Samstag, 24. April 2010

Der Golfkrieg als emotionale Störung

Nachfolgende Gedanken und Textauszüge ergänzen das, was ich in den letzten Beiträgen in diesem Blog geschrieben habe. Diese Dinge sollten einer breiteren Öffentlichkeit vor Augen geführt werden, gerade auch, weil wir uns derzeit immer noch im Krieg befinden:

Ende des Jahres 1989 brach der sogenannte Ostblock endgültig zusammen. Die Welt atmete scheinbar auf, Freiheit für alle war das erreichbare Ziel.
Amerika fühlte sich allerdings nach dem Fall der Berliner Mauer schrecklich, sagt Lloyd deMause:
“ „Die Demokratie gewinnt“, schrieb The New York Times am 3. März 1990, „Das Wettrüsten ist vorbei. Die Schurken sind jetzt freundlich … der so lange begehrte Jackpot gehört jetzt Amerika. Warum also fühlt sich das nicht besser an?“ Überall tauchten Vorhersagen von Niederlagen, Konjunkturrückgang und dem Ende des amerikanischen Traums auf. Die Medien fragten sich, trotz der Tatsache des erreichten Weltfriedens und der expandierenden Wirtschaft Amerikas, warum die „Menschen unglaublich depressiv“ (The New York Times) wären. „In den vergangenen Monaten lag ein deutlicher Geruch von Zusammenbruch und Untergang über der Stadt“ (New York Post). Irgendeine Katastrophe ist im Kommen.“ (Washington Post). Ohne Feind von außen, in den man unsere Ängste projizieren hätte können, hatte Amerika nur eine Chance, die Gefühle der Depression loszuwerden: eine opferartige ökonomische Rezession herbeizuführen, die uns und unsere Familien für unseren Frieden und Wohlstand bestrafen würde. Ein Grund für die Wahl von Bush war sein oft wiederholtes Statement: „Wir müssen alle Opfer bringen.“ (deMause, 2005, S. 21)
In der Tat rutschte die amerikanische Wirtschaft 1990 in eine Rezession. “Es gab nur einen Weg, um keine längere ökonomische Rezession zur Heilung unserer nationalen Depression brauchen zu müssen: Man könnte einen Feind in Übersee erfinden, den man für unsere „Gier“ beschuldigen und dann bestrafen könnte, anstatt uns selbst zu sehr zu bestrafen.“ (ebd., S. 24)
DeMause zeigt in seinen weiteren Ausführungen, dass der zweite Golfkrieg zunächst mit medialen Bildern von Paranoia, Mord und sogar Selbstmord (unbewusst) vorbereitete wurde. Ihm fiel vor allem auch die häufige Darstellung von Kindern und Jugendlichen auf, die geopfert wurden. Kinder wurden in Magazinen und politischen Cartoons gezeigt, die erstochen, erschossen, stranguliert wurden, die auf einen elektrischen Stuhl gesetzt werden sollten und von Klippen gestoßen wurden. Diese Bilder waren derart vorherrschend, dass deMause vier Monate bevor der Irak in Kuwait einmarschierte einen Artikel veröffentlichte, in dem er eindringlich davor warnte, Amerika wäre auf dem Weg, ein neues militärisches Wagnis zu beginnen, um Menschen zu opfern.

„Wenn ein unter schweren Depressionen leidender Patient ohne Bezug zu konkreten Ereignissen in seinem jetztigen Leben eine psychiatrische Klinik aufsucht und erzählt, er hätte Selbstmordgedanken und Träume von Kindern, denen weh getan wird, vermutet der Kliniker die Diagnose eines posttraumatischen Stresssyndroms (PTSS). Das trifft vor allem dann zu, wenn – wie Amerika im Jahr 1990 – der Patient extreme Stimmungsschwankungen, häufige Panikattacken, übertriebe Zukunftsängste, manische Episoden von hektischen Geldausgaben und Kreditaufnahmen, Drogenmissbrauch, Gefühle des Realitätsverlustes und Trennung durchlebt hat. Da dies alles Symtome von PTSS sind, könnte eine der ersten Fragen des Pschiaters sein, ob der Patient Flashbacks von Kindheitstraumata erlebt hat, ob er insbesondere eindringliche Bilder von leid zufügenden Elternfiguren vor sich hat, speziell solche von grausamen oder vernachlässigenden Müttern. Sind diese Gruppenfantasien weit verbreitet – wie meistens im Vorfeld von Kriegen – ist das ein Hinweis auf eine Rückkehr zu frühen Traumata, ein Beweis dafür, dass die Nation eine Krise eines PTSS-Typs durchläuft, eine, gegen die man sich nur wehren kann, wenn man ihre Ängst Feinden aufbürdet.“ (ebd. S. 27)

DeMause zeigt nachvollziehbar und quellenbasiert auf, wie Amerika die Jahre zuvor Saddam Hussein aufgerüstet, aufgebaut und geradezu Saddams Überfall auf Kuwait (mit) provoziert hatte. (ebd., S. 29ff) Am 25. Juli als sich die Irak-Kuwait Krise zuspitzte und gar zu eskalieren drohte, kam die amerikanische Botschafterin April Glaspie nach Bagdad, um über die Krisenlage zu diskutieren. Die Iraker veröffentlichten später das Protokoll des Treffens. Zu Saddams Ankündigung, er werde evtl. Kuwait überfallen sagte sie: „Wir haben keine Meinung zu innerarabischen Konflikten, wie zu ihrem Konflikt mit Kuwait.“ (vgl. Kahn, 2005, S. 203) Dies kam einem Freibrief gleich. Auch Mansur Khan (2005) beschreibt ausführlich in seiner Doktorarbeit, wie die USA diesen Krieg provozierten und förderten. Er schreibt: „Über eine Warnung der US Regierung gegenüber dem Irak schrieben die Autoren Biswas und Murphy: „It is clear that some serious warnung to Iraq by the U.S. that an invasion of Kuwait would meet with U.S. military opposition would have deterred Hussein.“ Eine Regierung, die wirklich besorgt wäre, dass Saddam Hussein Kuwait überfallen würde, hätte wohl daher kaum darauf verzichtet, eine klare Warnung an den Irak und Saddam Hussein zu senden, da sie damit rechnen konnten, dass eine solche den Irak davon abschrecken würde, Kuwait anzugreifen. Eine solche gab es aber nicht, viel mehr könnte man ohne jegliche Übertreibung davon reden, dass die Bush Regierung statt dessen Saddam Hussein ermutigt hatte, Kuwait zu überfallen, was auch letztendlich der Fall war.“ (ebd., S. 191)

