Dr. James Garbarino beginnt gleich auf der ersten Seite seines eindrucksvollen Buches „Listening to Killers. Lessons Learned from My 20 Years as a Psychological Expert Witness in Murder Cases“ (2015) mit Schilderungen über den Fall „Danny Samson“ (einem Mehrfach-Mörder). „Danny“ ist ein derart bedrohlicher Mann, dass er vor Gericht von sechs Wachleuten begleitet wurde, weil man davon ausging, er könne jederzeit gewalttätig werden. Seit seinem 15. Lebensjahr verbrachte dieser Mann sein Leben abwechselnd in Freiheit und im Gefängnis. Garbarino fragte ihn, was er über sich erzählen könne, das andere Leute sehr überraschen würde. Dannys Antwort: „I cry myself to sleep at night“ (Garbarino 2015, S. 1). Garbarino kommentiert: „Afterwards, I check out his story: he does. Inside this big, scary, dangerous man is a frightened and hurt little child. You wouldn`t know by seeing him“ (ebd., S. 1).
Garbarino bringt ein weiteres Beispiel:
“Billy Bob, like many inmates, had arms that were covered with prison tattoos—skulls, crosses, women, lightning bolts. But when he opened his shirt, I saw for the first time what might be called his "private collection," tattoos. I had not seen six years earlier, tattoos that are not so often seen in public, sometimes to protect tender feelings in an otherwise brutal world. Among them, in the middle of his chest, was the clue I had been looking for without knowing it. A tattoo of the Pink Panther, his stuffed animal from childhood. For me, this image represented the mostly invisible connection between Billy Bob the killer who sat on death row and Billy Bob the abused and neglected child who had suffered so much. lt all fit: there really was an untreated traumatized child living within this man who had brutally murdered Connie Kerry. It didn't excuse what he did, but it helped to validate why compassion for this killer was not a ridiculous bit of softhearted, wishful thinking on my part, but rather a "scientific" perspective on him and his life, a recognition that within the scary adult was a child, a scared child whose trauma had never been addressed and had never healed” (ebd., S.48) Die extrem traumatische Kindheit von Billy Bob beschreibt Garbarino ebenfalls, diese Kindheitsbiografie macht sprachlos.
Ich muss bei diesen Schilderungen zwangsläufig an das Bekennervideo des Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) denken: Im Mittelpunkt des Films steht die Cartoonfigur Paulchen Panther!
„Es ist ein zynisches Dokument des Triumphes: In einem 15 Minuten langen Film feierten die rechtsextremistischen Terroristen aus Zwickau ihre Verbrechen, verhöhnten ihre Opfer, spotteten über machtlose Ermittler (…) Es gibt diese Szene, 10 Minuten und 38 Sekunden Wahnsinn sind schon vorbei, da zündet Paulchen Panther eine Rakete, die er auf dem Rücken trägt, die Musik im Hintergrund ist heiter und beschwingt, und auf dem Geschoss, das Paulchen mit einer Zündschnur in die Luft jagt, steht: "Bombenstimmung in der Keupstraße".“ schreibt der SPEIEGEL.
Auch Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt hatten beide nachweisbar eine traumatische Kindheit!
Ein Teil in der Psyche dieser Leute blieb offenbar durch die Traumaerfahrungen quasi „eingefroren“ und in einem kindlichen Status. Dieser Teil konnte sich nicht entwickeln und zu einem reifen Erwachsenen-Ich formen. Das „traumatisierte Kind“ von damals drückt sich in solchen kindlichen Bildern wie oben geschildert aus. Die Öffentlichkeit schockiert es sehr, wenn eine Terrororganisation solche Kindercartoons für ein Bekennervideo nutzt. Mich verwundert dieser „kindliche“ Bezug überhaupt nicht.
Patrick King ist einer der Organisatoren des „Tucker Freedom Convoy“ in Kanada, der sich gegen die Corona-Politik/Beschränkungen richtet. King ist ganz offensichtlich auch Rassist. Eine kurze Videozusammenfassung über seine Aussagen brachte mich überhaupt auf die Idee, diesen gesamten Beitrag hier zu verfassen. Träume von einer Revolution mit Waffengewalt sind darin u.a. zu hören. In einem Teil macht er sich offensichtlich um „Überfremdung“ sorgen und kommentiert rassistisch wie folgt:
Das sind genau die Verhaltensweisen, um die es mir auch hier im Beitrag geht. Wir sehen einen offensichtlich gewaltbereiten, rassistischen Mann (den ich nicht mit den NSU-Terroristen gleichsetzen möchte! Mir geht es hier nur um die gezeigten Verhaltensweisen), der plötzlich in dem Videoauszug "wie ein Kind" spricht und sich darüber köstlich amüsiert, obwohl seine Aussagen widerwärtig sind. Das sind diese kindlichen Anteile, die hier im Fokus stehen und uns hellhörig machen sollten.
