„Die Wirtschaft hebt ab“, titelte gestern DIE ZEIT. „Nachdem der Internationale Währungsfonds heute früh seine gerade mal zwei Monate alte Wachstumsprognose für das reale globale BIP im Jahr 2010 um 0,4 Prozentpunkte auf 4,6 Prozent angehoben hat (Vorjahresvergleich, in Kaufkraftparitäten), ebenso wie die deutsche, von 1,2 auf 1,4 Prozent, meldete die Bundesbank zur Mittagsstunde, dass die deutsche Industrieproduktion im Mai saisonbereinigt um sage und schreibe 2,6 Prozent gegenüber dem April und um 12,4 Prozent gegenüber Mai 2009 zugelegt hat.“
(siehe auch einige interessante Grafiken zum Wachstum im ZEIT Artikel.)
Panik und schiere Angst beherrschte die Ökonomie Ende 2008 und vor allem im Jahr 2009. In einem Text hatte ich bereits gedanklich angeregt, dass diese Ängste emotionale Ursachen haben könnten. Das Platzen der Blase auf dem US-Immobilienmarkt in den USA war natürlich sehr real. Banken und Geldgeber hatten unzählige faule Kredite international weiterverkauft. Keiner wusste genau, wer nun wo welche faulen Kredite im Lager hat. Die ganze Vorentwicklung in den USA brauchte allerdings vor allem eines: Die Fähigkeit, Realitäten stark zu verdrängen. Und das hat dann irgendwie doch etwas mit unserer psychischen Situation zu tun. Dazu kommt, dass es für mich weiterhin rational unverständlich ist, warum innerhalb weniger Wochen weltweit die Konsumenten ihre Nachfrage nach Produkten reduzierten, „nur weil die Banken in der Krise sind“. Wenn ich mich an das letzte Jahr erinnere, dann denke ich an ein Bombardement von schlechten Nachrichten. Alles wäre schlecht, wir wären am Boden, alles drohe zusammenzubrechen, das würde noch Jahre so bleiben, die Wirtschaftskrise von 1929 wäre Kleinkram dagegen usw. usf.
Ich persönlich fühlte mich eher genervt von diesen ständigen Nachrichten. Die Initiative krise-nein-danke.com spricht mir dabei aus dem Herzen: „Wir haben zu oft gehört, dass es uns schlecht geht - bis wir es irgendwann alle selbst geglaubt haben.“ Und so war es in der Tat! Die Krise wurde geradezu herbeigeredet. Wie erwartet – die positive Wirtschaftentwicklung hatte ich ja in meinem oben genannten Text schon erwähnt – geht es 2010 weiter kräftig nach oben. Keine jahrelange Krise, Massenarbeitslosigkeit usw. droht. Für 1 ½ Jahre wollte sich die Nation schlecht fühlen. Nun, spätestens nach der WM 2010 ist die gewollte Depression wohl vorbei. Die nächste wird irgendwann kommen, auch sie wird in der Tiefe wieder emotionale Ursachen haben. Insofern wäre es wünschenswert, wenn WirtschaftswissenschaftlerInnen sich auch mal mit psychohistorischen Thesen zu ökonomischen Phänomenen beschäftigen würden. Die Ergebnisse wären sicher aufschlussreich.
Freitag, 9. Juli 2010
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
5 Kommentare:
Ähem... die Initiatoren der Initiative "Krise-nein-danke" (Zitat aus der Webseite):
"InterGest
InterGest ist eine international tätige Treuhandgesellschaft. Ihre Aufgabe ist es, exportorientierte Unternehmen in ihrem Zielland in allen administrativen Bereichen zu unterstützen..."
Und:
"Initiator: Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA)"
Also Leute denen es darum geht die Exportwirtschaft zu stärken... weil das in ihrem ureigenen Interesse liegt...
Die würden natürlich niemals nie nicht auf die Idee kommen die Lage schönzureden, aber nein auf gar keinen Fall ;)!
Ich schätze diesen Blog ja wirklich, aber wenn ich dann solche alles-ist-gut-Beiträge hier lese...
Das fällt dann wohl unter den Begriff "Kollektivhalluzinationen".
