gewalterfahrungen aufgearbeitet und verarbeitet und Gefühle zurückerobert werden können. Wir werden in absehbarer Zeit in eine gesellschaftliche Situation kommen, in der die Mehrheiten kippen. Geschlagene Kinder werden absehbar in Deutschland nicht mehr die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Andere (Erziehungs)-Probleme bleiben. Trotzdem wird sich diese Veränderung der Kindererziehungspraxis und Verteilung in der Bevölkerung enorm auf die Dynamik unserer Gesellschaft auswirken. Für diesen Entwicklungsprozess gibt es bisher kein Beispiel in der Geschichte, denn die „Geschichte der Kindheit ist ein Albtraum, aus dem wir gerade erst erwachen“ (wie deMause schrieb). Wir befinden uns in einer einzigartigen Phase der Menschheitsgeschichte, auf die spätere Generationen in ihren Geschichtsbüchern mit Interesse zurückblicken werden. Wir steuern auf eine Gesellschaft zu, die Entscheidungen jedweder Art mit Mitgefühl verknüpfen wird. Die Zukunft wird friedlicher, kreativer, flexibler, selbstbewusster, freier und konstruktiver sein, weil die Kindheiten immer freier und friedlicher werden.

Dienstag, 21. Juni 2011

Von EHEC zu Griechenland. Von Angstherd zu Angstherd

Zerfall, Spaltung (Focus Money titelte z.B. am 22. Juni 2011 mit einem zerbrochenen EURO.) , Streit, Bankrott, Angst, Panik, Krise, Untergang, drohender Abschwung, Krawalle…

Die Liste aktueller Schlagzeilen ist lang. Kaum gab es bzgl. der „EHEC-Krise“ einigermaßen Entwarnung, schwenkten die Medien blitzschnell um und hoben die Griechenland-Krise wieder nach oben, die aktuell Top-Thema ist.

Ich hatte erst überlegt, ob ich wieder etwas zum jetzt neuen SPIEGEL Titel schreiben soll oder ob das ganze vielleicht doch etwas zu sehr durch mich interpretiert ist. Dann hörte ich gestern im Deutschlanfunk vor 11.00 Uhr, wie ein Experte etwas von dem „Infektionsherd“ Griechenland und der "Ansteckungsgefahr" für andere Länder sagte. Auch in der Folge fiel mir in anderen Nachrichten, Hörfunk und Berichten immer häufiger das Wort „Ansteckungsgefahr“ auf. Ich halte das mittlerweile nicht mehr für einen Zufall. Über drei Wochen lang grassierte in Deutschland die (meiner Meinung nach vollkommen übertriebene) (Todes-)Angst vor der Ansteckung mit EHEC. (siehe meine letzten Beiträge) Jetzt droht die „Ansteckung“ durch das „vergiftete“ Griechenland. Die Ängste haben sich wieder auf die ökonomischen Bereiche verschoben. Gruppenfantasien und Gruppenängste scheinen manchmal zu wandern, von Angstherd zu Angstherd.

Kommen wir zurück zum aktuellen SPIEGEL Nr. 25 vom 20.06.11, der den EURO „Plötzlich und Erwartet“ zu Grabe trägt.
Getreu des letzten Blogbeitrages habe ich den SPIEGEL nach (wie ich fand) relevanten Schlagwörtern und Sätzen in den Titeln und im Dickgedruckten durchsucht. Die gefundenen Wörter unterscheiden sich zu dem, was ich in den beiden vorherigen Ausgaben fand. Angst, Kriegs- und Zerstörungswörter und Gift/Virenstichworte dominieren hier. Ich bin kein Psychoanalytiker. Mir fiel aber in dieser Ausgabe besonders der relativ lange Artikel „Aus einer Leiche geboren“ ab Seite 112 auf. Berichtet wird über eine Frau, die gehirntod im Krankenhaus lag und einige Wochen später einen gesunden Sohn gebar. Der Artikel an sich ist wirklich sehr ergreifend und berührend. Um den Artikel an sich geht es mir weniger. Ich finde nur die Symbolik interessant. Der SPIEGEL trägt den EURO im Titel zu Grabe. Im selben Heft findet sich ein Artikel, wo eine „Tote Mutter“ einen Sohn gebar. Ich wage hier keine Deutungen, möchte aber auf mögliche Zusammenhänge hinweisen.

