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Dienstag, 1. Februar 2011

Kindheit und Volksaufstand in Ägypten

Erst ein Volksaufstand in Tunesien jetzt auch in Ägypten. Es ist einiges los in Nordafrika, einer Region, die mir nicht wirklich bekannt ist und über die ich politisch wenig beitragen kann. Wir werden sehen, wie sich diese Länder weiter entwickeln.

Mir fällt aktuell allerdings eine Studie ein. In Ägypten sagten bei einer Umfrage 37 % der Kinder, dass sie von ihren Eltern misshandelt oder gefesselt würden. 26 % berichteten über Knochenbrüche, Bewusstlosigkeit oder eine bleibende Behinderung aufgrund der Misshandlungen. (vgl. WHO, 2002, S. 62) Diese Zahlen sind heftig und erschreckend, vor allem auch bzgl. der schwerwiegenden Folgen der Gewalt, die hier berichtet wurden. Die Original Studie heißt: Youssef RM, Attia MS, Kamel MI. 1998: Children experiencing violence: parental use of corporal punishment. Child Abuse & Neglect , 22:959–973. Sie ist also aus dem Jahr 1998. Über 13 Jahre sind seitdem vergangen und diejenigen, die damals Kind waren, sind heute junge Männer und Frauen und viele von ihnen werden heute auf den Straßen sein, ob nun als Demonstrant, Polizist oder Militär. Die ältere Generation, die zukünftig Machtpositionen einnehmen wird, wird vermutlich sogar noch mehr und noch härter von elterlicher Gewalt betroffen sein.

Vor diesem Hintergrund wird es vermutlich ein schwerer Weg für eine echte Demokratiebewegung werden. Heute haben die Ägypter ein gemeinsames Ziel und einen realen Feind: Das autoritäre Regime Mubarak. Doch was kommt danach? Kann eine Nation, die zu über einem Drittel als Kind schwer misshandelt wurde, eine friedliche Revolution schaffen und eine echte Demokratie aufbauen? Grundsätzlich will ich hier nicht Nein sagen. Alles ist möglich. Die dortigen Entwicklungen bleiben spannend und schon jetzt wird deutlich, dass der Sturz autoritärer Regime in islamischen Ländern auch von den Menschen selbst geschafft werden kann. Man braucht dazu keine US-Invasion…

Samstag, 6. November 2010

Kindheit in den USA

Was ist nur los mit dem Land USA? Seit Jahrzehnten stehen die USA für eine destruktive Außenpolitik, für Kriege oder indirekter Beteiligung an diesen. Von den 149 Staaten, die beispielsweise für das Jahr 2010 im "Global Peace Index" bzgl. ihrer "Friedfertigkeit" analysiert wurden, landeten die USA auf dem schlechten Platz 85. Seit Anfang 1981 sind mit Ronald Reagan, über Geoge Bush senior, Bill Clinton und dann George W. Bush Junior bis Anfang 2009 (also ca. 28 Jahre) nur als Kind von ihren Eltern misshandelte und traumatisierte Präsidenten an der Macht gewesen. (Die Präsidenten davor habe ich nicht untersucht, ebenso über Obama habe ich bisher nicht weiter etwas gelesen. Allerdings schreibt Lloyd deMause in einem Nebensatz, dass die Kindheit der meisten US-Präsidenten von Gewalt und Vernachlässigung geprägt war. vgl. deMause, 2005, S. 19). Im Sinne der psychohistorischen Theorie sind „die Führer“ im Grunde reine emotionale Stellvertreter der Bevölkerung, ihre persönliche Misshandlungsgeschichte steht also im Zusammenhang mit dem, was große Teile der Bevölkerung als Kind erlebt haben.

Schauen wir uns also einige Zahlen und Fakten an, die ich gefunden habe:

Ein Viertel aller Kinder in den USA lebt von staatlichen Essensmarken. (vgl. DER SPIEGEL, 30.10.2010, Nr. 44, „Good night, America“, S. 82)

Im Jahr 2008 berichtete der “child protective services” (CPS) in den USA von 3,3 Millionen gemeldeter Fälle von Kindern, die körperlichen, emotionalen oder sexuellen Missbrauch erlebt hatten oder vernachlässigt wurden. (vgl. CDS, 2010: Child Maltreatment. Facts at a Glance)

Die amerikanische Kaiser Permanente Krankenversicherung hat 1995 eine Studie (ACE-Studie) mit Daten von 17.421 Versicherten bzgl. dem Zusammenhang zwischen belastenden Kindheitserfahrungen (Adverse Childhood Experiences, kurz ACEs) und dem Gesundheitszustand durchgeführt.  Ergebnisse bzgl. belastenden Kindheitserfahrungen (die wohl eher für die Mittelschicht und höhere Schichten gelten, die sich in den USA eine private Krankenversicherung leisten können.) :
11% erlebten emotionale Misshandlungen
28% erlebten körperliche Misshandlungen
21% erlebten sexuellen Missbrauch
15% erlebten emotionale Vernachlässigung
10% erlebten körperliche Vernachlässigung
13% wurden Zeugen, wie ihre Mutter Gewalt erlebte
27% wuchsen in Familien auf, in denen Alkhol und/oder Drogen konsumiert wurden
19% wuchsen in einer Familie mit einer psychisch kranken Person auf.
23 wuchsen in einer Familie auf, in der sie durch Trennung oder Scheidung von einem Elternteil getrennt waren
5 % wuchsen in Familien auf, wo sich ein Familienmitglied im Gefängnis befand
(Mehr als 20 % erlebten drei oder mehr der genannten belastende Kindheitserfahrungen!)

Eine Studie in den USA aus dem Jahr 2000 ergab, dass bei 94 Prozent der Kinder zwischen drei und vier Jahren Ohrfeigen oder Schläge zur Erziehung gehörten. (vgl. UNICEF 2003: Child Maltreatment Deaths in Rich Nations. Innocenti Report Card No.5. Innocenti Research Centre, Florence., S. 22) Ein Bericht aus dem Jahr 1995 der “American Gallup Organization” zeigte, dass 40 % der Dreizehnjährigen regelmäßig geschlagen wurden, selbst im Alter von fünfzehn Jahren wurden immer noch 25 % der Jugendlichen geschlagen. (vgl. ebd., S. 23)

Ein Forscherteam hat vier repräsentative US-Studien der Jahre 1975, 1985, 1995 und 2002 ausgewertet. Im Jahr 1975 wurden beispielsweise 82,2 % der 3- bis 5-Jährigen Kinder körperlich gezüchtigt, im Jahr 2002 waren es immer noch 78,8 %. Zudem erlebt immer noch fast jedes dritte Kind in den USA der Studie folgend in seiner Familie Körperstrafen mit einem Gegenstand; eine Zahl, die die AutorInnen der Studie als alarmierend bezeichnen.
(Zolotor, A.J., Theodore, A. D., Runyan D.K., Chang J. J. & Laskey, A. L. (2011).Corporal punishment and physical abuse.Population-basedtrends for three-to-11-year-old children in the United States. Child Abuse review, 20(1), S. 57–66.)

