(aktualisiert am 09.11.2016)
Vor über einem Jahr recherchierte ich etwas im Internet und versuchte etwas über die Kindheit von Hillary Clinton herauszufinden. Ich fand nicht viel. Vor allem aber fiel mir auf, dass Frau Clinton routinemäßig schwärmerisch über ihre Mutter berichtete. Ich beließ es zunächst bei diesen Erkenntnissen.
Ich plante nun vor Kurzem einen Text, in dem ich den Bogen zu einem Thema spannen wollte, das ich im Blog bisher nicht explizit besprochen habe. Und zwar ist mir immer wieder (sowohl im Leben/Alltagserfahrungen, als auch in Büchern und Berichten, aber auch durch die Arbeit von Lloyd deMause) aufgefallen, dass sich Menschen oftmals gruppieren, die ähnliche Kindheiten durchgemacht haben (meist ohne bewusst darum zu wissen). Das gilt natürlich für extremistische Gruppen etc. oder Führungsapparate, teils vielleicht auch für Unternehmen, besonders auffällig aber auch bei Paaren.
Mein geplanter Text sollte die Frage enthalten, was es denn wohl ist, das Hillary Clinton und ihren Mann Bill Clinton verbindet? Bill Clinton ist als Kind nachweisbar schwer misshandelt und vernachlässigt worden, zudem erlebte er schwere häusliche Gewalt gegen seine Mutter mit, bis hin zu Tötungsversuchen (und es sieht so aus, als ob er dies nie aufgearbeitet hätte). Seine Kindheit war derart destruktiv, dass er auch in den USA zu einem kleinen Prozentsatz von Menschen gehört, die so einen Kindheitsalptraum erlebt haben. Meine nächste Frage hätte gelautet: Kann es sein, dass die Kindheit von Hillary wirklich so rosig war, wie es nach ersten Recherchen und ihren eigenen Aussagen nach erscheint? Oder gibt es da nicht doch eine dunkle Seite? Ich hätte wohl auch spekuliert, dass ich es für sehr unwahrscheinlich halte, dass jemand, der als Kind Glück, Liebe und Geborgenheit erlebt hat, sich in einen als Kind schwer traumatisierten Mann verliebt und diese Ehe Jahre hält. Dieser Satz klingt vielleicht hart, soll aber keine Abwertung von traumatisierten Menschen sein, sondern einfach die Dinge beschreiben, wie sie nun mal nach meiner Wahrnehmung wahrscheinlich oder entsprechend unwahrscheinlich sind. Ergänzend hätte ich angefügt, dass Hillary Clinton auf mich nicht gerade echt und menschlich wirkt und sie in der Vergangenheit durch destruktive Entscheidungen wie u.a. ihrem Ja zum Irakkrieg oder ihren Einsatz für den Krieg in Libyen und die Tötung von Gaddafi (was sie lachend mit den Worten "We came, we saw, he died" kommentierte) aufgefallen ist.
Nun, einen ausführlichen Text zum Thema „Menschen mit ähnlichen Kindheiten gruppieren sich“ muss ich noch mal nach hinten schieben. Wobei, im Fall des Paares Clinton bestätigt sich diese These nach einem neuen Rechercheansatz von mir nun doch. Einem Bericht der New York Times (19.07.2015) nach, herrschte in Hillarys Kindheit ein rauer Ton, Strenge und straffe Regeln in der Familie. Ihr Vater weckte seine Tochter auf, wenn sie schlecht in Mathe war und nahm sie in die Mangel, in dem er sie rechnen ließ. Und zu gute Leistungen kommentierte er mit „You must go to a pretty easy school.“ (ebd.) Wenn Hillary vergaß, den Deckel auf die Zahnpastatube zu schrauben, warf ihr Vater die Tube aus dem Fenster, auch im Winter und Hillary musste sie suchen. Gegenüber seiner Frau und den Kindern war der Vater zudem beißend sarkastisch. Und er war gewalttätig und schlug seine Kinder. „He hurled biting sarcasm at his wife and his only daughter and spanked, at times excessively, his three children to keep them in line, according to interviews with friends and a review of documents, Mrs. Clinton’s writings and former President Bill Clinton’s memoir.“ (ebd.) In deutscher Sprache hat meines Wissens nach nur die BILD (20.07.2015) diese Dinge aufgegriffen.