Hier nun die Schlagwörter:
Aufstand, Sohn, Zerstörung, Anarchie, Schuld, Krieg, Verhungernde, „Angst vor der Größe“, Sterben und Töten, Sorge, Arme Kinder, Blutarme Politik, „Auf Gedeih und Verderb“, Gefahr, Krise, Krise, Flächenbrand, Krisen, Schlimmsten, „Rette sich, wer kann“, Jugend, Mütter, Kinder, „Das Tor der Tränen“, Krieg, Schreckgespenst, Angreifern, „Schwere Geschütze“, Fluchtpunkt, „Sie können nur töten und hoffen“, „Wer die Schlacht will, kann sie haben“, „Eine furchtbar nette Familie“, Kindern, Gewalt, Wut, Gegenwehr, Angriff, letzte Schlacht, vernichtet, Krieg, Bombenangriffe, gekämpft, Kriegsschauplatz, Virenjäger, Killerprogramme, Sohnes, Böses, Virus, Viren, Bedrohung, Viren, tötete, „Aus einer Leiche geboren“, Mutter, „Es regnet Gift“, „Es regnet Geld“, „Loch in der Geschichte“, „Angst treibt uns voran“, Leere, Leidensbericht.

Die Ansteckungsangst geht um in den deutschen Medien. Einige Beispiele:

Ansteckungsgefahr für unseren Wohlstand“ (Monitor Nr. 621 vom 16.06.2011)

„Es droht Ansteckungsgefahr“ (bild.de)

„Würden die europäischen Länder schockartig Griechenland in die Pleite schicken, würde diese Schockwelle eine Ansteckungsgefahr bedeuten und auch andere Länder in große Schwierigkeiten bringen.“ (Focus, 15.06.11)

Belgien warnt in Griechenland-Krise vor Ansteckung (europeonline-magazine.eu, 19.06.11)

"Angestrebt wird eine begrenzte Beteiligung der privaten Gläubiger, die aber keine Ansteckung (anderer Länder) nach sich zieht." (web.de, 16.06.11)

"über die Angst vor der „Ansteckung“ wenn Griechenland pleiteginge“. (handelsblatt.com, 20.06.11)

"Geht Griechenland pleite, so droht eine Ansteckung der anderen Peripheriestaaten wie Irland, Portugal oder Spanien." (berlinonline.de, bereits am 30. April 11)

Infiziert der »Griechenland-Virus« jetzt auch Bulgarien (Kopp Verlag, 14.06.11)

"Wann springt das Griechenland-Virus über?" (handelsblatt.com, 16.06.11)



Wir werden sehen, wie sich die Ängste weiter entwickeln und wer zuletzt geopfert wird...

Mittwoch, 15. Juni 2011

Gruppenfantasien: Analyse der letzten beiden SPIEGEL Ausgaben.

Nachfolgenden Beitrag muss man im Zusammenhang mit den drei vorherigen Beiträgen lesen und verstehen!

Ich habe mir jetzt mal die Mühe gemacht und die beiden letzten SPIEGEL Ausgaben gründlich nach (emotionalen) Schlüsselwörtern und Wörtern wie Kind etc. durchsucht. Die nachfolgende Auflistung ist chronologisch, sprich vom Heftanfang bis zum Heftende. Die Wörter und Sätze stammen immer aus Titeln, Überschriften, Dickgedrucktem oder Untertiteln bzw. Bildunterschriften (nicht aus dem laufenden Text). Im Grunde müsste man die Ergebnisse mit zwei SPIEGEL Ausgaben aus einem anderen Jahr zum Vergleich heranziehen und schauen, ob solche Worte ganz normale Alltagssprache beim SPIEGEL sind oder eben doch Spitzen aufzeigen, die Rückschlüsse auf aktuelle emotionale Prozesse zulassen. Insofern ist mein Ergebnis natürlich fragwürdig. Trotzdem möchte ich es vorstellen, weil die gefundenen Wörter zu dem passen, was ich in den letzten drei vorherigen Blogbeiträgen ausgeführt habe.

Bei der aktuellen Ausgabe mit dem Titel „Bruder Todfeind“, die ich ja bereits in Zusammenhang mit abgespaltenen Gefühlen/Teilen und Hassliebe gebracht habe, sind mir vor allem auch in ganz anderen Artikeln Andeutungen zu etwas „Doppeltem“, Gegensätzlichen bzw. doppelte Titel wie "x oder Y" aufgefallen, die insofern zum zerrissenen Titelbild passen. Diese Teile habe ich noch einmal dickgedruckt hervorgehoben. Ansonsten fand ich die Titelstory geradezu langweilig, sie bot nichts neues oder außergewöhnliches und hatte zudem wenig mit dem Titel "Bruder Todfeind" zu tun. Vielleicht ist ja aber gerade das wiederum erhellend, dass Titel und Bilder gewählt wurden, die wenig mit dem Text und Inhalt der Story zu tun hatten...