Dies sind nur einige Auszüge. Ich will und kann hier nicht alle Abläufe darstellen, dies haben auch andere schon sehr gründlich getan, wer mag kann im Internet dazu weiter recherchieren. Fest steht: Die USA wollten den Konflikt und Krieg mit dem Irak, sie wurden nicht in die Irak-Kuwait-Krise „hineingezogen“, sondern sie zogen die Fäden von Anfang an. Kahn meint, dass dies vor allem aus einem weltweiten Hegemoniestreben heraus geschah. Ich sehe dies anders.
Von Anfang an waren Kinder der emotionale Fokus des Golfkrieges. Mit Beginn des Golfkrieges verschwanden gleichzeitig die politischen Bilder in den Medien von schrecklichen amerikanischen Müttern und Kindesopfern, schreibt deMause. Dafür wurde jetzt Saddam Hussein zur „Schreckensmami“, dargestellt als Kindesmissbraucher, der gerne Kinder tötet. (deMause, 2005, S. 32ff)
Bush sprach öffentlich sogar von der „Vergewaltigung Kuwaits durch den Irak“. (vgl. Kahn, 2005, S. 227) „Aber die wahrscheinlich groteskeste Lüge, die die Bush Regierung produzierte, war eine Geschichte über irakische Greueltaten im besetzten Kuwait. Im Oktober 1990, bezeugte eine weinende Teenagerin in dem House Human Rights Caucus, daß sie Zeugin gewesen wäre, als irakische Soldaten fünfzehn Babys aus ihren Brutkästen holten, um sie dann auf dem Boden des Krankenhauses sterben zulassen. Später stellte sich im New York Times Op-Ed Teil (Januar 6, 1992) heraus dass, das Mädchen die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA war, und das ihre Geschichte frei erfunden war.“ (ebd. 228) Die gleiche Geschichte wiederholte sie am 27. November 1990 vor dem UN-Sicherheitsrat. Die Brutkästengeschichte half ungemein bei der Mobilisation für die US Militäraktion. Bush erwähnte die Geschichte, so Kahn, sechs mal in einem Monat und acht mal in 44 Tagen.
„Keiner von denen, die diese Aussage hörten“, schreibt deMause zu der Brutkästengeschichte, „und keiner von den Hunderten von Reportern, welche die Geschichte schluckten, dachten daran, irgendein Detail von ihr nachzugehen, da sie die unbewussten Fantasien der Nation bestätigte. (…) wie brauchten Geschichten vom Kindesmissbrauch. Wir waren dabei, unsere Kindheitstraumata wiederaufzuführen, so wie posttraumatische Stresspatienten häufig ihren Kindern oder sich selbst Leid zufügen, damit sie sich vorübergehend von ihrer inneren Not Erleichterung verschaffen können. Wir mussten daher unsere Fantasien von schrecklichen Mamis und leidenden Kindern objektivieren, um für den Eintritt in den Krieg vorbereitet zu sein.“ (deMause, 2005, S. 32f)

Parallel fühlte sich Amerika „wiederbelebt“ durch den Krieg, man hatte wieder einen Feind, „Gut“ und „Böse“ waren wieder klar getrennt. The New Republic schrieb: „Saddam Hussein tat der Welt mit der Invasion Kuwaits einen Gefallen“. „Danke, Saddam, Wir brauchen das.“ übertitelte ein anderer Reporter seine Kolumne über die irakische Invasion. (ebd., S. 32)
Im Golfkrieg flog die Airforce 43 Tage lang pausenlose Einsätze, bis die Armee zum Einsatz kam, aber schon vor deren Einsatz war der Krieg längst entschieden. In nur drei Wochen wurde mit einer Sprengkraft bombardiert, die alle Bombardments des 2. Weltkrieg übertraf, dabei wurden ca. 250.000 Irakis getötet (vgl. Kahn, 2005, S. 308) 70 % der abgeworfenen Bomben verfehlten ihre Ziele und trafen Zivilisten. (deMause, 2005, S. 35) DeMause zitiert Ramsey Clark und geht davon aus, dass allein in den 43 Tagen ca. 500.000 Kinder umkamen. (ebd. S. 37)
Auch in der Folge des Irakkrieges starben vor allem Zivilisten (je nach Schätzung zwischen 500.000 und 1.500.000), insbesondere starben Kinder, durch Bomben oder auf Grund mangelnder Ernährung und Epedemien, die USA hatte durch ihre Angriffe gerade auch Bewässerungskanäle und Lebensmittel erzeugende Anlagen zerstört und zudem ein wirksames Embargo verhängt. Das Bayrische Landesministerium für politische Bildung schreibt: „Seit 1991 sind nach Schätzungen internationaler humanitärer Organisationen rund 1,5 Millionen Iraker, darunter über 550 000 Kinder unter fünf Jahren, den Folgen dieser Wirtschaftssanktionen zum Opfer gefallen - durch Mangelernährung und unzureichende medizinische Versorgung. Das entspricht rund sieben Prozent der irakischen Bevölkerung.“ (http://www.km.bayern.de/blz/web/irak/golfkriege.html)
Das Embargo wird als das unerbittlichste und destruktivste in der Geschichte beschrieben, die Auswirkungen waren schlimmer als die des Krieges. „Das BIP (Bruttoinlandsprodukt) war 1993 auf fast das Niveau von 1960 abgesackt. Damit war fast ein Halbes Jahrhundert an ökonomischem Wachstum und Verbesserungen des Lebensstandards der irakischen Bevölkerung zu Nichte gemacht.“ (Kahn, 2005, S. 303f)

