Dienstag, 24. Juli 2012

Das Fundament des Bürgerkrieges in Syrien


Die Situation in Syrien scheint nach Medienberichten immer mehr zu eskalieren. Das Land zerfällt und befindet sich in einem Bürgerkrieg. „Gut“ und „Böse“ werden in den westlichen Medienberichten mal wieder fahrlässig sauber getrennt, dort der Schurke Assad, auf der anderen Seite die „guten“ (sehr heterogenen) Rebellen, die diesen Schurken stürzen wollen.  Dabei häufen sich jetzt schon die Berichte darüber, dass auch diese Rebellen Grausamkeiten begangen haben und keineswegs vertrauenseinflößend sind. (Es gibt sogar Berichte, die Zweifel aufkommen lassen, ob das Massaker von Hula - bei dem auch etliche Kinder starben, was überall in der internationalen Presse aufgegriffen wurde - überhaupt von Assads Armee begangen wurde.)

Vom psychohistorischen Standpunkt aus sind solche Massenkonflikte (unbewusst) gewollt und dienen dem Ausagieren von Kindheitstraumen und der Reduzierung von Wachstum.  Ein solcher Bürgerkrieg  (genauso wie das Leben in einer Diktatur) ist nur möglich, wenn eine Mehrheit sich ohnmächtig fügt (sich in die stille Opferrolle oder Zuschauerrolle begibt) und es zudem unzählige Menschen gibt, die zur Waffe greifen und zum Töten bereit sind.  

Die Grundlage für solche Konflikte bereiten die Kindheiten in einem solchen Land. Ein Land, in dem die Mehrheit gewaltfrei erzogen wurde, würde nicht in einen Bürgerkrieg verfallen, davon bin ich überzeugt. Aber selbst in den Ländern, in denen eine Mehrheit Gewalt als Kind erlebt, braucht es vermutlich auch einen (unbestimmten) Prozentsatz von Menschen, die schwere und mehrere Formen der Gewalt erlebt haben. Seltene Gewalterfahrungen reichen nicht aus, um einen derartigen Massenhass zu schüren.  

Insofern lohnt ein Blick in folgende Studie:  UNICEF (2010): Child Disciplinary Practices at Home: Evidence from a Range of Low-and Middle-Income Countries. New York, USA. 

89 % aller befragten syrischen Kinder (2-14 Jahre alt) erlebten dieser großen Studie zu Folge psychische und/oder körperliche Gewalt. (Diese Zahlen gelten für die Kinder 2005/2006 und zwar nur für das Gewalterleben 4 Wochen vor der Befragung, also nicht für die gesamte Kindheit. Die Erwachsenen, die heute Krieg führen, werden vermutlich noch mehr und noch schwerere Formen der Gewalt erlebt haben, weil sie einer älteren Generation angehören und die Gewaltbetroffenheit i.d.R. im historischen Rückblick steigt.)

Nur ca. 5 % der befragten Kinder erlebte innerhalb eines Monats vor der Befragung überhaupt keine Bestrafungen.  Ca. 6 % erlebten gewaltlose Bestrafungen. Der größte Teil der syrischen  Kinder erlebte beides, psychische und körperliche Gewalt.  

Ca. jedes vierte Kind erlebte sogar besonders schwere körperliche Gewalt.
(hierunter wurde verstanden: Schläge oder Tritte ins Gesicht, gegen den Kopf oder Ohren und/oder Schläge mit einem Gegenstand, immer und immer wieder und so hart ausgeführt, wie es geht.  Schläge gegen andere Körperteile oder Schläge mit einem Gegenstand, die nicht den erwähnten Zussatzbedingungen entsprachen ("immer und immer wieder" und "so hart es geht"), wurden - um Kategorien zu bilden - nicht als schwere Formen gewertet. Insofern ist davon auszugehen, dass weit aus mehr Kinder auch schwere und besonders folgenreiche Gewalt erlebt haben, als diese ca. 25 %)

Das ist das Fundament, aus dem heraus Diktaturen, Kriege und Bürgerkriege entstehen können (nicht müssen). Ein stetig eskalierender Konflikt verstärkt dabei die Freund-/Feindschemata und holt das Opfer (und dessen Hass) in den Menschen hervor. 

Insofern wird aktuell einmal mehr deutlich, wie ungemein wichtig weltweiter Kinderschutz ist.

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