Weiter kommentieren möchte ich meine Ergebnisse nicht. Wie immer finde ich, dass diese Art der Deutung von Medien(bildern) immer auch etwas von eigener Auslese haben kann und insofern anfällig für Fehler und übertriebene Deutungen ist. Die Leser und Leserinnen dieses Blogs mögen sich ihre eigenen Gedanken dazu machen.


DER SPIEGEL, Nr. 23, 06.06.11
Der Feind im Essen. EHEC: Die Geburt einer Seuche.


Hass auf die Deutschen, Jungfrauentest, Sterbehilfe, „Das Röcheln des Sterbenden“, Schizophrene Notwendigkeit, Tod hilft Leben, Militanz, Heer, Zickzackkurs, Stimmentief, Unberechenbar, Todsünde, Katastrophenschutz, Die Angst-Macher, „Auch der Feind hat eine Würde“, Endzeitstimmung, „Im Verdruss vereint“, „Die Stimmung wird kippen“, „Auge um Auge“, „Gefährliches Gewusel“, „Erhöhtes Risiko“, Stresstest, „Meine Mutter hat versagt“, Schweigen, Attacke, Schelte, „Wieder am Abgrund“, Waffen, „Bedeutung von Emotionen“, „Psychologischer Blickwinkel“, „Kinder einer Gedankenschule“, Angriff, Gefahr, „Er hat keinen mehr, der ihn kontrolliert“, Wirtschaftswachstum, „Wir sind sehr emotional“, Krieg oder Frieden, „Gut und Böse sind Kategorien für Kinder“, Krisenkinder, Jugend, Jungfrauen, gefährliche Verbrecherin, kämpfte, Wahnsinn, Katastrophe, „Böses reden, Gutes tun“, „ wie ein Kind, das heute sein Ritalin nicht genommen hat“, „Suche nach dem Verrückten“, lauert, Doktor Freud, Gewissenlos, „Puls der bösen Absichten“, Mozart statt Mamma“, „Neugeborene beruhigen, die aus medizinischen Gründen vorübergehend von ihrer Mutter getrennt werden“, Drogen, Anmerk. EHEC Teil Anfang: Outbreak in Deutschland“, „Infizierter Norden“, „Lauernde Gefahr“, „Ein Erreger für die Demut“, „Wir leben in einem fragilen System“, „Die Jagd wird mysteriöser“, „Entfesselter Erreger“, Anmerk. EHEC Teil Ende, Gier, Alarmzustand, Gestresste, „Verseuchtes Fleisch“, Tiefe, Schlafmittel, „Geraubte Kinder“, „Außen Ehre, innen Leere“, „Tausende Jungen und Mädchen wurden verschleppt“, „an ihrer zerbrochenen Kindheit leiden die meisten noch heute“


DER SPIEGEL, Nr. 24, 11.06.11
Hitler gegen Stalin. Bruder Todfeind


Zerwürfnis, „Leben und Leiden“, „Kunst der zwei Gesichter“, Opfer, „Verbrechen oder Heldentat?“, Verdächtige, Ziele formuliert, Zombies, „Direkt an die Front“, „Allianz des Misstrauens“, „Klima in der Regierung ist vergiftet“, Stimmungswechsel, „Bezahlen müssen wir alle“, „Gute Werte, schlechte Werte“, hasse, „Sehnsucht nach dem Ende“, Leiden, Mädchen, Tochter, Söhnen, „Hast du mich noch lieb?“, Toter Markt, „Wenn ihrem Kind etwas Schlimmes passiert“ (Werbeanzeige mit Bild von Kindern) Wunsch und Wirklichkeit, „Das Leben ist voller Höhen und Tiefen“ (Werbeanzeige), Eltern, Kind, Eltern, Schüler, Tochter, „Kind wird Junge und Mädchen“, Jugend, „Irgendwas kippt gerade“, „Wie behandeln die Deutschen Fremde?“, Verbotenen, Anmerk. jetzt folgt Hitler und Stalin Teil: Bestie, Unmensch, Gemetzel, Sohn, tobt, brüllt, grauenhafte, Kampf an mehreren Fronten, Anmerk. Ende Hitler und Stalin Teil, flüchten, bedroht, Angriff, „Kränkelnde Tochter“, gedroht, Pleite-Macher, Explosive Schlamperei, Verdächtige Millionen, Tödliche Spritze?, „Die Frau ist ein Grund zur Sorge“, „Geld und Truppen“, „Bunker und Kämpfer werden zerrissen“, „Man spürt den Wahnsinn jeden Tag“, Tiefgang, Tod, sterben, „Von Krämpfen geschüttelt, „Wir wollen keine Rache“, „Wie eine Tochter“, Verletzter, „um ihre Jungen kämpft“, „Die verlorenen Töchter“, Mädchen, Eltern, „Bedrohung für ihre Kinder“, Kind, Hauen oder stechen, Mädchen, „Rendite oder Leben“, „Das Drama im Kinderzimmer“, bedrohlich, unberechenbar, „Die Falschen und die Richtigen“, „Das wahre Gesicht der Volksrepublik zeigen“, „Angst ist spürbar“, „Gefährliches Gift“, Jugendsünden, Kindern