In einer repräsentativen Telefonumfrage aus dem Jahr 2000 wurden 2068 Eltern von Kindern im Alter zwischen 4 und 35 Monaten in den USA befragt. 26% berichtet, dass sie ihre Kinder verprügelt (englisch “spanking”) hätten. (vgl. Michael Regalado et al, 2004: Parents’ Discipline of Young Children: Results From the National Survey of Early Childhood Health. In: PEDIATRICS, Vol. 113, No. 6.)
Das ist eine sehr hohe Zahl, wenn man sich klar macht, dass hier die Eltern direkt am Telefon befragt wurden und natürlich nicht unbedingt wahrheitsgemäß antworten müssen. Zudem ist die Zahl auch erschreckend, da sie sich auf Säuglinge bis Kinder im Alter von nur ca. 3 Jahren bezieht. Darüberhinaus berichteten 67 % der Befragten, ihre Säuglinge/Kleinkinder angeschrien zu haben.

Im Jahr 2005 wurden in allen 50 US-Bundesstaaten jeweils 600 Erwachsene befragt (surveyusa, 24.08.2005, Disciplining a Child). Im Schnitt sagten 72 % aller Befragten, dass es in Ordnung sei, ein Kind zu schlagen (um es zu disziplinieren). (In Alabama gab es dabei die höchste Zustimmung mit 87 %, die niedrigste mit 55 % in Vermont)
31 % meinten, dass es in Ordnung sei, den Mund eines Kindes mit Seife "auszuwaschen". (Etwas, dass in den USA als Bestrafungsform für z.B. das Benutzen von Schimpfwörtern benutzt wrd. Auf Wikipedia gibt es sogar einen eigenen Artikel dazu.) Und 23 % meinten, dass es in Ordung für einen Lehrer sei, Schüler körperlich zu bestrafen. Schaut man sich die Ergebnisse für alle Bundesstaten einzelnd an, stellt man ein starkes Gefälle fest. Die Gewaltbereitschaft gegen Kinder ist offensichtlich am höchsten in den südlichen Staaten.

Für eine Studie (Desmond K. Runyan, Viswanathan Shankar, Fatma Hassan, Wanda M. Hunter, Dipty Jain, Cristiane S. Paula, Shrikant I. Bangdiwala, Laurie S. Ramiro, Sergio R. Muñoz, Beatriz Vizcarra and Isabel A. Bordin (2010): International Variations in Harsh Child Discipline. Pediatrics;126;e701 ) wurden 1435 Mütter zum Gewaltverhalten beider Elternteile  telefonisch befragt.
Ausgewählte Ergebnisse: 44 % versohlten den Hintern, 24 % schlugen mit einem Gegenstand auf die selbe Stelle, 3,6 % schlugen mit einem Gegenstand auf eine andere Körperstelle. Diese Gewalt wurde von den Forschern als mittelschwere Gewalt eingestuft. Der Mittelwert beträgt hier ingesamt 55 %. Besonders schwere Formen der körperlichen Gewalt wurden von den Müttern fast nicht angegeben. Beispielsweise gaben nur 0,3 % an, dass das Kind durchgeprügelt/zusammengeschlagen wurde. Allerdings: 2,6 % schüttelten Kinder unter 2 Jahren.
Da Misshandlungen in den USA gesetzlich verboten, „Züchtigungen“ (was der ersten Kategorie der mittelschweren Gewalt in etwa entspricht) aber erlaubt sind, ist zu vermuten, dass Opferbefragungen hier etwas andere Ergebnisse bringen würden als Täterbefragungen.  (Grundsätzlich zeigen die Daten dieser ländervergleichenden Studie allerdings auch, dass in anderen Ländern, z.B. Ägypten und Indien, schwerere Gewaltformen weiter verbreitet sind, als in den USA. )
Schaut man gesondert auf die verschiedenen Altersstufen der Kinder, ergibt sich nochmal ein anderes Bild, als das, was die o.g. Mittelwerte aufzeigen. Bereits ganze 31 % der Mütter gaben an, dass mittelschwere körperliche Gewalt gegen Kinder unter 2 Jahren in ihrer Familie angewendet wird. Dies ist eine enorm hohe Zahl, wenn man an die besonders empfindliche Psyche dieser Altersgruppe denkt.  7,7 % dieser Altersgruppe erlebt bereits schwere körperliche Gewalt, sofern Schläge mit Gegenständen dazugezählt werden. (ohne Gegenstände = 2,6 %)Ebenfalls erleben 36 % dieser Altersgruppe mittelschwere Formen psychischer Gewalt, 9 % schwere Formen.
Ganze 76 % der 2 bis 6 Jahre alten Kinder erlebt mittelschwere körperliche Gewalt und 74 % erleben mittelschwere psychische Gewalt. 27 % dieser Altersgruppe erlebt schwere körperliche Gewalt, sofern Schläge mit Gegenständen dazugezählt werden. (ohne Gegenstände = 0,6%)74 % erlebten mittelschwere Formen psychischer Gewalt, 19 % erleben schwere psychische Gewalt.
67 % der 7 bis 11 Jahre alten Kinder erlebt mittelschwere körperliche Gewalt. 84 % mittelschwere psychische Gewalt, 29 % schwere psychische Gewalt. 37 % dieser Altersgruppe erlebt schwere körperliche Gewalt, sofern Schläge mit Gegenständen dazugezählt werden. (ohne Gegenstände = 0,1%) Bei den 12 bis 17 Jahre alten Kindern nimmt dann vor allem die körperliche Gewalt stark ab.

Die obigen Daten stammen von relativ aktuellen Studien. Wie schon oft in diesem Blog erwähnt, sind ältere Bevölkerungsteile sehr wahrscheinlich in einem noch höheren Ausmaß Opfer von elterlicher Gewalt geworden, wie jüngere.

Der bereits oben erwähnte UNICEF Bericht aus dem Jahr 2003 beschreibt auf Seite 25 auch, dass bis zu diesem Berichtsjahr in den USA nur der Staat Minnesota Gesetze erlassen hat, die so ausgelegt werden könnten, dass Gewalt gegen Kinder in der Erziehung verboten ist. Aktuell habe ich bisher keine Daten im Internet gefunden, die aufzeigen, dass zwischenzeitlich noch weitere US-Staaten ähnliche Gesetze erlassen hätten. Zolotor et. al (2011) (siehe oben) bestätigen dies: Körperliche Züchtigungen im Elternhaus sind in den USA weiterhin legal, schreiben sie in ihrer Studie

Zum sexuellen Missbrauch möchte ich eine repräsentative Studie aus dem Jahr 1990 von Finkelhor erwähnen. 2626 Menschen wurden telefonisch befragt. 27 % der Frauen und 16 % der Männer gaben an, als Kind sexuell missbraucht (inkl. ohne Körperkontakt) worden zu sein. (vgl. Finkelhor, 1997, S. 74ff)

Laut einem UNICEF Bericht aus dem Jahr 2001 gibt es in den USA zwischen 100.000 und 300.000 minderjährige Prostituierte.

Dazu kommt legale Gewalt gegen Kinder und Jugendliche an Schulen durch LehrerInnen und verhältnismäßig hohe Zahlen von Kindestötungen. (siehe dazu Beitrag "gewaltvolle Kindheiten in den USA) Außerdem schneiden die USA im Vergleich mit anderen Industrienationen auch im allgemeinen Ranking zum Wohlergehen der Kinder besonders schlecht ab.