Die Stimmung in Amerika wurde durch das menschliche Blutbad allerdings wiedebelebt, so deMause. Die Popularitätswerte des Präsidenten stiegen auf 91 Prozent, die höchsten, die ein amerikanischer Machthaber jemals hatte. Die Börsenwerte schnellten in die Höhe. Leitartikel im ganzen Land gratulierten dem Präsidenten zu seinem „Sieg über das Böse“. Wir alle erinnern uns an die Bilder von heimkehrenden US-Truppen, die von Menschenmassen und Blumen empfangen und bejubelt wurden. Die Truppen hatten ihren Soll erfüllt. Bush ließ Saddam an der Macht, er ahnte offensichtlich, dass Amerika später einen zuverlässigen Feind brauchen würde. Im März 2003 begann die erneute Invasion im Irak, diesmal durch George W. Bush Junior... Laut einer Studie starben seit Beginn der militärischen Intervention im März 2003 bis zum Juli 2006 mehr als 600.000 Iraker durch direkte Gewalteinwirkung wie Bomben und Schüsse, weitere 50.000 kamen durch andere, kriegsbedingte Missstände wie Wassermangel, fehlende Elektrizität und Seuchen ums Leben. (http://www.zeit.de/online/2006/41/irak-opfer-studie, siehe auch http://www.sueddeutsche.de/politik/205/362027/text/) Ein andere Studie kommt zu dem Schluss, dass zwischen März 2003 und Juni 2006 zwischen 104.000 und 223.000 Iraker ums Leben kamen. (http://www.sueddeutsche.de/politik/704/429457/text/) Wieviele Opfer der bürgerkriegsähnlichen Zustände oder durch US-Soldaten wurden, ist den Berichten nicht zu entnehmen. Dass US-Soldaten häufig Zivilisten töten, ist u.a. einem Bericht im Focus zu entnehmen: Viele ehemalige Soldaten berichten über den Krieg im Irak. "Dutzende der Interviewten wurden Zeugen, wie ihre Kameraden irakische Zivilisten niederschossen, darunter auch Kinder (...) sie beschreiben die Gräueltaten als alltäglich – nur werden die Vorfälle in der Regel nicht gemeldet und werden auch fast nie bestraft. (...) Veteranen beschreiben in „The Nation“, dass US-Soldaten rücksichtslos um sich feuern, sobald sie das Militärgelände verlassen. Einige schossen demnach Löcher in Benzinkanister, die am Wegesrand verkauft werden, um dann Granaten in die Benzinpfützen zu werfen. Andere eröffnen das Feuer auf Kinder – unter den Augen der Iraker." (http://www.focus.de/politik/ausland/tid-6860/irak-krieg_aid_66751.html)
Deutliche Ergebnisse zeigt eine Studie amerikanischer und irakischer Gesundheitsexperten, die die Fachzeitschrift der britischen Ärzte, „The Lancet“, veröffentlichte. Demnach seien seit März 2003 bis Ende 2004 schätzungsweise 100.000 Zivilisten umgekommen sind. Die meisten Opfer seien Frauen und Kinder. Sie seien vor allem bei Luftangriffen der Amerikaner und ihrer Verbündeten umgekommen, erklärt das Team der Wissenschaftler unter der Leitung von Les Roberts von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public. (http://www.tagesspiegel.de/politik/studie-100000-tote-durch-irakkrieg/558630.html)

Es scheint in der Tat so zu sein, dass das Elend der Menschen, dass tote Kinder und eine Reduzierung von Wirtschaftskraft die eigentlichen Ergebnisse und zugleich Ziele von Kriegen sind. Wir müssen anfangen, uns mehr mit diesen Dingen auseinanderzusetzen und die „emotionalen Störungen“ der Nationen zu bearbeiten.

Der Teil aus „Das emotionale Leben der Nationen“ über den Golfkrieg ist komplett in englisch (Chapter 2--"The Gulf War as a Mental Disorder") unter http://www.psychohistory.com/htm/eln02_gulf.html zu lesen. Für alle, die obige Dinge ausführlich nachlesen möchten.



Verwendete Quellen:

deMause, L.2005: Das emotionale Leben der Nationen. Drava Verlag, Klagenfurt/Celovec.

Khan, M. 2005: Der zweite Golfkrieg (1990-1991): Verteidigung des Völkerrechts oder hegemoniales Bestreben? Eine Kriegsursachenforschung. Dissertation am Fachbereich der Politikwissenschaften der Universität Kassel. (https://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-2006051211576/1/Mansur_Diss1.pdf)

Freitag, 23. April 2010

Alice Miller ist gestorben

Die Kindheitsforscherin Alice Miller starb am 12. April im Alter von 87 Jahren, wie der Suhrkamp Verlag erst kürzlich mitteilte. Ihre Bücher sind Bestseller und wurden in 30 Sprachen übersetzt.

Der Tod von Alice Miller wird - so glaube ich - allerdings nicht das bewirken, was sie sich seit Jahrzehnten wünscht: Ein umfassendes gesellschaftliches Bewusstsein dafür, dass das, was Kindern jeden Tag millionenfach an Leid (vor allem durch ihre Eltern) zugefügt wird, sich in deren späteren Leben enorm destruktiv auswirkt und vor allem auch auf der gesellschaftlichen, politischen Bühne wiederaufgeführt wird, in Form von Krieg, Terror, politischen Konflikten usw. usf.

Die Medien hätten jetzt die Chance, das Wissen, was Miller hinterlässt, umfassend aufzubereiten, es zu diskutieren und es zu verbreiten. Gerade in der heutigen Zeit, wo Krieg durch westliche Länder wieder auflebt, sollte dies Thema sein. Ich bin nicht sicher, ob die Medienschaffenden den Mut und den Willen, vielleicht mehr noch die Emphatie dazu haben werden. Wir werden sehen.

Donnerstag, 22. April 2010

Hat Angela Merkel Angst vor imaginären Feinden?

In ihrer heutigen Regierungserklärung zitierte Angela Merkel den früheren SPD-Verteidigungsminister Peter Struck: „Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt". Sie habe bisher keine treffendere Zusammenfassung gehört, als diesen Satz, sagte sie. "Dieses Mandat ist über jeden vernünftigen völkerrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben." (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,690503,00.html)
und die Soldaten in Afghanistan lebten in ständiger Angst um ihr Leben, "damit wir in Deutschland nicht in Angst leben müssen". (http://www.angela-merkel.de/page/102_457.htm) dies war der Schlusssatz ihrer Rede, dem sie offenbar eine besondere Bedeutung beimessen wollte.

Warum hat unsere Staatschefin Angst vor Menschen, die auf der anderen Seite der Welt leben und i.d.R. sicherlich nicht mal wissen, wo Deutschland überhaupt liegt? Nun, nachdem deutsche Truppen vor Ort sind, wissen es jetzt vielleicht ein paar Leute mehr. Angst vor einem imaginären Feind… das macht mich sehr nachdenklich, dies von Frau Merkel zu hören.

Gestern erschien in der ZEIT-Online auch ein Artikel über einen traumatisierten, deutschen Soldat.
„In Afghanistan überlebte er 2002 knapp die Explosion einer Rakete, als eine Entschärfung durch Sprengmeister misslang. Fünf Kameraden, drei Dänen und zwei Deutsche, zerfetzte die Detonation. In seinen Flashbacks, den Tagalpträumen, sieht Robert Sedlatzek-Müller immer wieder die Bilder vom Explosionsort bei Kabul. (…) Verwandte und Freunde wussten nichts von Razzien in Dörfern oder Hausdurchsuchungen, um Taliban zu finden. Was Sedlatzek-Müller und andere Elitesoldaten in Afghanistan machten, ahnte in Deutschland kaum einer. Brunnen bohren, Mädchenschulen aufbauen, das verbanden seine Bekannten mit der Mission am Hindukusch.“ (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-04/Veteranen_traumatisiert)

Es ist nur ein Nebensatz in diesem Artikel, „Razzien in Dörfern oder Hausdurchsuchungen, um Taliban zu finden“. Mal ehrlich, das Bild in der Öffentlichkeit von den deutschen Soldaten ist doch ein anderes. Razzien übernehmen die Amerikaner (mir all ihren schrecklichen „Nebenwirkungen“ und „Kollateralschäden“), wir Deutschen unterstützen den zivilen Aufbau, ist doch klar. Der oben zitierte Soldat spricht über das, was er in Afghanistan machte. Auch Deutsche verbreiten also Schrecken und Terror in afghanischen Dörfern. Woran erkennt man denn einen Taliban, wenn man nachts ein Haus einer Familie in irgendeinem verarmten Dorf durchsucht, Frau Merkel? Haben sie wirklich Angst vor afghanischen Familien, denken sie, dass diese die Mittel haben, in Deutschland ihren geliebten Bundestag oder andere Einrichtungen anzugreifen? Und wenn es 1-2 Terroristen aus diesem Land wirklich gelingen würde, dies zu tun, wollen sie dann die Truppen in Afghanistan aufstocken, um Rache zu nehmen? Und woran erkennen sie dann, dass ihre Rache die „Richtigen“ trifft?

Gregor Gysi warnte in der Diskussion vor einem Fiasko. "Man kann mittels Krieg Terrorismus nicht bekämpfen, man erzeugt nur neuen." und nachdem Gysi auf die mangelhafte psychologische Unterstützung von SoldatInnen hinwies rief Dr. Martin Lindner (FDP) ihm zu: "Sie brauchen auch einen (Psychiater)!" "Sie können mich ruhig als geistig gestört betrachten, aber das sagt etwas über Ihr Niveau, nicht über mein Niveau.", antwortete Gysi. (http://www.linksfraktion.de/rede.php?artikel=1310122181)
Als verrückt gilt der, der gegen Krieg ist, das durchzieht den Lauf der Geschichte und dies sagt in der Tat viel über die emotionalen Zustände in der Welt aus. Glücklicherweise werden die Menschen Stück für Stück immer emphatischer, eben weil sich die Emphatie gegenüber Kindern weiterentwickelt. Deutschland wird es irgendwann schaffen, sich auch ohne Krieg und militärische Aufrüstung sicher und ohne Angst zu fühlen, da bin ich sicher.

Gysi berichtet u.a. auch folgende Erfolgsstory des Krieges: "Die UNO berichtete, dass nach fast neun Jahren Krieg neben einigen Fortschritten Folgendes festzustellen ist: Die Zahl der Menschen, die in Afghanistan in Armut lebt, ist von 33 auf 42 Prozent gestiegen. Unterernährt sind nicht mehr 30 Prozent, sondern 39 Prozent der Afghaninnen und Afghanen. Zugang zu sanitären Einrichtungen haben nicht mehr 12 Prozent der Bevölkerung, sondern nur noch 5,2 Prozent der Bevölkerung. In Slums leben nicht mehr 2,4 Millionen, sondern 4,5 Millionen Menschen. All das belegen die Zahlen der UNO. Von den Jugendlichen sind nicht mehr nur 26 Prozent, sondern 47 Prozent arbeitslos. Mohnfelder zur Gewinnung von Rauschgift umfassen nicht mehr 131000, sondern 193000 Hektar."

Frau Merkel sollte sich übrigens mal u.a. anhören, was aktuell Daniel Ellsberg zum Afghanistan Krieg zu sagen hat. Ellsberg hatte während des Vietnam Krieges geheime Dokumente veröffentlicht, die mit dazu beitrugen, dass dieser Krieg beendet wurde. "Das beste Instrument unserer Feinde, neue Kämpfer zu rekrutieren," sei damals wie heute "die Präsenz ausländischer Truppen", sagte Ellsberg mahnend.(http://www.jungewelt.de/2010/04-01/036.php) Auch damals brachten Truppenaufstockungen immer mehr Gewalt und keine Lösung.

Mittwoch, 21. April 2010

Irakkrieg: Das Märchen vom Krieg ums Öl

„Kein Blut für Öl!“ war der Slogan, der im zweiten Golfkrieg 1990/1991 galt und der auch nach dem dritten Golfkrieg ab 2003 oft zu hören war. Die USA führten in Wahrheit Krieg gegen den Irak – so wird behauptet - , weil es im Grunde um Öl ginge. Die Benennung von zweckrationalen, ökonomischen Beweggründen für den Krieg erfreuen sich weiter Verbreitung.

Wenn es um ökonomische Gesichtspunkte geht, muss man sich zu allererst die Zahlen anschauen:
Im Jahr 2003 – dem Jahr, in dem der Krieg begann – importierte die USA insgesamt ca. 4.476.501.000 Barrel Rohöl und Ölprodukte. Nur 175.663.000 Barrel kamen dabei aus dem Irak, was einem Anteil von 3,92 % ausmacht. (http://www.eia.doe.gov/; eigene Berechnung auf Grundlage der vorliegenden Daten) Bezieht man mit ein, dass die USA 2003 auch 2.073.454.000 Barrel selbst förderten und herstellten, dann macht der Anteil der Importe aus dem Irak gegenüber der Gesamtmenge, die der USA zur Verfügung standen, gerade einmal 2,68 % aus.
Ab 2003 war der Irak von den Truppen der „Koalition der Willigen“ besetzt, Saddam wurde gestürzt. Doch was geschah in der Folge mit den Ölimporten? Folgt man der These vom Ölkrieg, müsste doch eine Ausbeutung der Ölfelder seitens der USA einsetzen. Schaut man sich die Importe zwischen 2004 und 2009 an, dann hält sich der Anteil an der Gesamtimportmenge allerdings wacker um die 4 % (wie im Jahr 2003). In den Vorjahren zwischen 1999 und 2001 lagen die Importe in absoluten Zahlen (Im Mittelwert um die 260.000.000 Barrel ) sogar etwas höher als in den Jahren nach dem Krieg. Der Irak ist und war was das ÖL angeht für die USA offensichtlich von geringerer Bedeutung.
In einem Artikel in der Zeitschrift „Internationale Politik“ vom März 2003 (http://www.dgap.org/fi/europa/transatlantische_beziehungen/publikationen/view/d2f8c9f8ceb211daa2e819156dc160fb60fb.html) wurde darauf hingewiesen, dass weltweit etwa 77,4 Millionen Barrel Rohöl pro Tag (B/T) produziert werden, davon produziert der Irak etwa 2,0 (also ca. 2,58 %) Millionen B/T. Auch diese Zahl zeigt, dass die Ölproduktion des Irak nicht eine dominierende Rolle spielt und ein Ausfall der Rohöllieferungen keine Bedrohung der Weltwirtschaft darstellen würde. Es ist ganz im Gegenteil vielmehr so, dass die ökonomische Abhängigkeit des Iraks vom Ölexport um ein Vielfaches höher ist, als die des Westens von Ölimporten aus diesem Land. Die wichtigsten Exportgüter des Iraks sind Erdöl und Erdgas. Mehr als 90 Prozent der Staatseinnahmen stammen aus deren Ausfuhr. (http://www.wp-irak.de/index.php/wirtschaft/export) Ein Ausfuhrstopp hat fatale Folgen für den Irak, was das frühere Embargo zeigte.
Wenn der Irak 2 Mio Barrel pro Tag produziert, dann sind das im Jahr 730 Mio Barrel. Davon gingen in den letzten Jahren ca. 200 Mio Barrel pro Jahr an die USA, was einen Anteil von ca 27 % des irakischen Rohöls ausmacht. Wer ist hier also von wem abhängig?


Man kann über die USA viel sagen und schreiben, das Land ist allerdings faktisch eine Demokratie und wir leben nicht mehr im Mittelalter. Es ist klar, dass ein „Raubbeutefeldzug“ durch die USA nicht möglich wäre. Man stelle sich das Szenario vor: Die USA besetzten unter einem Vorwand den Irak, erbeuten alle Ölfelder, steigern die Produktion und liefern das Öl prompt und ohne dafür zu bezahlen als „Kriegsgewinn“ in ihr Heimatland… Dies entspricht nicht der heutigen Realität. Ein Artikel in der ZEIT-Online zeigt, wie aktuell die Regeln des Marktes gelten, wenn es um Öl im Irak geht. Bei der Versteigerung von Ausbeutungsrechten hatten die Chinesen die Nase vorn, einfach weil sie das bessere Angebot machten. „Die irakische Regierung kann es sich derzeit gar nicht leisten, die Alliierten bei Ölverträgen zu bevorzugen. Die Stimmung in der Bevölkerung ist zu antiamerikanisch.“, schreibt die ZEIT. (http://www.zeit.de/2010/12/Irak-China-USA)
Das Öl scheint also auf Grund der Faktenlage im Grunde nicht eine entscheidende Rolle in dem Konflikt zu spielen. Der Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat die Kosten des Irakkriegs hochgerechnet und ist auf eine Summe von 3 Billionen US-Dollar gekommen. (http://www.zeit.de/online/2008/09/stiglitz-irakkrieg-kosten?page=1) Der Ökonom stellt auch fest, dass der Irakkrieg die Ökonomie der USA eher verlangsamen werde.
Warum „investieren“ die USA 3 Billionen Dollar (Mit dieser Summe könnte man z.B. auf einen Schlag die gesamte Staatsverschuldung Deutschlands tilgen und hätte dann immer noch richtig viel Geld übrig) in einen Krieg, der ihnen keine Rendite einbringt, der die eigene Wirtschaft schwächt und das Ansehen der USA in der Welt schwer beschädigt hat (was ggf. auch wirtschaftlich negative Effekte nach sich ziehen könnte)? Diese Frage sollen mir mal all die vielen KriegsursachenforschrInnen und JournalistInnen beantworten, die Krieg als eine zweckrationale, ökonomische Handlung deuten.

Wissenschaftler skizzieren erstmals in einem detaillierten Konzept namens "Solar Grand Plan", wie die USA bis 2050 mit Solarstrom versorgt werden kann - der Bau von Mega-Sonnenkraftwerken sei keineswegs unrealistisch, schreibt SPIEGEL-Online. Dafür müssten große Landflächen mit Solarmodulen und thermischen Parabolrinnenanlagen überdeckt und eine Haupttrasse für den Transport von Gleichstrom errichtet werden. Die nötige Technologie gibt es, und sie ist anwendungsreif. Mit dem Konzept ließe sich im Jahr 2050 rund 70 Prozent des Strombedarfs und 35 Prozent des Gesamtenergiebedarfs einschließlich Transport- und Verkehrswesen der USA aus Solarenergie erzeugen. Um das bis 2050 zu realisieren, müsste die Regierung in den kommenden 40 Jahren 420 Milliarden US-Dollar investieren. (http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,539315,00.html) Diese Summe stellt nur einen Bruchteil der Irakkriegskosten dar. Die USA hätten ihre Unabhängigkeit vom Öl rasant ausbauen können, wenn sie logisch gehandelt hätte.

Ich selbst glaube, dass man die Dinge so sehen muss, wie sie sind. Der Irakkrieg macht rational und erst recht ökonomisch keinen Sinn. Seine tieferen Gründe müssen also emotionaler Natur sein.

siehe ergänzend: 

- Irakkrieg: Das Märchen vom Krieg ums Öl- Teil 2

- Der Golfkrieg als emotionale Störung

Freitag, 9. April 2010

Afghanistan-Krieg. Das Märchen von den ökonomischen Ursachen

Mein aktueller Beitrag zum Töten von Zivilisten hat mich noch mal motiviert, etwas zum Afghanistan-Krieg zu schreiben.

Die Nato hat selbsterklärt militärisch in Afghanistan interveniert, weil al-Qaida von dort aus die Attentate des 11. September plante. Dieser offizielle Kriegsgrund ist derart absurd und geradezu peinlich, dass es erstaunlich ist, wie offen er genannt wurde. Um es mal überspitzt zu formulieren: Die Nato hätte sich dann ja auch in Hamburg-Harburg - einem sozialen Brennpunkt - etwas in die Stadtteilpolitik einmischen müssen – Bomben über Harburg wären gegenüber einem Verbündeten ja nicht angemessen - , wohnte und plante doch der Attentäter Mohammed Atta von dort aus… Realistischer: Die Welt ist ziemlich groß, überall gibt es Orte, wo kaum Kontrolle und Demokratie herrscht. Al-Qaida wird den Terror planen und durchführen, wenn nicht aus Afghanistan, dann halt aus einem anderen Ort heraus (derzeit wohl vor allem aus Pakistan). Einen souveränen Staat - mit derzeit 100.000 Soldaten -zu besetzen, weil eine relativ kleine Gruppe (aktuell wurde vom US Geheimdienst geschätzt, dass derzeit noch ca. 100 al-Qaida Kämpfer in Afghanistan sind, abcnews) aus diesem heraus Terror plante, das kann man sich gar nicht ausdenken, so etwas passiert nur in der Realität. Wohlgemerkt: Al-Qaida verfügt ja nicht über Langstreckenraketen oder ähnliches, mit denen die USA aus Afghanistan beschossen wurde. Sie bauten dort auch keine Armee auf, mit der sie die USA besetzen wollten. (beides hätte allerdings auch keine unmittelbare Gefahr für die USA dargestellt, liegt Afghanistan doch am anderen Ende der Welt) Rein die Planung und Organisation fand dort statt (wird uns zumindest gesagt). Selbst die Ausbildung für die Terroranschläge vom 11. September fand ja im Grunde in westlichen Ländern statt, in Form von Pilotenlehrgängen… Vergessen wir das also mit al-Qaida als Kriegsgrund, dummes Zeug.

Die meisten Diskussionen sind davon bestimmt und viele würden wohl der These zustimmen, dass die „geheimen“ Ursachen des Afghanistan Krieges militärstrategischer und mehr noch wirtschaftlicher Natur sind. Es ginge um Ressourcen und Märkte, vor allem um Pipelines, Öl und Erdgas. Auf Grund der geographischen Lage sei es vor allem für die USA zudem wichtig, militärisch vor Ort präsent zu sein. Manch einer schreibt gar, es ginge um die Sicherung des Opium-Anbaus, weil West-Menschen ja gerne mal was nehmen…?! Das klingt grundsätzlich erst mal logisch, also die ersten beiden Punkte. Geld verdienen wollen ist ja auch nichts Schlechtes.

Grundinfo: Das Pentagon bezifferte die Ausgaben speziell zum Afghanistan-Einsatz der US-Armee auf 78,1 Milliarden Dollar – für sechs Jahre Krieg seit 2001. (vgl. stern.de, 12.10.2007, Einsatzkosten Afghanistan "Dingos, Drohnen und Auslandszulagen") – Stand 2007.
Im US-amerikanischen Etat für das Jahr 2010 sind schon alleine 65 Milliarden Dollar für Afghanistan eingeplant, im Etatjahr 2009 waren es 47 Milliarden Dollar für den Afghanistankrieg. (diepresse.com,08.05.2009, „US-Militärkosten: Afghanistan erstmals teurer als Irak“)
(Und Deutschland wird für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr alleine im Jahr 2010 voraussichtlich 785 Millionen Euro ausgeben. (DIE ZEIT, 25.11.2009, „Kosten für Afghanistan-Einsatz steigen enorm an“) )

Ich gehe an solche Sachen mit einem ganz einfachen Gedanken heran. 78,1 Milliarden für 2001-2007, 2008 habe ich nicht gefunden, schätze also mal auf Grund der Zahl 2009 auf ca. 30 Milliarden, plus 2009 47 Mrd. + 2010 65 Mrd. = 220 Milliarden US Dollar für den Krieg. Dazu kommen die Milliarden der amerikanischen Verbündeten.
Das afghanische Pro-Kopf Bruttoinlandsprodukt (Stand 2008) beträgt 758 US-Dollar, zudem ist das Land für seine Korruptionsstruktur bekannt.

Wenn ich US-Präsident wäre, der mit allen möglichen Leuten aus der Ölindustrie verbandelt ist usw., wenn ich Hunger nach Geld hätte und zudem ein wenig kriminelle Energie, ich würde ein paar Milliarden nehmen (aber nicht annähernd 220 Mrd.) und die wichtigen Leute in Afghanistan „schmieren“ …äh beschenken. Man, mit so viel Geld könnte ich jeden Warlord kaufen und meinen Freund nennen. (Schmiergeldzahlungen im Ausland waren bis vor gar nicht all zu langer Zeit zumindest in Deutschland sogar steuerlich absetzbar. Könnte man ohne diese doch in vielen Ländern nicht wirtschaftlich aktiv sein...) Und dann würde ich Handel treiben, Pipelines bauen usw. Ich würde viel Geld verdienen, die Afghanen würden viel Geld verdienen, wir hätten keinen Krieg, keiner meiner Leute müsste sterben, wenn mir jemand mit meiner Pipeline Probleme macht, rufe ich meine Freunde die Warlords an, meine nächste Wiederwahl wäre nicht bedroht, weil ich mein Land durch einen Krieg ruiniere, alles wäre ganz toll. Zu Hause würde ich Dollarnoten rauchen und mit den Ölbossen essen gehen.
Afghanistan hat ca. 25 Millionen Einwohner. Wenn ich denn unbedingt 220 Mrd. ausgeben möchte, hätte ich natürlich auch jeden einzelnen Afghanen mit 8.800 US-Dollar beschenken können. Das entspräche dem 11-12fachen Pro-Kopf Bruttoinlandsprodukt. Ich glaube, dann hätte ich 25 Millionen Freunde.