Samstag, 11. Juni 2011

Gruppenfantasien: Nach dem Feind im Essen jetzt "Bruder Todfeind".

Fast drei Wochen lang verfielen große Teile der Nation in panische Angst vor „dem Feind im Essen“ (siehe die beiden letzten Beiträge von mir).

Die psychohistorische Forschung weist immer wieder auf (wörtliche und echte) Bilder in den Medien hin, die Rückschlüsse auf aktuelle Gruppenfantasien zulassen.
Im letzten Beitrag hatte ich bereits meine Auffassung darüber dargelegt, dass Deutschland aktuell auf der Suche nach einem Feind ist. Lloyd deMause hat in seinen Arbeiten darauf hingewiesen, dass die Feindessuche (aber auch Kriege) vor allem auch in Zeiten wirtschaftlichen Wachstums beginnt. Derzeit befinden wir uns in so einer ökonomischen Wachstumsphase. Nach deMause drohen in Zeiten von Wachstum und Wohlstand furchteinflößende (psychisch abgespaltene) Erinnerungen aus der Kindheit zurück ins Bewusstsein zu drängen. Diese Erinnerungen müssen abgewehrt werden. Z.B. durch Selbstzerstörung (auch ökonomischer Art) oder durch äußere Feinde.

Der SPIEGEL hat nach seinem letzten Titelthema „Der Feind im Essen“ mit der jetzt neuen Ausgabe noch mal in eine sehr interessante Richtung nachgelegt. „Bruder Todfeind“ lautet der Titel, womit gleich in zwei Ausgaben hintereinander das Wort „Feind“ groß im Titel zu lesen ist. Zu sehen sind die „Brüder“ Hitler und Stalin, beide Körper überlappen sich im Bild (gehören also irgendwie zusammen), allerdings stehen sie quasi Rücken an Rücken (ineinander), die Köpfe schauen jeweils in die entgegengesetzte Richtung. Solche und ähnliche Bilder gibt es immer wieder auch von einzelnen Führungspersonen, siehe z.B. ein Bild von Präsident Bush: Diese Bilder wie auch das aktuelle SPIGEL Titelbild geben Hinweise darauf, dass emotionale Prozesse in Gange sind, die etwas mit dem psychischen Phänomen der Abspaltung zu tun haben. Dass solche Bilder ihren Weg in die großen Medien finden, verwundert insofern nicht, wenn man darum weiß, dass NICHT geschlagene und vernachlässigte Kinder auch in Deutschland nicht die Regeln, sondern die Ausnahme sind. Insofern mussten die meisten heutigen Erwachsenen in ihrer Kindheit mal mehr mal weniger schwere Gewalterfahrungen und entsprechende Gefühle abspalten. Diese abgespaltenen Teile der Einzelnen können sich in bestimmten gesellschaftlichen Phasen zu einer Gruppenfantasie zusammenfinden und ihren Ausdruck auf der gesellschaftlichen Bühne finden.
Der Titel "Bruder Todfeind" hat zudem etwas mit Hassliebe zu tun. Gefühle von Hassliebe sind typisch für misshandelte Kinder, die ihre Eltern natürlich lieben wollen und auf eine Art auch lieben müssen, um psychisch zu überleben und auf der anderen Seite ihre Eltern abgrundtief für das hassen, was sie ihnen an Gewalt und Entbehrungen antun, diesen Hass aber nicht zeigen dürfen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir aktuell eine starke Phase vorfinden, was solche Gruppenfantasien angeht. Auch in anderen Kontexten als EHEC sind die deutschen Medien seit einiger Zeit merkbar mit Angst- und Kriegswörtern überhäuft. Da Deutschland auf Grund seiner Entwicklung allerding eher unwahrscheinlich einen äußeren Feind finden und bekämpfen wird, ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass sich der unterdrückte Hass und die Angst wieder nach innen richten wird. Denkbar wäre z.B. ein Promineter oder ein Politiker, den man öffentlich fertig machen und opfern kann. Auch bestimmte Gruppen wie Ausländer oder sozial Schwache könnten potentielle Opfer sein. Dazu kommen Möglichkeiten, die ökonomische Entwicklung zu stoppen und ökonomische "Opfer" zu bringen. Entsprechend werde ich die Entwicklungen der nächsten Wochen und Monate aufmerksam verfolgen.

