Samstag, 10. April 2021

Studie über Einflussfaktoren für islamistische Radikalisierung

Für folgende Studie wurden 33 (davon 2 weiblich) in Deutschland straffällig gewordene Islamisten auf Grundlage von Gerichtsakten und ergänzend 4 Interviews mit Personen aus dem Sample analysiert: 

Srowig, F., Roth, V., Böckler, N. & Zick, A. (2017): Junge Menschen und die erste Generation des islamistischen Terrorismus in Deutschland: Ein Blick auf Propagandisten, Reisende und Attentäter. In: Böckler, N. & Hoffmann, J.: Radikalisierung und extremistische Gewalt: Perspektiven aus dem Fall- und Bedrohungsmanagement. Verlag für Polizeiwissenschaft, Frankfurt am Main, S. 101-117.


Das Autorenteam fasst zusammen: 

Über alle Fälle hinweg konnten eine Vielzahl von Konflikten in der Familie, in der Schule, bei dem Übergang in das Berufsleben, wie auch in Interaktion mit der Gruppe Gleichaltriger identifiziert werden. Die Konflikte lassen sich wie folgt aufschlüsseln: 

- Kritische Lebensereignisse, wie die Erkrankung oder der Verlust einer nahestehenden Person bzw. vergleichbare Krisensituationen

- Gewalterfahrungen als Opfer im Elternhaus

- Gewalterfahrungen als Täter

- Exzessiver Konsum von Drogen und Alkohol“ (S. 105)

Leider wurde nicht die genaue prozentuale Verteilung dieser Belastungsfaktoren aufgestellt. Fest steht, dass die genannten Belastungsfaktoren zentrale Gemeinsamkeiten der Islamisten sind. Ich möchte ergänzend erwähnen, dass ein exzessiver Drogen- und Alkoholkonsum laut Forschungslage vor allem von Menschen praktiziert wird, die ein hohes Maß an kindlichen Belastungen (Adverse Childhood Experiences) erlitten haben. Zusammen mit dem Punkt „Gewalterfahrungen als Opfer im Elternhaus“ sowie auch dem Verlust von Bezugspersonen zeigt diese Studie also eindeutig auf den Einfluss von Kindheitserfahrungen bzgl. Radikalisierungsprozessen. 

Im Anhang (S. 108-114) werden 3 Fallbeispiele vorgestellt, die ich kurz zusammenfasse: 

Frank: 

Frank wuchs mit 4 Stiefgeschwistern auf, die aus verschiedenen Beziehungen der Mutter stammen. Dies alleine deutet bereits auf eine von Beziehungsbrüchen geprägte Familiensituation hin. Die Kinder wurden oft alleine gelassen, weil die Mutter arbeiten musste. Frank hat in seinem Leben wenig Zuneigung erlebt und verfügt über ein geringes Selbstbewusstsein. Die Beziehungen im familiären Umfeld waren „durchgehend von Konflikten und körperlichen Auseinandersetzungen geprägt. Auch mit zunehmendem Alter versucht Frank nahezu alle inner- wie außerfamiliären Auseinandersetzungen mit Gewalt zu lösen (…)“ (S. 108). Ein Lebensgefährte der Mutter war aktiver Salafist. Dieser brachte Frank mit dem radikal ausgelegten Islam in Berührung. Frank konvertierte daraufhin in kurzer Zeit zum Islam. Auf Grund von Konflikten zog Frank zunächst zu seiner Stiefschwester. Auch hier kam es zu Konflikten, so dass er schließlich in eine Wohngruppe für Jugendliche unterkam. Auch die Wohngruppe musste er auf Grund seiner radikalen Einstellungen wieder verlassen und kam in einer anderen Gruppe unter. 

Rakim: 

Rakim kam als jüngstes von insgesamt 7 Kindern dieser türkischen Einwandererfamilie zur Welt. Die vielen Kinder werden vermutlich dazu geführt haben, dass die Eltern kaum Zeit und Aufmerksamkeit für Rakim hatten. In der Grundschulzeit fühlte sich Rakim durch Gleichaltrige ausgeschlossen. Während seiner Jugend oder Kindheit wurde beim Vater Krebs diagnostiziert. Der Vater starb schließlich, als Rakim 17 Jahre alt war, was für Rakim eine tiefe Lebenskrise bedeutete. 

Hassan: 

Die einzigen Infos über seine Kindheit sind die, dass er der jüngste Sohn eines deutsch-türkischen Ehepaares ist und nie schulische Probleme hatte. Insofern bleiben hier Fragezeichen bzgl. Belastungen. 


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