In der amerikanischen Dokumentation "Amerika hat die Wahl - Clinton gegen Trump" (von Michael Kirk, ausgestrahlt auf ARTE TV am 01.11.2016) wurde gesagt, dass die Mutter von Hillary unter ihrem Mann litt. Er beleidigte sie und ging respektlos mit ihr um. Es gab oft Streit im Hause der Familie. Carl Bernstein, Autor von „ Hillary Clinton - Die Macht einer Frau“, sagt in der Doku: „Wenn er ihre Mutter in einem lauten Streit demütigte, lief Hillary in ihr Zimmer, hielt sich die Ohren zu und sagte: `Ich ertrag das nicht.`“ In der Dokumentation "Macht, Geld, Lügen. Clinton gegen Trump" (von Daniel Pontzen - ausgestrahlt im ZDF am 08.11.2016) kommt wieder Carl Bernstein zu Wort. Er sagt: "Hillarys Vater war ein schwieriger und sturer Mann, ein Menschenfeind, der die Mutter körperlich misshandelte." (Ebenso erlebte es Bill Clinton in seiner Familie bzgl. seines Stiefvaters, der seine Mutter misshandelte.)
Das zuvor erwähnte Buch von Bernstein gibt weitere vertiefende Einblicke oder besser gesagt: es legt Abgründe offen. „Hugh Rodham war ein bitterer, unerfülter Mann, dessen Kinder seinen unablässigen, herabsetzenden Sarkasmus und seiner misanthropischen Neigungen ertragen, seinen peinlichen Hang zur Sparsamkeit erdulden und schweigend hinnehmen mussten, wie er ihre Mutter demütigte und erniedrigte.“ (Bernstein 2007, S. 23) Die Beziehung der Eltern habe „geradezu krankhaft zerstörerische Züge“ gehabt, so Bernstein. (ebd., S. 24) Die destruktiven Verhaltensweisen von Hugh scheinen beständig zugenommen zu haben. Bernstein schreibt: „Als Hillary ins Teenageralter kam, schienen die schlechten Charakterzüge ihres Vaters endgültig die Oberhand gewonnen zu haben: Er konnte sich für fast nichts mehr begeistern und verlor jede Heiterkeit, während seine tyrannischen Ausfälle, seine schlechte Laune, die Klagelitaneien und seine Niedergeschlagenheit immer mehr zunahmen und er sich immer tiefer darin verstrickte.“ (ebd., S. 25) und „Das Leben im Hause Rodham hatte gewisse Ähnlichkeit mit einem militärischen Ausbildungslager, über das ein Spieß herrschte, der seine Schützlinge ständig heruntermachte und den man unmöglich zufriedenstellen konnte.“ (ebd., S. 27) Hugh „putzte jeden herunter, redete vollbrachte Leistungen klein, ignorierte Erfolge und legte die Latte für seine frustrierten Kinder immer höher, eine Methode, die er als `Charakterbildung` bezeichnete.“ (ebd., S. 27+28)
„War seine Wut einmal geweckt, so war er furchterregend, und manchmal hatte es den Anschein, als könnte der ganze Haushalt jeden Augenblick bersten. Betsy und die wenigen Freundinnen, die Hillary mit nach Hause brachte, konnten sehen, wie schmerzlich erniedrigend das Leben mit Hugh Rodham für die Mutter war und dass Hillary unter den Wutausbrüchen ihres Vaters zusammenzuckte und unter seinem Geiz litt.“ (ebd., S. 29) Hillary, berichtet Bernstein, strengte sich furchtbar an, um einmal Anerkennung aus dem Munde ihres Vaters zu bekommen, wohl vergebens. (Mir kommt es so vor, als ob Hillary Clinton dies während ihrer politischen Karriere wiederholte. Sie war oft „nicht geliebt“, so sehr sie auch leistete, sich einbrachte und an Macht gewann. Zugespitzt zeigt sich dies im aktuellen Wahlkampf. Selbst wenn sie gewinnen sollte, sie scheint einfach ungemein unbeliebt in den USA zu sein.)
Die Wut des Vaters konnte auch handfester werden. Bernstein zitiert Hillary wörtlich bzgl. gewaltsamen Übergriffen auf die Kinder. Ihr Vater habe nicht mit der Rute gespart und an anderer Stelle sagte sie: „Gelegentlich ging es mit ihm durch, wenn er uns bestrafte. Dann brüllte er lauter oder griff insbesondere gegenüber meinen Brüdern zu härteren körperlichen Strafen (…). Doch selbst wenn er wütend war, zweifelte ich nie daran, dass er mich liebte.“ (ebd., S. 36+37) (Ihr Ehemann Bill Clinton idealisierte seinen gewalttätigen Vater genauso, wenn er über (mit-)erlebte Misshandlungen berichtete, wieder eine Parallele.)