Übrigens: Wenn man auch darum weiß, dass die Kindheiten der beiden "Brüder" Stalin und Hitler erhebliche Parallelen aufweisen, ist der aktuelle SPIEGEL Titel auf eine Art in der Tiefe noch mal aufschlussreicher.

Sonntag, 5. Juni 2011

Aha-Erlebnis: EHEC und „Der Feind im Essen“ die Zweite

Heute hatte ich ein wirkliches AHA-Erlebnis! An der Tankstelle leuchtete mir die Titelstory des aktuellen SPIEGEL entgegen. In übermäßig großen Buchstaben steht dort nur:
Der Feind im Essen"

Ich muss gestehen, dass ich mich für eine Sekunde richtig erschreckt habe. Mir ist es richtig in die Glieder gefahren. Ich bin zwar sehr selbstbewusst, aber weiß auch um meine Schwächen und Fehler. Mir ist klar, dass ich irren kann oder im Eifer sogar – trotz allen Hinterfragens – manchmal echten Blödsinn sagen und schreiben kann. Als ich diese Titelzeilen las, dachte ich nur: „Sven, Du hattest recht mit deinem aktuellen Beitrag und Gedanken zur EHEC Panik… ach herrje.“ Es geht wirklich um die Suche nach einem neuen Feind! Mein nächster Gedanke war: „Wie kann man als SPIEGEL Redaktion so dumm sein, den Titel „Der Feind im Essen“ zu nennen, nachdem ich doch einige Tage vorher genau bzgl. solcher und ähnlicher Titel meine Kritik geäußert hatte. Ach ja, mein Blog wird ja nicht wirklich viel gelesen“, also im Verhältnis zum SPIEGEL :-), fiel mir dann natürlich gleich wieder ein…
DER SPIEGEL und SPIEGEL-Online sind beide im Grunde DIE Medien in Deutschland, die nicht nur immer wieder aktuelle emotionale Prozesse und Gruppenfantasien manchmal geradezu in Reinform aufzeigen und abbilden, sondern diese auch in erheblichem Maße mit anschieben, da sie Leitfunktionen inne haben.

Innerhalb der Printausgabe zum Titelthema liest man dann noch weitere Über- und Unterschriften in der Art wie „Outbreak in Deutschland“, „Infizierter Norden“, „Lauernde Gefahr“, „Ein Erreger für die Demut“, „Wir leben in einem fragilen System“, „Die Jagd wird mysteriöser“, „Entfesselter Erreger“.

Unter dem Titelbild ist zudem zu lesen: "EHEC: Die Geburt einer neunen Seuche" Das Wort Geburt ist in diesem Zusammenhang sicherlich kein Zufall, es hat mit Säuglingsein, Mutter und womöglich mit dem zu tun, was Lloyd deMause "fötales Drama" nennt.

Emotional ist zur Zeit einiges los in Deutschland, parallel dazu eskaliert der NATO-Krieg in Libyen (bei dem sich Deutschland raus gehalten hat und somit auch ein mögliches, klares Feindbild aufgegeben hat ) und wird jetzt auch mit Kampfhubschraubern geführt. Die aktuellen Prozesse sind erschreckend und ich werde weiter aufmerksam beobachten, was sich tut.

Darüberhinaus möchte ich anmerken, dass es mir für die von EHEC und HUS Betroffenen wirklich leid tut. Für diese Menschen ist dieser Keim wirklich eine reale Bedrohung. (Auch bin Laden war ein realer Terrorist und eine reale Bedrohung.) Allerdings analysiere ich hier absolut übertriebene und destruktive (manchesmal sogar mörderische) Reaktionen auf Gefahren oder inszenierte Gefahren und emotionale Prozesse, die einen Faden zu destruktiven Kindheitserfahrungen spannen. Darum geht es mir hier.

Nachtrag vom 06.06.11: Auf SPIEGEL-Online ist zu lesen: "Deutschlands oberster Ehec-Manager Daniel Bahr jagt erfolglos nach dem Feind im Essen."

Nachtrag vom 07.06.11: In der Tat legen andere Medien jetzt getreu der SPIEGEL-Titelüberschrift nach: "Der Feind in der Nahrung kommt auch aus der Natur" schreibt ZEIT-Online (in einem auch inhaltlich ganz furchtbaren Artikel).