Ich selbst habe 15 Monate lang meinen Zivildienst in einer Drogentherapieeinrichtung abgeleistet. Die meisten der „Klienten“ waren auch Kriminelle: Überfälle, Erpressung, Diebstahl, Urkundenfälschung, Zuhälterei/Menschenhandel usw. Manche hatten lange Haftstrafen hinter sich. Was mir immer wieder auffiel war, dass so manche „Klienten“ teils und phasenweise kindlich wirkten (und manchmal geradezu Beschützerinstinkte bei mir auslösten). Manche erwachsene Männer hatten auch Phasen, wo sie wie pubertierende Jugendliche wirkten. Ich kann schwer beschreiben, woran ich das festmache. Ich traf damals einmal einen Zivi aus einer anderen Drogentherapieeinrichtung. Wir kamen im Gesprächsverlauf auf diese Ausfälligkeit der kindlichen Verhaltensweisen zu sprechen. Er bestätigte mir die gleiche Beobachtung! Mir tat es damals sehr gut, dies so zu hören. In einer solchen Einrichtung macht man viele Erfahrungen, die man schwer einordnen kann. Dass es nicht nur mir so ging, war eine Wohltat.
Ich erinnere mich auch noch an eine Szene im Winter, wo einer der Psychotherapeuten mit einem Klienten um einige Autos herum fangen spielte. Der erwachsene Klient quietschte dabei wie ein Kind. Später in der internen Therapeutenrunde berichtete der Therapeut, dass er dies bzgl. diesem Klienten bewusst hin und wieder so mache, weil er das Gefühl hatte, dieser bräuchte einige Erlebnisse, die er als Kind so nicht gehabt hätte. Ob dies nun der richtige therapeutische Weg war sei dahingestellt.
Was bringen nun diese meine Ausführungen? Nun, sie ändern nichts an der Gefährlichkeit dieser Leute. Auch die von mir beobachteten Klienten konnten ganz normal sein oder ihre kindlichen, bedürftigen Anteile zeigen. Am nächsten Tag kam ich dann in die Einrichtung und es hieß „Klient X.“ sei heute von der Polizei mitgenommen worden, weil er die Büroeinrichtung der Therapeuten zerstört und Mitarbeiter bedroht hätte...
Ich sehe den Nutzen eher bzgl. der Analyse von Taten und Tatursachen. Wenn sich solche kindlichen Anteile von Gewalttätern offenbaren, dann – da bin ich ganz bei James Garbarino – zeigt sich das traumatisierte, bedürftige Kind im Erwachsenen. Mit solchen Menschen muss therapeutisch gearbeitet werden, so es die Möglichkeit dafür gibt. Besser noch ist, vorne anzufangen: beim Kinderschutz!
4 Kommentare:
Erkläre bitte nicht jeden Regierungskritiker automatisch zum Nazi.
Wozu diese Argumentation führt, sieht man hier:
https://www.theglobeandmail.com/politics/article-trudeau-accuses-conservatives-of-standing-with-people-who-wave/
Trudeau hat jetzt ne Nachfahrin Holocaust Überlebender öffentlich als Nazi beschimpft, weil die sich für den Freedom Convoy aussprach.
Aber scheinbar ist man, sobald man was gegen die Regierung sagt, jetzt automatisch der böse Nazi.
Patrick King ist nachweisbar ein rechter Rassist. Außerdem ging es in dem Blogbeitrag um den NSU und auch Mörder.
Wo ich da jetzt Regierungskritiker mit Nazis gleichsetze, erschließt sich mir nicht.
Mag sein, dass er mal was Rassistisches gesagt hat, und das ist auch zutiefst abzulehnen.
ABER: Der Freedom Convoy als Protest fordert weder den Rauswurf der Ausländer noch irgendwas anderes Rassistisches. Der Protest hat mit dem Thema Ethnie und Rasse absolut rein gar nichts zu tun.
Deshalb wirkt das durchaus nach "im Dreck wühlen." Und ist eigentlich ne Art Ad Hominem Argument. Es wird nicht aud die Argumente des Streiks eingegangen, sondern implizit
"Der Streik, da ist auch ein böser Nazi dabei. Also ist der Protest direkt automatisch illegitim, denn ein Nazi hat automatisch unrecht."
Statt sich mal zu fragen, warum die Linke sich nicht für die Nöte dieser Arbeiterklasse einsetzt (was eigentlich deren Job ist) kommt die platte Nazi Keule.
ok, das ist Deine Interpretation.
Kanada ist weit weg und ich bekomme den dortigen Protest nur oberflächlich mit.
Mir ging es hier um die gezeigten Zusammenhänge und das Verhalten des genannten Rassisten.
Punkt.
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