Die USA ist das einzige Mitglied der Vereinten Nationen, das die 1989 verabschiedete UN-Kinderrechtskonvention bisher nicht ratifiziert hat. (vgl. Status der „Convention on the Rights of the Child“) Ein Skandal!

Ich weiß nicht, wie ich diese Zahlen und Fakten noch weiter kommentieren soll? Wer diesen Blog schon kennt, weiß, was dieses hohe Ausmaß an Gewalt für politische Konsequenzen haben kann und auch hat. Dies gilt gerade auch, weil es sich hier um eine Weltmacht mit enormen militärischen Möglichkeiten handelt.


Wichtiger Nachtrag

Siehe ergänzend meinen Beitrag Politische Spaltung in den USA als Ausdruck von einer gespaltenen Kinderfürsorge? vom 16. Juni 2017. Die Kinderschutzorganisation „Save the Children“ hat erstmals eine Art Ranking über das Wohlergehen von Kindern in der Welt veröffentlicht. Die USA landete auf Platz 36 (einen Platz vor Russland und fünf Plätze vor China). 

Siehe unbedingt auch: Belastende Kindheitserfahrungen in den USA: Neue Daten vom 4. Juni 2020

Samstag, 10. Oktober 2009

Gewalt gegen Kinder in Entwicklungsländern

Der UNICEF Report 2009 enthüllt u.a. extrem hohe Raten von körperlicher und psychischer Gewalt gegen Kinder in Entwicklungsländern. Angeführt wird die Liste von Palästina, Vietnam, Yemen und Ägypten. (vgl. UNICEF, 2009, S. 8)

In Palästina erleben nur 5 % der Kinder keine Gewalt, 70 % erleben psychische und körperliche Gewalt, 23 % erleben nur psychische Gewalt und 2 % nur körperliche Gewalt.

Zahlen für Vietnam: 6 % keine Gewalt, 58 % psychische+körperliche, 32 % nur psychische, 4 % nur körperliche

Zahlen für Yemen: 7 % keine Gewalt, 81 % psychische+körperliche, 10 % nur psychische , 2 % nur körperliche

Zahlen für Ägypten: 8% keine Gewalt, 68 % psychische+körperliche , 22 % nur psychische, 2 % nur körperliche

Über 80 Prozent aller Kinder in einer Reihe von weiteren arabischen und westafrikanischen Ländern erleben Gewalt in der ein und/oder anderen Form. Unter 80 % fallen dann abnehmend bis zu ca. 50 % einige osteuropäische Staaten.

In den ausgewählten sechs lateinamerikanischen und karibischen Staaten erleben durchschnittlich 83 % aller Kinder mindestens eine Form von Gewalt. (ebd. S. 31)

UNICEF weist darauf hin, dass die Gewalt gegen Kinder meist von Menschen ausgeht, die die Kinder kennen: Eltern, Stiefeltern, Lehrer usw.

Quelle: UNICEF, September 2009: Progress for Children - A Report Card on Child Protection.

In dem Report werden die Formen der Gewalt nicht weiter ausdifferenziert (was auf Grund der vielen Daten verständlich ist). Zu vermuten wäre hier allerdings, dass z.B. hinter "körperlicher Gewalt" häufig körperliche Misshandlungen stehen und nicht hautsächlich Züchtigungen, sprich dass das Gewaltverhalten gegen Kinder insgesamt in Entwicklungsländern heftig (darauf weisen z.B. auch einzelne Infos hin, die ich hier zusammengestellt habe) und dadurch auch schädlicher und folgenreicher für die Kinder ist.

Im deutschen Vorwort zu dem Report heißt es ergänzend: Jedes dritte Mädchen in Entwicklungsländern wird als Kind verheiratet. In den Ländern Niger, Tschad und Mali liegt der Anteil der Kinderheiraten sogar bei über 70 Prozent, in Bangladesch, Guinea und der Zentralafrikanischen Republik sind es mehr als 60 Prozent.
Eine Gesellschaft kann sich nicht entwickeln, wenn ihre jüngsten Mitglieder in Kinderheiraten gezwungen, sexuell ausgebeutet und ihrer grundlegenden Rechte beraubt werden“, sagte UNICEF-Direktorin Ann Veneman. „Das Ausmaß der Kinderrechtsverletzungen zu erfassen ist ein erster Schritt, um eine Umgebung für Kinder zu schaffen, in der sie geschützt aufwachsen und sich entwickeln können.“

Dies ist eine Botschaft, die insbesondere auch von psychohistorischen ForscherInnen seit einigen Jahrzehnten verbreitet wird. Leider wird sie kaum gehört, so manches mal sogar belächelt und von der Sozial-/Politikwissenschaft i.d.R. erst gar nicht wahrgenommen. Dabei fehlt vor allem der Blick auf Zusammenhänge zwischen den kindlichen Gewalterfahrungen von breiten Bevölkerungsschichten, politischer Instabilität bis hin zu Krieg und letztlich einer fehlenden sozio-ökonomischen Entwicklung. Denn: Eine Gesellschaft kann sich nicht entwickeln, wenn die meisten ihrer Kinder missbraucht, misshandelt und vernachlässigt wurden und werden. Ihr fehlt zudem das Fundament für gewaltlose Konfliktaustragung und echte (auch emotionale) Demokratie.

Mein vorheriger Beitrag zu Lösungen für Afghanistan macht auf das ganze Dilemma aufmerksam. Der Westen versucht mit aller Gewalt einem nicht-entwickelten Land von oben Demokratie aufzudrücken. Gewaltmonopol, Wahlen, Verwaltung usw. sollen helfen, das Land zu stabilisieren.
In einem Land wie Afghanistan muss dagegen mit viel Einsatz und Empathie versucht werden, vor allem die Kindheit zu befrieden. Dies muss das oberste Ziel sein. Erst dann kann sich das Land wirklich auf den demokratischen Entwicklungsprozess begeben, den es ohne Zweifel nötig hat.

Sonntag, 8. Februar 2009

Knessetwahl in Israel als Kriegsgrund? Wohl kaum

Als „rationaler“ Grund für den israelischen Angriff auf Gaza wird u.a. die am 10. Februar 2009 anstehende Knessetwahl in Israel genannt. Mein erster Gedanke dazu ist: Selbst wenn dies ein wichtiger Hintergrund des Angriffes wäre und sich die Regierungsparteien dadurch einen höhern Wahlerfolg ausgerechnet hätte, wäre dieser Entscheidungsprozess ein kranker und nicht einer von psychisch gesunden Menschen. Denn dies würde bedeuten, dass das israelische Volk das Töten von ca. 1.400 Palästinensern mit ihrem Urnengang belohnen würde. Wenn dem dann am 10.02. so sein sollte, würden hier im israelischen Volk starke Bedürfnisse nach einer kollektiven Bestrafung ihres Nachbarn zu Tage treten (ein Zeichen für tiefere emotionale Gründe). Die Regierung wäre dann nur der ausführende Part dieser Bedürfnisse und würde dem Willen des Volkes entsprechen.