Ergänzend nahm ich die Autobiografie „Gelebte Geschichte“ von Hillary Rodham Clinton (2003) zur Hand. Hillary selbst beschreibt ihre Eltern wie folgt: „Hugh und Dorothy waren überzeugt davon, dass wir Härte brauchen würden, damit wir uns später auch unter widrigen Bedingungen behaupten könnten.“ (Rodham Clinton 2003, S. 28)
Bei all ihren Schilderungen über ihre Eltern fiel mir immer wieder auf, dass sie diesem Satzkonstrukt sinngemäß wie folgt treu blieb: „Härte? Ja. Aber nur zu meinem Besten! Meine Eltern lieben mich.“ Kritik gegenüber ihren Eltern und deren Erziehungsmaßnahmen findest man nicht in ihrer Autobiografie. Diese Sichtweise ist nicht ungewöhnlich, sondern ganz im Gegenteil geradezu klassisch für Kinder (und die später Erwachsenen), die destruktive Erziehungsmaßnahmen erlitten haben. Oft habe ich im Blog darüber berichtet. (Am Besten hat diesen Prozess der Identifikation mit dem Aggressor Arno Gruen beschrieben.) Hillary gibt ein Beispiel über ihre Mutter Dorothy. Hillary wurde oft von einem Nachbarsmädchen gehänselt und belästigt, kam manches Mal weinend nach Hause. Sie war gerade mal vier Jahre alt. Ihre Mutter versperrte ihr eines Tages, an dem Hillary wieder einmal nach Hause geflüchtet war, den Weg und schickte sie raus. Sie gab ihr die Erlaubnis, sich gegen das Mädchen zu verteidigen, auch mit Gewalt. „Du musst lernen, dich zu verteidigen. In diesem Haus ist kein Platz für Feiglinge“, sagte sie. (ebd., S. 28)
Diese Szene wird von Hillary idealisiert. Sie nahm sie als Lehre dafür, Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg zu gehen und Stärke zu zeigen. Und sie verbucht sie als Erfolg, denn ab dem Tag – denn das vier Jahre alte Mädchen ging kämpferisch zu der Peinigerin zurück - wurde sie nicht mehr gehänselt und sogar Freundin des Mädchens. Ihre Mutter habe sich nach diesem Rausschicken der Tochter eigenen Angaben zu Folge schrecklich gefühlt und aus dem Fenster heraus beobachtet, wie die Tochter nach Gegenüber marschierte.
In diesem Bericht ist alles enthalten, um was es mir geht. Eine Mutter, die als mitfühlend dargestellt wird und ihre Härte nur zum Wohle des Kindes einsetzen würde. Um es gleich klarzustellen: Mich freut es für Hillary, dass das Ganze damals gut ausging. Zudem bin ich ganz dafür, Mädchen wie Jungen auch Wehrhaftigkeit mit auf dem Weg zu geben. (Ich als Elternteil von einem vier Jahre alten Mädchen hätte die Situation allerdings anders gelöst und wäre als Erwachsener zu den Nachbarn gegangen, um dort zu reden und ggf. auch auf den Tisch zu hauen. Wie auch immer.) Mir geht es um den Satz: „In diesem Haus ist kein Platz für Feiglinge.“ Mit dem Wissen um weitere (teils oben angerissene) Details aus der Familie und ihren Erziehungsvorstellungen, wird hier zentral deutlich, dass dem Mädchen keine Wahl gelassen wurde: Friss oder stirb; Leistung oder wir lassen Dich fallen; Härte bewundern wir, ansonsten gehörst Du nicht zu uns, Feigling...
Sehr ausführlich beschreibt Hillary übrigens die Kindheit ihrer Mutter. Diese wurde schon sehr früh von ihren Eltern sich selbst überlassen. Sie bekam im Alter von drei oder vier Jahren Essensmarken für ein Restaurant in der Nähe, statt Mahlzeiten zu Hause. Zusammen mit ihrer Schwester wurde sie in der Verwandtschaft herumgereicht und war oft alleine. Als sich die Eltern scheiden ließen, wurde die achtjährige Dorothy zusammen mit der dreijährigen Schwester in einen Zug gesetzt und beide reisten alleine quer durch die USA zu den Großeltern nach Kalifornien.