Aber was machte George W. Bush und was führt Obama fort? Sie führen Krieg, töten Menschen, verbreiten Chaos und Schrecken, bomben das Land in die Steinzeit, ruinieren ihren demokratischen Ruf und ihre Wirtschaft, schaffen einen Konfliktherd in Afghanistan, wie er vor der Invasion nicht bestand und sie werden so wohl nie Geld mit Öl vor Ort machen, weil jetzt alles noch viel unsicherer ist und sein wird. Die beteiligten westlichen Länder sind aktuell auf dem besten Wege, sich 25 Millionen Feinde zu machen. Sehr schlechte Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg....

Meine Gedanken scheinen sehr simpel, vielleicht ist dies dem ein oder anderen zu naiv, drum herum mag es noch viel dafür oder dagegen zu sagen geben. Der Kern des Ganzen, das Offensichtliche scheint mir allerdings wirklich simpel. Der Einsatz macht rational einfach keinen Sinn, seine tieferen Ursachen müssen also emotionaler Natur sein!

Man könnte jetzt auf den Gedanken kommen, dass die politischen Entscheidungsträger einfach dumm sind, wenn sie dergleichen destruktive, undurchdachte Feldzüge starten, die ihnen ein großes Minus einbringen. Das glaube ich allerdings nicht. Diese Leute sind relativ intelligent. Doch wenn es um Krieg geht, schaltet der Verstand offensichtlich ab. Auch die amerikanischen Soldaten, die ein Dutzend Zivilisten töteten (siehe vorherigen Beitrag), obwohl diese offensichtlich keine Gefahr waren, dachten nicht nach. Sie wollten einfach töten, Punkt. Genauso scheint es auch im Großen zu sein. Die PolitikerInnen wollen Afghanen töten, sie brauchen ein Feindbild, deshalb sind die Truppen vor Ort. Und die PolikerInnen werden dabei eifrig vom Volk gestützt, aus dem die SoldatenInnen und WählerInnen stammen.
Niemand würde dies in eine Kamera sagen, die meisten denken wohl wirklich, sie handeln, um Mädchenschulen in Afghanistan zu gründen und freie Wahlen zu ermöglichen. Der Wunsch zu töten und einen Feind zu haben ist sicherlich auch innerlich sehr verdeckt, aber er ist da. Ich glaube den PolitikernInnen sogar ein wenig, dass sie erschüttert sind, wenn Zivilisten starben. Wer schon mal mit psychisch Kranken zu tun hatte, wird es vielleicht kennen. Diese Menschen laufen immer wieder in die gleiche Sackgasse, treten in die gleichen Fettnäpfchen, immer und immer wieder. Sie suchen sich wieder einen Partner, der sie schlägt, sie bringen sich wieder in Situationen, die ihr Leben in einen Alptraum verwandeln, Glück wird unmöglich, weil sie wirklich alles tun, damit ihr Leben eine Katastrophe wird. Trotzdem leiden sie darunter, wollen es anders, können rational Ziele formulieren, wie es anders gehen könnte, schaffen es aber nicht ohne fremde Hilfe und Therapie. Auch Kriege sind Wünsche, sie sind gewollt, trotzdem der Verstand immer wieder sagt: "Nein, das wollen wir nicht." Trotzdem tun wir alles, um in einen Krieg zu geraten. Warum dies so ist, das ist Thema dieses Blogs.

Ich verweise an dieser Stelle auf einige Beiträge:

„Lösungen für Afghanistan“
„Die Irrationalität des Krieges“
Oder ergänzend auch „Nahostkonflikt: Krieg in Gaza – eine Ursachensuche“
"Kindheit von George W. Bush"
"Barack Obama, Friedensnobelpreis & imaginäre Feinde"

Innerer Tod und das Töten. Oder: Wie US-Soldaten Zivilisten umbringen

Ein Dutzend Zivilisten starben am 12. Juli 2007 im Feuer zweier Apache-Helikopter der Amerikaner, unter den Opfern waren zwei Reporter von Reuters, auch zwei Kinder wurden bei dem Angriff verletzt. Die Reporter hatten Kameras bei sich, die von den Amerikanern für Raketenwerfer gehalten wurden. Die US-Armee vertuschte den Vorfall. Schockierende Bilder - die diesen Montag veröffentlich wurden - werden in einem Video unter http://www.collateralmurder.com/ gezeigt.

Die Soldaten eröffnen das Feuer (einer von Ihnen trägt den Codenamen "Crazyhorse"). Die meisten der Gruppe sind sofort tot. „Alles klar, hahaha, ich hab ihn erwischt“, sagte der Schütze, nachdem er einen Flüchtigen erschossen hatte. „Da unten kriecht noch einer, wir schießen nochmal“
"oh ja, Schau diese toten Bastarde", ist einer der US-Soldaten zu hören. "Hübsch", antwortet ein anderer. "Gut geschossen." „Danke“ kommt als Antwort.

Ein Mann kriecht verletzt am Boden und wird von den Soldaten per Zielfernrohr beobachtet. „Alles was du tun musst, ist eine Waffe aufzuheben“, hofft einer der Männer, der unbedingt weiterschießen möchte. Den Bildern nach ist klar zu sehen, dass der Verletzte keine Gefahr mehr sein könnte. Dann kommt ein Wagen mit Leuten. Diese wollen dem Verletzten helfen und ihn in den Wagen schaffen. Ein Soldat bittet mehrmals darum, schießen zu dürfen. Auch diese Leute wirken deutlich nicht als eine Gefahr. Schließlich eröffnen die Soldaten erneut das Feuer.
Sie umfliegen den Platz und zählen die Toten. Sie schauen per Nahaufnahme auf den zerstörten Wagen, „Schau dir das an. Durchs Fenster.“ „Ha Ha“, lacht einer und zählt 4 bis 5 Tote in dem Wagen.