Dazu kommt: Unter dem Eindruck eines Krieges wählen die Menschen erfahrungsgemäß meist rechts (was sicherlich auch den PolitikerInnen bekannt sein dürfte). So wird derzeit auch in Israel ein Rechtsruck erwartet. Verlierer könnten hier entsprechend die Regierungsparteien sein. Insbesondere die Hardliner Benjamin Netanjahu (Likud Partei) und vielmehr noch Avigdor Lieberman (Partei Yisrael Beiteinu) könnten Stimmen dazu gewinnen. Wo ist hier also der rationale Grund für den Gaza-Krieg, wenn doch sogar ein Regierungsverlust zu erwarten war und ist?

Interessant finde ich an dieser Stelle eine gemeinsame israelisch-palästinensische Umfrage (durchgeführt vom 27. Mai bis zum 7. Juni 2008), veröffentlich von der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. am 12. Juni 2008.

U.a. wird als Ergebnis genannt:
50 % der Israelis lehnen einen Waffenstillstand mit der Hamas ab, welcher die Einstellung von gewalttätigen Aktivitäten und Kassam-Angriffen auf Israel durch die Hamas sowie militärische Operationen der Israelis im Gazastreifen und die Aufhebung. der Blockademaßnahmen beinhalten würde. 47 % befürworten solch eine Vereinbarung. Die Ablehnung steigt auf 68 %, sollte eine Vereinbarung mit der Hamas nicht die Freilassung von Gilad Svhalit (Anmerkung: vor zweieinhalb Jahren entführten israelischer Soldat) beinhalten.

Auf palästinensischer Seite sprechen sich 78 % für einen Waffenstillstand mit Israel aus. Diese Unterstützung fällt jedoch rapide ab auf 23 %, sollte ein Waffenstillstandsabkommen lediglich auf den Gazastreifen begrenzt bleiben und nicht die Westbank mit einbeziehen. Darüber hinaus fällt die Unterstützung weiter auf 20 % für den Fall, dass eine Vereinbarung nicht die unmittelbare Öffnung der Grenzen, insbesondere des Ra-fah-Grenzüberganges zwischen Gazastreifen und Ägypten, zur Folge haben sollte.

Wenn man es mal von der positiven Seite betrachtet, waren also grundsätzlich fast die Hälfte der Israelis bereit, einen Waffenstillstand mit der Hamas zu vereinbaren. Rein rational betrachtet ist dies ein ganz erheblicher Teil der Wählerschaft. Israel hätte also auch aus einem inneren Interesse heraus den ab dem 19.Juni verhandelten Stopp des Raketenbeschusses weiter ausdehnen und festigen können. Gleichzeitig zeigt sich an Hand der Umfrage, dass 78 % der Palästinenser unter o.g. Bedingungen für einen Waffenstillstand waren. Diese Mehrheit hätte man entsprechend ansprechen können, durch politische Entscheidungen, nicht durch militärische.

Ein politischer Weg, der Frieden schafft, ist nicht nur ein menschlicher, sondern immer auch ein rationaler Weg. Also Leute: Kommt mit nicht mit rationalen Gründen für einen Krieg!

Dieser Beitrag ergänzt folgende Beiträge zum Thema:

- Ergänzung des Beitrags "Nahostkonflik"
- Nahostkonflikt: Krieg in Gaza - eine Ursachensuche

Donnerstag, 5. Februar 2009

Ergänzung des Beitrags "Nahostkonflikt"

Auf der Homepage der AG Friedensforschung, Uni Kassel fand ich einen interessanten Text, auf den ich hier hinweisen möchte: Kollektive Bestrafung. Israels Verbrechen an der Zivilbevölkerung in Gaza (Von Rolf Verleger, u.a. Direktoriumsmitglied im Zentralrat der Juden und ehemaliger Vorsitzender der Jüdischen Gemeinschaft Schlewig-Holstein)
Dieser ergänzt meine Gedanken zum Nahostkonflikt sehr gut, wie ich finde.

"Premierminister Olmert, Armeeminister Barak und Außenministerin Livni behaupteten, daß der Raketenbeschuss israelischer Städte aus dem Gazastreifen unerträglich geworden und nicht anders zu stoppen sei als mit massivem israelischen Eingreifen. Die Unwahrheit dieser Behauptungen war ebenso offensichtlich wie bei den Lügen des George W. Bush. Wieder gibt es genügend Politiker und Journalisten, diesmal gerade und besonders in Deutschland, die diese Märchen gerne nachplappern.", schreibt Verleger. Der Autor führt seine Gedanken im Text dazu weiter aus. Auf eine Stelle möchte ich hier besonders hinweisen:

Die Zahl der Raketeneinschläge auf israelischem Boden war vom 19. Juni bis 31. Oktober 2008 auf fast null zurückgegangen! (ausführliche Statistik der Raketenangriffe hier) Rolf Verleger fragt: „Wenn es eine nicht-kriegerische Methode gab, diesen Raketenbeschuss für mehr als vier Monate zum Verschwinden zu bringen, warum ging dann diese Methode nicht mehr ab November?“ Der Autor verweist als Antwort auf diese Frage auf den Artikel „An Unnecessary War“ (Washington Post vom 08.01.2009) des ehemaligen US-Präsident Jimmy Carter. Dort erfährt man, dass es Verhandlungen zwischen Israel - über den Vermittler Ägypten - und der Hamas gab. Alle Raketenabschüsse der Hamas sollten am 19.Juni für einen Zeitraum von sechs Monaten aufhören, wenn humanitäre Lieferungen auf das normale Niveau gebracht würden, das vor Israels Rückzug 2005 bestand (etwa 700 Lastwagen pro Tag). Der folgende Zuwachs an Lieferungen von Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und Treibstoff erfolgte im Durchschnitt nur in 20 Prozent des normalen Niveaus. Diese fragile Waffenruhe wurde zu einem Teil am 4. November gebrochen, als Israel einen Angriff nach Gaza startete, um einen Verteidigungstunnel zu zerstören. Weitere Konflikte und Unstimmigkeiten um die unzureichenden Warenlieferungen blieben ungelöst und die Feindseeligkeiten brachen erneut aus. „Kann man dies eine »einseitige Aufkündigung des Waffenstillstands durch die Hamas« nennen?“ fragt Verleger.
Allen Interessierten empfehle ich das Lesen des o.g. Textes. Für mich wird hier erneut klar, dass an einem wirklichen Frieden kein Interesse besteht, obwohl es ganz offensichtlich auch Mittel und Wege gab und gibt, die Gewalt auf ein Minimum zu reduzieren.

Allem Anschein nach bereitete die israelische Führung den Gaza-Krieg auch lange Zeit (wohl auch noch vor dem verhandelten Waffenstillstand) systematisch vor. Man wollte nicht die gleichen Fehler wie im Libanon-Krieg machen, in dem zu kurzfristig geplant und agiert worden war. Und man wollte diesen Krieg in Gaza um jeden Preis.

Wohin mit all dem Schmerz und dem Hass, wenn kein Feind mehr da ist, um diesen als "Giftcontainer" zu nutzen? (diese Frage gilt beiden Seiten, Isarael und der Hamas)

Montag, 27. Oktober 2008

2. Historische und aktuelle Dimensionen der Gewalt gegen Kinder

Hinweis: Mein gesamter "Grundlagentext" ist mittlerweile veraltet, insofern würde ich heute den Zahlenteil auch etwas anders darstellen. Bitte sonstige Blogbeiträge verfolgen, da ich mich immer wieder mit Zahlen und Studien befasse, alte Texte aber nicht ständig aktualisieren kann!

