Freitag, 5. November 2010

Barack Obama - Abbruchstimmung und Hass wächst. Wer wird der neue Feind der USA?

Ganz kurz möchte ich die merkwürdigen aktuellen Vorgänge in den USA kommentieren.
Ich gehe dabei erst noch mal etwas zurück. Ich werde wohl eine Szene aus Barack Obamas Wahlkampf nie vergessen. Stevie Wonder unterstützte Obamas Wahlkampfrede in einer großen Halle, wo wohl einige tausend Anhänger waren. Er stimmte ein Lied an, der Text war denkbar einfach „Barack Obama…Barack Obama…Barack Obama…Barack Obama usw.“ Ich kann die Melodie leider nicht in Noten beschreiben. Sein Name wurde zumindest in der Melodie etwas lang gezogen. Beim ersten mal ging die Tonlage am Ende bzw. beim Nachnamen nach oben. Danach wieder mit dem Vornamen angefangen und beim Nachnamen Tonlage nach unten und alles wieder von vorne. Das ganze Stadion stimmte in diesen Singsang mit ein. Es hatte etwas tranceartiges, fast sektenartiges, wie dort der Name des „Erlösers“ und Führers besungen wurde. Für mich brachte diese Szene symbolisch all die Wünsche, Erwartungen, Identifikationen und Projektionen zum Ausdruck, die Obamas WählerInnen teilten. Obama wurde zu einer Art erlösenden Übervater, der die Misswirtschaft und katastrophale Außenpolitik der Vorgängerregierung und alle anderen persönlichen Niederlagen und Probleme des Volkes wett machen sollte. Eine unlösbare Aufgabe.

Nun, zwei Jahre nach seiner Wahl, wird Obama zum Buhmann und die Nation ist tief gespalten und zerrissen. Der Hass wächst. DER SPIEGEL schreibt dazu einiges in seiner aktuellen Titelstory „Die verzweifelten Staaten von Amerika“. DER SPIEGEL schreibt: „Die USA von 2010 sind ein hassendes Land.“ Das Klima vor den Kongresswahlen „ist nicht getragen von Logik, nicht von Debattieren, die USA von 2010 sind ein Land, das sich lähmt und bremst, weil es sich mit Hass auf Dinge und Menschen ablenkt, die in Wahrheit keine Bedrohung sind: Homosexualität, Mexikaner, die Demokratin Nancy Pelosi, die Gesundheitsreform, Obama.“ (DER SPIEGEL, 30.10.2010, S. 79)
Es lohnt sich an dieser Stelle ein Blick in das Buch „Das emotionale Leben der Nationen„ von Lloyd deMause. Er beschreibt ab Seite 101 die vier Phasen der Führerschaft: 1. stark 2. einbrechend 3. kollabierend und 4. im Umbruch.
Die erste Phase hat Obama hinter sich, er war grandios, unbesiegbar, der Erlöser und Schaffer (laut den Wünschen des Volkes). Jemand, der ein Ganzes herstellt, der die Nation eint. (der Wunsch ganz zu sein, hat sehr viel damit zu tun, dass viele Menschen innerlich gespalten sind. Siehe dazu z.B. die Arbeiten von Arno Gruen) Die Phasen möchte ich jetzt gar nicht alle weiter kommentieren, bei deMause kann man sie direkt nachlesen (unten im verlinkten Text). Nach dem Umbruch gibt es laut deMause drei Lösungen: 1. Die Königsmordlösung: Der Führer selbst wird zum Feind und Bösen, dem ggf der Königsmord bzw. die Amtsenthebung folgt. 2. Die kriegerische Lösung: Der Führer findet – im Auftrag der Nation – einen externen Feind, der bekämpft werden kann. 3. Die Interne-Opfer-Lösung: Kann kein Feind gefunden werden, kommt es ggf. zur Revolution oder – das wäre für die USA wahrscheinlicher – zu einer reinigenden ökonomischen Säuberung, einer erneuten Depression und Rezession.

Derzeit scheinen sich hier einige Grenzen dieses Modells in der Realität zu vermischen, wie es für viele theoretische Modelle gilt. Meine Vermutung wäre, dass in zwei Jahren die 1. Lösung geschieht. Allerdings staut sich der Hass der amerikanischen Nation derzeit derart auf, dass ein zukünftiger Sieg der Republikaner ggf. zu neuen militärischen Aktionen führen könnte, sofern sie einen geeigneten Führer finden, der die unbewussten Emotionen der Menschen bedienen kann.
Wir werden sehen.

Derzeit arbeite ich - wie in einem Beitrag bereits angekündigt - an einem Text zur Verbreitung von Gewalt gegen Kinder in den USA. Ich habe schon einiges gefunden. Ich darf vorwegnehmen, dass vor dem Hintergrund eines sehr hohen Ausmaßes an Gewalt viele irrationale und verrückte politische Aktionen in den USA verständlicher werden, leider.

(Nebenbei möchte ich noch erwähnen, dass sich laut o.g. SPIEGEL Artikel die amerikanische Staatsverschuldung zwischen dem Amtsantritt von George W. Bush Anfang 2001 und seinem Ausstieg aus dem Amt Anfang 2009 mehr als verdoppelt hat, von ca. 5,6 Billionen Dollar auf ca. 11,9 Billionen Dollar. Kriege haben immer auch etwas mit Selbstzerstörung zu tun...)

Keine Kommentare: