Freitag, 20. Mai 2011

Aus einem Gefühl heraus Soldat sein

Auf Zeit-Online wurde unter dem Artikelnamen „Beruf: Töten“ ein deutscher Elitesoldat vorgestellt. Wie so oft ergeben kleine Anmerkungen einen tiefen Eindruck über die eigentlichen Ursachen von Krieg oder eben auch der Entscheidung, (Elite-)Soldat zu werden.

Die entscheidende Textstelle im Artikel ist für mich folgende:
Je länger man mit Stefan E. spricht, im OPZ, beim Rundgang durch die Kaserne, desto stärker schimmert etwas anderes durch. Stefan E. schwärmt von der Kameradschaft, er spricht davon, wie sehr das gemeinsame Durchleben der Gefahr zusammenschweißt, wie sehr man sich in Extremsituationen selbst erfährt, wie genau man hinterher weiß, wozu man fähig ist. Nicht der Einsatzgrund oder das Ziel stiftet Sinn, so scheint es, sondern der Einsatz selbst. So erleben das die meisten.

Es geht um ein Gefühl oder besser um ein Gefühl, das vermisst wurde und in der „Soldatenfamilie“ scheinbar gefunden wird. Kameradschaft, Zusammengehörigkeitsgefühle und Selbsterfahrung oder das Gefühl, "lebendig" zu sein, im Angesicht des Todes. Emotionen oder vermisste Emotionen sind oft genannte Gründe für Menschen, Soldat zu werden und sein zu wollen. Das genaue Hinsehen auf die emotionalen Beweggründe der Menschen, die den Krieg direkt erleben und ausführen ist ganz besonders wichtig, da wissenschaftliche Kriegsursachentheorien fast immer nur von rationalen, ökonomischen Ursachen von Kriegen ausgehen und Emotionen systematisch ausblenden. Der Soldatenberuf scheint eine emotionale Lücke zu füllen, ein emotionales Loch zu stopfen (schon der als Kind traumatisierte und ungeliebte Kaiser Wilhelm II. fand beim 1. Garderegiment in Potsdam jene "Familie", die "ich bis dahin hatte entbehren müssen".) und gleichzeitig – wie wir wissen – auch Emotionen zu töten, zu zerstören, Menschlichkeit abzubauen und Hassgefühle zu legalisieren. Menschen, die in der Kindheit Respekt erfahren haben, Zusammenhalt und Geborgenheit, brauchen später keine solche und ähnliche Berufe zu wählen (oder in Sekten zu gehen), um sich gebraucht und geborgen geschweige denn „lebendig“ zu fühlen. Der Soldatenberuf ist – so wird es mir immer deutlicher – ein Art Auffangbecken für einst ungeliebte Kinder, die auf gewisse Weise ihre Kindheit wiederaufführen (ohne dabei mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten). Die Entscheidung, Soldaten zu werden, hat dabei immer auch etwas mit Suizidabsichten und auch fehlendem Mitgefühl bzgl. anderen Menschen zu tun und somit mit gestörten Emotionen.

Welcher Sinn der Tod und das Töten für ihn habe wurde der Elitekämpfer gefragt: "Die Politiker entscheiden. Und wir machen dann unseren Job." Er habe da Vertrauen, dass die Politiker gute Gründe hätten, so zitiert ihn ZEIT-Online weiter. Auch diese Aussagen zeigen, wie wenig (scheinbar) rationale, politsche Entscheidungen im Grunde eine Rolle spielen. Kriege haben emotionale Ursachen, das belegt dieser Artikel einmal mehr.

Siehe ergänzend:

Die Soldaten: Gewalt und Gehorsamsforderung in der Familie ist das Fundament für das Militär und kriegerische Ziele

Die „offizielle“ Traumatisierung durch die militärische Ausbildung ähnelt der häuslichen Traumatisierung von Kindern

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