Die Lebendigkeit und der Eigenwille des Kindes, die Quelle von Aufmüpfigkeit und Autonomie, muss eingedämmt werden, so dachte man großteils im geschichtlichen Verlauf. Es galt die Maxime, die von Schmidt 1887 in der "Enzyklopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens" exemplarisch formuliert wurde: "Der Wille des Kindes muss gebrochen werden, d.h. es muss lernen, nicht sich selbst, sondern einem anderen zu folgen" (zit. n. Keupp, 1999, S. 6). Diese Maxime durchzieht die Geschichte fast aller menschlicher Gesellschaften. Die Bibel ist ein weiterer exemplarischer Beleg dafür: Wer seine Kinder liebt und vor Torheiten bewahren will, der schlägt und züchtigt sie, ist der „erzieherische“ Leitgedanke vor allem im Alten Testament. (vgl. z.B. Dtn 21,18-21; Spr 3,11; Spr 3,12; Spr 13,24; Spr 29,17; Sir 22,6; Sir 30,12) Zudem galten Kinder lange Zeit als Besitz ihrer Eltern bzw. des Vaters, mit denen nach Belieben umgegangen werden konnte; Kinder waren recht- und schutzlos. "Die Geschichte der Kindheit ist ein Alptraum, aus dem wir gerade erst erwachen.", schrieb der Psychohistoriker Lloyd deMause (1992) zur Evolution der Kindheit. (deMause, 1992, S. 12) Und: „Je weiter man in der Geschichte zurückgeht, desto mehr sinkt das Niveau der Kindererziehung.“ (ebd., 2005, S. 269)

Nachfolgende Zahlen aus der Gegenwart zeigen, wie nachhaltig die „Geschichte der Kindheit“ weiterhin wirkt: In sozialwissenschaftlichen Studien ist belegt, dass die Hälfte bis zwei Drittel aller Eltern ihre Kinder körperlich bestrafen, wobei man davon ausgeht, dass 10 bis 15 % dies häufig und schwerwiegend tun.[1] (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2002, S. 220)
Eine bundesdeutsche Repräsentativstudie kommt auf der Opferseite zu ähnlichen Ergebnissen. 74,9 % der Befragten gaben an, in ihrer Kindheit körperliche Gewalterfahrungen seitens ihrer Eltern erlebt zu haben. 38,4 % wurden häufiger als selten körperlich gezüchtigt. Elterliche Misshandlungen erlebten 10,6 %, 4,7 % häufiger als selten. (vgl. Wetzels, 1997. S. 146)
Ein Vergleich zwischen drei repräsentativen Jugendstudien (jeweils 1992, 2002 und 2005) zeigt, dass ca. 30 % (jeweils nach Jahreszahlen 31,8 %, 29,6 % und 32 %) der Jugendlichen gewaltfrei erzogen wurden. Die große Mitte sind die „konventionell“ erzogenen, die häufig leichte körperliche Bestrafungen und andere Sanktionen erfahren haben und in deren Erziehung „weitgehend“ auf schwere körperliche Gewalt verzichtet wurde. (Zahlen jeweils in der Reihenfolge der Jahreszahlen: 36,4 %, 51,2 % und 46, 7 %). Eine gewaltbelastete Erziehung (Diese Gruppe weist bei allen Sanktionsarten – inkl. psychischer Gewalt - eine überdurchschnittlich hohe Häufigkeit auf, insbesondere auch schwere Körperstrafen.) erlebten jeweils nach Jahreszahlen 31,8 %, 19,3 % und 21,3 %. (vgl. Bundesministerium der Justiz, 2007, S. 18)
(Hinweis: Es gibt neuere rep. Studien zum Sexuellen Missbrauch, die andere Zahlen nahelegen!)
Bei einer weit gefassten Definition kann außerdem auf Grundlage von vor allem europäischen und nordamerikanischen Studien davon ausgegangen werden, dass jedes 3./4. Mädchen und jeder 7./8. Junge mindestens einmal sexuell missbraucht wird (ca. 25% der Übergriffe erfolgen durch Familienangehörige, weitere 50-60% durch Menschen aus dem sozialen Nahbereich). (vgl. Bange, 2002; Gloor / Pfister, 1995; Finkelhor, 1997; Bundesarbeitsgemeinschaft Prävention & Prophylaxe e.V.) DeMause (2005) hat darauf hingewiesen, dass höhere Raten nachgewiesen werden, wenn mit den Befragten ein Vertrauensverhältnis im Rahmen von Interviews, die zwischen einer und acht Stunden gehen, aufgebaut werden kann. Demnach gaben bei entsprechenden amerikanischen Studien zwischen 38% (Studie von Russel) und 45 % (Studie von Wyatt) der befragten Frauen an, in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden zu sein. (vgl. deMause, 2005, S. 256)
Auch die Kindesvernachlässigung ist laut Einschätzungen von Experten eine weit verbreitete Form von Kindesmisshandlung. Esser (2002) geht davon aus, dass in Deutschland 5 bis 10 % aller Kinder mit klinisch relevanten Folgen durch ihre Eltern abgelehnt oder vernachlässigt werden. Esser beschreibt zudem eine deutsche Risikokinderstudie, in der 384 erstgeborene Kinder von der Geburt bis zum Alter von 11 Jahren begleitet wurden. Bei 15,4 % aller Kinder wurden Ablehnung und/oder Vernachlässigung festgestellt. (vgl. Esser, 2002, S, 103ff) Andere Quellen stellen das Ausmaß der Vernachlässigung wie folgt dar: Als Untergrenze wird geschätzt, das mindestens 50.000 Kinder in Deutschland unter erheblicher Vernachlässigung leiden, nach oben hin schwanken die Zahlen zwischen 250.000 und 500.000 Kindern. (vgl. Deutscher Kinderschutzbund / Institut für soziale Arbeit e.V., 2000)
Die Forschung bzgl. psychischer Misshandlung ist dagegen erst in den Anfängen. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass die psychische Misshandlung die häufigste Form der Kindesmisshandlung ist und zudem oftmals mit anderen Misshandlungsformen einhergeht. (vgl. Brassard / Hardy, 2002, S. 589ff) Auch diese Misshandlungsform hat erhebliche Folgen für die Kinder.
Ein weiteres relativ unbeleuchtetes Feld ist das Miterleben von Gewalt und die möglichen Folgen für die Kinder. Strasser (2001) vermittelt eindrücklich, wie Gewalt gegen Frauen auch als Trauma für die mit den Erwachsenen zusammenlebenden Kinder wirken kann bzw. wie häusliche Gewalt gegen Frauen eine Form von psychischer Gewalt gegen Kinder darstellt.
Eine erste deutsche repräsentative Studie zeigt, dass von 10.000 befragten Frauen jede Vierte im Alter von 16 bis 85 Jahren bereits ein- oder mehrmals körperliche oder zusätzlich sexuelle Übergriffe eines Beziehungspartners erlitten hat. (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2004a)
Sofern Kinder in den betreffenden Familien leben, werden hier die möglichen Dimensionen der von Kindern miterlebten Gewalt deutlich. Die Arbeit am zusätzlichen Tabuthema „Frauengewalt gegen Männer“ zeigt darüber hinaus, dass auch Frauen an häuslicher Gewalt beteiligt sein können und dies ebenfalls Folgen für die Kinder haben wird. (vgl. ausführlich Kantonale Fachkommission für Gleichstellungsfragen, 2006)
Auch Geschwister, die Gewalt miterleben, müssen in diesen Themenkomplex Beachtung finden. Elterliche Gewaltanwendung gegenüber Kindern ruft nicht nur Schäden bei dem unmittelbar angegriffenen Opfer hervor. Es wird angenommen, dass die nichtangegriffenen Geschwister psychisch in ebensolchem Maße geschädigt werden wie das eigentliche Opfer und so zu mittelbaren Opfern werden. Das Erlebnis von Tätlichkeiten der Eltern gegenüber dem Bruder oder der Schwester verursacht bei ihnen Furcht und vermittelt ein Gefühl der Verwundbarkeit und der mangelnden Geborgenheit. Zusätzlich werden Zusammenhänge zwischen eigenem späteren Gewaltverhalten und dem Miterleben von Gewalt angenommen. (vgl. Schneider, 1998, S. 337)
Ins Blickfeld der Wissenschaft gerät zunehmend auch der Fötus und dessen (psychische) Entwicklung im Mutterlaib. DeMause (2005) weist nach, dass bereits Föten Stress und Gewalt erleben und erinnern, was Auswirkungen auf das spätere Leben haben kann (Er nennt dies „Fötales Drama“). Föten erleben z.B. psychische oder körperliche Gewalt durch den Partner gegen die Mutter, direkte Ablehnung des Fötus, Belastungen durch Alkohol-, Drogen- oder Nikotinkonsum der Mutter, Belastungen durch Stress- und Angstzustände der Mutter usw. (vgl. deMause, 2005, S.56ff)
Ich habe lange nach einer passenden Formulierung für ein weiteres Themenfeld gesucht und diese schließlich (mehr zufällig) in einem Text gefunden, der sich mit den Auswirkungen der NS-Erziehungsideale beschäftigt: „Die Frage scheint mir berechtigt, ob die Enteignung des Kindes schon weit früher, vor der Geburt, sogar vor der Zeugung beginnt und ob dies für das Kind schon in frühem Stadium von Bedeutung sein könnte. Alle Eltern bilden ja aus Erwartungen, Hoffnungen, Fantasien erste Identitätsvorstellungen um das erwartete Kind herum. Sie weben damit gleichsam eine psychische Hülle, in die das Kind dann hineingeboren wird. Diese Hülle ist von der Einstellung der Eltern zum Kind stark geprägt. Bildlich gesprochen braucht das Neugeborene diese Hülle, um eine gesunde Haut bilden zu können.“ (Langendorf, 2006, S. 278ff) Die Erwartungen von Eltern innerhalb des NS-Systems wirkten sich schon früh negativ auf die Kinder aus, so der weitere Ansatz von Langendorf. Dies kann man sicherlich auch weiterstricken. Ich denke z.B. an Eltern, deren Grund fürs Kinderkriegen der ist, dass sie von „ihrem Unglücklichsein“ befreit werden wollen; ich denke an Frauen, die eine Trennung auf sich zukommen sehen und die „schnell noch mal“ ein Kind bekommen, um den Partner doch noch irgendwie zu binden; ich denke an Leihmütter, die das Kind für andere Eltern bekommen; ich denke an die Eltern, die ein zweites und drittes Kind bekommen, weil „es beim ersten irgendwie alles schief gelaufen ist“ usw. usf. Es geht also im Kern um den eigentlichen Grund fürs Kinder kriegen. In diesem Grund findet sich so manches mal schon die erste Demütigung, Missachtung und Funktionalisierung des Kindes.

Zu vermuten ist auch, dass Ausmaß und Härte der Kindesmisshandlung in noch weitgehend traditionelleren, patriarchalen Gesellschaften entsprechend höher und ausgeprägter sein könnte. Entsprechende Gesellschaftsstrukturen stellen laut Gelles (2002) einen Risikofaktor für Gewalt in der Familie dar. (vgl. Gelles, 2002, S. 1060)
In Ägypten sagten beispielsweise bei einer Umfrage 37 % der Kinder, dass sie von ihren Eltern geschlagen oder gefesselt würden. 26 % berichteten über Knochenbrüche, Bewusstlosigkeit oder eine bleibende Behinderung aufgrund der Misshandlungen. (vgl. Youssef, Attia & Kamel, 1998 zit. nach WHO, 2002, S. 62) In Äthiopien berichteten 21 % der befragten städtischen Schüler und 64 % der ländlichen Schüler von Blutergüsse oder Prellungen auf Grund körperlicher Bestrafungen durch ihre Eltern. (Ketsela & Kedebe, 1997 zit. nach WHO, 2002, S. 62) Im Iran wurden Schüler im Alter von 11 bis 18 Jahren befragt. 38,5 % berichteten über körperliche Gewalt in ihrer Familie, die leichte bis schwere Verletzungen zur Folge hatte. Im Yemen berichteten fast 90% der Kinder, dass körperliche Bestrafungen und Demütigungen die wesentliche Disziplinierungsform in ihren Familien darstellt. Das selbe Bild ergab eine Untersuchung in Südkorea, dort halten 90 % der Eltern körperliche Bestrafungen ihrer Kinder für notwendig. (vgl. UNICEF, 2006b, S. 52ff)
Eine Studie kommt zu dem Schluss, dass 36,1 % aller kolumbianischen Kinder irgendwann Opfer von Misshandlungen werden. Jedes zehnte Kind, das in ein kolumbianisches Krankenhaus eingeliefert wird, muss wegen häuslicher Gewalt behandelt werden; die Dunkelziffer wird hier vermutlich viel höher liegen, da viele Ärzte sich nicht der Mühe unterziehen, Misshandlungen anzuzeigen. (vgl. BRENNPUNKT LATEINAMERIKA, 2005, S. 39)
Garbarino & Bradshaw (2002) berichten, dass in China Kinder als „Eigentum“ ihrer Eltern angesehen werden, wodurch auch die Wahrscheinlichkeit sinken würde, dass Nachbarn etc. bei einem Verdacht auf Misshandlungen z.B. in Form einer Anzeige eingreifen würden. (vgl. Garbarino & Bradshaw, 2002, S. 901) Bereits die Definition als "Eigentum" stellt meiner Ansicht nach eine erhebliche Demütigung und Missachtung des Kindes dar. Etwas mehr Licht ins chinesische Dunkelfeld bringen folgende Zahlen: 461 von 1000 (ca. 46 %) befragten chinesischen Eltern (in Hong Kong) berichteten, dass sie schwere körperliche Gewalt gegen ihre Kinder angewendet haben. (vgl. WHO, 2002, S. 63) Eine Studie, in der SchülerInnen direkt befragt wurden ergab, dass 22,6 % der chinesischen und 51,3 % der süd-koreanischen Kinder schwere körperliche Gewalt durch ihre Eltern erlebt haben. (ebd.)