Bodentruppen erreichen wenig später den Platz und finden die toten Zivilisten und 2 verletze Kinder. "Ist ja ihre eigene Schuld, wenn sie ihre Kinder mit in die Schlacht nehmen.", „Stimmt“ antwortet der andere Soldat...


Die Gefühllosigkeit von Soldaten im Krieg wird hier erschreckend anschaulich. Auch die Lust und Freude am Töten wird deutlich. Diese Gefühllosigkeit und der „Killerinstinkt“ wird gerade auch in der US-Grundausbildung von Soldaten gezielt erzeugt. Diese Ausbildung baut nach meinen Darstellungen auf eine Kindheit auf, die bereits von Gewalt geprägt war und in der der spaltende Umgang mit sich und der Welt grundlegend erlernt wurde. Dadurch suchen diese Menschen nach Feinden, die sie für eigens erlebte traumatische Gewalt bestrafen können. Im Krieg können sie dies tun, ohne Gefahr zu laufen, dafür belangt zu werden.
Diese Menschen sind jeden Tag mit ihren hoch modernen und effizienten Waffen in Afghanistan und im Irak im "Namen der Freiheit der westlichen Welt" unterwegs. Das obige Video wurde wahrscheinlich nur veröffentlich und erhält so viel Aufmerksamkeit , weil auch zwei Reporter starben. Was alles passiert dort jeden Tag, ohne dass die Weltöffentlichkeit davon erfährt?


Weitere Kommentare zu dem Fall unter:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,687427,00.html
http://www.zeit.de/politik/ausland/2010-04/us-armee-luegen?page=2

Donnerstag, 1. April 2010

Ja aber...

Meinen Text über Francos scheinbar glückliche Kindheit habe ich auch in einem Forum einer Zeitung gepostet. Ich bekam genau einen Kommentar, den ich allerdings interessant finde.

Im ersten Satz wurde mir zugestimmt. „Geliebte Kinder werden jeder Machtausübung misstrauen.“ Dann wurde aber auf so etwas wie eine „Besitzliebe“ gegenüber Kindern hingewiesen, die sich ja auch destruktiv auf die Entwicklung auswirken dürfte. „Die desolate unglückliche Kindheit muss nicht allein unbedingt Lehrstube künftiger Diktatoren sein“, heißt es dann im nächsten Satz und ergänzend wird auf ganz unterschiedliche, verschiedene Erziehungsstile hingewiesen. Dann wieder Zustimmung in der Form, dass man zwei mal schlucken musste beim Lesen des Textes und dann Erleichterung empfand, als ich den Spannungsbogen auflöste (also als ich klar machte, Franco war doch kein geliebtes Kind). Der letzte Satz weist dann wieder darauf hin, dass „noch eine ganze Menge anderer Faktoren eine (vielleicht größere) Rolle als die Erfahrungen der Kindheit“ spielen, damit jemand zum Diktator wird.
Dieses hin und her in Reaktionen auf das Thema ist mir schon öfter aufgefallen. Meistens jedoch erhält man gar keine Reaktion. Der obige Kommentator ist insofern schon eine Ausnahme, da er sich überhaupt äußert. Und trotzdem wirkt dieses „Es stimmt, nein es stimmt nicht, es stimmt, nein es stimmt nicht“ in seinen Worten. Dabei fällt auch ein Widerspruch besonders auf. Mit einem „Aber“ wird auf eine mögliche „Besitzliebe“ hingewiesen, um meinem Text etwas entgegenzusetzen. Dabei ist eine „Besitzliebe“ eben gerade keine Liebe, sondern bedeutet für ein Kind bereits eine Entwertung und psychische Gewalt. Das Verhätscheln von Kindern (auf diese „Liebe“ wollte der Autor denke ich u.a. hinaus) zeigt keine Liebe, sondern die Unfähigkeit der Erziehungsperson, sich in die eigentlichen Bedürfnisse von Kindern hineinzuversetzen und diese als eigene Person wahrzunehmen.

Das „ich musste zwei mal schlucken“ war Ziel meines Textes. Instinktiv wissen wir, dass eine liebevolle, geborgene Kindheit und späteres brutales Gewaltverhalten nicht zusammenpasst. Dieser Instinkt wird heute wissenschaftlich immer wieder bestätigt. Trotzdem wollen wir es irgendwie nicht wahrhaben. Und dies hat sicher immer auch etwas mit eigenen Verletzungen zu tun.

Reaktionen auf meinen Grundlagentext bekam ich in der Vergangenheit fast keine. Über 3 Jahre steht der Text schon online (zwei davon auf meiner alten Homepage) und die Online-Statistik zeigt mir, dass er oft gelesen wurde und wird. Vor ca. einem Jahr, als ich meine alte Homepage schloss, schrieb ich einfach mal alle möglichen Organisationen und Vereinigungen an, die mit dem Thema zu tun hatten. Friedensbüros, Kriegsgegner, Menschenrechtler usw. usf. und wies auf meinen Grundlagentext hin. Ein Kriegsursachenforscher fand das Kapitel über historische Persönlichkeiten und deren destruktive Kindheit aufschlussreich, ein Vertreter von Kriegsdienstverweigerern fand den Text unbedingt erhaltenswert und wichtig. Ansonsten herrschte Schweigen, keine Reaktion.
Nun könnte es daran liegen, dass ich Spinnkram schreibe. Dann verstehe ich die Nicht-Reaktion. Ich bin allerdings vom Typ her Realist und bei klarem Verstand. Was ich schrieb ist kein Spinnkram, sondern macht erschreckend Sinn. Sinn macht auch dieser Blog, solange, bis sich das Thema in dieser Art der Bearbeitung breiter Aufmerksamkeit erfreut. Dies alles ist eine Frage von Zeit. Ich bin vom Charakter allerdings sehr ungeduldig. Was mich manchmal etwas verzweifeln lässt. Nun, in einigen Jahren oder ein paar Jahrzehnten wird es immer weniger Skeptiker geben und es werden die wesentlichen psychohistorischen Kriegsursachen gesehen und verstanden werden. Alleine weil die Kindererziehungspraxis rasant fortschreitet, werden zukünftige Generationen mit weit aus weniger Angst und inneren Schrecken auf das Thema schauen können.