Scheinbar unlösbare Problem erzeugen kognitive Dissonanzen und werden darum verdrängt, die Fakten ausgeblendet.
Geglaubt wird nur, was man glauben möchte.
Schade...
Halo Aurisa,
ich kann nicht behaupten, dass ich das Unternehmen InterGest kenne. Der Leiter der Aktion Prof. Peter Anterist wurde 2007 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, wie ich las. Das sagt grundsätzlich nicht unbedingt alles aus, aber schon, dass er bekannt und anerkannt ist und arbeitet.
Ich will die Lage auch nicht schönreden. Die Zahlen zeigen ja in der Tat einen realen rasanten Abstieg in vielen (aber bei weitem nicht allen) ökonomischen Bereichen 2008/2009. Das dieser Abstieg nur etwas mit handfesten rationalen ökonomischen Prozessen zu tun haben soll, bezweifle ich stark, darum ging es mir hauptsächlich in diesem Beitrag.
Mich freut einfach, das mal eine Initiative sagt: Kopf hoch! Wir schaffen das, und einfach mal auch gute Nachrichten verbreitet. Und dabei vor allem auch verstanden wurde, dass Krisen auch „herbeigeredet“ werden können, in dem die Ängste der Menschen angesprochen werden.
Die Aktion an sich überzeugt mich nicht unbedingt, was die ausführlichen Inhalte angeht. Letztlich ist relativ wenig Text auf deren Homepage. Den grundsätzlichen optimistischen Ansatz finde ich allerdings gut. Diesen sah man vor allem im letzten Jahr viel zu selten.
Nebenbei bin ich kein grundsätzlicher Kritiker von Unternehmen , Wirtschaftsförderungsverbänden oder dem Kapitalismus an sich. Es ist absolut legitim, seine Interessen (demokratisch und sozial verträglich) zu vertreten und wirtschaftlichem Erfolg nachzugehen. Wie die“ BWA“ arbeitet, kann ich ebenfalls nicht beurteilen.
Herzlichen Gruss
Sven
Hallo Sven,
erstmal danke für die Antwort!
Ich wünschte du hättest recht und es wäre alles nicht so schlimm und die Krise nur 'herbeigeredet'.
Leider fürchte ich, daß die derzeitige noch schwelende Krise nur die Spitze des Eisberges, bzw. nur der Vorbot einer viel größeren Krise ist.
Dieser Text stellt es sehr gut dar, was da noch auf uns zukommen könnte:
http://www.feasta.org/documents/risk_resilience/Tipping_Point_Gesamt.pdf
Fast 60 Seiten, aber kürzer geht wohl nicht, wenn man das Thema nicht nur oberflächlich behandeln will.
Aber eine Warnung:
Das dort geschrieben kann einem wirklich den Abend verderben!
Das lässt nicht viel Raum für Optimismus... leider...
Viele Grüße
Aurisa
P.S:
Entschuldigung, ich weiss leider nicht, wie man hier bei blogger Links einfügt :(.
Der Text ist übrigens in deutsch, trotz dem englischen Link.
Hallo Aurisa,
mir ist natürlich klar, dass so etwas wie steigende Bevölkerungszahlen und knapper werdende Ressourcen ihren Anteil an Krisen haben können. Mich ärgert es etwas, dass ich nicht genügend Zeit habe, im großen Umfang zu dem Thema zu recherchieren. Ich werde aber versuchen, in einigen Beiträgen deutlicher zu machen, wo der Einfluss von destruktiven Kindheitserfahrungen zu suchen ist, wenn es um ökonomische Krisen geht. Vielleicht wird dann klarerer, um was es mir geht.
Nebenbei bemerkt sind wir Deutschen wohl kaum diejenigen, die unter zukünftigen Krisen in der Art auch nur annähernd existentiell bedroht sind, wie dies in anderen Ländern der Fall ist. Trotzdem werden hier medial große Bedrohungszenarien aufgebaut. Das ist etwas, was nicht zusammenpasst. Daher mein Beitrag.
Herzlichen Gruss
Sven
Kommentar veröffentlichen