DeMause zeichnet ein eindrückliches Bild von der elterlichen Gewalt gegen Kinder in islamisch, fundamentalistischen Familien und Gesellschaften (z.B. Palästina, Pakistan, Afghanistan oder auch Saudi-Arabien) und kommt zu dem Schluss, dass die dort existierenden „Erziehungspraktiken“ jenen sehr ähnlich sind, wie sie einst Kindern im mittelalterlichen Westen routinemäßig zugefügt worden sind. In Form von: Sexuellem Missbrauch, strikter Gehorsamseinforderung, Schlagen, Treten, Schütteln, Schneiden, Vergiften, Unter-Wasser-Halten, Würgen, Beschießen, Stechen, Beißen, Verbrennen, Ermorden usw. (vgl. deMause, 2005, S. 39ff)
Für eine Diplomarbeit – vgl. Bette (2006) - wurden 287 afghanische Schulkinder aus Kabul, Afghanistan befragt. 41,6% der Kinder berichteten, von ihrem Vater geschlagen zu werden und 59,9% berichteten, von ihrer Mutter geschlagen zu werden. Fast ein Drittel aller Kinder berichteten von mehr als fünf Typen häuslicher Gewalterfahrungen. Die Typen häuslicher Gewalterfahrung, die am häufigsten berichtet wurden waren Schläge auf den Körper, die Arme oder die Beine und angeschrien oder beleidigt zu werden.
Besonders Afrika ist leider immer noch weitgehend eine „blackbox“, was die Forschung über die Kindererziehungspraxis und Kindesmisshandlung angeht. Bzgl. Kenia habe ich eine interessante HRW-Studie gefunden, die über das hohe Ausmaß von Gewalt gegen Kinder in Schulen berichtet: „For most Kenyan children, violence is a regular part of the school experience. Teachers use caning, slapping, and whipping to maintain classroom discipline and to punish children for poor academic performance. The infliction of corporal punishment is routine, arbitrary, and often brutal. Bruises and cuts are regular by-products of school punishments, and more severe injuries (broken bones, knocked-out teeth, internal bleeding) are not infrequent. At times, beatings by teachers leave children permanently disfigured, disabled or dead.„ (Human Rights Watch, 1999) Es ist naheliegend, dass eine solche Akzeptanz ja geradezu „Normalität“ von Gewalt an kenianischen Schulen gleichzeitig etwas über die Akzeptanz von elterlicher Gewalt aussagt. In der Studie heißt es dazu weiter. „Various forms of corporal punishment (and other punishments like manual labor) have a long pedigree in Kenya. Many Kenyans told Human Rights Watch that physical chastisement has long been accepted in Kenyan homes.” (ebd.)

In den 90er Jahren wurde in verschiedenen Untersuchungen festgestellt, dass das Ausmaß der häuslichen Gewalt gegen Frauen in Entwicklungsgesellschaften (Ausmaß: ca. 30 bis 80 %) im Vergleich zu westlichen Ländern (Ausmaß: ca. 20 – 28 %) oftmals erheblich höher ist. Pakistan (Ausmaß: 80 %) und Tansania (Ausmaß: 60%) stehen dabei an der Spitze der Liste. (vgl. Seager (1998) zit. nach amnesty journal, 03/2008, S. 16) Entsprechend erleben in diesen Ländern auch Kinder häufiger Gewalt mit.
Untersuchungen aus den USA zeigen darüber hinaus, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Gewalt gegen Mütter und Gewalt gegen Kinder besteht. Die Überschneidung von häuslicher Gewalt und Kindesmisshandlung beträgt je nach Studiendesign 30 % bis 60 %. Zusätzlich wurde in medizinischen Versorgungseinrichtungen festgestellt, dass 45 % bis 59 % der Mütter von misshandelten Kindern gleichfalls von Gewalt betroffen sind. (vgl. Hellbernd / Brzank,. 2006, S. 93) Wenn man diese Zahlen auch für Entwicklungsgesellschaften zu Grunde legt, ergibt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein sehr hohes Ausmaß an Kindesmisshandlung. Für Pakistan mit 80 % betroffenen Frauen wäre dann z.B. anzunehmen, dass auch die Kindesmisshandlung in diesem Land extrem verbreitet ist.
Zusätzlich lässt sich bei diesem Thema auch auf deutsche Untersuchungen bzgl. MigrantInnen zurückgreifen. In einem Sonderteil zeigt eine bereits weiter o.g. Untersuchung, dass in Deutschland lebende türkische Migrantinnen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung deutlich häufiger - nämlich 38 % der Befragten - Gewalt durch Beziehungspartner erfahren haben. Sie hatten außerdem auch mehr Situationen von Gewalt und – gemessen an den Verletzungsfolgen – schwerere und bedrohlichere Formen von Gewalt erlebt als der Bevölkerungsdurchschnitt. (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2004a) Dass türkisch stämmige Kinder/Jugendliche im Vergleich zu Deutschen häufiger Gewalt zwischen ihren Eltern miterleben, bestätigen auch Pfeiffer & Wetzels (2000), die ca. 16.000 Jugendliche befragt haben. Fast jeder dritte türkische Jugendliche berichtete in den letzten 12.Monaten vor der Befragung Gewalt zwischen den Eltern miterlebt zu haben, gegenüber nur jedem elften Deutschen. Auch elterliche Misshandlungen erlebten türkische Jugendliche signifikant häufiger als Deutsche. (vgl. Pfeiffer & Wetzels, 2000) Dass ethnische Unterschiede im Gewalterleben innerhalb von Familien bestehen, zeigt auch die Untersuchung von Baier & Pfeiffer (2007) bei der ca. 14.300 Jugendliche befragt wurden. Häufiges Erleben von Ohrfeigen, hartes Anpacken, Werfen mit Gegenstand bzw. Erleben von Misshandlung (Verprügeln, mit der Faust schlagen) erlebten türkische (29,8 %), russische (25,4 %), jugoslawische (27,9 %), polnische (27,6 %) und italienische (30,7 %) Jugendliche häufiger als Deutsche (17 %) (Die Deutschen erlebten dagegen häufiger „leichte Züchtigungen“ als die anderen Gruppen). (vgl. Baier & Pfeiffer, 2007)
Dass Deutschland bzw. Europa – trotz erschreckend hoher Gewaltraten gegen Kinder – im internationalen Vergleich kein Maßstab ist, zeigt auch, dass weltweit nur 16 Länder das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankert haben (darunter auch Deutschland) - Stand 2006. Bis heute haben 106 Staaten die Prügelstrafe in Schulen nicht ausdrücklich verboten (dazu zählen auch die USA). Weitere Zahlen aus der UNICEF-Studie (2006) sprechen für sich: Schätzungsweise 150 Millionen Mädchen und 73 Millionen Jungen unter 18 Jahren werden zum Geschlechtsverkehr gezwungen oder geschlagen. Zwischen 133 und 275 Millionen Kinder und Jugendliche sind jedes Jahr in ihren Familien Zeugen von gewalttätigen Auseinandersetzungen. Schätzungsweise 5,7 Millionen Kinder leben allein in Südasien in Schuldknechtschaft usw. usf. (vgl. UNICEF, 2006a)
Oftmals bedingt schon der kulturelle Kontext bzw. „die Tradition“ Gewalt. Ich denke da z.B. an Zwangsheiraten und an die Genitalienverstümmelung. Weltweit sind im Jahr 2008 nach Schätzungen von ExpertInnen 51 Millionen Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren zur Heirat gezwungen worden. In den darauf folgenden 10 Jahren werden pro Tag ca. 25.000 hinzukommen, die meisten davon in Afrika und Asien. Die jüngsten Bräute leben in dem indischen Bundesstaat Rajastahn, dort sind 15 % aller Ehefrauen bei ihrer Hochzeit keine 10 Jahre alt. Im Haushalt der Ehemänner werden Kinderbräute oft ausgebeutet und Opfer von Gewalt. Unzählige werden in der Hochzeitsnacht vergewaltigt. (vgl. EMMA, 07./08. 2008) Wie sollen Mädchen und auch Jungen, die (gewaltvoll) zur Heirat gezwungen werden, liebevolle Eltern werden, wenn schon ihre “Liebe” keine echte ist und von Trauer, Wut und Ohnmacht begleitet ist? Und wie ergeht es Frauen, denen als Kind die Genitalien verstümmelt wurden? Ca. 2 Millionen Mädchen (täglich ca. 6000) werden jedes Jahr weltweit Opfer der Genitalenverstümmelung. (vgl. UNICEF, 1997)
Ebenso werden in vielen Ländern Jungen beschnitten. "Die relativ gesehen geringfügigere aber immer noch schwerwiegende Verstümmelung von Jungen wird nach wie vor größtenteils ignoriert, wie auch die Tatsache, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit unabhängig vom Geschlecht gilt. Darüberhinaus wird auch die Beschneidung von Knaben in Ländern der Dritten Welt etwa in Afrika, Vorderasien und Indonesien oder bei den Aborigines in Australien nicht unter Narkose und mit sterilisierten chirurgischen Instrumenten sondern mit sehr primitivem Werkzeug vorgenommen, was nicht selten zu bleibenden Schäden oder gar zum Tod führen kann." (www.uni-protokolle.de, "Beschneidung von Jungen und Männern")