„Meine Mutter blieb zehn Jahre in Kalifornien. Ihren Vater sah sie selten, die Mutter nie. Der Großvater Edwin senior (…) überließ die Mädchen seiner Frau Emma, einer strengen Person (…). Sie hegte eine tiefe Abneigung gegen meine Mutter und ließ ihr nur dann Aufmerksamkeit zuteil werden, wenn es darum ging, ihre strikten Hausregeln durchzusetzen. (…) Als das Mädchen sich einmal an Halloween über die strengen Regeln hinwegsetzte und mit den anderen Mädchen von Tür zu Tür ging, um Süßigkeiten zu erbitten, wurde sie hart bestraft. Sie sollte ein Jahr lang auf ihrem Zimmer bleiben, das sie nur verlassen durfte, um zur Schule zu gehen. Sie durfte ihre Mahlzeiten nicht am Küchentisch einnehmen und auf dem Heimweg von der Schule nicht trödeln oder im Vorgarten verweilen.“ (ebd., S. 15, 16) Mehrere Monate musste Dorothy dies ertragen, bis eine Verwandte, die zu Besuch kam, das Ganze beendete. Im Alter von vierzehn Jahren verließ Dorothy ihre Großeltern und fand Unterschlupf bei einer Familie, die sie als Hausmädchen anheuerte.
Heute wissen wir viel über die unbewusste Weitergabe von Traumatisierungen an die folgende Generation. Dorothy gehört zu einer Generation, für die Therapie noch ein Fremdwort war. Es ist im Grunde unmöglich, dass eine so heftige (unbearbeitete) Kindheitsgeschichte nicht destruktiv auf ihre Kinder gewirkt hat. Woher sollen Empathie und Wärme kommen, wenn mensch als Kind so alleine gelassen wurde? Sicher erkennt man auch einen Fortschritt, denn sie schaffte es, ihre Kinder nicht alleine zu lassen, Die Ängste vor dem Leben hat sie meiner Meinung nach ganz sicher auf ihre Kinder übertragen. "Werde hart, denn das Leben ist hart", scheint mir die zentrale Botschaft zu sein, die diese Mutter ihren Kindern mit auf dem Weg gab. Ich bin nach den geschilderten Details sehr skeptisch, was schwärmerische Schilderungen von Hillary über ihre Mutter angeht. Ich denke, dass meine Skepsis nachvollziehbar ist.
Auch bzgl. ihrem Vater fallen Idealisierungen ins Auge. Die oben beschriebene körperliche Gewalt gegen die Kinder erwähnt Hillary nicht in ihrer Autobiografie, was schon einmal an sich Einiges aussagt. (Nebenbei bemerkt hat Hillary an einer Stelle auch verraten, dass ihr Vater wohl selbst als Kind Prügel erhielt. Sie berichtet von seinen Erzählungen. Er hatte während eines Ausflugs mit einem Freund einen Unfall mit einem Lastwagen. Seine Beine wurden eingequetscht und die Ärzte wollten sie amputieren. Seine Mutter verhinderte dies, die Beine konnten gerettet werden. Im Krankenhaus verlor er das Bewusstsein. "Als er wieder zu sich kam, hielt seine Mutter an seinem Bett Wache. Sie versicherte ihm, dass seine Beine gerettet seien und dass er eine ordentliche Tracht Prügel beziehen würde, sobald er wieder nach Hause käme." (ebd., S. 18) Unfassbar, einem Kind in einer solchen Situation mit Prügel zu drohen! Offensichtlich hat er später diese körperliche Gewalt an seinen Kindern wiederaufgeführt.)
