Dienstag, 27. Juli 2010

Intensivtäter und das Ende der Geduld

Ca. drei Wochen nach dem Tod der Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig ist ihr Buch „"Das Ende der Geduld" erschienen, wie ich gestern im Deutschlandfunk erfuhr. Folgendes Zitat aus der Sendung möchte ich hier hervorheben:

Die Autorin beginnt mit Fallschilderungen aus ihrer Praxis als Jugendrichterin. Man liest hier über Familien von jugendlichen Straftätern, über ihre oft alkoholabhängigen Eltern, über verwahrloste Wohnungen, über Vernachlässigung, Prügel und schwere Misshandlung. Ein Beispiel aus der Kindheit eines jugendlichen Straftäters:
Die Eltern banden ihn im Badezimmer an ein Heizungsrohr, verbrannten seine Haut mit glühenden Häkelnadeln und schlugen ihn mit dem Kopf auf einen scharfkantigen Gegenstand, als er einen Gegenstand verschluckt hatte. Seine Verletzungen waren für alle anderen sichtbar. Nur ein einziges Mal wurde hierauf reagiert. Eine Sportlehrerin sah die großen Hämatome und schaltete sofort das Jugendamt ein. Der Junge kam für einen Monat in ein Heim. Er verbrachte dort die einzige Zeit seiner Kindheit, in der er nicht verprügelt wurde. Dann gelobten die Eltern Besserung, bekamen das Kind zurück, und alles ging von vorn los.
Als Juristin wollte Kirsten Heisig mit ihren Urteilen den Jugendlichen auch den Weg in ein Leben ohne Straftaten weisen. Die Richterin musste jedoch feststellen: Wenn die Kindheit eines Jungen derart von Gewalt geprägt war, wie hier skizziert, hat die Justiz es schwer, Werte zu vermitteln. Sanktionen und Hilfen kamen fast immer zu spät. Jugendhilfe und Polizei Vermieter, Erzieher, Lehrer und auch Nachbarn hätten zuvor überhaupt erst einmal hinschauen müssen.


Gezielt beschäftige ich mich nicht mehr unbedingt mit den familiären Hintergründen von StraftäterInnen. Letztlich scheinen sie alle eines gemeinsam zu haben: Eine traurige Kindheit. Man wird auf dieser Welt keinen Intensivtäter oder auch politischen Verbrecher finden, der eine weitgehend glückliche und liebevolle Kindheit hatte. Immer scheint die Kindheit dieser Menschen von dem genauen Gegenteil geprägt zu sein: Schwere Gewalt, Vernachlässigung, Missbrauch. Das zeigen die Berichte, die ich in den letzten Jahren hier und da gelesen und gehört habe immer wieder. Jede ernst zu nehmende Analyse von Gewalttaten muss diese Hintergründe abklopfen und benennen. Dies passiert leider - trotz aller vorliegenden Erkenntnisse – oft zu wenig bis gar nicht. Vor allem in der Kriegsursachenanalyse eher gar nicht. Meine Geduld ist dabei noch lange nicht zu Ende, ich schreibe hier einfach munter weiter.

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