(siehe ergänzend zu den Zahlen "Gewalt gegen Kinder in Entwicklungsländern"!)

Die weiteste Verbreitung der Gewalt gegen Kinder und die extremsten Ausformungen finden sich letztendlich bei den Stämmen und Urvölkern. DeMause hat – sowohl historisch als auch relativ aktuell - nachgewiesen, dass in diesen Kulturen sehr hohe Raten von Kindermord (bei den australischen Aborigines wurden früher z.B. bis zu 50 % der Säuglinge getötet; für Neuguinea gilt, dass die Mütter mindestens ein Drittel ihrer Neugeborenen umbringen), Inzest, Körperverstümmelung, Kindervergewaltigung, Folterung und emotionale Verstoßung zu finden sind. Routinemäßig sind dort dissoziative Persönlichkeitsstrukturen die Folge, was die kulturelle Weiterentwicklung hemmt. (vgl. deMause, 2005, S. 184ff)

Die Ergebnisse weiter o.g. Untersuchungen müssen zusätzlich unter einem Gesichtspunkt betrachtet werden, den eine UNICEF- Studie aus dem Jahr 2003 wie folgt darstellt: „So erschreckend die Ergebnisse solcher Befragungen sind, geben sie doch nur die halbe Wahrheit wieder. Denn man muss davon ausgehen, dass viele ehemalige Gewaltopfer nicht über ihre Erfahrungen in der frühen Kindheit sprechen können oder wollen.“ (UNICEF, 2003)
Von den in einer englischen Studie befragten jungen Erwachsenen, die von den Forschern als „schwer misshandelt“ eingestuft wurden, gaben beispielsweise weniger als die Hälfte dies zu. Von denen, die „gelegentlich misshandelt“ wurden, beschrieben sich weniger als 10 % als „misshandelt“, auch wenn alle von Handlungen sprachen, die sie als „niemals gerechtfertigt“ ansahen. Eine Befragung von 10.000 Erwachsenen in den USA (1994) ergab, das 40 % von denen, die als Kinder nach körperlichen Misshandlungen ein oder zwei Mal medizinische behandelt wurden, sich selbst nicht als „misshandelt“ einstuften.(vgl. ebd.) Das Bild, das Befragungen liefern, ist also nicht übertrieben, sondern scheint noch untertrieben.
US-amerikanische Studien zeigen auch, dass kleine Kinder am stärksten von körperlicher Gewalt bedroht sind. Körperliche Strafen gegen Kinder erreichen demnach einen Höhepunkt im Alter von drei Jahren. (vgl. Melzer/Lenz/Bilz, 2010, S. 962) Gerade bewusste Erinnerungen an konkrete Erlebnisse aus den ersten drei Jahren verblassen später allerdings oftmals. Eine irische Mutter, die ihre Kinder misshandelt hatte, formulierte es so: „Du musst sie schlagen, solange sie noch zu klein sind, um sich daran zu erinnern und dir Vorwürfe machen können.“ (deMause, 2005, S. 241)
Zusätzlich beleuchtet dieser Aspekt des Umdeutens, Verdrängens und der fehlenden bewussten Erinnerung der erlittenen Gewalt etwas, das ich im Kapitel „Das einst misshandelte Volk identifiziert sich mit dem Aggressor“ ausführlich darstellen werde.

Mir ist bewusst, dass manche Thesen, die im weiteren Textverlauf folgen werden, bei vielen LeserInnen starke Widerstände und Kritik hervorrufen könnten. An dieser Stelle des Textes möchte ich allerdings einen – wie ich empfinde - nicht übertriebenen Satz festhalten, der auf Grund obiger Datenlage kaum kritisierbar ist. Zu allen Zeiten, gestern, heute und morgen, herrscht auch in Friedenszeiten Krieg: Der Krieg der Erwachsenen gegen die Kinder. Das enorme Ausmaß ja geradezu die Normalität der Gewalt gegen Kinder und deren Vielfältigkeit muss man sich klar vor Augen führen bzw. muss man sich als ersten Schritt überhaupt bewusst machen, um daraus die gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen ermessen zu können. (Alleine das Wahrnehmen der enormen Gewalt gegen Kinder braucht bei vielen Menschen meiner persönlichen Erfahrung nach oftmals Jahre bzw. ist mit erheblichen Abwehrhaltungen verbunden. Dies ist insofern verständlich und normal, da die Beschäftigung mit diesem Thema unweigerlich an eigenen verletzenden Erfahrungen rührt) ) Die o.g. UNICEF-Studie beschreibt mögliche Folgen der Gewalt gegen Kinder u.a. wie folgt: „Gewalt zieht Gewalt nach sich: So geraten die betroffenen Kinder als Erwachsene oft in eine Opferrolle oder üben selbst Gewalt gegen andere aus.“ (UNICEF, 2006a, siehe dazu u.a. auch Van der Kolk. / Streeck-Fischer, 2002) Diesem destruktivem Potential möchte ich im Kontext von Krieg und seinen Ursachen weitere Beachtung schenken.


[1] Diese Angaben treffen übrigens auch auf unsere Nachbarn in Österreich zu. (vgl. Buchner et.al., 2002, S. 139ff)


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