Hillary schreibt: „Mein Vater war strikt in seinen Auffassungen und ausgesprochen starrköpfig. Sein Wort war in unserem Haus Gesetz, gleich wie extrem (…) seine Ansichten auch sein mochten.“ (ebd., S. 26,27) Oder: „Mein Vater war ein Mann mit Überzeugungen, die er vehement vertrat. In den angeregten und manchmal hitzigen Diskussionen beim Abendbrot ertrug die Familie seine Vorträge, in deren Mittelpunkt meist Kommunisten, dubiose Geschäftsleute oder korrupte Politiker standen – in seinen Augen die drei niedrigsten Lebensformen.“ (ebd., S. 28)
Was ich mit Idealisierung meine, wird an Hand folgenden Zitates deutlich (in dem es um die bereits erwähnte Situation mit der Zahnpastatube geht): „Vergaß eines von uns Kindern, die Verschlusskappe auf die Zahnpastatube zu schrauben, warf mein Vater diese aus dem Fenster, und wir mussten hinausgehen, und sei es bei Schnee, um in den Büschen vor dem Haus danach zu suchen. Auf diese Weise rief er uns immer wieder ins Gedächtnis, dass wir nichts vergeuden sollten, und sei es nur Zahnpasta, die aus einer unverschlossenen Tube quoll. Ich lernte diese Lektion gut. Bis heute gebe ich nicht gegessene Oliven in das Glas zurück, wickle auch den winzigsten Käserest noch in Frischhaltefolie und fühle mich schuldig, wenn ich irgendetwas wegwerfe. Er war ein harter Lehrmeister, aber wir wussten, dass er sich um uns sorgte und alles für uns tun würde.“ (ebd., S. 27) Es macht mich fast etwas fassungslos, wie deutlich in diesem Zitat die Unterwerfung des Kindes wird, das seine eigene Sicht aufgibt und den (harten, strafenden) Vater idealisiert. Solche Art Sätze habe ich hunderte gelesen im Laufe meiner Beschäftigung mit den Folgen von Kindesmisshandlung und destruktiver Erziehung. Es ist immer das gleiche Muster. Doch wir reden hier über eine der mächtigsten Frauen der Welt und demnächst vielleicht sogar der Mächtigsten, die als Erwachsene immer noch in dieser Zwickmühle zu stecken scheint. Diese Zwickmühle gilt für alle Kinder von destruktiven Eltern, weil natürlich sind sie auf die Liebe und den Schutz angewiesen. Werden sie von den Eltern verletzt oder bedroht, müssen die Eltern zum eigenen Schutz idealisiert werden. Leider geht dies oftmals auf Kosten der emotionalen Welt. Vielleicht ist genau das die Kälte, die viele Beobachter, wie auch ich, bei Hillary Clinton wahrnehmen?
Einen Tag vor dem Tod ihres Vaters (dieser hatte einen Schlaganfall erlitten und all ihre Gedanken kreisten um ihn in dieser Zeit) hielt Hillary Clinton eine Rede vor 14.000 Menschen. Sie zitierte darin den Politikberater Lee Atwater, der kurz vor seinem Krebstod einen Artikel über das „spirituelle Vakuum im Herzen der amerikanischen Gesellschaft“ geschrieben hatte, was Hillary hervorhebt. (ebd., S. 214) In ihrer Rede zitierte sie ihn u.a. wie folgt: „Ich erwarb mehr Reichtum, Macht und Prestige als die meisten. Aber man kann alles erwerben, was man sich wünscht, und sich immer noch leer fühlen.“ (ebd., S. 214) Meinte sie damit auch sich selbst?
Insgesamt betrachtet würde ich sagen, dass die Kindheit von Hillary Clinton im Vergleich zu der ihres Mannes weniger destruktiv war. Allerdings wird klar, dass diese beiden Menschen nicht zufällig zusammengefunden haben. Beide verbinden ähnliche Kindheitserfahrungen. Zudem: Ein ähnliches Traumaniveau wie das von Bill vermute ich nach den o.g. Schilderungen auch bei der Mutter von Hillary. Menschen suchen manches mal Partner aus, die der Struktur der Eltern oder eines Elternteils ähneln und reinszenieren auf die Art die Familiengeschichte.
Verwendete Quellen:
Bernstein, Carl (2007): Hillary Clinton. Die Macht einer Frau. Droemer Verlag, München.
BILD.de, 20.07.2015, "Warum Clinton ungern über ihren Vater spricht"
Pontzen, Daniel: Dokumentation "Macht, Geld, Lügen. Clinton gegen Trump" (ausgestrahlt im ZDF am 08.11.2016)
Kirk, Michael: Dokumentation: Amerika hat die Wahl - Clinton gegen Trump" (ausgestrahlt auf ARTE TV am 01.11.2016)
Rodham Clinton, Hillary (2003): Gelebte Geschichte. Econ Verlag, München.
The New York Times, 19.07.2015, "Hillary Clinton Draws Scrappy Determination From a Tough, Combative Father" (von Amy Chozick)